Zähfadtrübe Kaugummisuppe
Langweilend verendet ein Text. Die Karlsruher Inszenierung von Am Königsweg stellt hohe Ansprüche an die Ausdauer des Publikums. Selten wird man so
gelangweilt. Wer unter Einschlafstörungen leidet oder intelligente
Unterhaltung für überbewertet hält, der kann sich im Karlsruher Schauspiel erfolgreich
anöden lassen - ein besinnlicher Abend für Langweiler, für alle anderen Theater aus der Kategorie verschwendete Zeit. Aber Achtung: das Stück ist pausenlos ohne offizielle Fluchtmöglichkeit. Wer vor dem Einschlafen rausgehen möchte, sollte sich an den Rand setzen.
Blasiert in der Blabla-Blase
Elfriede Jelinek hat mit Am Königsweg laut Jahrbuch der Zeitschrift "Theater Heute" das Theaterstück der Saison geschrieben, das "über
die liberalen Eliten handelt, die viel reden und nichts erklären können
und die Deklassierten, die aus jeglichem Dialog ausgestiegen seien. Es
ist wirklich das Stück, daß die Zeitstimmungen und Gefährdungen
zusammenfaßt."
Zeitstimmungen und Gefährdungen? Durch Paranoia
schafft man sich die Welt, vor der man sich fürchtet. In der Karlsruher Inszenierung verendet nicht nur ein Text, sondern man demontiert auch eine Autorin. Einst war Jelinek bekannt für vielschichtige Textflächen, die man zu rasanten Wortkaskaden verdichten konnte, in der Karlsruher Inszenierung kreist Jelinek solipsistisch um sich selbst und findet keinen Zugang mehr zur Welt, die auf einer zweiten Ebene im Hintergrund von Schablonen und Stereotypen gekennzeichnet ist - Jelinek ist von der Zeit übergangen, die Inszenierung eine Bloßstellung für eine in die Jahre gekommene Autorin, die nur noch in der eigenen Filterblase schwadroniert. Eine Inszenierung, die die Flucht aus der Realität in den Vordergrund stellt, aber nicht in Form einer politischen Stellungnahme, sondern als Eskapismus einer Autorin, die sich nur noch mit Ersatzvorstellungen ihre Welt baut und Konflikte nicht mehr erkennt. Als Zuschauer bleibt unklar, ob Am Königsweg wirklich so belanglos ist oder die Regisseurin Sláva Daubnerová so wenig daraus machen kann. Ihre Inszenierung ist ohne bemerkenswertes theatralisches Gespür, das Ergebnis eine aufgeblähte Worthülsensuppe. Wer genau hinhört und synchron übersetzt wird bei dieser Inszenierung einen sehr eintönigen Text bekommen: Blablablabla ....
"Die Arbeiten der slovakischen Künstlerin Sláva Daubnerová
oszillieren zwischen Theater, Performance, Installation und neuen
Medien." Performance und Installation ist anscheinend neudeutsch für Gehampel und Bedeutungsbehauptung. "Sie ist in der Slowakei als eine der spannendsten und
vielseitigsten Künstlerinnen ihrer Generation bekannt". In der Slowakei ist sie also ganz groß, bei uns kennt sie niemand und daran wird sich durch diese Inszenierung auch nichts positiv ändern.
Das Bühnenbild von Sebastian Hannak ist wie stets intelligent und einfallsreich, leider wird er in Karlsruhe zu oft als Retter für belanglose Inszenierungen besetzt. Ute Baggeröhr verschwendet ihr Können als Elfriede Jelinek leider an eine Regie-Totgeburt in frankensteinischer Pose künstlich-falscher Existenz. Die männlichen Schauspieler sind quasi ein Chor, oft haben sie keinen Text (der kommt übers Tonband als Aufzeichnung) und müssen lediglich posen und hampeln. Wie schon bei Svolikovas Europa flieht nach Europa erlebt man Gelaber im Theater, nur tendenziell depressiv und ohne Schwung und Witz.
Fazit: Die Langeweile ist so groß, daß jedes weitere Wort überflüssig ist. Mit dem Eintrittsgeld sollte man lieber etwas Sinnvolles anstellen, (sich) Gutes tun, karitativ tätig werden oder ein Buch kaufen.
Besetzung und Team:
Schauspieler: Ute Baggeröhr, Jens Koch, Moritz Peters, Jannek Petri, Gunnar Schmidt, Thomas Schumacher, André Wagner
Regie: Sláva Daubnerová
Bühne: Sebastian Hannak
Kostüme: Amit Epstein
Musik: Damon Lee
Video: Moritz Ermert
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.
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Wie wahr! Und wie so oft: viele Fragen. Wo sind die Fachleute, die dafür sorgen, dass eine solche Inszenierung eben nicht so wird? Wo sind die Stücke, die uns bewegen, nachdenklich, freudig, bestätigt, neugierig entlassen? Ist ein (farbiger?) nackter Jens Koch mit einem Riesenphallus auf dem Kopf unser (aller) neuer König?
AntwortenLöschenVielen Dank für Ihren Kommentar. Um die handlungslosen Jekinek-Stücke publikumstauglich zu inszenieren, braucht man ein Gespür für Timing. Stattdessen zeigt man hier eine zähe Kopfgeburt einer fast schon senil wirkenden Ich- Erzählerin, für die die eigenen Gedanken zum Gefängnis geworden sind. Ich vermute es wird nicht wenigen gehen wie Ihnen und mir: auf das Ende wartend und dann erleichtert, daß es vorbei ist.
Löschen@anonym: In Karlsruhe geht es nicht um Donald Trump, es geht bestenfalls um Klischees, schlimmstenfalls um Vorurteile und Pauschalitäten, meistens aber um Überforderung und Orientierungslosigkeit einer Autorin.
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