Dienstag, 29. Dezember 2015

Rokokotheater Schwetzingen: Vinci/Händel - Didone abbandonata, 28.12.2015

Als Fan der Barock-Oper muß man das Heidelberger Theater und sein Programm "Winter in Schwetzingen"  (der dieses Jahr zum 10. Mal stattfindet) einfach mögen: Das schöne kleine Schwetzinger Rokokotheater ist der passende Ort für diese Opern. Heidelberg hat im Rahmen seiner Programmlinie der neapolitanischen Opernschule Raritäten von Alessandro Scarlatti (Marco Attilio Regolo, 2011), Nicola Porpora (Polifemo, 2012), Tommaso Traetta (Ifigenia in Tauride, 2013) und Niccolò Jommelli (Fetonte, 2014) gezeigt. Dieses Jahr folgt nun der Komponist Leonardo Vinci in einer Bearbeitung von Händel.

Montag, 28. Dezember 2015

Meyerbeer - Der Prophet, 27.12.2015

Auch 10 Wochen nach der Premiere (mehr hier) begeistert Meyerbeers Oper und gestern konnte man dafür den Lohn einfahren und vor einem ausverkauften Haus spielen: der Glückwunsch gebührt allen Künstlern und Musikern sowie der gegangenen Operndirektion für ihr wagemutiges Programm (eine Wagemut, der 2016/17 nicht fortgeführt zu werden scheint, man verlässt sich wahrscheinlich nach Meyerbeer für mindestens zwei Jahre auf konventionellere Werke und eine Uraufführung. Doch vielleicht hat man endlich einen originellen Plan für Wiederaufnahmen). Die großartige und überragende Ewa Wolak ist der Star dieser Produktion, mit welcher stimmlichen Dominanz und Dramatik sie die Fidès gestaltet, hat etwas Atemberaubendes.

Mittwoch, 23. Dezember 2015

Nachtrag zum 3. Symphoniekonzert: Der Komponist Anno Schreier

Im 3. Symphoniekonzert (mehr hier) glückte eine besonders spannende Uraufführung: Das Cellokonzert On A Long Strand des in Karlsruhe wohnenden Komponisten Anno Schreier. Nicht nur das Publikum war über das von Cellist Julian Steckel so innig gespielte Konzert begeistert, auch vom Dirigenten und dem Orchester hörte man, daß der Komponist seine Partitur perfekt vorbereitet hatte. Kurz: ein Cellokonzert, das unbedingt Eingang ins Repertoire der Cellisten finden sollte!

Der Karlsruher Musikjournalist Georg Waßmuth hat für den Südwestrundfunk 2011 ein kurzes Porträt Schreiers erstellt, das hier nachzuhören ist:
https://soundcloud.com/geowas/der-komponist-anno-schreier-portrat-fur-swr2?utm_source=soundcloud&utm_campaign=share&utm_medium=email


Und wer über die Feiertage noch weitere Entdeckungen machen möchte, kann hier einen größeren Bericht Waßmuths für den Deutschlandfunk anhören, in dem er den ebenfalls in Karlsruhe wohnenden Komponisten Matthias Ockert vorstellt:
https://soundcloud.com/geowas/dlf-atelier-neuer-musik?utm_source=soundcloud&utm_campaign=share&utm_medium=email

Freitag, 18. Dezember 2015

Delaporte / de la Patellière - Das Abschiedsdinner

Gemütlich geht es im Abschiedsdinner zu, man lacht und amüsiert sich, ohne sich zu verausgaben, man erlebt sehr gute Schauspieler und gut temperierte, lauwarme 90 Minuten, die schnell vorüber gehen. Doch Komödien können aufregender und lustiger sein, kontrastreicher zwischen heiß und kalt wechseln - ein solches Stück und die dazu erforderliche Inszenierung fehlen weiterhin in Karlsruhe und man wird nun den neuen Schauspieldirektor Axel Preuß ab 2016/17 daran messen können, ob endlich mal wieder eine rasante und aufregende Komödie auf den Spielplan kommt.

Sonntag, 13. Dezember 2015

Loewe - My fair Lady, 12.12.2015

Kehrtwende zur Nostalgie
Keine Entrüstung, keine Buhs, dafür einhelliger Jubel und viel Applaus - diesmal entstellte und verhunzte die aktuelle Intendanz kein beliebtes Werk und hat die Pflichtaufgabe, das Publikum nicht durch sinnschwache Ideen zu verärgern, bestanden. Die Kür blieb ähnlich überraschungslos wie bei der letzten Karlsruher Inszenierung im Jahr 1995: man verzichtet auf Modernisierung und Aktualisierung und bleibt im London des Jahres 1912, zeigt aufwändige Kostüme und Bühnenbilder und lehnt sich an den Film an. My fair Lady - das beliebte Nostalgie-Musical, bei dem viele immer noch sofort an die Verfilmung mit Audrey Hepburn denken - erlebt in Karlsruhe eine zeitlos klassische, wunderbar leichte, schwungvolle und geglückte Umsetzung mit einer klaren Betonung am Ende: Eliza will nichts mehr vom sturen Exzentriker Higgins wissen und verlässt ihn, und zwar "für immer", wie das Programmheft rabiat postuliert. Der Regisseur erlaubt sich dabei einen diskreten Scherz und belebt die flapsige Redewendung, daß zur Feministin wird, wer keinen Mann abbekommen hat. Dem Publikum gefiel's in hohen Maßen, vor allem die hinreißende Kristina Stanek überzeugte in der Hauptrolle als Eliza optisch und akustisch: eine bildhübsche Opernsängerin, die nicht nur singen kann, sondern auch überzeugend als Schauspielerin agiert - ein Auftritt, mit dem sie sich in die Herzen des Publikums singt und spielt.

Sonntag, 6. Dezember 2015

Vorschau: Die Spielzeit 2016/2017

Positionswechsel! Richtungswechsel?
Es wird spannend in der kommenden Spielzeit! Die zweite Hälfte der bisher so vielfältig problematischen Intendanz Peter Spuhlers beginnt. Mit dem fast noch neuen Operndirektor Michael Fichtenholz (der bisher überwiegend verwaltet haben wird, was sein Vorgänger konzipierte) und dem neuen Schauspieldirektor Axel Preuß (der wahrscheinlich schon wesentlich mitkonzipiert haben sollte, was und wer nächste Spielzeit zu sehen sein wird) wird es für die verbleibenden Jahre auch gestalterische Unterschiede geben, wenn ..... ja wenn die beiden denn eigene Richtungskompetenz haben und nicht nur als Erfüllungsgehilfen des Generalintendanten gelten sollen und wollen.

Freitag, 4. Dezember 2015

HfM Karlsruhe: Monteverdi - L‘incoronazione di Poppea, 03.12.2015

Claudio Monteverdis (*1567 †1643) spätes Meisterwerk Die Krönung der Poppea, uraufgeführt 1642 in Venedig, bietet als Opernprojekt der Karlsruher Hochschule für Musik für alle Opernfans mit barocken Neigungen einige bereits bemerkenswerte Stimmen, eine mit 11 Musikern etwas zu karg gespielte Fassung und eine lediglich arrangierende und auch für eine Hochschulaufführung ein wenig  inspirationsfreie Regie, die kaum eingreift und die Vorstellung wie ein konzertante Aufführung mit improvisierten Spielszenen wirken läßt.

Freitag, 27. November 2015

Tschaikowsky - Der Nußknacker, 26.11.2015

Der Dauerbrenner unter den Karlsruher Balletten 
Im Oktober waren zwei von drei Aufführungen des Nußknackers (mehr dazu auch in der Übersicht hier) bereits ausverkauft, für die dritte Vorstellung an Weihnachten gab es nur noch wenige freie Plätze. Es scheint sich herumgesprochen zu haben, welch Stimmungsmacher das Badische Staatsballett im Winter für wenige Vorstellungen nun schon fast traditionell bietet.

Mittwoch, 25. November 2015

Bruckner - Die Kinder des Musa Dagh, 24.11.2015

Zu bieder, zu harmlos, zu langweilig
Die Kinder des Musa Dagh mißlingen in Karlsruhe zu einer biederen Geschichtsdokumentation mit Spielszenen. Warum erneut kein bemerkenswerter Theaterabend entstand, erklärt sich aus den bisherigen Schwächen des scheidenden Theaterdirektor Jan Linders: man präsentiert dem Karlsruher Publikum veganes Gesinnungstheater - es ist bestenfalls gut gemeint und stets bemüht. Konzipiert nicht aus künstlerischen Gründen, sondern aus Berechnung: man will Themen verwerten, Bedeutung durch scheinbare Aktualität behaupten, man will mit aller Macht "berührend" und relevant wirken. Doch die vermeintlich guten Absichten summieren sich erneut zur Formlosigkeit mit geringem Kunst- und Bühnenwert. Saft- und kraftlos und ohne bemerkenswerte Phantasie schleppt sich dieser Theaterabend dahin - ein freiwilliger Verzicht auf Lebendigkeit zugunsten vorgetäuschten Pseudo- und Ersatz-Theaters. Wo diese Inszenierung interessant ist, ist sie nicht Theater, sondern Dokumentation.

Dienstag, 24. November 2015

3. Symphoniekonzert, 23.11.2015

Begeisterter Applaus und Bravo-Rufe bekamen gestern der texanische Dirigent Robert Trevino und eine hochmotivierte Badische Staatskapelle für eines der elektrisierendsten Konzerte seit langem!

Samstag, 21. November 2015

Tschechow - Drei Schwestern, 20.11.2015

Trotz vieler Abgänge im Ensemble ist Anna Bergmanns diskutable, lustige und spannende Inszenierung (mehr auch hier) personell fast unverändert und birgt weiterhin Entdeckenswertes.

Montag, 16. November 2015

Neuer Schauspiel-Direktor ab 2016/2017

Seit dem Wochenende brodelte es in der Gerüchteküche, heute wurde die Überraschung bereits bestätigt: Jan Linders gibt seinen Posten als Schauspieldirektor zum Ende der Spielzeit auf, bleibt allerdings am Haus:

Sonntag, 15. November 2015

Das Kleine Schwarze / The riot of spring, 14.11.2015

Wie gewohnt langer Applaus und viel Jubel zur ersten großen Ballettpremiere der Saison. Die Erwartungshaltung beim Karlsruher Publikum war hoch und wurde erfüllt, doch es ist vor allem der zweite Akt, der Begeisterung auslöste und den Abend zum erfolgreichen Ereignis machte.

Sonntag, 8. November 2015

Verdi - Falstaff, 07.11.2015

Was für eine großartige Falstaff-Vorstellung! Erneut wurde ein hochkarätiger Gast für die Titelrolle in Verdis letzter Oper engagiert und nach Ambrogio Maestri bei der vorangegangenen Produktion und Pietro Spagnoli hatte man gestern am Badischen Staatstheater mit Nicola Alaimo eine weitere Spitzenbesetzung zu bieten.

Samstag, 7. November 2015

Armin Kolarczyk zum Kammersänger ernannt

Er ist zur Zeit DIE Stimme des Badischen Staatstheaters, kein anderer Sänger hat so spannende Rolleninterpretationen in den letzten Jahren geliefert als der seit 2007 im Karlsruher Ensemble befindliche Armin Kolarczyk (mehr auch hier und hier), der heute Abend den Titel als Kammersänger verliehen bekommen hat. Ob als Marquis von Posa, Jago, Graf Almaviva, Barbier von Sevilla, Schwarzer Geiger, Wolfram, Oppenheimer oder Beckmesser - Kolarczyk gestaltet seine Rollen mit großer Stimme und starker Bühnenpräsenz. Ein Sänger, um den man ein Repertoire bauen kann und muß. Man kann gespannt sein, was die kommenden Spielzeiten für ihn bieten. Diese Saison wird er den Kurwenal in Tristan und Isolde, Donner im Rheingold sowie Higgins in My Fair Lady darstellen, in Bayreuth wird er 2017 debütieren. Die herzlichen Glückwünsche vieler Opern-Fans sind ihm gewiß!

Freitag, 30. Oktober 2015

Festspielhaus Baden-Baden: Vivaldi - La fida ninfa, 29.10.2015

In Karlsruhe wird man jährlich bei den Händel Festspielen im Februar mit Barockmusik verwöhnt, das ca. vierzigköpfige Karlsruher Festspiel-Orchester, die Deutschen Händel-Solisten, sind einer der großen Pluspunkte des Festivals, mit denen Barockmusik stimmungsvoll zu Gehör gebracht werden kann. Wenn man dann in Europas größtem Opernhaus in Baden-Baden 23 Musiker für Vivaldi aufbietet, dann wirkt das etwas knapp dimensioniert und tatsächlich gelegentlich etwas dünn im Klang, doch mit dem großen Vivaldi-Dirigenten Andrea Marcon erzielte man gestern einen wunderbar rhythmischen und teilweise fetzigen Klang und eine beglückende Vivaldi-Interpretation. 

Dienstag, 27. Oktober 2015

2. Symphoniekonzert, 26.10.2015

Geheimnisvoll und rätselhaft ist die Aura um die Unvollendete, die 1822 unterbrochene Symphonie in h-moll von Franz Schubert, wie der Soundtrack zu einer Erzählung der Romantik. Ein düsterer Beginn und dramatische Steigerungen, dazwischen singende Oboen und Klarinetten (es wird mal wieder Zeit für Schuberts große C-Dur Symphonie im Konzertprogramm!) - vom ersten Takt gelingt Justin Brown eine atmosphärisch dichte und spannende Interpretation.

Montag, 19. Oktober 2015

Meyerbeer - Der Prophet, 18.10.2015

Eine Grand Opéra als große Oper     
84 Jahre lang hat man am Badischen Staatstheater keine Oper von Jakob Meyer Beer alias Giacomo Meyerbeer mehr gespielt, das opulente, fünfaktige Musikdrama Le Prophète gab es in Karlsruhe seit 94 Jahren nicht mehr zu hören. Die gestrige Rückkehr endete vom Publikum umjubelt mit viel Applaus für alle, musikalisch hochwertig mit einer mit Bravo-Rufen überschütteten Altistin Ewa Wolak in der schweren Rolle der Fidès. Die spannende Regie rehabilitierte Meyerbeer indem sie das betonte, was man Meyerbeer oft vorwarf: sie betont die szenische Kraft, das äußerlich Dankbare, das Sensationelle, Effekt auf Effekt wie ein Varietéprogramm - eine Oper als Plakat, eine Inszenierung, die fast kein Klischee bei der Durchführung ihrer Idee ausläßt. Es scheint als könnte man vieles von dem, was die Kritik im 19. Jahrhundert dazu beitrug, um Meyerbeer von den Bühnen verschwinden zu lassen, nun anführen, um den szenischen Premierenerfolg zu erklären.

Donnerstag, 15. Oktober 2015

SWR Internet-Hinweis: 300 Jahre Musik in Karlsruhe

Der SWR hat eine interessante kleine Reihe über Karlsruher Persönlichkeiten des Musiklebens zum 300. Stadtgeburtstag aufgelegt und kurze Berichte zum Lesen und Anhören bereit gestellt, unter anderem auch vom Karlsruher Rundfunk-Musikjournalisten Georg Waßmuth. Neben bekannten Namen wie Felix Mottl, Hermann Levi, Joseph Keilberth, Frithjof Haas findet man bspw. auch interessante Berichte über die Gesangspädagogin Emmy Seiberlich oder den Dramaturgen Bernd Feuchtner.
Das alles findet sich hier:
http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/cluster/300-jahre-musik-in-karlsruhe/-/id=10748564/did=15681082/nid=10748564/1uce034/index.html

Mittwoch, 14. Oktober 2015

Große Opernsänger in Karlsruhe

Ist das die Handschrift des bisher unauffällig gebliebenen Operndirektors Michael Fichtenholz? Für die Spielzeit 2015/2016 kündigt man einige große Namen an, die man hören sollte: neben den in Karlsruhe bekannten Franco Fagioli, Max Emanuel Cencic und Valer Sabadus sind das insbesondere bei den Händel Festspielen 2016 die kanadische Sopranistin Karina Gauvin (die auch zahlreiche beachtenswerte CD-Aufnahmen in ihrer Diskographie hat), die schwedische Mezzosopranistin Ann Hallenberg (die gerade erst mit der CD Arien für Marchesi eine für Barock-Fans hochbeachtenswerte Einspielung vorgelegt hat in der sie Franco Fagioli in Sachen Koloratur und Ornamentierung Konkurrenz macht), die junge russische Sopranistin Julia Lezhneva (die sich bereits von vielen Seiten Vorschußlorbeeren verdient hat) oder Layla Claire (die gerade im Blog Opernschnipsel in höchsten Tönen gelobt wird). Betrachtet man das Aufgebot für die Operngalas mit Sängern wie Vivica Genaux, Laura Claycomb, Nicola Alaimo und Stephen Gould, steigt die Vorfreude weiter. Wenn das ein Trend für die kommenden Jahre ist, dann darf sich Fichtenholz dafür auf viel Lob vorbereiten.

Montag, 5. Oktober 2015

Die Affäre Spuhler .... und kein Ende!?!

Vor wenigen Monaten kochte die Stimmung zwischen Generalintendant Peter Spuhler und dem Badischen Staatstheater so sehr über, daß der Karlsruher Oberbürgermeister Mentrup schlichtend eine Mediation veranlasste, die von der Fuhrmann Leadership GmbH durchgeführt wurde, um eine  Koexistenz oder vielleicht sogar ein Miteinander zwischen festen Mitarbeitern einerseits und dem unbeliebten Intendanten andererseits zu ermöglichen. Es hat den Anschein, als hätte der Steuerzahler das Geld nur zu Alibi-Zwecken ausgegeben. Solange Intendanz und Mitarbeitervertretung des Badischen Staatstheaters die Presse nicht mit einem Erfolgsbericht über geglückte Anpassungen und Optimierungen aufgrund der Ergebnisse des Mediators versorgen, darf man von einer teuren Farce der Politik ausgehen, mit der man dem Intendanten Luft und Zeit verschaffen wollte. Weitere Gegendemonstrationen, vielleicht sogar Vorstellungsausfälle und Maßnahmen wie Unterschriftenaktionen und Handzettel für das Publikum, um auf die Mißstände unter Intendant Spuhler aufmerksam zu machen, konnten dadurch vermieden werden. Diente der Mediator also nur der vorübergehenden Deeskalation und Ruhigstellung von Öffentlichkeit und Mitarbeitern?

Freitag, 2. Oktober 2015

Besetzung der Operngalas 2015/16

Das lange Warten hat sich gelohnt! Michael Fichtenholz hat spannende Namen für die Operngalas zu bieten:

Shakespeare - Hamlet, 30.09.2015

Vorab aus doch bemerkenswertem Anlaß mit gewissem Seltenheitswert in den letzten Jahren ein erstes Fazit: mit Spamalot, Love hurts und Hamlet gelingt dem Karlsruher Schauspiel ein ordentlicher und guter Start in die neue Spielzeit!

Hamlet vor der Hüpfburg 

Eine riesige aufblasbare Hüpfburg als dominantes Bühnenbildelement für den Königshof dürfte vorab bei einigen Skepsis hervorgerufen haben. Zu Unrecht! Der neue Karlsruher Hamlet hat viele gute Momente und spannende Szenen, die Inszenierung ist gekonnt mit einfallsreich und überraschend komponierten Szenen. Einiges gelingt, doch eines mißlingt - man kann sich nicht entscheiden, was man will. Zur Tragödie fehlt die Fallhöhe und Anteilnahme, zum Drama oft der Biß, immer wieder werden Szenen entschärft und zu viel verulkt. Zum Klamauk-Komödie fehlt manchmal nicht viel, aber das ist auch nicht Hamlet. Es ist eine Unausgewogenheit des Ausdrucks und eine halbfertige, nicht zu Ende gedachte Personenregie, die diesen Hamlet nicht zum Ereignis werden lassen: es fehlt das Abgründige, das Existentielle und der Zwiespalt. "Sein oder nicht sein" oder vielleicht doch irgend etwas dazwischen? -  etwas mehr Unbedingtheit des Konflikts hätte es schon sein können. So wird in diesem Hamlet kein Bogen geschlagen, sondern sich von Szene zu Szene gehangelt. Vom Schluß betrachtet summieren sich die guten Szenen nicht zum überzeugenden Gesamterlebnis.

Love Hurts, 01.10.2015

Auf Kuschelkurs
70 Jahre Kriegsende und 50 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel - da wird das Staatstheater zum Staats-Theater und ist offiziell am Programm zur Feier beteiligt. Die gestern gezeigte Koproduktion mit dem Teatron Beit Lessin, dem zweitgrößten Theater Israels, wird zweistaatlich gefördert. Ein israelisch-deutsches Team vor und hinter der Bühne präsentiert eine empfehlenswerte, gut gemachte und in der Grundhaltung amüsante Rückschau. Man blieb bei diesem "Deutsch-Israelischen Rechercheprojekt" dokumentarisch, zwischenmenschlich und meistens rückwärts blickend - aber das scheint wohl der Zustand des deutsch-israelischen Verhältnisses zu sein. Zuspitzungen traut man sich kaum, Themen wie der Gaza-Krieg und seine Folgen und der neue Antisemitismus werden weitestgehend ausgeblendet. Wenn man an dieser Produktion etwas kritisieren möchte, dann daß sie die unschöne Aktualität fast komplett ausblendet und einen kuscheligen Konsensabend zum Wohlfühlen herbeispielt, der so vor 20 Jahren große Aussagekraft gehabt hätte. Heute wirkt er zu politisch korrekt auf Ausgleich bedacht, wo man Deutschen und Israelis inzwischen mehr Realitäten zumuten sollte.

Dienstag, 29. September 2015

Samstag, 26. September 2015

Monty Python - Spamalot, 25.09.2015

Wer Musicals und Materialschlachten mag, darf sich freuen. Das Programmheft stellt klar: "Ungefähr 170 Kostüme, gut 50 Perücken und Haarteile, unzählige schnelle Umzüge hinter der Bühne - damit ist Monty Python's Spamalot die aufwändigste Produktion ... seit langem." Man gibt sich viel Mühe am Badischen Staatstheater (manch einer würde sich den Aufwand in Oper und Schauspiel wünschen!), um einen Erfolg zu erzwingen - immerhin ist das Haus durch qualitätsschwache Inszenierungen in Schauspiel und Oper und die negativen Schlagzeilen um den Intendanten Peter Spuhler ins Gerede gekommen, es drohen weitere Publikumsabwanderungen, das Haus steht vier Jahre nach der Intendanzübernahme nicht so gut da, wie man es erwarten kann und muß. Karlsruhe und Umland boomen und wachsen, am Staatstheater fehlt ein durchdachtes Konzept. Spamalot muß ein Erfolg werden - deshalb gab das Staatstheater die Regie ab, und zwar an Ingmar Otto, den Intendanten des Karlsruher Kammertheaters, der (im Gegensatz zu seinen lediglich administrierenden und delegierenden Kollegen in der Theaterleitung des Staatstheaters) selber künstlerisch tätig ist und weiß, wie man inszeniert. Und Spamalot wird wohl auch ein Erfolg, denn es ist wirklich ein opulent und einfallsreich in Szene gesetztes und von allen Beteiligten hochmotiviert umgesetztes Musical bei dem man sich stets amüsiert. 

Donnerstag, 24. September 2015

Symphoniekonzerte 2015/16

Ungewöhnlich spät hat man diesmal erst alle Programmpunkte zusammen, bis zuletzt hat man die Zusammenstellung geändert. Und das obwohl man sich einen "Orchesterdirektor" und einen "Stellvertretenden Orchesterdirektor" leistet. 2014/15 war ein Ruhmesblatt für Justin Brown und die Badische Staatskapelle, in der kommenden Spielzeit wird man wieder etwas traditioneller:

Verdi - Falstaff, 23.09.2015

Weiterhin viel Spaß und sehr gute musikalische Eindrücke liefert der Karlsruher Falstaff. Gegenüber der Premiere im Juli gibt es nun auch alternative Besetzungen zu hören.  

Sonntag, 20. September 2015

Theaterfest, 19.09.2015

Das Badische Staatstheater hat seit dem Intendanzbeginn Peter Spuhlers ein ständiges Problem mit Qualität und Format. Das zeigte sich auch gestern. Der wie üblich ausverkaufte Spielzeit-Cocktail, moderiert wie seit vielen Jahren üblich von Heiner Kondschak, hatte wenige starke und einige sehr schwache Momente. Die Sparten wurden nicht mehr getrennt, sondern präsentierten sich mit einzelnen Programmpunkten abwechselnd - eine gute Neuerung; der Unterhaltungswert stieg deshalb aber (noch) nicht, nur wenige Male sprang ein Funken über. Zu hören und sehen waren u.a.

Montag, 14. September 2015

Programm des Karlsruher Theaterfests und Spielzeitcocktails am 19.09.2015

Eröffnung des Theaterfests  und Begrüßung durch Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup und Generalintendant Peter Spuhler
11.00  GARTENBÜHNE VOR DEM THEATER

Weitere Programmpunkte sind u.a.:

Freitag, 4. September 2015

Versteckte Preiserhöhungen am Staatstheater

Am Badischen Staatstheater betont man in den letzten Jahren ja gerne, wie "politisch" man doch sei. Aufmerksame Beobachter werden dem vielleicht widersprechen, denn als politisch verstehen einige vielleicht doch eher, kritische und unbequeme Fragen zu stellen und nicht, politisch korrekt den Zeigefinger zu erheben. Aber darüber ein anderes mal mehr. Ein wichtiges Indiz sind Handlungen, nicht Worte oder Bekenntnisse, und es wird einigen bereits aufgefallen sein, daß man im Großen Haus jahrzehntelang Bewährtes kippt, ein neues Modell für die Kategorien der Sitzplätze etabliert und damit heimlich die Preise erhöht hat. Intendant Spuhler "wirtschaftsliberalisiert" die Zuschauerstruktur mit der unschönen Konsequenzen, daß ein Drittel der Sitzplätze der beiden günstigsten Preiskategorie wegfallen. Folgende Änderungen gibt es:

Dienstag, 1. September 2015

Deutschlandfunk-Musikfeature: "Auf nach Carols-Ruhe"

Der Hinweis erreichte mich leider zu spät: Am 31.08.2015 berichtete der Deutschlandfunk über die Badische Staatskapelle und ergänzte seinen Programmhinweis mit den schönen Worten:
"Aus dem Kulturleben der lebendigen Großstadt ist die Badische Staatskapelle Karlsruhe heute als Imageträger und Aushängeschild mit ihren vielfältigen Aktivitäten nicht mehr wegzudenken."
Hier der Link zum Deutschlandfunk: http://www.deutschlandfunk.de/die-badische-staatskapelle-karlsruhe-auf-nach-carols-ruhe.1992.de.html?dram:article_id=326346

Der in Karlsruhe ansässige Musikjournalist Georg Waßmuth, der den hochinteressanten und unbedingt hörenswerten 50minütigen Beitrag gestaltete, wird vorübergehend einen Mitschnitt der Sendung zum Anhören zur Verfügung stellen, und zwar hier:
https://soundcloud.com/geowas/auf-nach-carols-ruhe-die-badische-staatskapelle-karlsruhe?utm_source=soundcloud&utm_campaign=share&utm_medium=email

Die kommende Spielzeit 2015/16 im Überblick

Im fünften Jahr seiner Intendanz gibt Peter Spuhler dem Publikum folgendes Rätsel auf: "Für mich ist das vorliegende Programm mit zahlreichen Herzensprojekten das schönste der Jahre, die ich bisher in und für Karlsruhe verantworten durfte." Über diese Herzensprojekte kann man thematisch und programmatisch rätseln. Tatsächlich gibt es einige Umstellungen zu beobachten:               

Donnerstag, 6. August 2015

Franco Fagioli unterzeichnet Exklusivvertrag mit DG

In Karlsruhe wird man sich für den Publikumsliebling Franco Fagioli freuen: Die Deutsche Grammophon hat ihn verpflichtet. Fagioli ist der erste Countertenor, den das gelbe Label unter Vertrag nimmt. Glucks Oper Orfeo ed Euridice erscheint im September, ein Soloalbum soll 2016 erscheinen. Die Pressemitteilung findet sich hier: http://www.deutschegrammophon.com/de/gpp/index/franco-fagioli-signing
Finanziell bestimmt einträglich für Fagioli, aber ob es künstlerisch wirklich die besonderen und erinnerungswürdigen Referenz-Aufnahmen sein werden oder doch -wie einige vielleicht befürchten- mehr kommerziell ausgerichteter Mainstream, bleibt abzuwarten.

Bei den Karlsruher Händel Festspielen 2016 wird Fagioli zwei mal auftreten. Im Eröffnungskonzert am 12.02.16 und in einem Solokonzert am 22.02.16.
Karten dafür gibt es bereits hier: http://www.staatstheater.karlsruhe.de/programm/haendel-festspiele/

Mittwoch, 5. August 2015

Magazin Nr.16 im Internet abrufbar

Wem die Wartezeit bis zum Beginn der neuen Spielzeit bereits etwas lang wird, kann sich das neue Magazin des Badischen Staatstheaters anschauen. Es enthält Konkretes zu Meyerbeers Propheten, aber fast nichts über Shakespeares Hamlet (außer, daß das Bühnenbild eine Hüpfburg sein wird .... was auf einige unmittelbar abschreckend wirken dürfte), sonst eine typische Mischung aus sehr leichten Appetit-Infos mit wenig Aussagekräftigem.

Anzuschauen ist das Magazin aktuell leider nur sehr unkomfortabel, wer sich registriert, kann es auch als pdf speichern und öffnen:
http://issuu.com/staatstheater_karlsruhe/docs/magazin_nr.16/1?e=4591413/14376647

Freitag, 24. Juli 2015

Rückblick (2): Die Spielzeit 2014/15 des Badischen Staatstheaters

Gesunkene Zuschauerzahlen und schlechte Stimmung
Tja, was war das denn jetzt in der Spielzeit 2014/15? Eigentlich eine künstlerisch interessante und akzeptable Spielzeit, doch mit einen Stimmungstief am Badischen Staatstheater. Peter Spuhler sorgte dafür, daß das Karlsruher Staatstheater negativ in die Schlagzeilen kam. Die Eskalation und der Ärger rund um das Verhalten des Intendanten lenkten die Aufmerksamkeit auf die Probleme in der Baumeisterstraße statt auf die Bühnenkünstler. Doch es lag nicht daran, daß das treue Karlsruher Publikum seltener kam: Um über 4 Prozent auf ca. 290.000 besetzte Plätze sollen die Besucherzahlen 2014/15 in Karlsruhe gesunken sein. 2013/14 wurden ca. 305.000 Eintrittskarten für Vorstellungen des Badischen Staatstheaters abgesetzt. Es scheint mir eher eine normale Schwankung und kein zusätzlicher Abwärtstrend zu sein.

Künstlerisch gab es einige bemerkenswerte Augenblicke, große Abende und bravouröse Leistungen, und zwar

Dienstag, 21. Juli 2015

8. Symphoniekonzert, 20.07.2015

Die Ouvertüre zu Bedřich Smetanas Oper Die verkaufte Braut stimmte gestern schwungvoll und rasant in das letzte Konzert der Spielzeit ein.

Montag, 20. Juli 2015

Festspielhaus Baden-Baden: Mozart - Die Hochzeit des Figaro, 19.07.2015

In Baden-Baden setzt man bei Mozart auf Luxus-Besetzungen und große Namen und auch gestern gab es verdientermaßen viel Begeisterung, denn es gab eine Mozart-Oper als hoch inspiriertes Sänger-Fest zu hören. Ob es in den letzten Jahren live einen besser besetzten Figaro überhaupt irgendwo zu bestaunen gab? Ein "Event", das tatsächlich Ereignis war!

Montag, 13. Juli 2015

Verdi - Falstaff, 12.07.0215

Gute Nachrichten zur letzten Opern-Premiere der Spielzeit: keine Selbstdarstellung, keine Wichtigtuerei, keine Eitelkeiten - nicht Intendanz und Regie, sondern Werk, Künstler und Publikum stehen im Mittelpunkt. Der neue Falstaff macht Freude, vor allem sängerisch! Und damit ist praktisch schon fast alles gesagt. Schade, daß die Opern-Fans zuletzt Karlsruhe (oder doch eher der Karlsruher Intendanz?) ein wenig den Rücken gekehrt zu haben scheinen und die Premieren und Vorstellungen sich entleeren. Falstaff hat ein volles Haus verdient.

Freitag, 3. Juli 2015

Opéra Garnier, Paris: Gluck - Alceste, 01.07.2015

Daß die Iphigenie en Tauride am Badischen Staatstheater trotz kleiner Defizite (sängerisch schön, musikalisch etwas zu stark auf Schönklang getrimmt, szenisch zwar spannend und gelungen, aber mit unnötiger und substanzloser Wichtigtuerei) ein gutes Niveau  erreicht, zeigt ein prominenter Vergleich. Für einen Vorstellungsbesuch von Glucks Alceste in der Pariser Opéra Garnier gibt es derzeit gute Gründe:

Sonntag, 28. Juni 2015

Mozart - Cosi fan tutte, 27.06.2015

Fülle des Wohllauts
Ein hochklassiger Mozart-Abend zum Schwärmen, kurzweilig dargeboten und mit ansteckender Spielfreude aller Beteiligten präsentiert. Und nachdem 2015 bisher durch das Unverständnis und den Ärger am Badischen Staatstheater über das Verhalten des Generalintendanten Peter Spuhler geprägt ist, dominierten gestern endlich mal wieder die Bühnenkünstler das Geschehen und ließen die Sorgen und Nöte vergessen.

Donnerstag, 18. Juni 2015

Rückblick (1): Zwischen Unruhe und Krise

Es ist noch nicht mal Halbzeit, gerade erst neigt sich das vierte der zehn Dienstjahre der Intendanz Peter Spuhlers dem Ende zu und doch warten bereits einige auf den Wechsel und wünschen sich einen Nachfolger. Wie konnten die ersten Jahre so schief laufen, daß der Karlsruher Oberbürgermeister Mentrup sich gezwungen sah, einen Vermittler schicken zu müssen und auch selber dazu beitragen möchte, um die Konfrontation zwischen dem Badischen Staatstheater und seinem Generalintendanten zu deeskalieren? Und auch das aufmerksame Publikum kam in den letzten Jahren nicht umhin, sich über einige Maßnahmen und Entscheidungen zu wundern und wiederholt mangelnde Qualität und Kontinuität anzumahnen.

Sonntag, 14. Juni 2015

Gluck - Iphigenie auf Tauris, 13.06.2015

Die taurische Iphigenie hinterließ bei der gestrigen Premiere einen zwiespältigen Eindruck: ein sensationeller Armin Kolarczyk, eine sehr gute musikalische Umsetzung und eine konventionelle und nett arrangierte Inszenierung, die ganz ohne Einfälle und Überraschungen daherkommt und bei der sich das Regieteam selber im Weg steht: man wollte eine Inszenierung mit einer Moralpredigt verknüpfen - wo das passiert, ist das Ergebnis Kitsch. Die gestrige Aufführung war erneut ein Beispiel dafür, daß  ein plakatives 'gut gemeint' synonym ist zu künstlerisch 'Thema verfehlt'.

Das ist umso bitterer, weil man gestern nicht nur Gluck auf die Bühne brachte, sondern auch theaterfremde Menschen. Das Karlsruher Theater engagierte Asylbewerber als Statisten - das hat aber leider in diesem Fall weder einen künstlerischen noch einen inhaltlichen Mehrwert, sondern hinterließ bei genauer Analyse und angesichts der künstlerisch banalen Umsetzung einen unschönen Verdacht, der sich bei der Intendanz Petzer Spuhlers schon zuvor einstellte: ein opportunes Thema wird relativiert und instrumentalisiert, um Aufmerksamkeit zu generieren. Es bleibt das ungute Gefühle, daß hier Menschen wie bei einer Zirkusattraktion verwertet werden: sie sind das Mittel, der Zweck ist die Außenwirkung für das Theater. Hauptsache man ist in den Medien und im Gespräch.

Donnerstag, 11. Juni 2015

Tamara Gura im Interview

Auf den Seiten der Opera Lounge befindet sich ein Interview mit der früheren Karlsruher Sängerin Tamara Gura, in dem die Mezzosporanistin auch über schöne Erinnerungen an ihre Ensemblezeit am Badischen Staatstheater berichtet:

"Meine Zeit in Karlsruhe war sehr wichtig für mich. Das Badische Staatstheater ist ein tolles Haus und ideales Sprungbrett für viele Sänger. Das war es auch für mich. Ich habe dort wichtige Partien wie Rosina, Idamante, Cherubino, Dorabella, Hänsel, Radamisto und Sesto gesungen. In Karlsruhe konnte man auch das Stammpublikum sehr gut kennenlernen. Ich denke immer noch gerne an die vielen Gespräche mit den Opernbesuchern zurück."

Das ganze Interview befindet sich hier:
http://operalounge.de/features/portraits-interviews/tamara-gura

Freitag, 5. Juni 2015

Camus - Das Mißverständnis / Lotz - Die lächerliche Finsternis, 04.06.2015

Großes Theater! Zwei interessante Gastspiele an einem Abend - Graz und Wiesbaden, ein schon klassischer, etwas über 70 Jahre alter Text in einer ungewöhnlichen und spannenden Inszenierung mit lebensgroßen Puppen und etwas Neues, Zeitbezogenes mit wahrscheinlich kurzer Bühnen-Halbwertszeit in einer ebenfalls überzeugenden und einfallsreichen Inszenierung.
Spannend bei dieser Gegenüberstellung an einem Abend ist die Herangehensweise der Autoren, die spontan folgende Vergleichsmöglichkeiten aufwerfen können: beide Stücke sind Reisen in eine triste Welt, beide enden mit einem Mord, Camus' 1944 uraufgeführter Text ist eine Geschichte über Sinnlosigkeit als Tragödie, Lotz' 2014 uraufgeführter Text hingegen ist eine sinnlose Geschichte als Groteske. Bei Camus ist das Sein absurd, bei Lotz das Handeln, Camus ist Humanist, Lotz ist Moralist.

Dienstag, 2. Juni 2015

Armin Kolarczyk in Bayreuth

Was für eine schöne Meldung für Armin Kolarczyk! In Bayreuth ist er bei den Meistersinger von Nürnberg als Zweitbesetzung des Sixtus Beckmesser dabei und alle in Karlsruhe wissen, daß er dort auch als Erstbesetzung erfolgreich wäre, und vielleicht ergibt sich ja für ihn die Möglichkeit, von der aktuellen Erstbesetzung des Konrad Nachtigall auf die größere Rolle zu rutschen. Glückwunsch!

Sonntag, 31. Mai 2015

Tschechow - Drei Schwestern, 30.05.2015

Tschechows Drei Schwestern (mehr dazu auch hier) sind ein Glücksfall. Regisseurin Anna Bergmann hat eine so handlungs- und assoziationsreiche Inszenierung geschaffen, daß man auch beim wiederholten Besuch immer noch etwas Neues entdecken kann und bemerkt, wie geschickt sie bspw. die Textstellen, die sich etwas ziehen oder für heutige Ohren zu hypothetisch bleiben, durch Hintergrundhandlungen aufwertet. Vor allem ermöglicht sie den Schauspielern großartige Szenen und motiviert sie zu einer Spielfreude, die einfach ansteckend ist.

Freitag, 29. Mai 2015

Ingrid Lausund - Zuhause, 28.05.2015

Zum Abschluß der Schauspielsaison hat man eine gute Wahl getroffen. Ingrid Lausund gehört zu den meistgespielten Autorinnen auf deutschsprachigen Bühnen. Benefiz - Jeder rettet einen Afrikaner hatte letzte Spielzeit in Karlsruhe Premiere. Dieses Jahr bringt man nun sechs der zwölf tragikomischen Prosastücke aus Bin nebenan - Monologe für zuhause auf die Bühne, die das Karlsruher Publikum gestern zum ersten Mal begutachten konnte. Lausund gelingt im Buch ein Zeit- und Sittengemälde par excellence; in Karlsruhe wird das mit teilweise guten Ideen und gelegentlich ein bißchen zu wenig Prägnanz umgesetzt.

Freitag, 22. Mai 2015

Stockmann - Tod und Wiederauferstehung der Welt meiner Eltern in mir, 21.05.2015

Kapitalismus? Ein harmloses Vergnügen!
Was für eine Überraschung! Da wird man am Badischen Staatstheater nicht müde zu betonen, wie politisch man doch sei, man schwenkt den moralischen Zeigefinger, fokussiert sich auf Minderheiten und zeigt klar, wen man nicht im Theater sehen will. Die Mär vom "Theater für alle", vom gesellschaftlichen Treffpunkt für alle, hat schon lange ausgedient. Nun bringt dieses Theater "ein Sittenbild, bzw. eine Auseinandersetzung mit den inneren, psychosozialen Aspekten des [..] Kapitalismus", so der Autor Nis-Momme Stockmann über Tod und Wiederauferstehung der Welt meiner Eltern in mir. Es ist ein Stück über die Auswirkungen der Bankenkrise und handelt von Orientierungslosigkeit und Überforderung, Ausnutzung und Verzweiflung - also ambitioniertes, aktuelles politisches Theater über das große Ganze. Doch in Karlsruhe macht man daraus einen unpolitischen und kritikfreien fluffig-ulkigen Abend mit Laienchor und dem Charme einer Klamotte - das ist unterhaltsam, mit teilweise starken lustigen Szenen und doch bleibt das Gefühl, daß Stockmanns Text unter Wert gezeigt wird.

Freitag, 15. Mai 2015

Wagner - Parsifal, 14.05.15

Die gestrige Parsifal-Vorstellung mit Kurt Rydl, Michaela Schuster und Erik Nelson Werner war das Eintrittsgeld definitiv wert - große Sänger in einer im Vergleich zur Premiere verbesserten Aufführung, bei der im ersten Akt die Inszenierung allerdings an zwei Stellen geändert war.

Dienstag, 5. Mai 2015

7. Symphoniekonzert, 04.05.2015

Beethoven, Schumann und Mendelssohn - ein klassisch-deutsches Konzert, das gestern ausverkauft war und viel gute Laune verbreitete.

Freitag, 1. Mai 2015

Tschechow - Drei Schwestern, 30.04.2015

Das Schöne an dieser Inszenierung, bereits bei der Premiere (mehr hier) und auch gestern, ist, daß es hier endlich mal wieder gelingt, alle Schauspieler in den Mittelpunkt zu stellen: solistisch und im Ensemble. Es passiert mehr auf der Bühne als man bei einem Besuch beobachten kann, ständig kann man voll konzentrierter Freude neue Entwicklungen und Eindrücke einfangen. Die Regisseurin Anna Bergmann hat für jede Rolle ein Konzept, alle Schauspieler nutzen die Chance und zeigen ihr Potential.  Es gibt einiges auf der Bühne, das durchaus inszenatorisch diskutabel ist; doch die Spielfreude und Stimmung der Schauspieler macht die Aufführung zu einem wunderbar kurzweiligen Abend, bei dem die positiven Eindrücke durch die Akteure die Waagschale klar zum Erfolg wenden. Die rückwärtige Entwicklung ausgehend von Verzweiflung, Stillstand und Lethargie vom Beginn im vierten Akt hin zum ausgelassenen, heiteren und glücklichen ersten Akt am Schluß - man gönnt den Figuren die Leichtigkeit als Lebensentwurf angesichts des verkrampften Schluß am Anfang.

Sonntag, 26. April 2015

Ballett: Kafka - Der Prozess, 25.04.2015

Es gab gestern langanhaltenden Applaus nach der pausenlosen 75-minütigen Frühjahrs-Ballettpremiere, vor allem für den ersten Solisten Flavio Salamanka. Es gibt viel Sehens- und Bemerkenswertes bei dieser Uraufführung. Der Prozess wird optisch dominiert durch eine großartige Bühnenbildinstallation von rosalie. Dennoch ist dieses Ballett weniger überzeugend als erwartet: choreographisch und dramaturgisch fehlt die innere Kohärenz, denn auch wenn auf dem Etikett Kafka und Der Prozess steht - inszeniert hat man ein fast abstraktes Ballett, dessen kaum erkennbare Handlung mit Kafka nur noch als Ahnung in Zusammenhang steht. Das Ganze ist hier weniger als die Summe seiner Teile.

Montag, 20. April 2015

Europas Opern-Boom

Journalist Ralph Bollmann hat in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung einen interessanten Artikel geschrieben:

"Renaissance der Musiktheater
Der große Opern-Boom
Kein Geld für Kultur? Von wegen! Überall in Europa eröffnen neue Musiktheater. Sie stehen für wirtschaftlichen Aufschwung und Selbstbewusstsein der Regionen.

............."
         
Der ganze Artikel findet sich hier:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buehne-und-konzert/opern-boom-europaweit-eroeffnen-neue-musiktheater-13511569.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

Freitag, 17. April 2015

Puccini - Tosca, 16.04.2015

Unmittelbarkeit wird leider zu oft überbewertet und taugt nur begrenzt als ästhetischer Maßstab, aber bei der Karlsruher Tosca ist es das richtige Kriterium, vor allen wenn die Aufführung so grandios gelang wie gestern!

Wieder eine Sternstunde durch Barbara Dobrzanska

Dienstag, 14. April 2015

Trauer um Jochen Neupert

Im Alter von nur 56 Jahren ist der Schauspieler Jochen Neupert verstorben. Neupert war von 2002 bis 2011 im Karlsruher Ensemble in zahlreichen Rollen zu sehen. Dank seiner wunderbaren und ausdrucksstarken Stimme war er auch als Sprecher im Radio und beim Fernsehen (Arte) beschäftigt.
 
Jochen Neupert spielte oft in Stücken, die mich begeisterten und die ich öfters sah. Er bleibt mir unvergessen als Oberon in Shakespeares Sommernachtstraum und als  Staatsminister  Richard Willey in Ray Cooneys Außer Kontrolle. In beiden mußte ich Tränen lachen. Ich hoffte, ihn noch mal irgendwann wieder spielen zu sehen. Der Tod meuchelt immer die Falschen zu früh.....

6. Symphoniekonzert, 13.04.2015

Ein rein britisches Symphoniekonzert - ein wenig Skepsis war wohl bei einigen vorhanden, doch Justin Brown bewies auch diesmal eine sichere Hand bei Auswahl und Präsentation.

Freitag, 10. April 2015

Zweiter Nachtrag zu Krise zwischen Peter Spuhler und dem Badischen Staatstheater

Aufgrund eines aufmerksamen Kommentators aus Heidelberg (der sehr lesenwerte Beitrag befindet sich hier, und zwar der Kommentar vom 09. April 2015 um 16:03) will ich noch kurz auf ein Vorkommnis verweisen, das sich während der Heidelberger Intendanz von Peter Spuhler ereignete.
                              
Christine Dössel ist Theaterredakteurin bei der Süddeutschen Zeitung und war 2010 Jurorin beim Heidelberger Stückmarkt. Sie schrieb einen umfangreichen Erfahrungsbericht dazu. Frau Dössel erkannte während weniger Tage qualitative Defizite, die man als regelmäßiger Zuschauer auch in Karlsruhe bemerken kann:

Mittwoch, 8. April 2015

Nachtrag zur Krise zwischen Peter Spuhler und dem Badischen Staatstheater

Es sind sogar 430 Unterschriften für den Verwaltungsdirektor geworden. Deutlich mehr als die Hälfte der Belegschaft hat sich mit Herrn Obermeier solidarisch erklärt. Und es wären noch mehr geworden, wenn die Angestellten mit Zeitverträgen es hätten wagen können, ohne ihren Job zu riskieren. Da bei der übereilten Abberufung durch das Ministerium Fehler gemacht wurden und Michael Obermeier juristisch dagegen vorgeht, kann es noch zu spannenden Entwicklungen kommen. Vorerst bleibt er auf seinem Posten.
Nun muß man als außenstehender Zuschauer abwarten, was die von der Stadt Karlsruhe und unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Mentrup stehenden Vermittlungsbemühungen zwischen dem Badischen Staatstheater und dem Generalintendanten Peter Spuhler und seiner Gefolgschaft bringen werden. Wie sollen die atmosphärischen und zwischenmenschlichen und in der Folge auch qualitativen Probleme gelöst werden? Erneut rückt nun Spuhler selber in den Mittelpunkt.

Montag, 6. April 2015

Franco Fagioli bei den Händel Festspielen 2016

Nach den Negativschlagzeilen über Generalintendant Peter Spuhler und der verfahrenen Situation am Badischen Staatstheater wird es mal wieder Zeit für gute Neuigkeiten aus Publikumsperspektive.

Publikumsliebling Franco Fagioli wird bei den Händel Festspielen 2016 zweimal auftreten!

In einem Galakonzert am 22.02.2016 mit der Armonia Atenea und George Petrou als Dirigent und im Rahmen des Eröffnungskonzerts am 12.02.2016 zusammen mit Donna Leon als Moderatorin und den bekannten Sängerinnen Sandrine Piau, Karina Gauvin sowie Il Pomo D'Oro und Ricardo Minasi als Dirigent

Karten gibt es bereits. Hier die Übersicht des Badischen Staatstheaters:
http://www.staatstheater.karlsruhe.de/programm/haendel-festspiele-2016/

Dienstag, 31. März 2015

Generalintendant Peter Spuhler und die Krise am Badischen Staatstheater

401 Mitarbeiter des Badischen Staatstheaters sollen sich auf einer Unterschriftenliste für den Verbleib des Verwaltungsdirektors im Amt ausgesprochen haben, ca. 200 protestierten und versammelten sich vor dem Verwaltungsrat. Ist nun Michael Obermeier  (mehr auch hier) so ausgesprochen beliebt im Haus oder ist Peter Spuhler so außerordentlich  unbeliebt bei seinen Angestellten? Die Wahrheit mag in der Mitte liegen, die Botschaft ist aber klar: Generalintendant Peter Spuhler hat nur wenig Rückhalt am Badischen Staatstheater, das Personal fordert mehr Unterstützung für seine Bedürfnisse.

Montag, 30. März 2015

Wagner - Parsifal, 29.03.2015

Ein gelungener Premierenabend mit viel Applaus und Bravos für sehr gute Sänger und eine wundervoll aufspielende Badische Staatskapelle sowie einen guten Regisseur, der den religiösen Kern von Wagners theatralischstem Werk sachlich-analytisch deutet und viele gute Einfälle hat.
 
Worum geht es bei dieser Inszenierung?
oder
Die Ablösung des Erlösers

Der renommierte Regisseur Keith Warner entschlüsselt Parsifal als Werk über eine spirituelle Krise, die eine religiöse Gemeinschaft in die Bedeutungslosigkeit führt. Dabei ist die Inszenierung zweigeteilt: die ersten beiden Akte spielen in der zeitlos angesetzten, hermetisch abgeriegelten Welt einer religiösen Elite, der dritte Akt im Hier und Heute.

Freitag, 27. März 2015

Liebrecht - Die Banalität der Liebe, 26.03.2015

Die Banalität der Liebe - das ist in Karlsruhe eine ruhiges, konzentriertes und sachliches Kammerspiel über Personen, mit denen nur wenige etwas verbinden. Das Badische Staatstheater wird damit wahrscheinlich kein großes Publikum anlocken, denn trotz einiger sehr guter Momente bleibt der Abend zu spröde.

Mittwoch, 25. März 2015

Die zweifache Entmachtung des Verwaltungsdirektors?

Die Badischen Neusten Nachrichten gaben letzte Woche interessante Hinweise zur aktuellen Affäre am Badischen Staatstheater. Ministerin Theresia Bauer soll den Verwaltungsrat Herrn Obermeier eine Aufgabe in Stuttgart übertragen haben, die für ihn fachlich nicht passt und aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen eventuell auch nicht zumutbar ist. Da Obermeier in drei Jahren pensioniert wird, stellt sich unweigerlich die Frage, wieso man ihn so kurz vor der Rente um jeden Preis von seinen Aufgaben abziehen will.     

Trauer um Oleg Bryjak

Der früher zum Karlsruher Ensemble gehörende Bassbariton Oleg Bryjak ist ein Opfer des gestrigen Flugzeugabsturzes:
http://www.br.de/nachrichten/oberfranken/inhalt/bayreuth-bryjak-oleg-germanwings-opfer-100.html

R.I.P.

Samstag, 21. März 2015

Tschechow - Drei Schwestern, 20.03.2015

Die neue Karlsruher Inszenierung von Tschechows Drei Schwestern ist leicht angreifbar: die Regisseurin zeigt eine eigenwillige und individuelle Auffassung, die einige ungeschützte Angriffsflächen für schnelle und harte Kritik zulässt. Tatsächlich ist es aber für das Karlsruher Schauspiel vielleicht sogar die bemerkenswerteste Inszenierung der letzten Jahre, bei der gleich mehrere Kunststücke gelingen: durchweg hochklassige Schauspielerleistungen in allen Rollen und eine ansteckende Spielfreude des Ensembles, eine interessante und spannende Regie, bei der man stets wissen will, wie es weiter geht, eine überbordende Phantasie mit vielen guten Einfällen, viel Spaß und Humor und eine stimmige Tschechow'sche Atmosphäre in vierfacher Ausführung - denn jeder der vier Akte ist auf unterschiedliche Weise in Szene gesetzt und man kann sich danach überlegen, in welcher der vier Fassung man sich im eigenen Kopfkino die ganzen Drei Schwestern vorstellen möchte.

Mittwoch, 18. März 2015

Badisches Staatstheater stellt sich hinter Verwaltungsdirektor Obermeier

Der anscheinend ohne triftige Gründe abberufene Verwaltungsdirektor Herr Obermeier erfährt breite Unterstützung und Solidarität am Badischen Staatstheater. Gremien wie Personalrat, Chor- und Orchestervorstand sollen sich an das Ministerium gewandt haben und versichern der Ministerin, daß die überwiegende Mehrheit der Mitglieder des Hauses hinter Herrn Obermeier steht und betroffen und schockiert von der Entscheidung sind. Das Ministerium wird eindringlich darum gebeten, diesen Weg nicht zu weiter beschreiten. Eine Unterschriftenaktion wurde gestartet, um zusätzlich für den Verbleib von Herrn Obermeier zu plädieren.  

Staatsministerium beruft Verwaltungsdirektor ab

Vielen Dank an alle Hinweise und Kommentare. Heute soll auch die Presse darüber berichten:
Das Stuttgarter Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst hat den Verwaltungsdirektor des Badischen Staatstheaters Herrn Michael Obermeier nach Stuttgart abberufen.
Was sich anhört, wie eine harmlose Notiz zur Kenntnisnahme, birgt einige Ungereimtheiten und hat am Badischen Staatstheater für Befremden gesorgt - verschiedene Gremien des Badischen Staatstheaters sollen sich beim  Ministerium gemeldet und um Aufklärung gebeten haben.  

Dienstag, 17. März 2015

Schlechte Stimmung zwischen Kultusministerium und dem Badischen Staastheater?

****** Hallo liebe regelmäßige Tageszeitung-Leser und BaSta-Fans, ******
stimmen die Gerüchte, die man so rund ums Badische Staatstheater mitbekommt? Eine Mischung aus Bestürzung, Verärgerung und Empörung schwappt von Seiten des Theaters über!?!  

Sonntag, 15. März 2015

Puccini - La Bohème, 14.03.2015

Sie wird nicht nur nicht besser, diese Inszenierung von La Bohème (mehr hier), sie wird auch nicht erträglicher - eine desinteressierte Gleichgültigkeit, die einfach nur das Zuhören fördert, stellt sich beim wiederholten Besuch nicht ein. Andere Bohèmes verlässt man in einer oxymoronischen glücklichen Traurigkeit, diese überwiegend gequält und in kritischer Verstimmung. Vor allem beim 1. und 4. Akt kann man nur wiederholt den Kopf schütteln angesichts der Ungeschicktheiten der Regie, die man dem Publikum zumutet. Dabei sind Bühnenbild, Orchester und Sänger absolut bemerkenswert und spannend, nur die einseitige und öfters hilflos wirkende Personencharakterisierung zieht die Vorstellung nach unten - es will einfach keine Stimmung aufkommen. 

Dienstag, 10. März 2015

5. Symphoniekonzert, 09.03.2015

Zu Beginn erklang die 94. Symphonie von Joseph Haydn. Der nicht von Haydn stammende Beiname "Mit dem Paukenschlag“ ist etwas unklar, denn alle der sogenannten Londoner Symphonien (Nr. 93 - 104) haben Paukenschläge. In englischsprachigen Ländern hat sie den treffenderen Namen "Surprise". Haydn zeigt bei der 94., wie man aus scheinbar wenig sehr viel machen kann.

Dienstag, 3. März 2015

Konzert Vesselina Kasarova, 02.03.2015

Die bulgarische Mezzosopranistin Vesselina Kasarova errang 1992 überregionale Aufmerksamkeit, als sie für Marilyn Horne als Tancredi (Rossini) bei den Salzburger Festspielen einsprang. Seitdem hat sie zahlreiche CDs aufgenommen. Ihre ausdrucksstarke Stimme ist sehr gefragt: von Monteverdi über Händel, Gluck und Mozart, dem Bel Canto bis hin zu Gounod, Bizet und Massenet - die großen, technisch anspruchsvollen Mezzosopranrollen sind ihre Domäne.  

Samstag, 28. Februar 2015

Händel - Riccardo Primo, 28.02.2015

Kopfschütteln zu Beginn
Viele großartige künstlerische Leistungen gab es bei dieser letzten Aufführung und der erste starke Moment gehörte Generalintendant Peter Spuhler, der vorab vor den Vorhang trat und klare Worte für die Gewerkschaft ver.di fand. Bereits vor zwei Jahren (mehr dazu hier) hatte ver.di in Karlsruhe bewiesen, daß es ihr mehr Vergnügen macht, Porzellan zu zerschlagen und Kollateralschaden anzurichten als intelligent vorzugehen.

Mittwoch, 25. Februar 2015

Händel - Riccardo Primo, 24.02.2015

Glücksfall Riccardo Primo
Nach der inszenatorisch so sterilen und einfallsarmen Teseo-Premiere ist die Wiederaufnahme von Benjamin Lazars Bühnenfassung von Riccardo Primo (mehr dazu auch hier) umso beeindruckender und beglückender. Hier gelingt, was in Teseo zu unbedarft und inspirationslos kopiert wurde und dann nur bieder und altmodisch wirkte.  

Samstag, 21. Februar 2015

Händel - Teseo, 20.02.2015 (Premiere)

Eine der schwächsten Händel Premieren der letzten Jahre
Nach der bereits sängerisch vielversprechenden öffentlichen Generalprobe (mehr hier) gab es gestern starken Applaus und gute Laune zur Eröffnung der 38. Händel Festspiele - das Publikum wollte sich bei der Premiere von Teseo die Feierstimmung nicht nehmen lassen. Vor allem Sänger und Musiker hatten gestern viel zu bieten, die beiden Hauptakteure Yetzabel Arias Fernandez  und Valer Sabadus sind die Stars des Abends, es gibt schöne Kostüme und eine mit viel Applaus bedachte Solo-Oboistin ..... oberflächlich besehen ist scheinbar alles gut. Und die Inszenierung - wahrlich nicht erinnerungswürdig, aber nun ja, niemand wird sich ernsthaft darüber ärgern, kaum jemand wird sich darüber aufregen, denn aufregend ist das Bühnengeschehen nun wirklich nicht - es ist eine Inszenierung, die man gleich wieder vergessen und abhaken kann.  

Donnerstag, 19. Februar 2015

Händel - Teseo (Generalprobe), 18.02.2015

Teseo Fazit (1):  
Musikalisch & sängerisch: hochwertig
Regie & Inszenierung: bieder und langweilig

Die gestrige öffentliche Generalprobe hinterließ sehr gemischte Gefühle. Obwohl es nur eine Probe war, überzeugten bereits die Sänger und lassen eine erfolgreiche Premiere erwarten.  

Samstag, 7. Februar 2015

Vorschau: Händel Festspiele 2016

Mit Händels früher Oper Teseo (aus dem Jahr 1713) beginnen in diesem Jahr die Händel Festspiele 2015. Nächstes Jahr wird dann ein späteres Werk zu hören sein: Arminio (1737). Als Regisseur und in der Titrelrolle wird sich Max E. Cencic vorstellen, der Anfang der Spielzeit auch schon ein Arien-Konzert in Karlsruhe gegeben hat. Als Dirigent ist George Petrou vorgesehen. Außerdem: Vince Yu, Ruxandra Donose, Pavel Kudinov u. a. Premiere 13.02.16, Weitere Vorstellungen 17., 19., 21. und 23.02.16.

Im Eröffnungskonzert am 12.02.16 wird die Krimiautorin und bekennende Händel-Enthusiastin Donna Leon anwesend sein, Il Pomo  D'Oro unter Ricardo Minasi spielen.

Teseo gibt es als Wiederaufnahme mit Valer Sabadus, Roberta Invernizzi, Yetzabel Arias-Fernandez am  20., 24. und 27.02.16.

Der Vorverkauf läuft ab dem 15.02.15 für Abonnenten, am 20.02.15 startet der Vorverkauf für alle Besucher.

Das  Programm der kommenden Jahre (2017 ++) zeichnet sich bereits ab: sechs Opern wurden seit der Gründung des Karlsruher Händel-Programms noch nicht gespielt. Um die Reihe komplett zu machen, fehlen dann noch Floridante (1721), Siroe, Tolomeo (beide 1728), Sosarme (1732), Atalanta (1736) und Faramondo (1738). Dazu kommt Muzio Scevola (1721), bei der nur der dritte Akt von Händel komponiert wurde.

Dienstag, 3. Februar 2015

4. Symphoniekonzert, 02.02.2015

"Bruckners Achte ist die Krone der Symphonik"
Große Worte fand der rumänische Dirigent Sergiu Celibidache (der als Bruckner-Jünger in der Spätphase seiner Karriere berühmt-berüchtigt wurde für zelebrierte Bruckner-Symphonien mit außergewöhnlich langsamen Tempi und einer buddhistisch inspirierten Klarheit) für das Werk, das den alleinigen Programmpunkt des 4. Symphoniekonzerts bildete.  

Donnerstag, 29. Januar 2015

Puccini - La Bohème, 28.01.2015

Viel Kritik mußte das Badische Staatstheater bei der Premiere vor wenigen Tagen von Publikum und Presse einstecken. Überraschend war vor allem die offensichtliche Ungeschicktheit der Inszenierung angesichts der verdoppelten Mimi (eine Zeitung sprach von einem "szenischen Debakel"), bei der man sich unweigerlich die Frage stellt, wieso Intendanz und Operndirektion nicht rechtzeitig eingeschritten sind - immerhin ist La Bohème DIE Prestige-Inszenierung der Spielzeit, mit der man sehr große Publikumsmengen erreicht und einen wichtigen und auch entscheidenden Eindruck hinterlässt. Ob man hier beabsichtigte, dem Publikum die Freude am Opernbesuch zu beeinträchtigen oder man einfach die Auswirkungen nicht verstanden hat oder persönlicher Profilierungsdrang im Vordergrund standen, soll gar nicht erst erörtert werden. Das Badische Staatstheater nutzt erneut eine wichtige Chance nicht. Hier scheint sich wieder zu zeigen, daß es kein Vorteil ist, wenn man nur Administratoren und Theoretiker in Intendanz und Spartenleitung sitzen hat, die selber nicht direkt künstlerisch tätig sind und nicht selber als Regisseure Erfahrung gesammelt haben. Ein wenig mehr Formvernunft hätte gut getan, denn es fehlte nicht viel, vielleicht sogar nur ein wenig mehr Zurückhaltung, um eine gute Bohème zu präsentieren.

Montag, 26. Januar 2015

John Cranko - Der Widerspenstigen Zähmung, 25.01.2015

Die Premiere war umjubelt (mehr hier) und als Gute-Laune Stück ist dieses Ballett auch in der Wiederholung ein Juwel. Man muß schon sehr unleidig sein, um hier nicht amüsiert zu werden, vor allem wenn so hochklassig getanzt und musiziert wird wie in Karlsruhe. Die Reihe der grauen Wintertage scheint draußen kein Ende zu finden und hier drinnen klart der imaginäre Himmel auf. So gab es auch gestern minutenlangen Beifall und rhythmisches Klatschen im ausverkauften Großen Haus.
Die Presse bescheinigte dem Badischen Staatstheater, daß dieses Ballett -bei aller durchaus auch vorhandenen szenischen Angestaubtheit und überholtem Rollenverständnis- etwas wunderbar Frisches und Lebendiges bekommt, teilweise sogar etwas Überbordendes. Und das ist ein Verdienst der Tänzer des Badischen Staatsballetts, die nie in routinierte Halbherzigkeit abtauchen, sondern stets voller Einsatzfreude die Freude und den Spaß dieser Choreographie vermitteln können. Es ist immer wieder erstaunlich, wie gerade das körperlich so zehrende und fordernde Ballett es seit Jahren immer wieder schafft, selten routiniertes Mittelmaß und meistens gekonnte Hochklassigkeit zu präsentieren. Man tanzt auf hohem Niveau und agiert mit hoher Professionalität - und das ist ein großer Verdienst von Birgit Keil und Vladimir Klos, den Anspruch an ihre Kompagnie hoch zu halten, die Latte auch regelmäßig höher zu legen und für die richtige Motivation zu sorgen. Auch gestern saßen sie wieder auf ihren Stammplätzen im Zuschauerraum und schauten ihrer Kompagnie zu.
Ballett in Baden-Württenberg - das ist selbstverständlich das hochdotierte Stuttgart, aber inzwischen auch Karlsruhe. Der Südwesten als Ballett-Hochburg hat mit Birgit Keils und Vladimir Klos' Tätigkeit in Karlsruhe ein zweites Standbein erhalten. Man kann ihrem Engagement nur höchsten Respekt zollen.

Sonntag, 25. Januar 2015

Puccini - La Bohème, 24.01.2015

Ein Gespenst ging gestern um im Badischen Staatstheater. Doch dem Karlsruher Publikum wurde durch Spuk nicht bang und es buhte das Gespenst des Regietheaters (also eine Regie, die sich wichtiger nimmt als Werk, Künstler und Publikum) mit selten erlebter Vehemenz und Lautstärke von der Bühne und erhöhte damit auch den Druck auf die künstlerisch weiterhin problematische Intendanz von Peter Spuhler. Dabei gab es eigentlich eine gute Nachricht vorweg: es gibt es also doch noch, das Karlsruher Opernpublikum. Es kam nur einfach nicht mehr. Nach oft schwach besetzten Premieren war gestern ausverkauft und auch die Stehplätze besetzt. Die B-Premiere am 28.01. ist ebenfalls bereits voll. Die Auslastungskrise der Karlsruher Oper scheint also tatsächlich hausgemacht und in Verantwortung des Intendanten. Ob diese Bohème den erhofften Stimmungsumschwung bewirkt, ist allerdings fraglich.

Was ist zu sehen (1)?
oder
"Soll ich euch meine Brüste zeigen?"
Regisseurin Anna Bergmann "ist bekannt für genaue und einfühlsame Frauenporträts", so das Badische Staatstheater. Auf Mimi ruht die Konzentration der neuen Karlsruher Inszenierung. Und zwar nur auf Mimi, alle anderen Bühnenfiguren sind nur Beiwerk, gewinnen keine Konturen und hampeln teilweise herum, als ob sie unwichtige Hintergrundfiguren sind, für die man sich keine Gedanken machen muß.
Mimi ist die Außenseiterin: sie gehört bekanntlich nicht selber zur Bohème und ist unheilbar an Tuberkulose erkrankt. Die Regisseurin greift zu einem bekannten und inzwischen etwas abgeschmackten Vorgehen, um diesen Fokus zu erreichen: sie lässt Mimi auf der Bühne doppelt erscheinen: die Sängerin wird durch eine Schauspielerin ergänzt: Dazu die Regisseurin: "Mit der Doppelung – die Sängerin auf der einen, die Schauspielerin auf der anderen Seite – können wir zwischen einer realen und einer Traumebene wechseln und unterstreichen die traumhaft-romantischen Momente der Opernhandlung. Die Schauspielerin Jana Schulz zeigt uns eine realistische Mimì, die die Handlung rahmt und gleichzeitig auch motiviert. ... Bei der Sängerin ist es der zarte, liebliche bis leidenschaftliche Gesang gepaart mit einer eher entrückten Spielweise und bei der Schauspielerin ein körperlich-hingebungsvolles und offenherziges Spiel." Leider mißlingt dieser Ansatz und verzerrt die ganze Oper, denn Sängerin und Schauspielerin sind zwar meistens als Zwillinge gleichzeitig auf der Bühne, doch dabei dominiert die 'die Handlung motivierende' Schauspielerin: sie interagiert oft mit den Sängern und zieht die Konzentration auf sich, während die Sängerin abseits steht und singt. Eine Intensivierung des Bühnengeschehens erreicht man dabei nicht, ganz im Gegenteil. Die naturalistisch leidende und verstörte Mimi stört meistens einfach nur.
Zu Beginn des vierten Akts kippte dann gestern die Stimmung beim Publikum durch einen bedauerlichen Fehlgriff der Regie: Die Schauspielerin beginnt zu sprechen, und zwar einen viel zu langen und nichtssagenden Monolog, mit dem man Mimis Verzweiflung deutlich machen wollte und doch nur nervte. Spätestens wenn die Schauspielerin dem Publikum anbietet, ihre Brüste zu zeigen, erreicht man einen Grad von unfreiwilliger Komik, der die Regie peinlich bloßstellt. "Nein!" antworteten mehrere Zuschauer laut vernehmlich auf das Angebot und eine Welle der Qual und des Kopfschüttelns über so viel dramaturgische Unbeholfenheit durchströmte spürbar das Haus. Man möchte sich gar nicht vorstellen, was passieren könnte, wenn amüsierte Zuschauer künftiger Vorstellungen Ja! und Ausziehen! rufen. Der Text des Monologs reicht also nicht aus, um zu fesseln oder das Gefühl einer sinnvollen Ergänzung zu erreichen - er wirkte als Störfaktor. Die etwas zu simplen und sterilen Hauptideen und ratlosen Bühnenumsetzungen der Regisseurin können nicht überzeugen und bleiben ohne positive Wirkung.

Was ist zu beachten?
La Bohème ist die Oper des romantisierten und verklärten Elends. Episoden aus dem Gefühlsleben - man lebt, lacht, liebt und leidet, man friert, hungert und stirbt. Ist das Leben in der Bohème selbstgewählt oder aufgezwungen? Ist es mehr individuelle Wahl oder Notlage? Für den Autor Henri Murger (*1822 †1861) waren die Bohèmiens ihre eigenen Gefangenen: zum Künstler berufen leben sie ohne Glück und sterben ohne Ruhm. Sie wollen nichts anderes als dieses Leben und künstlerische Anerkennung und erreichen ihre Ziele doch nicht. Lieber gehen sie zugrunde als einen Brotberuf zu wählen. Kiez oder Ghetto? Jedes Inszenierungsteam steht vor dieser Entscheidung. Manche Regisseure haben die Bohème im Drogen- oder Außenseiter-Umfeld angesiedelt, also einer Bühnenausstattung, die im harten Kontrast zur Musik steht. In Karlsruhe hat man dies glücklicherweise nur halbherzig getan: Drei Damen vom Straßenstrich und ein Obdachloser geben ein unscharfes Bild. Die Sänger der Bohème bleiben hingegen überwiegend undefiniert und blaß. Nur Colline hat als psychisch auffällige Person mit Bindung an seinen Teddybären etwas eigenes, Alcindoro und Benoît bekommen durch Kostüme einen Typ. Rudolfo, Marcello und Mustetta sind hingegen leblose Avatare.

Was ist zu sehen (2)?
oder

Zwischen Fiebertraum und Persönlichkeitsspaltung
Viele ungewöhnliche Entscheidungen trifft sie Regisseurin. So spielt die Oper nicht in Paris, sondern in New York, genauer gesagt alle vier Akte spielen am Angel of the Waters-Brunnen im Central Park. Es gibt also keine Mansarde, kein Café Momus, keine Barrière d'enfer, sondern ein Einheitsbühnenbild, in dem sich Mimi Liebe und Liebesleid erträumt. Die Regisseurin erklärt: "Der berühmte Brunnen im Central Park mit der wunderbaren Engelsstatue, den man aus vielen Hollywood-Filmen kennt, stellt einen Ort der Zuflucht und der Begegnung dar, an dem Mimì neue Menschen kennen lernt, an dem sie sich in Rodolfo verliebt, aus dem Wasser sprudelt, welches wieder versiegt, und wo Mimì letztlich stirbt." Wer vorab die spannenden Fotos sah (aktuell kann man sich hier auf den Seiten des Badischen Staatstheaters einen Eindruck verschaffen), bekam mehr versprochen als die Bühne hält, denn nicht alle Stimmungen der Bohème werden überzeugend vermittelt. Dennoch gehört das Bühnenbild von Ben Baur zur Habenseite dieser Inszenierung.

Mimi ist also verdoppelt: die todkranke und wohnungslose Mimi (sie lebt im Auto) der Schauspielerin sucht Anschluß und phantasiert bzw. erträumt sich die Beziehung zu Rudolfo herbei, nachdem sie ihn um eine Zigarette angeschnorrt hat. Dazu die Regisseurin: "Die Liebesbeziehung zu Rodolfo wird zu einem Sehnsuchtstraum, der durch Mimìs existenzielle Not, ihre Armut und Krankheit, begründet ist. Deswegen zeige ich das gesamte 2. Bild als eine surreal gefärbte und wunderschöne Welt voller Liebespaare, in der Mimì trotz ihrer tödlichen Krankheit unbeschwert und fröhlich ist." Der zweite Akt  ist fast schon plakativ als Klischee inszeniert, der Kinderchor hat einen schönen Auftritt. Der dritte Akt zeigt den nächtlichen Brunnen bei Schneefall und belanglose Videoeinspielungen mit schnellen Schnitten, der reizlose vierte Akt bleibt atmosphärisch hinter der ersten drei zurück und zieht sich wie Kaugummi in die Länge.

Die einzige Pause ist übrigens nicht nach dem zweiten Akt, also nach Ende des ersten Abends, sondern nach dem dritten, da die Regisseurin den Kontrast der beiden zentralen Akte direkt aufeinander prallen lassen wollte. So geht der erste Teil ca. 80 Minuten bis zur Pause, der zweite Teil (4.Akt) gerade noch knapp 30 Minuten (davon über 5 Minuten Monolg). Eine weitere unglückliche Entscheidung ohne Wirkung.

Was ist zu hören?
Für die Regie gab es feindselige Buhs, aber das intelligente Karlsruher Publikum weiß zu differenzieren und machte zum wiederholten Male den Tenor Andrea Shin zum Star des Abends. Für seinen schön und souverän gesungenen Rudolfo bekam er unzählige Bravos. Es gab lange nicht mehr so viel Begeisterung für einen Sänger vom Karlsruher Premierenpublikum! Überhaupt war es der Abend der Koreaner, denn auch Seung-Gi Jung als Marcello beeindruckte durch Kraft und Klarheit. Um Shin und Jung kann man ein Repertoire bauen - ihnen sollte in Karlsruhe die Zukunft gehören.

Man entschied sich gestern nicht, die Rollen nur mit jungen Sängern zu besetzen, sondern setzte bei der Premiere auf Sicherheit. Drei Sänger waren schon in der letzten Karlsruhe Bohème dabei. Die wunderbare Barbara Dobrzanska hat als Mimi schon vor wenigen Jahren überzeugt. Ihr Rollenportrait wurde gestern doppelt beeinträchtigt. Die Regie legt den Fokus auf die Schauspielerin und Dobrzanska sang zwar wie gewohnt sicher, aber auch ein wenig zu verhalten, als ob die von der Regie auferlegte Zurückhaltung auch sängerisch galt. Auch Ina Schlingensiepen war schon zuvor als Musetta in Karlsruhe bekannt und litt gestern darunter, daß die Regie sie nur als Nebenfigur am Rande definiert- sie überzeugte mit einer makellosen Arie im zweiten Akt. Konstantin Gorny litt hingegen unter einer Erkältung und mußte im vierten Akt aufgeben, Gorny spielte auf der Bühne, seine Mantelarie sang der kurzfristig ins Staatstheater geeilte Avtandil Kaspeli überzeugend sicher und schön von der Seite.
Johannes Willig dirigierte zu Beginn etwas verhuscht und übereilt, fing sich dann aber und zeigte einen symphonischen Zugriff auf die Partitur, bei der er immer wieder das Orchester klangstark ausmusizieren ließ und dabei gelegentlich die Sänger übertönte oder durch seine Tempowahl forderte.

Fazit: So makaber es klingt - es hätte schlimmer kommen können. Gerade mit La Bohème rächen sich viele Opernhäuser an ihren Zuschauer, indem sie die Poesie der Musik durch Häßlichkeiten entwerten. Der Karlsruher Versuch ist hingegen legitim, aber einfach zu schwach durchdacht und unbeholfen in Szene gesetzt. Das massive Buh-Konzert der Premiere könnte einer mittelmäßigen Temperierung bei den weiteren Aufführungen folgen und durch die musikalischen Qualitäten wird diese Bohème sich vielleicht doch besser etablieren als gedacht.

PS: Manche Neuinszenierung kommt nach 27 Jahren einfach zu früh
Diese Neuinszenierung von Puccinis La Bohème hätte es eigentlich gar nicht geben dürfen. Die letzte Inszenierung von Giancarlo del Monaco (sie lief in Karlsruhe von 1987 bis 2007) war im besten Sinne ein zeitloser und beliebter Klassiker - eine Inszenierung, die sich nie in den Vordergrund drängte und Stimmungen und Hintergründe atmosphärisch ideal ergänzte. Daß sie aus dem Repertoire und Fundus geschmissen wurde, erschließt sich nicht auf Anhieb, wobei man bei den letzten Vorstellungen aber nicht umhin kam zu bemerken, daß das Bühnenbild nach 20 Jahren zwischen Lager und Oper deutlich gelitten hatte - eine restaurierte Wiederaufnahme dieses Dauerbrenners wäre nur logisch gewesen. Den Zauber und die Intensität der 87-Bohème erreicht der aktuelle Versuch nicht: weder den Humor und die Ausgelassenheit, noch die Verliebtheit und das Erleben des Augenblicks und auch nicht die Traurigkeit und Verzweiflung von del Monacos unvergesslicher Inszenierung.

Team und Besetzung:
Mimi: Kammersängerin Barbara Dobrzanska
Musetta: Ina Schlingensiepen
Rodolfo: Andrea Shin
Marcello: Seung-Gi Jung
Schaunard: Andrew Finden
Colline: Kammersänger Konstantin Gorny /Avtandil Kaspeli (4.Akt)
Parpignol: Max Friedrich Schäffer
Monsieur Benoît: Edward Gauntt
Alcindoro: Yang Xu 
Ein Zöllner: Marcelo Angulo
Sergeant bei der Zollwache: Andrey Netzner
Mimi-Double: Jana Schulz

Regie: Anna Bergmann
Bühne: Ben Baur
Kostüme: Claudia González Espíndola
Choreografie: Krystyna Obermaier
Video: Sebastian Pircher

Musikalische Leitung: Johannes Willig
Chorleitung: Ulrich Wagner
Einstudierung Kinderchor: Anette Schneider
Kinderchor: Cantus Juvenum Karlsruhe e. V.

Sonntag, 18. Januar 2015

Schiller - Die Räuber, 17.01.2015

ACHTUNG! Programmänderung: 'Die Hampelmänner'  statt  'Die Räuber'
oder  
Wieder eine Mogelpackung
Die Räuber werden in der Karlsruher Neuinszenierung dermaßen verhampelt, verharmlost und entaktualisiert, daß man sie nicht ernst nehmen kann. Es wird viel geblödelt und gealbert und das Publikum darf lachen und erlebt zwei gut konsumierbare Stunden, die oberflächlich und anspruchslos unterhalten. Es gelingt hier das Kunststück, Schiller gedankenlos zu inszenieren. Die Regisseurin gilt als Spezialistin für Kinder- und Jugendtheater und vorrangig an Schüler richtet sich auch diese Comedy-Variante. Als Bewerbung für den imaginären Till-Schweiger-Regienachwuchspreis für seichte Komödien mit pseudo-seriösen Elementen ist diese Produktion ebenfalls legitim. Wer mehr erwartet als Konsum -immerhin werden Die Räuber im normalen Abonnement gezeigt- wird wahrscheinlich weniger Freude haben. Es bleibt schleierhaft, wieso man am Karlsruher Schauspiel immer noch nicht wieder leistungsfähig genug ist, um das Jugendtheater vom normalen Regelbetrieb zu trennen.

Freitag, 16. Januar 2015

Und der nächste Falstaff wird ....

.... Pietro Spagnoli
Er gibt im Juli anscheinend sein Rollendebut in Karlsruhe (mehr dazu hier: / Nachtrag: Der Link ist inzwischen inaktiv) und wird damit Nachfolger von Ambrogio Maestri, der bei der letzten Karlsruher Inszenierung Begeisterung auslöste.

Weitere Gerüchte:
  • Meyerbeers Le Prophète in der Regie Tobias Kratzers 2015/16 in Karlsruhe (Die Welt berichtete im Oktober anlässlich des Meyerbeer-Jubiläumsjahr)
  • Händel Festspiele 2016 - Arminio mit Max E. Cencic? (Und zwar hier / Nachtrag: Die Internet-Seite mit dem Hinweis ist inzwischen wieder verschwunden)
Vielen Dank an den anonymen Finder der Links!

Krása - Verlobung im Traum, 15.01.2015

Gestern war es wieder ziemlich leer in den Zuschauerrängen. Schade, daß das Vertrauen des Publikums zu Intendanz und Programmzusammenstellung derart gesunken ist, denn sängerisch und darstellerisch ist die Verlobung im Traum eine Freude: mit Agnieszka Tomaszewska, Armin Kolarczyk, Dana Beth Miller, Katharine Tier, Jaco Venter und Christian Voigt ist man sehr gut besetzt und durch den spielfreudigen Chor ideal ergänzt. Und auch musikalisch ist das komponierter Zeitgeist: eine originelle Mischung aus verschiedenen Stilen und Einflüssen tönt aus dem Orchestergraben. Die Inszenierung nimmt die Entstehungszeit mit Charleston, Jazz und Revue anschaulich auf - eigentlich macht man alles richtig.

Trotz einer guten und problemlosen Umsetzung bekommen anscheinend sowohl Hans Krásas Verlobung im Traum (mehr zur Premiere findet sich hier) als auch der Doppelabend Ravel/Strawinsky kaum Publikumsresonanz und es wäre interessant zu wissen, für was durchschnittlich weniger Eintrittskarten verkauft wurden. So ambitioniert die Programmwahl der letzten drei Jahre mit vielen unbekannten Opern war, so wenig scheint sie honoriert worden zu sein. Und tatsächlich kann man nicht umhin, ein Gleichgewichtsproblem zu bemerken, das je nach Standpunkt mehr Leidenschaft und Beliebtes als Ausgleich benötigt.

Mit Puccinis La Bohème, Wagners Parsifal, Glucks Iphigenie auf Tauris und Verdis Falstaff folgen nun noch im restlichen Saison-Verlauf vielgespieltes Kernrepertoire und auch 2015/16 wird man keine Experimente eingehen. Unter den Stammzuschauern kursieren bereits die Pläne für die kommende Spielzeit, in der es fünf Opern des 19. Jahrhunderts (+ Händel, + Operette/Musical) geben soll. Die bereits zu Beginn der Intendanz in Aussicht gestellte Oper von Meyerbeer scheint nun dabei zu sein (und zwar Le Prophète (Regie: Tobias Kratzer), wie die Tageszeitung Die Welt hier bereits vermutet?) und auch sonst kursieren im Großen Haus nur bekannte Namen und auch eine Überraschung nach kurzer Frist ....

Freitag, 9. Januar 2015

Schiller - Kabale und Liebe, 08.01.2015

Weiterhin ein schöner Erfolg!
Diese Inszenierung lebt vor allem durch die Hauptdarsteller: Sophia Löffler und Thomas Halle als Luise und Ferdinand sind eine hervorragende Besetzung. Und im vierten Jahr der Ensemble-Zugehörigkeit muß man den beiden auch attestieren, daß sie den Weg zu wichtigen und relevanten Ensemble-Mitgliedern konsequent und erfolgreich gegangen sind. BRAVO! Ich freu mich auf die nächsten Hauptrollen der beiden.