Sonntag, 27. Januar 2013

Spontini - La Vestale, 26.01.2013

Eine Rarität mit großer Geschichte hatte gestern (fast genau 205 Jahre nach der Uraufführung in Paris in Anwesenheit Napoleons) Premiere am Badischen Staatstheater: La Vestale - die Vestalin von Gaspare Spontini. Und wie schon bei Berlioz' Trojanern handelt es sich um eine wertvolle Wiederentdeckung mit einigen musikalischen Höhepunkten, sehr guten Sängern und einer guten Inszenierung. Alle Beteiligten bekamen viel Applaus und Zustimmung.

Dienstag, 22. Januar 2013

Hommage an Timo Tank

Es ist bisher (und nicht zum ersten Mal im letzten Jahrzehnt) im Schauspiel die Spielzeit von Timo Tank. Er hatte herausragenden Szenen in My secret Garden, er ist der stärkste Schauspieler in Büchners Dantons Tod  und liefert ein großes Rollenporträt als Sala in Schnitzlers Der einsame Weg. Dabei beweist er, daß es gar nicht immer darauf ankommt was gespielt, wenn man nur die richtigen Schauspieler dafür hat und diese ihre Stärken ausspielen dürfen.

Tank ist wahrscheinlich wie kein anderer des Karlsruher Schauspiel-Ensembles beim Publikum bekannt und beliebt; viele Besucher erkennen ihn auch abseits der Bühne. An vielen Erfolgsstücken des letzten Jahrzehnts war er beteiligt und man kann seine großen Auftritte schon lange nicht mehr an den Fingern beider Hände abzählen. Seine Erfolge umfassen tragende Rollen in wichtigen und erfolgreichen Produktionen und auch Nebenrollen werden bei ihm beachtenswert.

Als Truffaldino (Der Diener zweier Herren) machte er sich beim Karlsruher Schauspielpublikum einen Namen und prädestinierte sich beim Publikum als der Mann, der für die gute Stimmung, den Spaß und die Freude am Theater steht. Seine norddeutsche Lakonik und sein Humor machen ihn zum großen Komödianten. In Stücken wie Das Spiel vom Fragen, Was ihr wollt, Ein Sommernachtstraum, Arsen und Spitzenhäubchen u.v.a.m. brachte er durch seine unverwechselbare Art sein Publikum zum Lachen. Dazu kommt seine hohe Musikalität, die ihn für die Hauptrollen in Cabaret und Big Money prädestinierte. Große Auftritte in ernsten Rollen hatte er beispielsweise als Harry Haller im Steppenwolf, Achill in Kleists Penthesilea oder Graf Wetter vom Strahl in Das Kätchen von Heilbronn, als Happy in Tod eines Handlungsreisenden, als Mr. Marmalade oder auch den Insel-Produktion Sommersalon, Der Kissenmann und vielen weiteren.
 
Immer wieder fasziniert, wie er mit scheinbar wenig Aufwand seiner Figur einen Charakter gibt (z.B. in der kleinen Rolle als Prof. Kirschbaum in Jakob der Lügner). Sogar Nebenrollen werden bei ihm so zur großen Kunst. Er stellt seine Rollen nie motiv- oder motivationslos oder als phantastisch-erdachte Hybride dar, sondern behält immer das menschliche Maß der Charaktere im Auge. Dazu steht er mit perfekter Selbstverständlichkeit und Professionalität auf der Bühne und ist vielseitig wie nur wenige andere: er kann alles spielen!

Betrachtet man das Phänomen Timo Tank, fällt seine Wandlungsfähigkeit auf. Große Schauspieler kann man mit einem Chamäleon vergleichen: verwandelbar und fähig zur Charakter-Metamorphose, aber als Gestalt unverwechselbar, bieten die besten unter ihnen einen großen Farbenreichtum oder reflektieren in einigen wenigen, aber perfekt abgestimmten Farben. Timo Tank gehört zu denen, die durch Vielfalt und Genauigkeit verblüffen und begeistern. Wie kein anderer versteht er sich dazu auf die Kunst der Körpersprache, der Mimik und Gestik

Viele seine Rollen sind mir unvergessen und setzten den Standard für das, was man von einem hervorragenden Schauspieler erwarten kann: ein Chamäleon zu sein, das durch seine Wandelbarkeit immer wieder das Publikum in seinen Bann zieht. Timo Tank ist der Glücksfall eines kompletten und charismatischen Schauspielers, den jede Bühne benötigt, um beim Publikum zu punkten und es für sich zu gewinnen: er ist mehr denn je für die Ausstrahlung des Karlsruher Schauspiels unersetzlich.

Sonntag, 20. Januar 2013

Schnitzler - Der einsame Weg, 19.01.2013

Die neuste Schauspielproduktion des Badischen  Staatstheaters wurde gestern verdient mit lang anhaltendem Applaus belohnt. Der einsame Weg erlebte seine Uraufführung im Januar 1904 im Deutschen Theater in Berlin und bewies auch bei der Premiere in Karlsruhe eindrucksvoll die Aktualität und Größe Arthur Schnitzlers. Als Zuschauer wird man geradezu in den Spannungs-Sog des Dramas gezogen.

Freitag, 18. Januar 2013

Interview mit Birgit Keil

Ein kurzes Interview mit Birgit Keil findet sich hier:

http://www.nmz.de/kiz/nachrichten/direktorin-birgit-keil-will-mit-karlsruher-staatsballett-weiter-nach-oben

Noch kein Publikumszuwachs im Badischen Staatstheater

Betrachten wir mal die Momentaufnahme, die das Badische Staatstheater heute veröffentlicht hat:

"Die Bilanz der ersten Monate, September bis Dezember, der Spielzeit 2012/13 kann sich sehen lassen. Ein Vergleich mit den letzten sechs Spielzeiten zeigt, dass in diesem Zeitraum erstmals mit 103.643 Besuchern die 100.000er Marke überschritten wurde. Der entsprechende Durchschnitt der letzten sechs Spielzeiten lag bei rund 93.000 Besuchern"

Nur gab es in den vergangenen Jahren bis 2010/2011 noch kein Kinder- und Jugendtheater. In der Saison 2011/2012 hatte man laut Staatstheater über 50.000  Kinder und Jugendliche erreicht, also ca 5000 pro Monat. Wenn sich diese Rate gehalten hat, kann man wohl mindestens 10.000 Besucher von der offiziellen Statistik der ersten drei Monate abziehen und liegt damit (bestenfalls) auf dem Niveau der Vorjahre.

Glückwunsch! Das Badische Staatstheater ist auf Kurs und hält im Erwachsenenbetrieb die Zuschauerzahlen der letzten Jahre ungefähr konstant, kann sich aber durch seine bravouröse organisatorische Leistung im Kindertheater ein Publikumsplus erarbeiten.

Montag, 14. Januar 2013

Peter Spuhler zur Modernisierung der Theater

Mehr dazu hier:

http://www.welt.de/regionales/stuttgart/article112738561/Intendant-lockt-Studenten-mit-WLAN-an.html

Berlioz - Les Troyens, 13.01.2013

Es wird hoffentlich eines Tages rückblickend als eine Großtat des Operndirektors Joscha Schaback und des Dramaturgieleiters Bernd Feuchtner gelten, Berlioz für Karlsruhe neu entdeckt und ihn neben die anderen "Hausgötter" Händel, Mozart, Wagner, Brahms und R. Strauss gestellt zu haben. Die in Karlsruhe 1890 uraufgeführten Trojaner sollten in Karlsruhe einen besonderen Rang (wie z.B. Strauss' Die Frau ohne Schatten) einnehmen und werden hoffentlich von nun an wieder regelmäßig gespielt und inszeniert.

Die gestrige Wiederaufnahme bestätigte den großen Eindruck der letzten Spielzeit (mehr dazu hier, hier und hier). Eine besondere Stärke der Oper ist die Berlioz'sche Orchesterbehandlung, von der man nur schwärmen kann. Wollte man die vielfältigen Klangfarben beschreiben, müsste man die ganze Oper erzählen. Berlioz' Orchester ist vital und abwechslungsreich, seine Figuren hingegen blass: in nur wenigen Szenen werden sie lebendig. Aeneas bleibt dem Publikum fremd, Dido und Kassandra gehen nur selten zu Herzen. Das große Liebesduett im 4. Akt ist ein Juwel, doch die Musik ist mehr Konzertstück als Oper. Opernhaft gelingen vor allem die Chorszenen und Ensembles. Bei Richard Wagner gelang, wo Berlioz kämpfte: das Zusammenspiel von Darstellung und Charakterisierung zu finden. Les Troyens ist dennoch eine große Oper, deren Schwächen keine Fehler sind, sondern faszinierende Eigenart.

Chor, Orchester, Bühnentechnik und Sänger - Die Trojaner sind in jeder Hinsicht eine Produktion auf sehr hohem Niveau. Bei den Sängern ist es weiterhin eine homogene und starke Gesamtleistung, bei der viele in Erinnerung bleiben: Christina Niessen und Armin Kolarczyk als starkes Paar in der Einnahme Trojas. Die Trojaner in Karthago glänzten wie erwartet durch Heidi Melton, John Treleaven (der im 5. Akt Szenenapplaus und spontane Bravos für seine große Arie bekam), Konstantin Gorny, Eleazar Rodriguez und Sebastian Kohlhepp. Ewa Wolak debütierte gestern als Didos Schwester Anna und bewies eindrucksvoll (wie schon in den Gurreliedern), daß sie unbedingt wieder öfters zu hören sein muß.

Das gestrige Publikum gab langen und enthusiastischen Applaus - Les Troyens ist eine grandiose Vorzeigeproduktion, auf die man am Badischen Staatstheater stolz sein darf!
  
Einen Wermutstropfen gab es:
Statt diese für Karlsruhe so wichtige und besondere Oper an möglichst volle Abonnements zu verteilen, gibt es vier Aufführungen vor relativ leeren Abos, die durch den freien Verkauf aufgefüllt werden müssen und so vor einem etwas zu mager gefüllten Opernhaus präsentiert werden. Schade, die Trojaner hätten mehr verdient.
Ein wenig kann man den Eindruck gewinnen, also ob in diesem Jahr die Sparte Oper im Vergleich bspw. zum Schauspiel weniger Planungsaufmerksamkeit erhalten hat. [Im Schauspiel achtet man anscheinend diese Spielzeit besonders darauf, möglichst viele Abonennten, organisierte Besuchergruppen mit reduzierten Eintrittskartenpreisen und Schulklassen  bei seinen Vorstellungen zu haben, um nicht wie im letzten Jahr (und in dieser Saison bei den Wiederaufnahmen im Studio) meistens vor halbleeren oder leeren Zuschauerrängen spielen zu müssen. So waren schon frühzeitig Schauspielvorstellungen von Stücken sehr gut belegt, die noch nicht einmal Premiere hatten - also eine erzwungene Kehrtwende, um das Sprechtheater aus der Kritik zu holen.]
Für die Trojaner hat man anscheinend nicht dieselbe Sorgfalt walten lassen.

PS(1): Die Uraufführung erfolgte in Karlsruhe am 5. und 6. Dezember 1890. Im Dezember 2015 ist also 125 Jahre später der richtige Zeitpunkt für die Karlsruher Gedenkaufführung und ein guter Grund für eine Wiederaufnahme!

PS(2): Die Reihe der großen französischen Opern wird am 26.01.2013 mit Spontinis La Vestale forgesetzt. Man kann nur hoffen, daß die Karlsruher Opernleitung genug Atem hat, um Karlsruhe als Zentrum französischer Opernpflege langfristig zu re-etablieren.
Wie könnte es weiter gehen?        
  • Gerade weil das letzte Jahrzehnt in Karlsruhe viel Puccini gebracht hat, wäre als Alternative Jules Massenet angebracht: seine Zauberoper Esclarmonde (wirkt ein wenig wie eine französische Frau ohne Schatten) oder Thaïs (ich kann schon Armin Kolarczyk als Athanaël vor meinem inneren Ohr hören).
  • Der große Karlsruher Hofkapellmeister Felix Mottl leitete nicht nur die Uraufführung der Trojaner, sondern bemühte sich auch um die Opern Emmanuel Chabriers, dessen Gwendoline und Le Roi malgré lui in Karlsruhe ihre deutsche Erstaufführung erlebten. Mottl beabsichtige auch die Uraufführung von Ernest Chaussons Le roi Arthus, die dann doch nicht gelang.
  • Eine Oper von Meyerbeer oder La Juive von Halévy sollte nicht fehlen.
  • Es fehlt in Karlsruhe auch Louise von Gustave Charpentier. Die damals als epochal empfundene Erfolgsoper des Jahres 1900, die in ihrem Uraufführungsjahr 100 mal an der Opera-comique gespielt wurde und in Charpentiers Todesjahr 1956 ihre 1000. Aufführung in Paris erlebte.
  • Die namhaften Italiener, die für Paris komponierten umfassen neben Spontini auch Cherubini (z.B. Medée oder Lodoïska), Rossini (z.B. Le comte Ory oder Il viaggio à Reims), Donizetti (z.B. La Favorite oder Dom Sébastien (2009 vom Trojaner-Inszenierungsteam David Hermann/Christof Hetzer mit Christoph Gedschold als Dirigent an der Nürnberger Oper gespielt)) oder auch Verdi (z.B. Les vêpres siciliennes).
  • Weitere schöne Raritäten für diese Reihe: Dukas - Ariane et Barbe-Bleu, Debussy - Pellléas et Mélisande, d'Indy - L'etranger, Fauré - Pénélope, Roussel - Padmâvatî (auch weil Delibes Lakmé noch nicht lange genug her ist) oder Poulencs Dialog der Karmeliterinnen.

Donnerstag, 10. Januar 2013

Bizet - Carmen, 09.01.2013

Man kann die Thorwald-Inszenierung bemängeln, aber man muß auch eines eingestehen: diese Carmen ist die ideale Einstiegsoper für Neu- und Gelegenheitsbesucher. Das Publikum wird nicht durch überraschende Regieeinfälle abgelenkt, sondern schaut und hört unbelastet zu und hat Spaß an einer bekömmlichen Präsentation, die musikalisch sehr gut besetzt ist. Man könnte fast behaupten, daß es heutzutage eine mutige Regie ist, die sich selber bescheiden im Hintergrund hält und auf besondere Originalitätsbeweise verzichtet, um ein möglichst großes Publikum zufriedenzustellen. Ständig ausverkaufte Vorstellungen im zehnten Jahr nach der Premiere und persönliche Erfahrungen mit Besuchern scheinen dies zu bestätigen.

Freitag, 4. Januar 2013

Stuttgarter Zeitung: Lob fürs Karlsruher Ballett

Die Stuttgarter Zeitung würdigt Birgit Keil und das Badische Staatsballett:

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.ballett-das-unverwechselbare-profil-ist-ihr-wichtig.8304e8ad-fb63-429a-ae2d-3eeec4ce8674.html

Hommage an Barbara Dobrzanska

Langsam steigt die Vorfreude: Bei der Premiere am 26.01.2013 wird Barbara Dobrzanska als Vestalin die Titelrolle in Spontinis gleichnamiger Oper interpretieren. Dobrzanska ist ein Glücksfall für die Karlsruher Oper, und mehr noch - sie ist seit einem Jahrzehnt der Leidenschaftsmaßstab im Karlsruher Opernleben und die Stimme, die in der Erinnerung und in den Herzen des Publikums bleibt und viele Zuschauer wie keine andere gerührt und getroffen hat.

Das Schönste kann manchmal das Traurigste sein. Könnte man, vergleichbar der Richter-Skala für Erdbeben, tragisch-traurige Emotionsausbrüche messen, so hätte man für Dobrzankas Auftritte als Schwester Angelica an den Meßstationen schwere Erschütterungen in Karlsruhe verzeichnen können. Wer es nicht selber erlebt und beobachtet hat, kann sich kaum vorstellen, wie unmittelbar, echt und verzweifelt die Notrufe an die Mutter Gottes durch das Opernhaus hallten, wie still und betroffen das Publikum war, wie unzählige Taschen nach Taschentücher durchsucht wurden, wie viele Tränen am Ende dieser Puccini Oper vergossen wurden und verlaufene Wimperntusche in der Pause abgeschminkt wurde. Barbara Dobrzanskas Auftritte in dieser Rolle waren Sternstunden und der Beginn der großen Zuneigung, die ihr in Karlsruhe seitdem entgegengebracht wird. Und sie hat ihrem Publikum seither noch viele weitere Glücksmomente  geschenkt: ob nun beispielsweise in den großen Puccini Rollen (Tosca, Liu, Manon, Butterfly, Mimi) in Verdi (Desdemona, Elisabetta, Luisa Miller, Amalia, ...), als Maddalena (André Chenier), Marguerite und Elena (Boitos Mefistofele), Dvoraks Rusalka, Tatiana (Eugen Onegin), Maria (Mazeppa), Micaëla (Carmen), Antonia (Hoffmanns Erzählungen), Roxane (Cyrano de Bergerac) oder zuletzt als Donna Anna (Don Giovanni), Katia Kabanova und La Gioconda. Lauter Rolleninterpretationen, die man als Zuschauer als große und besondere Momente in Erinnerung behält.

Jede neue Hauptrolle für Dobrzanska ist eine Spielzeithöhepunkt im Opernhaus und man kann darüber spekulieren, welche Rollen als nächstes kommen könnten: Leonora in Verdis La forza del destino, Nedda in Leoncavallos Pagliacci, Adriana Lecouvreur von Cilea oder Catalanis La Wally wären mögliche Kandidaten. Und zweifellos schuldet die Opernleitung eines Tages dem Publikum und Barbara Dobrzanska eine Karlsruher Norma. Welche zukünftige Rollen es auch sein werden, wer wollte daran zweifeln, daß sie ihr Publikum zu Ovationen hinreißen wird!