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Sonntag, 1. Oktober 2023

Shakespeare: Romeo und Julia, 30.09.2023

Die Abgedroschenheit des Selbstimitats
Anna Bergmanns Tage als Schauspieldirektor in Karlsruhe sind bekanntlich gezählt, nach dieser Spielzeit ist Schluß. Betrachtet man die abstürzenden Besucherzahlen in ihrer Sparte (mehr hier), kann man ihre Direktion als gescheitert betrachten, und nach der gestrigen Premiere scheint es, als ob ihr Abgang zu spät erfolgt. Ein Regisseur sollte wissen, wann der Vorhang zu fallen hat, denn sonst bekommt laut Oscar Wilde jede Komödie einen tragischen Schluß und jede Tragödie endet als Farce. Die gestrige Premiere von Romeo und Julia wirkte teilweise wie eine Farce. Bergmann  kopiert sich selbst, sie kombiniert Ideen früherer Inszenierungen zu einem Flickenteppich aus Versatzstücken. Shakespeare, Romeo und Julia müssen nun einiges am Badischen Staatstheater aushalten. "Anna Bergmann inszeniert die ... Liebesgeschichte ... in einer Musical-Version ... von hinten nach vorne. Die Inszenierung beginnt mit dem fünften Akt und endet mit dem ersten." Und da Shakespeares Text nicht zu dem paßt, was Bergmann inszenieren will, hat man noch belanglos flache Texte hinzuerfunden. Das Ergebnis wirkt auf gequirlte Weise abgedroschen. 

Freitag, 21. Juli 2023

Zuschauerzahlen 2022/23: Der große Publikumsschwund

Man kann Zuschauerzahlen  des Badischen Staatstheater ja nur begrenzt trauen, bei ca. 20.000 Freikarten/Saison in der Vergangenheit sind die offiziellen Zahlen verzerrt.  Dennoch ist ein Vergleich mit früheren Spielzeiten von Interesse, um die eklatante Schwäche nach über einem Jahrzehnt der Instrumentalisierung zu belegen:

Sonntag, 6. Februar 2022

Birch - [Blank], 05.02.2022

Die Stunde(n) des reproduzierenden Künstlers
oder
Szenen aus dem beschädigten Leben
Mit [Blank] hatte Autorin Alice Birch eine aus Sicht des deutschen Theatermarktes kommerziell raffinierte Idee. Das Stück besteht aus 100 nicht zusammenhängenden Szenen und ca. 400 Seiten Text, aus denen sich jede Inszenierung frei bedienen kann. [Blank] ist also ein Selbstbedienungs- und Baukasten-Theaterstück. Der produzierende Künstler (also die Autorin) gibt dem reproduzierenden Künstler (Regie/Inszenierung) die offizielle Erlaubnis, sich quasi in den Vordergrund zu drängen und aus dem Text zu machen, was ihm paßt. Gerade in einem Land wie der Bundesrepublik (-in der es Kunst für alle geben soll, eine Re-Feudalisierung durch hohe Eintrittspreise durch großzügige Finanzierung der Theater durch Steuergelder verhindert wird, und jede Stadt ihren Bürgern Hochkultur bieten will-) ist der kommerzielle Erfolgsdruck auf reproduzierende Künstler niedrig und im Windschatten finanzieller Absicherung hat sich ein breites Inszenierungsprekariat herangebildet, dessen Ego weit größer als sein Können ist. Auch am Badischen Staatstheater leidet man seit über einem Jahrzehnt regelmäßig unter diesem Phänomen: Inszenierungsteams, die nicht Werk und Schauspieler, sondern sich selber in den Mittelpunkt stellen, dafür Autor, Stück und/oder Publikum über die Klinge springen lassen und das Theater für eigene Zwecke instrumentalisieren; Hauptsache sie sind im Scheinwerferlicht. Solche Inszenierungen zum Zwecke der Selbstbefriedigung der Regie mit Zuschauern als erzwungenen Voyeuren sind seit einigen Jahren Kennzeichen einer Selfie-Generation, bei der Selbstherrlichkeit schnell zur Spießigkeit wird. Man kann von einer problematischen Tendenz zur doppelten Selbstreferenzialität des deutschen Steuergeldtheaters sprechen: Man macht Theater, weil es nun mal die Aufgabe eines mit Steuern finanzierten Theaters ist, Produktionen auf die Bühne bringen, und das Regieprekariat hat oft keine originellere Idee, als sich selber und ihren Suppentellerrand als banale Inspiration zu verwenden (gerne kaschiert als Zeigefinger- und Betroffenheitstheater oder mit plakativer, politisch korrekter Agitprop-Attitüde mit der man "Relevanz" vorgaukelt). Inspiration und Originalität sind dabei Routine und Selbstdarstellung gewichen. Gerade das Karlsruher Schauspiel hat in der Hinsicht einen Absturz erlitten, seitdem es zu oft Theater von Spießern für Spießer bietet.
Die deutsche Erstaufführung von Alice Birchs [Blank] erfolgte gestern am Badischen Staatstheater, Schauspieldirektorin Anna Bergmann ergriff die Gelegenheit und inszeniert selber. Das Ergebnis ist bemerkenswert, kurzweilig und ungewöhnlich eindrucksreich. Die Regisseurin hat aus [Blank] zwei unterschiedliche, nacheinander gespielte Stücke für insgesamt 16 Schauspieler zusammengefügt, die in einer Gegenüberstellung auf ganz unterschiedliche Weise Szenen aus beschädigten Leben zeigen. Vor der Pause sieht man eine Mischung aus Psychodrama und Krimi, es geht um prekäre Zustände, Gewalt, Vergewaltigung, ein entführtes Mädchen, Mord, zwei Kommissare, einen Sozialarbeiter und eine Psychopathin. Freunde düsterer skandinavischer Krimis kommen auf ihre Kosten. Nach der Pause wird es voyeuristisch: die meisten Schauspieler agieren splitternackt und geben unerwartete Einblicke in einer grell überzeichneten, derben Satire auf das grün-woke Selbstherrlichkeitsmilieu. Von den 16 hochmotivierten starken Schauspielern können insbesondere Antonia Mohr, Wassilissa List und Timo Tank für ihre intensiven Szenen im ersten Teil hervorgehoben werden.

Samstag, 2. Oktober 2021

Wolf - Medea. Stimmen, 29.09/01.10.2021

Die abgeflachte Dramaturgie der Scheintriftigkeit
Christa Wolfs Reputation hat stark gelitten. Wolf (*1929 †2011) stand der DDR-Diktatur nicht kritisch genug gegenüber, sie war privilegiertes SED-Unterdrückungsparteimitglied, zwischendurch Kandidatin des Zentralkomitees der SED und Spitzel der Staatssicherheit, als informelle Mitarbeiterin der Stasi war sie allerdings nur kurze Zeit Teil des Regimes. Aber egal, der Mensch wird vergehen, das Werk bleibt bestehen, Mensch und Künstler sind getrennt zu bewerten. Doch auch als Autorin ist Wolf schlecht gealtert. Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki bezeichnete Wolf 1987 "als 'DDR-Staatsdichterin', deren künstlerische und intellektuelle Möglichkeiten weit überschätzt seien, und kritisierte ihre politisch ambivalente Haltung". Der Literaturwissenschaftler und aktuelle literarische Stil-Papst Michael Maar erwähnt sie in seinem Besteller Die Schlange im Wolfspelz: Das Geheimnis großer Literatur nur am Rand als Autorin blasser Kunstprosa. Der für den SWR tätige, stets unterhaltsame Literaturkritiker Denis Scheck setzte Wolfs bekanntestes Werk Kassandra sogar auf seine Liste des Anti-Kanons der schlechtesten Bücher (mehr hier). Er erkennt zwar ihren literarischen Mut an ("Wer Christa Wolf liest hat nichts zu lachen, ... diese Autorin malt mit schwarzem Pinsel auf schwarzem Grund", "wie 7 Tage Regen an der Ostsee"), nicht auszuhalten sei an Wolfs Prosa der "Ton der Besserwisserei und moralischer Überlegenheit, selbstzufriedenen Pharisäertums und pietistischer Enge, die fromme Überfliegerei, das kleinmütige Strebertum, das dogmatische Freund-Feind-Schema, der Mangel an Differenzierung und diese elende permanente Rechthaberei ... Christa Wolf hält sich nicht mit Grautönen auf und macht sich das Fällen der Urteile in ihrem moralischem Gerichtshof sehr sehr leicht". Aufmerksame Karlsruher Theatergänger werden bei der Analyse des Literaturkritikers ein überraschendes Déjà-vu erleben: diese Beurteilung klingt, als ob damit das Schauspiel unter Anna Bergmann beschrieben werden könnte, und man mag spekulieren, ob in dieser Affinität ein Grund liegt, wieso Bergmann Wolfs wenig geglückten Roman Medea. Stimmen auf die Theaterbühne bringt. Doch die Schauspieldirektorin springt mit dieser Inszenierung gewissermaßen über ihren Schatten und begnügt sich damit, Wolfs Medea nahe am Roman zu erzählen. Die Transformation des Romans auf die Bühne ist bemerkenswert gelungen, und das passiert selten genug. Die Inszenierung ist spannend, einfallsreich, gibt den Schauspielern ausreichend Raum zur Entfaltung und ist auf jeden Fall sehenswert. Nur die Scheintriftigkeit des Romans führt letztendlich zu einer abgeflachten Dramaturgie, die eine Spannung mehr aufbauscht denn aufbaut.

Freitag, 3. September 2021

Das instrumentalisierte und ideologisierte Theater (3)

Die DDR-Diktatur als Kinderidyll für Anna Bergmann?
Die Selbstdarstellung des Schauspiels unter seiner Direktorin Anna Bergmann ist eine Mischung aus unfreiwilliger Komik und Ideologisierung, doch vor allem der Diktatur-Verharmlosung auf der Internetseite des Staatstheaters (und zwar hier) muß vehement widersprochen werden. Und auch sonst darf Widerspruch nicht fehlen, denn schweigen wird gerne als Zustimmung bewertet. Keine Karlsruher Sparte ist im vergangenen Jahrzehnt stärker abgestürzt als das Schauspiel: kaum Freude, selten  Stimmung, es mangelt an guten Stücken, statt Handlungen gibt es zu oft Belehrungen, statt Konflikten gibt es Moral, statt Menschen findet man Klischees. Es geht zu wenig um inhaltsreiche Qualität und dafür zu oft um aufdringliche Symbolik. Diese Schwächen sollen kompensiert werden durch eine Positionierung als Moralapostel. Wer künstlerisch nichts zu sagen hat, der kann immerhin noch den Zeigefinger heben. Viele deutsche Theatermacher scheinen zu denken, Aufmerksamkeit verdient zu haben, weil sie das Theater als Ort der ideologischen Belehrung instrumentalisieren: die Inszenierung mag noch so unterirdisch sein, man soll aber gefälligst der "politisch korrekten" Haltung applaudieren. Wer als Zuschauer nicht zum Mitläufer werden will, muß widersprechen oder den Vorstellungen fern bleiben.

Mittwoch, 1. September 2021

Das instrumentalisierte und ideologisierte Theater (1)

Die unfreiwillige Komik im Egoelfenbeinturm
Wird nun alles besser? Oder bleibt das Badische Staatstheater ein Klienteltheater? Schauspieldirektorin Anna Bergmann scheint das Machtvakuum nach Abgang des alten und vor Amtsbeginn des neuen Intendanten ausgenutzt zu haben: "Für die kommenden Monate kündigt sie eine Radikalisierung des Programms an, weg vom 'Gemischtwarenladen' hin zu Fokussierung auf Themen, die ihr wichtig sind", verkündet etwas versteckt die Internetseite des Staatstheaters. Doch wie programmatisch öde, kleinkariert und monoton wirkt es, wenn alles, was Frau Bergmann als Schauspieldirektor verantwortet, sich innerhalb ihres engen persönlichen Horizonts abspielen sollte? Sie mag es ja toll finden, nicht über ihren Suppenteller hinausschauen zu müssen und in ihrer eigenen Filterblase zu verbleiben, aber es scheint doch eine narzißtische Selbstüberschätzung zu sein, damit gutes "Theater für alle" machen zu wollen. Statt Vielfalt und Abwechslung (oder wie sie es nennt: "Gemischtwarenladen") kündet sie Eintönigkeit und Themenenge durch radikale Einschränkung an. Der neue Intendant sollte ihr bei der Selbsterkenntnis helfen, daß Theater, Bühne und Künstler nicht Mittel zum Zweck ihrer Ego-Show sind. Die Millionen Euro Steuergelder, die die Schauspieldirektorin  zur Verfügung gestellt bekommt, sind für gutes Theater gedacht, nicht um ihre persönlichen Befindlichkeiten und Gesinnungen auszuleben. Es geht darum, daß endlich wieder lebendiges, spannendes Schauspiel gezeigt wird, Applaus gibt es für Qualität, nicht für eine Instrumentalisierung der Bühne zu persönlichen Zwecken. An einem Staatstheater geht es also nicht darum, daß Verantwortliche sich aufspielen und ausleben. Die angekündigte "Radikalisierung des Programms" bedeutet Theater, das dem Publikum den Rücken zudreht.

Sonntag, 4. Oktober 2020

Die neuen Todsünden, 03.10.2020

Moralunterweisungen für den Kindergarten
Vieles paßt nicht zusammen und will nicht funktionieren bei der ersten großen Produktion der Spielzeit. Die sieben "Kurzdramen" zum altertümlich und sogar reaktionär anmutendem Thema Todsünde, die gestern im Karlsruher Schauspiel Premiere hatten, sind heterogen und leiden unter fehlender Qualität und Haltungsschäden vieler Texte, die teilweise peinlich plakative Geschichten erzählen. Die Geschichten rangieren zwischen Etikettenschwindel (es geht gar nicht um Sünde) und moralischem Pfaffentum (denn erneut sieht man vorgekautes und vorgegaukeltee Relotius-Theater: man konstruiert sich eine plumpe schwarz-weiße Handlung, um künstlich den Zeigefinger heben zu können und sich als selbsternannte Moralwächter aufzuspielen). Das fast vierstündige spartenübergreifende Potpourri mit Schauspielern, Sängern und Tänzern erwies sich als Pseudo-Spektakel, das fast eine Totalpleite geworden wäre, wenn nicht nach der Pause Timo Tank durch große Schauspielkunst aufgetrumpft hätte.

Sonntag, 6. Oktober 2019

Bergman: Passion - Sehnsucht der Frauen, 05.10.2019

Therapeutenlos im Trauma
Anna Bergmann hat sich erneut Ingmar Bergman vorgenommen. Nach den erfolgreichen Szenen einer Ehe und dem zum Berliner Theatertreffen eingeladenen Drama für zwei Frauen Persona (eine Koproduktion des Theaters in Malmö und des Deutschen Theaters Berlin, die inszenatorische Parallelen zur Karlsruher Inszenierung aufweist und die man hoffentlich auch noch am Badischen Staatstheater zu sehen bekommt) kombiniert die Karlsruher Schauspieldirektorin und Regisseurin nun drei weitere Filme des Schweden zu einem dreistündigen Theaterabend. Oberflächlich betrachtet könnte Passion - Sehnsucht der Frauen eine Kombination von zwei der drei zugrunde liegenden Filmtitel sein. Nach der gestrigen Premiere ergibt sich ein anderer Sinn, denn es geht um Frauen, die leiden und sich nach Leiden sehnen, die sich nach Unglücken und Schicksalsschlägen selbst bedauern und sich aus der Spirale des Selbstmitleids nicht befreien können. Die Übersetzung der über 50 Jahre alten Filme in unsere Zeit zeigt Frauen, die sich in ihrem Unglück suhlen und sich daraus ihr persönliches Selbstmitleidsdrama konstruieren, das sie als Rolle ihres Lebens mißverstehen. Trotz kurzer heiterer Momente hat Anna Bergmann einen spannenden, aber auch oft bleischweren und grelldüsteren Überbietungswettbewerb zwischen Psycho-Drama und Trauma mit so überzeugenden Schauspielern inszeniert, daß man sich als Zuschauer die Frage stellt, wieso manche Figuren auf der Bühne statt in Therapie sind.

Sonntag, 1. September 2019

Vorschau auf die Spielzeit 2019/20 des Badischen Staatstheaters

Eine neue Saison beginnt, doch wer traut der Intendanz zu, das Ruder noch mal herumzureißen? Man hat in Karlsruhe die Chance zu frischem Wind und Neuanfang verpaßt, als die Kulturpolitiker Intendant Spuhler Gnadenbrot gewährten und ihm als Sanierungs- und Baustellenintendant den Job für die mageren Jahre gaben. Als Kapitän des Badischen  Staatstheaters wird ihm nur der bescheidene Ruf bleiben, das Schiff in flache Wasser manövriert und die Werft angesteuert zu haben. Um auf große Fahrt zu gehen, benötigt man ein anderes Format. Die Flaute im Flachwasser scheint noch einige Zeit anzuhalten, es ist nun die Pflicht der Direktoren, ins Offene rauszuschwimmen statt im Plantschbecken zu dümpeln. Die individuellen Perspektiven sind dabei für die bevorstehende Saison unterschiedlich.

Freitag, 12. Juli 2019

Rückblick (1): Die Spielzeit 2018/19 des Badischen Staatstheaters

Der Erfolg des Balletts und das Scheitern einer Intendanz
In wenigen Tagen endet eine Ära, 16 Jahre stetiger, erfolgreicher Arbeit sind vorbei -  Ballettdirektorin Birgit Keil und Vladimir Klos sowie viele beliebte Tänzerinnen und Tänzer verabschieden sich. Aufmerksamen Stammbesuchern des Badischen Staatstheaters wird es kaum entgehen: seit acht Jahren ist Peter Spuhler Intendant des Badischen Staatstheaters, im achten Jahr hat man bereits zahlreiche Direktorenwechsel in den anderen Sparten erlebt, aber auf eine erfolgreiche Personalie und erfolgsversprechende Perspektive wartet man dort vergebens; Niemand aus dem Umfeld der Intendanz steht vergleichbar stark für Qualität, Vision und Anspruch. Nun ja, vielleicht klebt einfach nur das Pech an den Fingern von Intendant Spuhler, vielleicht mangelt es ihm an Format und Weitsicht, so oder so, als Intendant ist Peter Spuhler keine optimale Besetzung, und auch das Gnadenbrot, das ihm eine ambitionslose Kulturpolitik mit der Verlängerung seiner Intendanz bis 2026 gewährt, wird nicht darüber hinwegtäuschen, daß es holprig und improvisiert zugeht und keine belastbare Vision erkennbar ist. Birgit Keil steht hingegen für kontinuierlich hohen Qualitätsanspruch und hat das Publikum stets im Blick gehabt. Hätte sich doch der Intendant nur ein wenig davon abgeschaut, stattdessen verwandelte er das Staatstheater ist ein stagnierendes Provinztheater, dessen verantwortliche Akteure beim künstlerischen und qualitativen Anspruch dem Vergleich mit Birgit Keil nicht standhalten.

Freitag, 5. April 2019

Heldenbergh - The Broken Circle, 04.04.2019

Melodramatisches Rührstück
Früher traf man im Karlsruher Theater nie auf Claqueure, doch seit der Amtsübernahme von Intendant Spuhler wird die inoffizielle Zurückhaltungsregel bei Premieren anscheinend laxer gehandhabt - das engagierte Umfeld darf künstlich Stimmung machen, regelmäßig konnte man in den letzten Jahren als aufmerksamer Zuschauer beobachten, daß es augenfällig Angehörige und Freunde sind, die lautstark johlen, vor allem wenn eine Produktion auf der Kippe steht, fallen solche Manipulationsversuche auf. Die gestrige Premiere benötigte diese künstlichen Akklamationsspender, denn The Broken Circle hat in Karlsruhe zu viele Schwachpunkte. Die wenigen guten Momente übertünchen kaum die konzeptionelle Pseudostimmung eines sentimentalen Melodramas, das Betroffenheit behauptet, ohne große Gefühle entwickeln zu können.

Freitag, 1. Februar 2019

Shakespeare - Viel Lärm um nichts, 31.01.2019

Ressentiments statt Liebe, Klamauk statt Komik
Hochmotivierte und sehr gute Schauspieler, eine von Shakespeares schönsten Liebeskomödien, eine Inszenierung die sowohl Vorder- als auch Hintergrund belebt und auch die Nebendarsteller nicht vergißt - und doch stimmt gestern einiges nicht. Die Regie hat Konstellationen geändert, viel Text und zwei neue Figuren hinzuerfunden, das Happy-End verhindert und dabei etwas Wichtiges vergessen. Das Publikum fällte sein Urteil über die neue Karlsruher Inszenierung von Viel Lärm um nichts unbewußt und ganz diskret, denn es dauerte fast eine Stunde bevor zum ersten Mal mehrere Zuschauer gleichzeitig lachten. Turbulent und komisch wurde es auch in der Folge nicht mehr. Und nicht nur auf die Komik mußte man warten, der Regisseurin entglitt auch die Liebe und ihr Zauber. Stattdessen war sie zu sehr damit beschäftigt, die männlichen Hauptrollen zu diffamieren - auf der Bühne stehen lauter Knallchargen. Doch wie soll Liebe oder Komödie funktionieren, wenn die Inszenierung auf Ressentiments setzt und unsympathische männliche Figuren schafft? Es ist inzwischen zu befürchten, daß man nur dann einen Job am Karlsruher Schauspiel bekommt, wenn man zum Lachen in den Keller geht und männerfeindlich ist.

Freitag, 26. Oktober 2018

Bergman - Szenen einer Ehe, 25.10.2018

Volltreffer: Bergmann inszeniert Bergman hautnah und spannend
Männer können interessanter werden, Frauen hingegen werden einfach nur älter. In Ingmar Bergmans Szenen einer Ehe verläßt Johan plötzlich seine Frau Marianne und ihre beiden Kinder, um mit einer 20 Jahre jüngeren Frau eine Affäre auszuleben und sich ein neues Leben aufzubauen. Marianne ist stark und verbittert nicht, Johan wird in der neuen Beziehung nicht glücklicher, beide können nicht voneinander lassen.
Szenen einer Ehe - der Titel wurde fast sprichwörtlich. Ein Blick unter die Oberfläche und hinter die offizielle Kulisse - diese Perspektive gelingt mit den beiden Schauspielern Sina Kießling und Timo Tank in der Inszenierung Anna Bergmanns herausragend gut und es fällt leicht zu prognostizieren, daß es schwer sein wird, als Zuschauer an Karten zu kommen - pro Vorstellung dürfen nur etwa 40 Besucher hautnah dabei sein, bereits jetzt sind die ersten Vorstellungen ausverkauft.

Sonntag, 7. Oktober 2018

Ibsen - Nora, Hedda und ihre Schwestern, 06.10.2018

Tragödien des Alltags als Melodramen verkrampfter Frauen
Die Frauendramen Henrik Ibsens (*1828 †1906) behandelten bereits am Ende des vorletzten Jahrhunderts das Dilemma der emanzipierten Frau: Was entbehre ich und mit wem? Ibsen zeigt Ehepaare, in deren Beziehungen es Unausgesprochenes, Ungeklärtes und Unwahres gibt und in der Folge radikale Entscheidungen getroffen werden, und zwar -und das ist damals auf der Theaterbühne außergewöhnlich- von den Frauen selber und teilweise gegen die gesellschaftliche Norm. Ibsens Frauen standen im späten 19. Jahrhundert an der Schwelle zur emanzipierten Freiheit und entscheiden in Krisen selber über ihre Zukunft. Die neue Karlsruher Schauspieldirektorin und Regisseurin Anna Bergmann kombinierte drei Stücke Ibsens und knüpfte drei Frauenschicksale zu einem großen Theaterabend mit 20 Figuren, gespielt von 13 Schauspielern und insgesamt fast 200 Minuten Spieldauer inklusive einer Pause. Bergmann hätte eine Reihe mit Ibsen-Dramen starten können, stattdessen experimentiert sie an einem großes Ibsen-Panorama im Breitwandformat und komprimiert die drei Stücke teilweise bis zur Verfremdung. Das Ergebnis ist einfallsreich, aber durchwachsen, zu wenige gute und zu viele schwache Momente, teilweise spannend, doch mit Durchhängern und Durststrecken. Die Schauspielleistungen lohnen den Besuch, die Schwäche liegt hier alleine im Konzept, das überbedeutungsschwanger, überklamaukig, überhysterisch, überzeigefingerhebend, übersymbolisch und übertrieben gerne Klischees bemüht. Bergmann schwächt die emanzipatorische Kraft und betont das Unglück der Protagonistinnen, die in der Karlsruher Produktion zu Opfern von Männern und "Machtstrukturen" werden und verkrampft um Authentizität ringen.

Samstag, 1. September 2018

Vorschau auf die Spielzeit 2018/2019

Trauriges Jubiläum
Wir befinden uns im 300. Jahr der Karlsruher Theatergeschichte, aber es gibt kein (oder bestenfalls ein spärliches) Jubiläumsprogramm. Was hätten wohl andere Theater aus so einem Anlaß gemacht! In Karlsruhe erleidet man hingegen die uninspirierte, phantasie- und kreativschwache und in zu vielen Belangen prekär-defizitäre Intendanz von Peter Spuhler. Doch auch wenn es schwer fällt, sollte man sich die fröhliche Vorfreude auf die kommende Spielzeit vom Intendanten nicht nehmen lassen, es gibt spannende Produktionen interessanter Werke, neue Spartendirektorinnen in Schauspiel und Oper, man kann die Suche nach einem neuen GMD beobachten und es gilt Abschied zu nehmen von Birgit Keil.

Samstag, 28. April 2018

Vorschau auf die Spielzeit 2018/2019 des Badischen Staatstheaters

Me too! Eine Spielzeit der Diskriminierung
Die Me too! Debatte über das Castingverhalten und sexuellen Mißbrauch auf der Besetzungscouch kam aus der Filmbranche und hat zwar noch nicht zu einem Flächenbrand bei den Theatern geführt, in Karlsruhe hörte man in den letzten Jahren unter der Hand zumindest gerüchteweise den Verdacht, daß es die Chancen auf einen Job verbessert haben könnte, männlich und homosexuell zu sein. Ob das der Wahrheit entspricht, kann nur mit internem Engagement des Theaters untersucht werden und aufgrund der bisherigen Erfahrungen vermutlich erst nach einem Intendanzwechsel (hier mehr dazu in der ZEIT). Manchen scheint es, als ob man nun die Flucht nach vorne antritt und wie so oft tendiert radikales Gegenlenken bei Schieflage, in die entgegengesetzte Einseitigkeit zu kippen. Die Zukunft ist nicht Gleichberechtigung, nein, das Badische Staatstheater verkündet als diskriminierende Doktrin: "Die Zukunft ist weiblich". Als wolle man die bisherigen Gerüchte mit aller Gewalt und der entsprechenden Drohung widerlegen. Der Generalintendant versteckt sich, angeblich hat man nun ein "frauen-dominiertes Führungsteam" von Quotenfrauen, die ihr Engagement einem Mann verdanken, der damit von seiner prekären Intendanz ablenken kann. "Dominanz" wird in diesem Zusammenhang manche amüsieren, der Generalintendant und seine Dominas - statt um Theater geht es beim Programm der kommenden Spielzeit stark um Diskriminierung am Theater, im Schauspiel werden sogar ausschließlich Frauen inszenieren. Der Wettbewerb zwischen den Geschlechtern um Dominanz wird im Vorwort des Schauspiels offiziell für eröffnet erklärt: "Frauen sehen sich selbst als emanzipiert und selbstbewußt – und das über alle Generationen hinweg. In vielen Regionen der Erde sind sie bereits besser gebildet und erfolgreicher". Das klingt, als brauche man nun endlich einen Männerbeauftragten.
Harte Zeiten für all jene, die einfach nur wegen guten Theaters gerne ins Theater gehen würden. Denn eigentlich geht es beim Theatermachen ums Publikum und um Qualität, nicht um Selbstdarstellung und Selbstbefriedigung des Führungsteams am Badischen Mumpitztheater.

Donnerstag, 2. November 2017

Anna Bergmann wird neuer Schauspieldirektor ab 2018/19

Nach Jan Linders (2011-2016) und Axel Preuß (2016-2018) hat Intendant Spuhler ab der Saison 2018/19 Anna Bergmann als dritten Schauspieldirektor ans Badische Staatstheater berufen. Bergmann ist in Karlsruhe als Regisseurin keine Unbekannte: in der Oper inszenierte sie eine umstrittene La Bohème (mehr hier), im Schauspiel stammen Tschechows Drei Schwestern (mehr hier) und Sophokles' Antigone (mehr hier) von ihr, im Juni 2018 kommt Molnars Liliom hinzu. Bergmann hat zuvor nicht als Spartenleiterin eines Theaters gearbeitet, als zukünftige Leiterin mit starkem Praxisbezug kann sie durchaus eine sehr gute Wahl sein. Zwei Inszenierungen will Bergmann pro Spielzeit selber beisteuern. Es wird spannend, wie sie einerseits den Spagat zwischen Administration und Inspiration bewältigen und andererseits sich vom Intendanten emanzipieren und eine eigene Linie und Handschrift durchsetzen und auf die Bühne bringen wird. Eine spannende und starke Wahl und untypisch für Intendant Spuhler, der bisher eher Gefolgsleute ohne künstlerische Individualität engagierte. Not scheint erfinderisch zu machen ....

Sonntag, 9. April 2017

Sophokles - Antigone, 08.04.2017

Von Sackgasse zu Sackgasse
Die neue Karlsruher Antigone zeigt, wie man auch ohne tragende Idee und roten Faden eine Inszenierung vortäuschen kann. Die unentschlossene Regie entschied sich für einen Stilmix durch Anhäufung von Versatzstücken, zu sehen ist eine zu Beginn archaisch anmutende Zombie-Inzest-oben ohne-Tränendrüsen-Betroffenheits-Dikataturüberwindungs-Utopie. Das wirkt bedeutungsschwanger, ist aber eher ein hohler Raum, alle Elemente haben irgendwie ihre Berechtigung, passen aber nicht zusammen. Für die Titelfigur haben weder die Regisseurin noch die Hauptdarstellerin eine Inspiration, vor allem André Wagner als Kreon rettet den verkorksten Premierenabend.    

Sonntag, 31. Mai 2015

Tschechow - Drei Schwestern, 30.05.2015

Tschechows Drei Schwestern (mehr dazu auch hier) sind ein Glücksfall. Regisseurin Anna Bergmann hat eine so handlungs- und assoziationsreiche Inszenierung geschaffen, daß man auch beim wiederholten Besuch immer noch etwas Neues entdecken kann und bemerkt, wie geschickt sie bspw. die Textstellen, die sich etwas ziehen oder für heutige Ohren zu hypothetisch bleiben, durch Hintergrundhandlungen aufwertet. Vor allem ermöglicht sie den Schauspielern großartige Szenen und motiviert sie zu einer Spielfreude, die einfach ansteckend ist.

Freitag, 1. Mai 2015

Tschechow - Drei Schwestern, 30.04.2015

Das Schöne an dieser Inszenierung, bereits bei der Premiere (mehr hier) und auch gestern, ist, daß es hier endlich mal wieder gelingt, alle Schauspieler in den Mittelpunkt zu stellen: solistisch und im Ensemble. Es passiert mehr auf der Bühne als man bei einem Besuch beobachten kann, ständig kann man voll konzentrierter Freude neue Entwicklungen und Eindrücke einfangen. Die Regisseurin Anna Bergmann hat für jede Rolle ein Konzept, alle Schauspieler nutzen die Chance und zeigen ihr Potential.  Es gibt einiges auf der Bühne, das durchaus inszenatorisch diskutabel ist; doch die Spielfreude und Stimmung der Schauspieler macht die Aufführung zu einem wunderbar kurzweiligen Abend, bei dem die positiven Eindrücke durch die Akteure die Waagschale klar zum Erfolg wenden. Die rückwärtige Entwicklung ausgehend von Verzweiflung, Stillstand und Lethargie vom Beginn im vierten Akt hin zum ausgelassenen, heiteren und glücklichen ersten Akt am Schluß - man gönnt den Figuren die Leichtigkeit als Lebensentwurf angesichts des verkrampften Schluß am Anfang.