Dienstag, 31. Oktober 2023

2. Symphoniekonzert, 30.10.2023

Drei Werke von drei Komponisten, drei Choräle, drei Solisten und eine dreisätzige Symphonie als drittes Werk, die der Autor dieses Besucher-Tagebuchs im dritten Jahrzehnt als Konzertabonnent zum dritten mal im Großen Haus erlebte, und -aller guten Dinge sind drei- beim dritten Hören engagierter und überzeugender musiziert wahrnahm als zuvor. Wenn es nun noch das dritte Symphoniekonzert der Saison gewesen wäre, hätte die auffallende Dreifaltigkeit als zahlenmystisches Zeichen Anlaß zu transcendenten Spekulation über die anscheinende Absichtlichkeit im Schicksale des Einzelnen gegeben. So blieb es dann doch nur Zufall.

Sonntag, 22. Oktober 2023

Verdi - Nabucco, 21.10.2023

Das Elend der Heuchelei
Die Handlung von Verdis Nabucco erzählt vom Leid des israelischen Volkes. Zwei Wochen vor der gestrigen Premiere wurde Israel angegriffen, hunderte Zivilisten -Säuglinge, Kinder, Frauen und Männer- durch ein an ein Pogrom erinnerndes Massaker der palästinensischen Terrormiliz Hamas  teilweise bestialisch ermordet. Und das Badische Staatstheater schwieg dazu. Es ist schon seltsam und bezeichnend: Seit Jahren ist das Theater instrumentalisiert für politische Botschaften aus dem ideologischen Milieu; führende Mitarbeiter des Theaters, bspw. die künstlerische Betriebsdirektorin Uta-Christine Deppermann und der geschäftsführende Direktor Johannes Graf-Hauber, dürfen die Webpräsenz des Badischen Staatstheaters für persönliche Darstellungen instrumentalisieren und ließen sich bspw. letztes Jahr während der Fußballweltmeisterschaft (nach dem Eklat durch Innenministerin Nancy Faeser in Katar, als diese  den Arabern mal so richtig zeigen wollte, auf welchem Niveau der deutsche Regenbogen-Moralhammer hängt) auf Social Media Seiten des Staatstheater wie Faeser mit Armbinde ablichten. Daß Deutsche, die ihre vermeintliche Überlegenheit wie in den 1930/40ern ausgerechnet mit Armbinde (und dann noch im Ausland) präsentieren, einen peinlich geschichtsvergessenen Eindruck abgeben, sei mal hintenangestellt. Doch wieso gab es nun keine Israel-Flaggen oder andere Solidaritätskundgebungen beim Badischen Staatstheater zu entdecken? Wenn Mitarbeiter sogar Solidarität mit einer wenig beliebten SPD-Ministerin zeigten, wieso dann nicht erst recht jetzt  mit Israel?
"Wo sind die israelischen Flaggen?", fragte Simon Strauß bereits am 10.10. in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (und zwar hier). "Unsere kulturellen Institutionen halten sich mit Zeichen der Solidarität bislang auffallend zurück. Es ist, als ob man Hemmungen hätte, sich die israelische Flagge ins Haus zu holen.  .... Wo sind die Banner, die Plakate, die Transparente? All die symbolpolitischen Aushängeschilder, die unsere kulturellen Institutionen sonst sehr gerne sehr schnell in ihre Schaufenster hängen .... Man kann das sehr gerne sehr kritisch sehen .... ".
Die WELT attestierte (und zwar hier) der Kulturszene im Land: "Der Israelhaß ist ein strukturelles Problem" und spielt damit auch auf das Versagen der "Kulturbeauftragten der Bundesregierung" Claudia Roth bei der letzten Documenta an, die im Frühsommer des Jahres dafür die Quittung bekam: bei einem vom Zentralrat der Juden in Deutschland organisierten Ereignis wurde die Grüne Politikerin  beim Grußwortdreschen lautstark ausgepfiffen und ausgebuht. Der Berliner Tagesspiegel fand damals die richtigen Worte für die fehlende Solidarität mit jüdischen Mitbürgern: "Es wird Zeit, mit Claudia Roth und denen, die ihres Geistes sind, Tacheles zu reden(mehr dazu hier). Daß Islamverbände keine deutlichen Worte gegen die Ermordung israelischer Zivilisten fanden und sich scheuen, Mörder als solche zu benennen oder bundesweit ein Zeichen gegen Gewalt zu setzen, daß Menschen mit arabischen Wurzeln auf die Straße gingen und die wahllosen Morde an Frauen und Kinder feiern und doch nur geballten Haß ausdrücken wollen, mag nur die überraschen, die ein naives Verhältnis zu diesen Kreisen pflegen. Auch diesmal blieb der bemerkbare Aufstand der Anständigen im arabischen bzw. islamischen Kreisen aus.
"In Berlin werden die Haustüren von Häusern markiert, in denen jüdische Familien leben. Es gibt versuchte Brandanschläge auf Synagogen. Jüdische Schulen und Kindergärten werden mit Dutzenden Polizisten bewacht. Das Holocaust-Mahnmal muss mit einer Hundertschaft Polizei geschützt werden." - das Badische Staatstheater schwieg, als ob dies ein hinzunehmender Tribut für "Vielfalt", "Diversität" und andere Sonntagswunschfloskeln aus dem Milieu sei. Ein Menschenalter war es undenkbar, daß es in Deutschland innerhalb von zwei Wochen 1100 antisemitische Straftaten geben könnte - nun wird jüdisches Leben wieder massiv bedroht. Es gab keine Solidaritätsbekundung von Seiten des Theaters.
Erst zehn Tage nach den Massakern erfolgte eine Reaktion. Das Badische Staatstheater machte sich aber lediglich die Erklärung des Deutschen Bühnenvereins zu eigen (hier). Doch niemand aus dem Intendanz-Team oder eines anderen Gremiums gab seinen Namen oder sein Foto dazu. Bei der Vermutung von Mikroaggressionen gegen das eigene Klientelmilieu wird vermeintlich Haltung gezeigt, beim Judenhaß und Makroaggressionen wird geschwiegen. Dieses Schweigen des Badischen Staatstheaters und seines Top-Managements ist eine moralische Bankrotterklärung. Wer sich gerne als Moralapostel*ette und Vorzeigehaltungsclown*inchen präsentiert oder glaubt, das Theater für private Meinungen instrumentalisieren zu können und dann im entscheidenden Moment schweigt, der muß sich fragen lassen, was Heuchelei, was Doppelmoral und was gelebte Israelfeindlichkeit ist, und die vergangenen zwei Wochen waren eine Bloßstellung für eine kleine Minderheit im Theater, die sich sonst doch so gerne in Szene setzt und wohlfeil ablichten läßt. Wenn einzelne Mitarbeiter der Intendanz und anderer Gremien am Theater  israelfeindlich bzw. antisemitisch sind oder es nicht für opportun halten, sich zu solidarisieren - bedauerlich, doch jeder darf seine Meinung haben; Aber wenn sich das Staatstheater einerseits für persönliche politische Botschaften kapern läßt (die nichts auf den Seiten eines Theaters verloren haben), dann aber als Theater es nicht hinbekommt, Antisemitismus zu verurteilen, dann ist das schon erbärmlich und lächerlich. 

Sonntag, 1. Oktober 2023

Shakespeare: Romeo und Julia, 30.09.2023

Die Abgedroschenheit des Selbstimitats
Anna Bergmanns Tage als Schauspieldirektor in Karlsruhe sind bekanntlich gezählt, nach dieser Spielzeit ist Schluß. Betrachtet man die abstürzenden Besucherzahlen in ihrer Sparte (mehr hier), kann man ihre Direktion als gescheitert betrachten, und nach der gestrigen Premiere scheint es, als ob ihr Abgang zu spät erfolgt. Ein Regisseur sollte wissen, wann der Vorhang zu fallen hat, denn sonst bekommt laut Oscar Wilde jede Komödie einen tragischen Schluß und jede Tragödie endet als Farce. Die gestrige Premiere von Romeo und Julia wirkte teilweise wie eine Farce. Bergmann  kopiert sich selbst, sie kombiniert Ideen früherer Inszenierungen zu einem Flickenteppich aus Versatzstücken. Shakespeare, Romeo und Julia müssen nun einiges am Badischen Staatstheater aushalten. "Anna Bergmann inszeniert die ... Liebesgeschichte ... in einer Musical-Version ... von hinten nach vorne. Die Inszenierung beginnt mit dem fünften Akt und endet mit dem ersten." Und da Shakespeares Text nicht zu dem paßt, was Bergmann inszenieren will, hat man noch belanglos flache Texte hinzuerfunden. Das Ergebnis wirkt auf gequirlte Weise abgedroschen.