Ein theoretisches Meisterwerk der praktischen Langeweile
Pelléas et Mélisande (UA 1902) ist eine ambitionierte und ungewöhnliche Oper, die dafür berüchtigt ist, außergewöhnlich langweilig zu sein. Bei der letzten Aufführung im Badischen Staatstheater -einem Gastspiel der Straßburger Oper im März 1991- leerten sich nach der Pause die Plätze merklich, zäh wie ausgekauter Kaugummi zog sich die Vorstellung, und das ist eine Erfahrung, die man bei Inszenierungen der einzigen Oper Debussys mehrheitlich machen kann. Die rätselhafte Handlung beinhaltet kaum Höhepunkte und Zuspitzungen, es geht emotional und psychologisch leise und subtil zu, auch akustisch findet man nur sehr wenige Fortissimos. Das Klangbild ist in einem Maße vergeistigt und kann beim Zuhören so entmaterialisiert wirken, daß es quasi substanzlos klingt - manch einer mag das lyrisch, meditativ oder sogar spirituell nennen, andere werden es als undramatisch und blutleer beschreiben, "eine Art von dünnem poetischen Aufguß .... bei dem man
nicht recht weiß, warum die Konflikte eintreten, unglaubwürdig, wie sie
werden, wenn sie sich zwischen Personen entwickeln, die nie ein Wort
lauter als das andere aussprechen dürfen", so benannte der Komponist und Dirigent Pierre Boulez diese Vorbehalte gegen die ca. 150-minütige Oper. Ein hellhöriger deutscher Musikkritiker bezeichnete zu Beginn des letzten
Jahrhunderts und wenige Jahre nach der Uraufführung Debussys Oper als "ein Werk von prinzipieller Bedeutung". Die Karlsruher Oper nähert sich diesem prinzipiell bedeutsamen Werk auf engagierte Weise, musikalisch und sängerisch ist man sehr gut aufgestellt, gegen die praktische Langeweile dieser Oper kommt man dennoch kaum an.
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.
Posts mit dem Label Premiere 18/19 werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Premiere 18/19 werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Sonntag, 30. Juni 2019
Montag, 24. Juni 2019
Janáček - Das schlaue Füchslein, 23.06.2019
Ein Tongemälde als Bildersymphonie
Mit Leoš Janáčeks Tierfabel und Pastorale-Oper Das schlaue Füchslein ist das so eine Sache, die Fabel ist bescheiden, die Handlung wenig reizvoll, die Sänger haben kaum Gelegenheit sich in Szene zu setzen, nur das Orchester kann auftrumpfen, die orchestralen Zwischenspiele sind die Höhepunkte. Die Inszenierung am Badischen Staatstheater rückt deshalb das Orchester in den Mittelpunkt, es sitzt zentral erhöht auf dem Orchestergraben und der Bühne, die Handlung spielt im Hintergrund und ist als 85 minütige Bildersymphonie in Form eines Zeichentrickfilm konzipiert. Die Tiere der Oper werden überwiegend filmisch dargestellt, die Sänger werden in die Projektion eingefügt. Das Ergebnis ist visuell attraktiv und durchaus authentisch, denn es war ein Comicstrip in einer Zeitung, der den Komponisten zu dieser Oper inspirierte. Die comic-cineastische Umsetzung hat nur einen Haken - der Eindruck einer harmlosen Kinderoper wird dadurch verstärkt.
Mit Leoš Janáčeks Tierfabel und Pastorale-Oper Das schlaue Füchslein ist das so eine Sache, die Fabel ist bescheiden, die Handlung wenig reizvoll, die Sänger haben kaum Gelegenheit sich in Szene zu setzen, nur das Orchester kann auftrumpfen, die orchestralen Zwischenspiele sind die Höhepunkte. Die Inszenierung am Badischen Staatstheater rückt deshalb das Orchester in den Mittelpunkt, es sitzt zentral erhöht auf dem Orchestergraben und der Bühne, die Handlung spielt im Hintergrund und ist als 85 minütige Bildersymphonie in Form eines Zeichentrickfilm konzipiert. Die Tiere der Oper werden überwiegend filmisch dargestellt, die Sänger werden in die Projektion eingefügt. Das Ergebnis ist visuell attraktiv und durchaus authentisch, denn es war ein Comicstrip in einer Zeitung, der den Komponisten zu dieser Oper inspirierte. Die comic-cineastische Umsetzung hat nur einen Haken - der Eindruck einer harmlosen Kinderoper wird dadurch verstärkt.
Sonntag, 9. Juni 2019
Offenbach - Hoffmanns Erzählungen, 08.06.2019
Eine Woge begeisterter Bravo-Rufe gab es gestern für Tenor Rodrigo Porras Garulo in der Titelrolle von Les contes d'Hoffmann und auch sonst herrschte nach der Premiere durchgängig gute Laune: musikalisch und sängerisch gab es begeisternde Momente und die Inszenierung gelang grundsolide.
Montag, 27. Mai 2019
Euripides / Goethe - Iphigenie, 23./26.05.2019
Vertrocknet und versandet
In dunklen Vorzeiten sollten es (Menschen-)Opfer richten, bei jeder neuen Krise mußte wieder getötet werden. Die kanalisierte Gewalt sollte die gesellschaftliche Selbstzerfleischung verhindern, grausame Rituale dienten dem Zusammenhalt. Das Ausmaß ist heute kaum noch bekannt, man strangulierte, ertränkte oder schlachtete Opfer, Fremde, Außenseiter, Schwache, man versenkte die Sündenböcke in Mooren (wo man sie heute noch gelegentlich findet), man zerriß oder verbrannte sie, man machte Schrumpfköpfe aus ihnen oder ließ sich andere Grausamkeiten einfallen. Gewalt befreit und ist einerseits die Zuflucht der Verzweifelten, Gedemütigten, Beleidigten und Unglücklichen, aber andererseits auch das Mittel der Mächtigen, um Unzufriedenheit nach außen zu lenken. Mediale Scheiterhaufen werden heute immer noch überall im politischen Spektrum kollektiv befeuert. Es sind immer vorgeblich die Vielen, die sich von den Wenigen bedroht fühlen und in deren Namen gegen die vermeintlichen Feinde gehetzt wird, die "Guten" gegen die "Bösen", noch immer brauchen Gesellschaften böse Außenseiter auf die man die Zeigefinger richten kann und über die man richten will. Alle Geschichte ist die Geschichte von Ausgrenzungen, souverän ist, wer die Feindbilder festlegt.
Iphigenie ist beides: Opfer und Täter, sie wurde geopfert und sie opfert. Sie ist Spielball höherer Mächte, verraten und gerettet von einer Göttin. Artemis fordert Iphigenies Tod und entführt sie nach Tauris, wo sie für die Göttin selber Menschenopfer darbringt - eine große und spannende Geschichte, doch am Karlsruher Schauspiel findet man weder Zugang zum Mythos noch zur Tragödie, auf dem Weg vertrocknet und versandet die Inszenierung in einer Wüste der Einfallslosigkeit.
In dunklen Vorzeiten sollten es (Menschen-)Opfer richten, bei jeder neuen Krise mußte wieder getötet werden. Die kanalisierte Gewalt sollte die gesellschaftliche Selbstzerfleischung verhindern, grausame Rituale dienten dem Zusammenhalt. Das Ausmaß ist heute kaum noch bekannt, man strangulierte, ertränkte oder schlachtete Opfer, Fremde, Außenseiter, Schwache, man versenkte die Sündenböcke in Mooren (wo man sie heute noch gelegentlich findet), man zerriß oder verbrannte sie, man machte Schrumpfköpfe aus ihnen oder ließ sich andere Grausamkeiten einfallen. Gewalt befreit und ist einerseits die Zuflucht der Verzweifelten, Gedemütigten, Beleidigten und Unglücklichen, aber andererseits auch das Mittel der Mächtigen, um Unzufriedenheit nach außen zu lenken. Mediale Scheiterhaufen werden heute immer noch überall im politischen Spektrum kollektiv befeuert. Es sind immer vorgeblich die Vielen, die sich von den Wenigen bedroht fühlen und in deren Namen gegen die vermeintlichen Feinde gehetzt wird, die "Guten" gegen die "Bösen", noch immer brauchen Gesellschaften böse Außenseiter auf die man die Zeigefinger richten kann und über die man richten will. Alle Geschichte ist die Geschichte von Ausgrenzungen, souverän ist, wer die Feindbilder festlegt.
Iphigenie ist beides: Opfer und Täter, sie wurde geopfert und sie opfert. Sie ist Spielball höherer Mächte, verraten und gerettet von einer Göttin. Artemis fordert Iphigenies Tod und entführt sie nach Tauris, wo sie für die Göttin selber Menschenopfer darbringt - eine große und spannende Geschichte, doch am Karlsruher Schauspiel findet man weder Zugang zum Mythos noch zur Tragödie, auf dem Weg vertrocknet und versandet die Inszenierung in einer Wüste der Einfallslosigkeit.
Freitag, 5. April 2019
Heldenbergh - The Broken Circle, 04.04.2019
Melodramatisches Rührstück
Früher traf man im Karlsruher Theater nie auf Claqueure, doch seit der Amtsübernahme von Intendant Spuhler wird die inoffizielle Zurückhaltungsregel bei Premieren anscheinend laxer gehandhabt - das engagierte Umfeld darf künstlich Stimmung machen, regelmäßig konnte man in den letzten Jahren als aufmerksamer Zuschauer beobachten, daß es augenfällig Angehörige und Freunde sind, die lautstark johlen, vor allem wenn eine Produktion auf der Kippe steht, fallen solche Manipulationsversuche auf. Die gestrige Premiere benötigte diese künstlichen Akklamationsspender, denn The Broken Circle hat in Karlsruhe zu viele Schwachpunkte. Die wenigen guten Momente übertünchen kaum die konzeptionelle Pseudostimmung eines sentimentalen Melodramas, das Betroffenheit behauptet, ohne große Gefühle entwickeln zu können.
Früher traf man im Karlsruher Theater nie auf Claqueure, doch seit der Amtsübernahme von Intendant Spuhler wird die inoffizielle Zurückhaltungsregel bei Premieren anscheinend laxer gehandhabt - das engagierte Umfeld darf künstlich Stimmung machen, regelmäßig konnte man in den letzten Jahren als aufmerksamer Zuschauer beobachten, daß es augenfällig Angehörige und Freunde sind, die lautstark johlen, vor allem wenn eine Produktion auf der Kippe steht, fallen solche Manipulationsversuche auf. Die gestrige Premiere benötigte diese künstlichen Akklamationsspender, denn The Broken Circle hat in Karlsruhe zu viele Schwachpunkte. Die wenigen guten Momente übertünchen kaum die konzeptionelle Pseudostimmung eines sentimentalen Melodramas, das Betroffenheit behauptet, ohne große Gefühle entwickeln zu können.
Sonntag, 24. März 2019
Donzetti - Roberto Devereux, 23.03.2019
Bravo! Bereits in der letzten Saison war Donizettis Anna Bolena ein schöner Erfolg für die Karlsruher Oper, die gestrige Premiere von Roberto Devereux übertraf sogar noch die Vorjahresproduktion und wurde ein in jeder Hinsicht überzeugender Leistungsbeweis von allen Beteiligten, der mit viel Applaus und Bravos belohnt wurde.
Mittwoch, 27. Februar 2019
Ellis - How to date a feminist, 26.02.2019
Dünnes Komödchen
Manche Liebe begründet sich nicht im weil, sondern im obwohl. How to date a feminst ist eine romantische Komödie, bei der ein Paar auf harmlose Hindernisse stößt, zweifelt und sich selbst im Weg steht - und das alles vor der Folie eines konstruierten Schubladendenkens, das Stereotype benötigt, um funktionieren zu können. Im Zeitraffer vergehen 18 Monate in 90 Minuten, für Entwicklungen ist keine Zeit: Kennenlernen, Zusammenkommen, Heiratsantrag, Hochzeit, Trennung und Versöhnung. Es geht Schlag auf Schlag, doch ohne Tiefgang, die Figuren bleiben auf der Strecke. Sowohl Text als auch Inszenierung kommen über Ansätze und Klischees nicht hinaus. Es fehlen Zauber, Reiz und Gefühl. Man kocht ein dünnes Komödchen aus üblichen Zutaten, richtet es hübsch an, doch über den faden Geschmack kann man nicht hinwegtäuschen. Die zweite von drei Komödien (Premiere war kurz vor Weihnachten) in Anna Bergmanns Versuch eines humorigen Winter-Specials (na ja, da ist noch deutliches Steigerungspotential)-: löst ebenfalls keine Lachsalven aus und bleibt betulich und flach.
Manche Liebe begründet sich nicht im weil, sondern im obwohl. How to date a feminst ist eine romantische Komödie, bei der ein Paar auf harmlose Hindernisse stößt, zweifelt und sich selbst im Weg steht - und das alles vor der Folie eines konstruierten Schubladendenkens, das Stereotype benötigt, um funktionieren zu können. Im Zeitraffer vergehen 18 Monate in 90 Minuten, für Entwicklungen ist keine Zeit: Kennenlernen, Zusammenkommen, Heiratsantrag, Hochzeit, Trennung und Versöhnung. Es geht Schlag auf Schlag, doch ohne Tiefgang, die Figuren bleiben auf der Strecke. Sowohl Text als auch Inszenierung kommen über Ansätze und Klischees nicht hinaus. Es fehlen Zauber, Reiz und Gefühl. Man kocht ein dünnes Komödchen aus üblichen Zutaten, richtet es hübsch an, doch über den faden Geschmack kann man nicht hinwegtäuschen. Die zweite von drei Komödien (Premiere war kurz vor Weihnachten) in Anna Bergmanns Versuch eines humorigen Winter-Specials (na ja, da ist noch deutliches Steigerungspotential)-: löst ebenfalls keine Lachsalven aus und bleibt betulich und flach.
Freitag, 1. Februar 2019
Shakespeare - Viel Lärm um nichts, 31.01.2019
Ressentiments statt Liebe, Klamauk statt Komik
Hochmotivierte und sehr gute Schauspieler, eine von Shakespeares schönsten Liebeskomödien, eine Inszenierung die sowohl Vorder- als auch Hintergrund belebt und auch die Nebendarsteller nicht vergißt - und doch stimmt gestern einiges nicht. Die Regie hat Konstellationen geändert, viel Text und zwei neue Figuren hinzuerfunden, das Happy-End verhindert und dabei etwas Wichtiges vergessen. Das Publikum fällte sein Urteil über die neue Karlsruher Inszenierung von Viel Lärm um nichts unbewußt und ganz diskret, denn es dauerte fast eine Stunde bevor zum ersten Mal mehrere Zuschauer gleichzeitig lachten. Turbulent und komisch wurde es auch in der Folge nicht mehr. Und nicht nur auf die Komik mußte man warten, der Regisseurin entglitt auch die Liebe und ihr Zauber. Stattdessen war sie zu sehr damit beschäftigt, die männlichen Hauptrollen zu diffamieren - auf der Bühne stehen lauter Knallchargen. Doch wie soll Liebe oder Komödie funktionieren, wenn die Inszenierung auf Ressentiments setzt und unsympathische männliche Figuren schafft? Es ist inzwischen zu befürchten, daß man nur dann einen Job am Karlsruher Schauspiel bekommt, wenn man zum Lachen in den Keller geht und männerfeindlich ist.
Hochmotivierte und sehr gute Schauspieler, eine von Shakespeares schönsten Liebeskomödien, eine Inszenierung die sowohl Vorder- als auch Hintergrund belebt und auch die Nebendarsteller nicht vergißt - und doch stimmt gestern einiges nicht. Die Regie hat Konstellationen geändert, viel Text und zwei neue Figuren hinzuerfunden, das Happy-End verhindert und dabei etwas Wichtiges vergessen. Das Publikum fällte sein Urteil über die neue Karlsruher Inszenierung von Viel Lärm um nichts unbewußt und ganz diskret, denn es dauerte fast eine Stunde bevor zum ersten Mal mehrere Zuschauer gleichzeitig lachten. Turbulent und komisch wurde es auch in der Folge nicht mehr. Und nicht nur auf die Komik mußte man warten, der Regisseurin entglitt auch die Liebe und ihr Zauber. Stattdessen war sie zu sehr damit beschäftigt, die männlichen Hauptrollen zu diffamieren - auf der Bühne stehen lauter Knallchargen. Doch wie soll Liebe oder Komödie funktionieren, wenn die Inszenierung auf Ressentiments setzt und unsympathische männliche Figuren schafft? Es ist inzwischen zu befürchten, daß man nur dann einen Job am Karlsruher Schauspiel bekommt, wenn man zum Lachen in den Keller geht und männerfeindlich ist.
Sonntag, 27. Januar 2019
Strauss - Elektra, 26.01.2019
Aus zweiter Hand
Endlich mal wieder Richard Strauss! Doch es gibt viele Fragezeichen bei der neuen Elektra. Wieso bringt man eine Oper, obwohl man keine der drei weiblichen Hauptrollen aus dem eigenen Ensemble besetzen kann und deren letzte Karlsruher Inszenierung im letzten Jahrzehnt noch nicht so lange her ist? Und wieso gerade diese kaum bemerkenswerte Alibi-Inszenierung, die aus zweiter Hand kommt (eine Koproduktion, die bereits an zwei anderen Häusern gezeigt wurde) und die Geschichte aus zweiter Hand erzählt, nämlich als Phantasie einer überspannten Museumsbesucherin, die sich in die Handlung träumt? Elektra ist eine Oper unter Hochspannung, pausenlose 100 Minuten voller Aggression, Rachephantasien, Haß, Wut und Sühnemord - eine Geschichte, deren heißer archaischer Kern eine dunkle Glut ausstrahlen muß. Wieso sollte man hier eine weitere distanzierende Ebene einbauen? Tatsächlich verliert die Karlsruher Elektra an Wucht und Wirkung. Sängerisch gab es bei der gestrigen Premiere Licht und Schatten, nur Justin Brown und die Badische Staatskapelle verliehen Strauss' großartiger Oper die erforderliche orchestrale Stimmung.
Endlich mal wieder Richard Strauss! Doch es gibt viele Fragezeichen bei der neuen Elektra. Wieso bringt man eine Oper, obwohl man keine der drei weiblichen Hauptrollen aus dem eigenen Ensemble besetzen kann und deren letzte Karlsruher Inszenierung im letzten Jahrzehnt noch nicht so lange her ist? Und wieso gerade diese kaum bemerkenswerte Alibi-Inszenierung, die aus zweiter Hand kommt (eine Koproduktion, die bereits an zwei anderen Häusern gezeigt wurde) und die Geschichte aus zweiter Hand erzählt, nämlich als Phantasie einer überspannten Museumsbesucherin, die sich in die Handlung träumt? Elektra ist eine Oper unter Hochspannung, pausenlose 100 Minuten voller Aggression, Rachephantasien, Haß, Wut und Sühnemord - eine Geschichte, deren heißer archaischer Kern eine dunkle Glut ausstrahlen muß. Wieso sollte man hier eine weitere distanzierende Ebene einbauen? Tatsächlich verliert die Karlsruher Elektra an Wucht und Wirkung. Sängerisch gab es bei der gestrigen Premiere Licht und Schatten, nur Justin Brown und die Badische Staatskapelle verliehen Strauss' großartiger Oper die erforderliche orchestrale Stimmung.
Sonntag, 2. Dezember 2018
Haidle - Der stärkste Mann der Welt, 01.12.2018
Familienzirkus auf Zirkusbühne
Mit Komödien hat man sich seit der Intendanzübernahme durch Peter Spuhler am Karlsruher Schauspiel sehr schwer getan. Es gab viel zu wenig Humor in den letzten sieben Jahren, nie wurde es brüllend komisch, keine einzige rasante Inszenierung mit hoher Pointendichte und makellosem Timing. Lachsalven und Zwerchfellmuskelkater scheinen den bisherigen Verantwortlichen fremd, viel zu bieder, zu behäbig und auch zu spießig sind bisher in dieser Hinsicht die schwächelnden Kreativkräfte der Intendanz. Schauspieldirektorin Bergmann scheint deutlich ambitionierter, drei Komödien in Folge werden nun inszeniert, im Januar Shakespeares Viel Lärm um nichts, Mitte Dezember How to date a feminist und gestern gab es sogar eine Uraufführung. Der stärkste Mann der Welt erwies sich dabei allerdings als Tragiklamauk über eine Zirkusfamilie - sehr schräg, sehr übertrieben, am Schluß sehr blutig und sehr kurzweilig. Den Publikumserfolg verdankte die gestrige Premiere erneut den hoch engagierten und sehr gut aufgelegten Schauspielern und vor allem Klaus Cofalka-Adami machte die Titelfigur zu seiner Paraderolle. Bravo!
Mit Komödien hat man sich seit der Intendanzübernahme durch Peter Spuhler am Karlsruher Schauspiel sehr schwer getan. Es gab viel zu wenig Humor in den letzten sieben Jahren, nie wurde es brüllend komisch, keine einzige rasante Inszenierung mit hoher Pointendichte und makellosem Timing. Lachsalven und Zwerchfellmuskelkater scheinen den bisherigen Verantwortlichen fremd, viel zu bieder, zu behäbig und auch zu spießig sind bisher in dieser Hinsicht die schwächelnden Kreativkräfte der Intendanz. Schauspieldirektorin Bergmann scheint deutlich ambitionierter, drei Komödien in Folge werden nun inszeniert, im Januar Shakespeares Viel Lärm um nichts, Mitte Dezember How to date a feminist und gestern gab es sogar eine Uraufführung. Der stärkste Mann der Welt erwies sich dabei allerdings als Tragiklamauk über eine Zirkusfamilie - sehr schräg, sehr übertrieben, am Schluß sehr blutig und sehr kurzweilig. Den Publikumserfolg verdankte die gestrige Premiere erneut den hoch engagierten und sehr gut aufgelegten Schauspielern und vor allem Klaus Cofalka-Adami machte die Titelfigur zu seiner Paraderolle. Bravo!
Donnerstag, 22. November 2018
Jelinek - Am Königsweg, 21.11.2018
Zähfadtrübe Kaugummisuppe
Langweilend verendet ein Text. Die Karlsruher Inszenierung von Am Königsweg stellt hohe Ansprüche an die Ausdauer des Publikums. Selten wird man so gelangweilt. Wer unter Einschlafstörungen leidet oder intelligente Unterhaltung für überbewertet hält, der kann sich im Karlsruher Schauspiel erfolgreich anöden lassen - ein besinnlicher Abend für Langweiler, für alle anderen Theater aus der Kategorie verschwendete Zeit. Aber Achtung: das Stück ist pausenlos ohne offizielle Fluchtmöglichkeit. Wer vor dem Einschlafen rausgehen möchte, sollte sich an den Rand setzen.
Langweilend verendet ein Text. Die Karlsruher Inszenierung von Am Königsweg stellt hohe Ansprüche an die Ausdauer des Publikums. Selten wird man so gelangweilt. Wer unter Einschlafstörungen leidet oder intelligente Unterhaltung für überbewertet hält, der kann sich im Karlsruher Schauspiel erfolgreich anöden lassen - ein besinnlicher Abend für Langweiler, für alle anderen Theater aus der Kategorie verschwendete Zeit. Aber Achtung: das Stück ist pausenlos ohne offizielle Fluchtmöglichkeit. Wer vor dem Einschlafen rausgehen möchte, sollte sich an den Rand setzen.
Freitag, 26. Oktober 2018
Bergman - Szenen einer Ehe, 25.10.2018
Volltreffer: Bergmann inszeniert Bergman hautnah und spannend
Männer können interessanter werden, Frauen hingegen werden einfach nur älter. In Ingmar Bergmans Szenen einer Ehe verläßt Johan plötzlich seine Frau Marianne und ihre beiden Kinder, um mit einer 20 Jahre jüngeren Frau eine Affäre auszuleben und sich ein neues Leben aufzubauen. Marianne ist stark und verbittert nicht, Johan wird in der neuen Beziehung nicht glücklicher, beide können nicht voneinander lassen.
Szenen einer Ehe - der Titel wurde fast sprichwörtlich. Ein Blick unter die Oberfläche und hinter die offizielle Kulisse - diese Perspektive gelingt mit den beiden Schauspielern Sina Kießling und Timo Tank in der Inszenierung Anna Bergmanns herausragend gut und es fällt leicht zu prognostizieren, daß es schwer sein wird, als Zuschauer an Karten zu kommen - pro Vorstellung dürfen nur etwa 40 Besucher hautnah dabei sein, bereits jetzt sind die ersten Vorstellungen ausverkauft.
Männer können interessanter werden, Frauen hingegen werden einfach nur älter. In Ingmar Bergmans Szenen einer Ehe verläßt Johan plötzlich seine Frau Marianne und ihre beiden Kinder, um mit einer 20 Jahre jüngeren Frau eine Affäre auszuleben und sich ein neues Leben aufzubauen. Marianne ist stark und verbittert nicht, Johan wird in der neuen Beziehung nicht glücklicher, beide können nicht voneinander lassen.
Szenen einer Ehe - der Titel wurde fast sprichwörtlich. Ein Blick unter die Oberfläche und hinter die offizielle Kulisse - diese Perspektive gelingt mit den beiden Schauspielern Sina Kießling und Timo Tank in der Inszenierung Anna Bergmanns herausragend gut und es fällt leicht zu prognostizieren, daß es schwer sein wird, als Zuschauer an Karten zu kommen - pro Vorstellung dürfen nur etwa 40 Besucher hautnah dabei sein, bereits jetzt sind die ersten Vorstellungen ausverkauft.
Sonntag, 14. Oktober 2018
von Weber - Der Freischütz, 13.10.2018
Ein Bühnendesaster - gehirnverstaubt, inspirationslos und dilettantisch mißlungen
Hallooooo? Ist da jemand in der Führungsetage des Badischen Staatstheater? ... Nein, es scheint, als ob das Oberstüble lange nicht mehr genutzt wurde, denn es wirkt mal wieder äußerst hilflos und überfordert, was man seinem Publikum mit dem Freischütz zumutet. Wenn man gestern den Zuschauern Tüten mit überreifen Tomaten zur Verfügung gestellt hätte, wäre die Nachwuchsregisseurin nicht nur mit rekordverdächtig lauten Buh-Rufen für die vergeudete Lebenszeit und ihr Desinteresse gegenüber Musikern und Sängern (die sich monatelang vorbereiten und dann diesen Schrott darstellen müssen) bestraft worden. Schade, daß dieses Brauchtum in Vergessenheit geraten ist. Es ist eine Folge der prekär-defizitären Intendanz, daß es in den vergangenen Jahren vermehrt Inszenierungen gab und gibt, die aus dem letzten Loch pfeifen. Immer wenn man glauben wollte, daß das Training-on-the-job der Karlsruher Intendanz langsam erfolgreicher verlaufen könnte, kommen wieder solche peinlichen Abstürze in Unverständnisgrater. Der Freischütz ist ein Rückschlag, vergleichbar mit Verdis Macbeth, Strauß' Fledermaus und anderen dilettantisch verhunzten Inszenierungen. Der Karlsruher Oper läuft das Publikum weg (mehr dazu hier), dieser Freischütz wird die Situation wohl verschlimmern, denn man kann nur jedem raten, diese Produktion zu meiden und die Zeit sinnvoller zu verbringen.
Hallooooo? Ist da jemand in der Führungsetage des Badischen Staatstheater? ... Nein, es scheint, als ob das Oberstüble lange nicht mehr genutzt wurde, denn es wirkt mal wieder äußerst hilflos und überfordert, was man seinem Publikum mit dem Freischütz zumutet. Wenn man gestern den Zuschauern Tüten mit überreifen Tomaten zur Verfügung gestellt hätte, wäre die Nachwuchsregisseurin nicht nur mit rekordverdächtig lauten Buh-Rufen für die vergeudete Lebenszeit und ihr Desinteresse gegenüber Musikern und Sängern (die sich monatelang vorbereiten und dann diesen Schrott darstellen müssen) bestraft worden. Schade, daß dieses Brauchtum in Vergessenheit geraten ist. Es ist eine Folge der prekär-defizitären Intendanz, daß es in den vergangenen Jahren vermehrt Inszenierungen gab und gibt, die aus dem letzten Loch pfeifen. Immer wenn man glauben wollte, daß das Training-on-the-job der Karlsruher Intendanz langsam erfolgreicher verlaufen könnte, kommen wieder solche peinlichen Abstürze in Unverständnisgrater. Der Freischütz ist ein Rückschlag, vergleichbar mit Verdis Macbeth, Strauß' Fledermaus und anderen dilettantisch verhunzten Inszenierungen. Der Karlsruher Oper läuft das Publikum weg (mehr dazu hier), dieser Freischütz wird die Situation wohl verschlimmern, denn man kann nur jedem raten, diese Produktion zu meiden und die Zeit sinnvoller zu verbringen.
Montag, 8. Oktober 2018
Svolikova - Europa flieht nach Europa, 07.10.2018
Rang- und belanglos
Die gestrige Premiere von Europa flieht nach Europa ist ein Beispiel für alchemistisches Theater. Den fünf Schauspielern und dem Inszenierungsteam gelingt das seltene Kunststück, etwas aus sehr, sehr wenig zu machen. Ein textliches Nichts ohne Handlung und sprachlichen Reiz wird künstlich zu 70 Minuten Spieldauer aufgebauscht, die Zuschauer erwartet nur Formulierungshülsen, quasi Gelaber im Theater. Doch daß die Schauspieler diese Belanglosigkeiten so motiviert und engagiert vortragen, rettet die Vorstellung und ist großes Theater ohne großen Autorentext und ohne Triftigkeit.
Die gestrige Premiere von Europa flieht nach Europa ist ein Beispiel für alchemistisches Theater. Den fünf Schauspielern und dem Inszenierungsteam gelingt das seltene Kunststück, etwas aus sehr, sehr wenig zu machen. Ein textliches Nichts ohne Handlung und sprachlichen Reiz wird künstlich zu 70 Minuten Spieldauer aufgebauscht, die Zuschauer erwartet nur Formulierungshülsen, quasi Gelaber im Theater. Doch daß die Schauspieler diese Belanglosigkeiten so motiviert und engagiert vortragen, rettet die Vorstellung und ist großes Theater ohne großen Autorentext und ohne Triftigkeit.
Sonntag, 7. Oktober 2018
Ibsen - Nora, Hedda und ihre Schwestern, 06.10.2018
Tragödien des Alltags als Melodramen verkrampfter Frauen
Die Frauendramen Henrik Ibsens (*1828 †1906) behandelten bereits am Ende des vorletzten Jahrhunderts das Dilemma der emanzipierten Frau: Was entbehre ich und mit wem? Ibsen zeigt Ehepaare, in deren Beziehungen es Unausgesprochenes, Ungeklärtes und Unwahres gibt und in der Folge radikale Entscheidungen getroffen werden, und zwar -und das ist damals auf der Theaterbühne außergewöhnlich- von den Frauen selber und teilweise gegen die gesellschaftliche Norm. Ibsens Frauen standen im späten 19. Jahrhundert an der Schwelle zur emanzipierten Freiheit und entscheiden in Krisen selber über ihre Zukunft. Die neue Karlsruher Schauspieldirektorin und Regisseurin Anna Bergmann kombinierte drei Stücke Ibsens und knüpfte drei Frauenschicksale zu einem großen Theaterabend mit 20 Figuren, gespielt von 13 Schauspielern und insgesamt fast 200 Minuten Spieldauer inklusive einer Pause. Bergmann hätte eine Reihe mit Ibsen-Dramen starten können, stattdessen experimentiert sie an einem großes Ibsen-Panorama im Breitwandformat und komprimiert die drei Stücke teilweise bis zur Verfremdung. Das Ergebnis ist einfallsreich, aber durchwachsen, zu wenige gute und zu viele schwache Momente, teilweise spannend, doch mit Durchhängern und Durststrecken. Die Schauspielleistungen lohnen den Besuch, die Schwäche liegt hier alleine im Konzept, das überbedeutungsschwanger, überklamaukig, überhysterisch, überzeigefingerhebend, übersymbolisch und übertrieben gerne Klischees bemüht. Bergmann schwächt die emanzipatorische Kraft und betont das Unglück der Protagonistinnen, die in der Karlsruher Produktion zu Opfern von Männern und "Machtstrukturen" werden und verkrampft um Authentizität ringen.
Die Frauendramen Henrik Ibsens (*1828 †1906) behandelten bereits am Ende des vorletzten Jahrhunderts das Dilemma der emanzipierten Frau: Was entbehre ich und mit wem? Ibsen zeigt Ehepaare, in deren Beziehungen es Unausgesprochenes, Ungeklärtes und Unwahres gibt und in der Folge radikale Entscheidungen getroffen werden, und zwar -und das ist damals auf der Theaterbühne außergewöhnlich- von den Frauen selber und teilweise gegen die gesellschaftliche Norm. Ibsens Frauen standen im späten 19. Jahrhundert an der Schwelle zur emanzipierten Freiheit und entscheiden in Krisen selber über ihre Zukunft. Die neue Karlsruher Schauspieldirektorin und Regisseurin Anna Bergmann kombinierte drei Stücke Ibsens und knüpfte drei Frauenschicksale zu einem großen Theaterabend mit 20 Figuren, gespielt von 13 Schauspielern und insgesamt fast 200 Minuten Spieldauer inklusive einer Pause. Bergmann hätte eine Reihe mit Ibsen-Dramen starten können, stattdessen experimentiert sie an einem großes Ibsen-Panorama im Breitwandformat und komprimiert die drei Stücke teilweise bis zur Verfremdung. Das Ergebnis ist einfallsreich, aber durchwachsen, zu wenige gute und zu viele schwache Momente, teilweise spannend, doch mit Durchhängern und Durststrecken. Die Schauspielleistungen lohnen den Besuch, die Schwäche liegt hier alleine im Konzept, das überbedeutungsschwanger, überklamaukig, überhysterisch, überzeigefingerhebend, übersymbolisch und übertrieben gerne Klischees bemüht. Bergmann schwächt die emanzipatorische Kraft und betont das Unglück der Protagonistinnen, die in der Karlsruher Produktion zu Opfern von Männern und "Machtstrukturen" werden und verkrampft um Authentizität ringen.
Abonnieren
Posts (Atom)