Dienstag, 26. Februar 2013

4. Symphoniekonzert, 25.02.2013

Passend zu den Händel-Festspielen gab es im vierten Symphoniekonzert Musik des 18. Jahrhunderts und ein zeitgenössisches Derivat.

Zu Beginn erklang Händels Concerto grosso a-Moll op.6 Nr.4. Händels Konzerte stehen heute in ihrer Popularität hinter diversen Bach Konzerten zurück. Opus 6 Nr.4 gehört zu den bekanntesten Konzertwerken Händels und hat reizvolle, aber kurzdauernde Momente: bspw. der ernste Beginn oder die Sarabande des dritten Satzes. Ein zwar etwas schwerfälliger, aber schöner ca zehnminütiger Einstieg in den Abend.

Es folgte das kurze, weniger als 15 Minuten dauernde Concerto grosso des israelischen Komponisten Avner Dorman, das Händels Konzert zitiert und modernisiert. Dorman war bereits im Juli 2012 als Gast anwesend und bei einem Karlsruher Konzert zu hören. Sein Concerto grosso kombiniert Stilelemente von Händel und Vivaldi mit osteuropäischen Einschlägen (evtl. etwas Minimalismus von Avro Pärt. Das Programmheft verweist auf Alfred Schnittke). Zwischen zwei wenig interessanten Adagios befindet sich ein rascher Mittelsatz - mehr ist darüber eigentlich nicht zu sagen. Mit dem Applaus war Dormans Stück schon wieder vergessen.
     
Die Telemann Ouverture-Suite „La Bourse” ist ein Stück mit Zeitbezug: ein musikalischer Kommentar zum Absturz der Pariser Börse im Jahr 1720, aber keine Tondichtung, die mit Wiedererkennungswert irgendetwas beschreibt, was nicht auch ganz anders gehört werden kann. Ein sehr schönes Stück barocker Musik, das knapp 20 Minuten dauerte. Kai Bantelmann und Ilona Steinheimer (Oboe) sowie Oscar Bohorquez (Fagott) bekamen einen Extra-Applaus für ihren virtuosen solistischen Einsatz.
  
Kann sich noch jemand an die exzentrische letzte Aufführung von Haydns 104. Symphonie erinnern? Uwe Sandner dirigierte sie 2005. Sandner war u.a. auch mal in einer Meisterklasse beim großen rumänischen Dirigenten Sergiu Celibidache und wagte damals ein Experiment: er celibidachisierte Haydn - eine Strategie, die bisher nur bei Bruckner funktionierte. Sandners gedehnte Strukturierung des Klangs ließ einige Zuschauer ratlos ins Programmheft schauen, was denn gerade gespielt wird. Diese Gefahr bestand in diesem Konzert nicht - der Dirigent Bruno Weil ist Experte für die Musik Joseph Haydns, dessen Werk er für viele CD-Produktionen aufgenommen hat. Entsprechend war auch das Ergebnis: Haydn "pur".
In 36 Jahren (zwischen 1759 und 1795) komponierte Haydn (*1732 †1809) 104 Symphonien. Gestern war also wieder seine letzte zu hören: ein 63-jähriger -zu damaligen Zeiten ein uralter Mann- schreibt eine Symphonie in D-Dur, also nach der Affektenlehre des Barock in der jubelnden und sieghaften Tonart, doch nach dem kurzen pomphaften Beginn wechselt das Werk schnell in etwas Hoffnungsloses und Erschöpftes, das dann doch durch Optimismus überwunden und niedergerungen wird. Bruno Weils Interpretationsansatz zeigte sich bereits in den ersten Takten: er glättete die Kontraste und vermied Abgründe. Bei Weil wirkte Haydns Symphonie, die nach Mozarts Tod entstand, als ob Haydn Mozart noch nicht oder kaum kennen würde. Haydn "pur" - eine zupackende, musizierfreudige und schnelle Interpretation, die gerade  den Wechsel zwischen Licht und Schatten und besonders im dritten Satz den Kontrast der musiklischen Landschaften nicht betonte. Die Badische Staatskapelle erwies sich als guter Partner für diese Musik und Bruno Weils Dirigiersicht.

Obwohl es sogar ein sehr kurzer Konzertabend war, der mit gerade mal 75 Minuten Musik zu sparsam ausfiel und vor 22 Uhr beendet war, hatte man den Eindruck, daß die Programmauswahl an diesem Abend zu fade und gleichförmig war.

Samstag, 23. Februar 2013

Händel - Alessandro, 22.02.2013

Gerade auch nach anderen Barock-Aufführungen (z.B. vorgestern Händels The Triumph of Time and Truth oder noch deutlicher nach Porporas Polifemo in Schwetzingen) wird deutlich, was man am Badischen Staatstheater mit den Händel-Solisten für ein großartiges und unersetzliches Orchester hat. Händels Alessandro hat wunderbare Musik, die man wohl nur sehr selten so facettenreich und klanglich überwältigend-schön live hören kann. Für Freunde der Barock-Musik sind die Auftritte des Orchesters eine Klangoffenbarung und die Händel-Solisten sind seit ihrer Gründung 1985 einer der Garanten für barocke Musizierpraxis auf höchstem Niveau. Dirigent Michael Form formt einen wunderschönen und ideal temperierten Barockklang. An alle Musiker im Orchestergraben: BRAVO!

Zu den letztjährigen Eindrücken (mehr hier und hier) lässt sich nichts Neues sagen. Die vier Gastsänger (Lawrence Zazzo als Alessandro, Yetzabel Arias Fernadet als Rossane, Raffaella Milanesi Lisaura und Martin Oro als Tassile) und drei Ensemblemitglieder sind sehr gut gewählt. Am Ende des ersten Aktes befindet sich die heiterste Szene, wenn Rebecca Raffell (Cleone), Andrew Finden (Clito) und Eleazar Rodriguez (Leonato - die Rolle wurde diese Spielzeit mit ihm neu besetzt, da Sebastian Kohlhepp im Händel Oratorium sang) singen und tanzen - oder wie Eleazar Rodriguez twitterte: "We are too hot to Händel!"

Vorgestern hatte der Händel/Barry Abend für Händel Festspiele ungewohnt wenig Zuschauer, Alessandro hingegen war ausverkauft und man verkaufte auch Stehplätze. Die neun Aufführungen in den Jahren 2012 und 2013 waren außergewöhnlich gut besucht und Alessandro ist wahrscheinlich angesichts der Zuschauergunst eine der erfolgreichsten Produktionen in der Geschichte der Karlsruher Händel Festspiele. Wieso? Nicht wegen der Oper (Alessandro gehört nicht zu Händels besten Barockopern), nicht wegen der Sänger (die aber alle dem Anspruch eines Barock Festivals in jeder Hinsicht entsprechen), sondern wegen dem Boom der Barockopern und der von den Händel-Solisten wunderschön vorgetragenen Musik. Besser kann man Barockopern nicht musizieren. Hoffentlich sind die Produktionen im nächsten Jahr auch wieder den entscheidenden Tick interessanter, um das Zuschauer-Interesse zu bewahren und mit den Spitzenproduktionen zu Zeiten der Thorwald/Brux-Ära mithalten zu können.

Freitag, 22. Februar 2013

Händel - The Triumph of Time and Truth / Barry - The Triumph of Beauty and Deceit, 21.02.2013

Die wegen Gewerkschaftsstreik reduzierten Premiere musste noch ohne  Bühnenbild und Inszenierung auskommen. Nach der gestrigen Bühnenfassung konnte man den Eindruck gewinnen, daß der ver.di Streik fast ein Glücksfall war - bekam man doch für die Premiere solidarischen Applaus, wo man sonst wahrscheinlich einige Buhs bekommen hätte.

Der Abend ist zweigeteilt: das Händel Oratorium ist von Regisseur Sam Brown in ein Großraumbüro verlegt, in dem die Schönheit als Sekretärin arbeitet und mit dem Vergnügen flirtet, doch Firmenchef (Zeit) und Assistent (Wahrheit) zwingen sie als fleißge Arbeitskraft zurück ins Büro. Einem handlungsfernen Oratorium muß eine Geschichte in der Regel mühsam angepasst werden und auch hier wollen der Text des gekürzten Oratoriums und die erfundene Handlung nicht so richtig harmonieren. Daß man darüber hinweg sehen kann, liegt am Einfallsreichtum der Bühne (Bühnenbild von Annemarie Woods), die einen schnellen Wandel von Großraumbüro, Kantine und Waschraum ermöglicht, und an einer unterhaltsamen Personenführung der fünf Sänger und 26 Statisten. Es sind etwas zu viele kleinformatige Einfälle des Regisseurs, die man nur durch genaue Beobachtung oder ein Opernglas wahrnimmt. Dennoch ist der inszenatorische Mehrwert gegenüber der Premiere deutlich zu bemerken. Kein großer Wurf, aber eine solide und nette Umsetzung.

Nach der Pause verliert die Barry Oper durch die Bühnenversion gegenüber der Premiere. Die Zeit ist nun ein schwerfälliges, sich windendes, häßliches Etwas, das von der Wahrheit als Pfleger und Arzt begleitet wird. Das selbstsichere Vergnügen weiß um seine Dominanz. So richtig kommt die Inszenierung nie in Fahrt und der Konflikt der Schönheit erschließt sich nicht. Die ganze Inszenierung ergibt wohl irgendeinen Sinn, der mir allerdings hermetisch verschlossen blieb. Musik und Handlung verschmelzen zu einen hektischen Aktionismus, dessen Antrieb und Ursache genauso im Zwielicht bleiben wie die obskuren Geschehnisse auf der Bühne. Die Musik erleichtert den Genuß der Oper nicht, ganz im Gegenteil. Die Idee zur Fortsetzung und das gut geschriebene Libretto zu The Triumph of Beauty and Deceit hätten einen  einfallsreicheren Komponisten verdient. Nach wenigen Minuten scheint sich Barrys Vokabular erschöpft zu haben: schnell stellt sich eine gewisse überraschungsfreie Monotonie ein. Für einige ist die knappe Stunde nur mit Unbehagen zu ertragen. Immer wieder verließen -wie auch schon bei der Premiere- Zuschauer gestern den Innenraum des Großen Hauses und wie mir ein Flüchtender erzählt hat, hat man das beim Badischen Staatstheater antizipiert: an den Türen warten im Innenraum teilweise Mitarbeiter, um ein geräuschloses Schließen der Türen zu gewährleisten.
          
Enttäuschend ist die musikalische Leitung des Oratoriums: uninspiriert, ohne Feuer und viel zu glatt und eintönig dirigiert Richard Baker Händels Musik. Bei Barrys Oper ist er deutlich mehr in seinem Element.  Die Sänger hingegen kann man pauschal loben: alle singen und spielen absolut überzeugend.

Fazit: Was bleibt von den Händel Festspielen 2013? Alessandro wurde wieder aufgenommen .... man hatte sehr gute Sänger engagiert ... und die meisten warten auf 2014. 2013 scheint ein Übergangsjahr ohne richtigen Höhepunkt zu sein.

Mittwoch, 20. Februar 2013

Händel Festspiele 2014: noch 366 Tage ….

Noch laufen die Händel Festspiele 2013, aber morgen in einem Jahr am 21. Februar 2014 ist Premiere: Händels Oper Riccardo Primo, inszeniert vom französischen Barock-Experten Benjamin Lazar und mit Franco Fagioli in der Titelrolle. Auch wenn die anderen Sänger noch nicht bekannt sind, reichten diese Informationen aus, um in den letzten 5 Tagen bereits ca. 500 Karten(!) für die Premiere im nächsten Jahr abzusetzen. Das ist ein außergewöhnlicher und bemerkenswerter Vorgang und spricht für die Vorfreude, die Festspielleiter Bernd Feuchtner mit dieser Ankündigung ausgelöst hat und für das Vertrauen, das zahlreiche Barockmusik-Freunde dem Karlsruher Festival entgegenbringen.
  
Die Kombination, zusätzlich Rinaldo -eine von Händels schönsten Opern- mit einem Marionettentheater aufzuführen, veredelt die Händel Festspiele 2014 bereits ein Jahr im Voraus zu einem besonderen Ereignis. Man kann gespannt sein, welche weiteren Sänger man für die beiden Produktionen engagieren wird.
 
Am Badischen Staatstheater möchte man sich für seine Programmauswahl gerne rühmen und loben lassen, aber übersieht dabei leider, wo die wirklichen Verdienste aus Publikumssicht liegen: Publikumszufriedenheit erreicht man weniger mit der Zusammenstellung der "Speisekarte", sondern durch Qualität und Präsentation des Produkts, in diesem Fall zweifellos dadurch, Barockopern für die Sinne zu spielen. Die Händel Festspiele 2014 könnten einen Zuschauerrekord aufstellen – alle, die bereits Karten gekauft haben glauben daran und wünschen, daß dem Badischen Staatstheater und Festspielleiter Bernd Feuchtner dieser Erfolg zuteil wird.
 
Und wer noch keine Karten hat und bei der Premiere eines besonderen Opern-Erlebnisses dabei sein will – hier noch mal der Link zum Vorverkauf:
http://www.staatstheater.karlsruhe.de/programm/haendel-festspiele-2014/  
  
Der Vorverkauf für weitere Vorstellungen von Riccardo Primo (vier weitere Aufführungen) und Rinaldo (zwei weitere Aufführungen) beginnt im Herbst 2013 zu Beginn der kommenden Spielzeit.

Sonntag, 17. Februar 2013

Händel - The Triumph of Time and Truth / Barry - The Triumph of Beauty and Deceit, 16.02.2013

Endlich wieder Händel Festspiele! Für das Badische Staatstheater ist die Premiere der wahrscheinlich Prestige- und Presse-reichste Tag des Jahres. Zu keinem anderen Termin hat mal für gewöhnlich so starke überregionale Aufmerksamkeit und nationale und internationale Gäste. In über 35 Jahren Kontinuität hat sich Karlsruhe als bedeutende Festivalstadt für Barockmusik etabliert. Dieses Jahr hat man viele englischsprachige Besucher und der irische Komponist Gerald Barry, dessen Oper gestern aufgeführt wurde, war zu Gast. Deshalb kann man nur mit Unverständnis darauf reagieren, daß die Gewerkschaft ver.di den Samstag bestreiken ließ. Die Bühnenarbeiter legten für die gestrigen Premieren im Kinder- und Musiktheater die Arbeit nieder. Die Premiere der Händelfestspiele musste also konzertant, in Kostümen und ansatzweise gespielt, aber ohne Bühne und Beleuchtung stattfinden. Streiks sind zweifellos wichtige und angemessene Instrumente im Arbeitskampf, aber wieso sabotiert man ausgerechnet einen für die künstlerische Bedeutung und Ausstrahlung des Staatstheater so wichtigen Tag mit so vielen anreisenden  Besuchern? Mit Carmen, Zauberflöte, Schwanensee, ... gibt es andere, ständig ausverkaufte Vorstellungen, die für einen Warnstreik ideal geeignet sind. Die möglichen Motive sind wenig schmeichelhaft für ver.di. Man kann alte Klischees bedienen und vermuten, daß diese Entscheidung aus allzu leichtfertiger Ignoranz fiel oder am Samstagabend alkoholisierte Provinzgewerkschaftler den wirkungsstärksten Coup ihrer Funktionärsgeschichte gefeiert haben. Es könnte aber auch sein, daß man von Gewerkschaftsseite rücksichtslos seine Macht benutzte, um persönliche Rechnungen zu begleichen und um es irgendjemand heimzuzahlen. Die Theaterbetriebsgruppe von ver.di entschied sich mit dem gestrigen Warnstreik für ein destruktives und feindseliges Signal, das größtmöglichen Kollateralschaden anrichten sollte.
   
Händelfestspiele 2013
Nun aber: Endlich wieder Händel Festspiele! Die Besucher schüttelten über ver.di den Kopf, ließen sich aber durch die gewerkschaftliche Negativität nicht die Freude nehmen. Die diesjährige Neuproduktion ist englisch: ein in englisch gesungenes Händel-Oratorium, ergänzt durch eine zeitgenössische englische Oper, von englischsprachigen Gastsängern und einem englischen Dirigenten aufgeführt und inszeniert von einem englischen Team.

Was wird aufgeführt?
Keine der italienischen Opern Händels (*1686 †1759), sondern mal wieder ein Oratorium aus seiner Spätzeit, sogar aus einer sehr späten Zeit, denn The Triumph of Time and Truth ist Händels letztes Oratorium und wurde 1757 erstmals gespielt. Doch das Oratorium ist kein neues Werk, sondern eine Verarbeitung eines früheren Händel Werks. 1707 komponierte Händel in Rom das Oratorium Il trionfo del Tempo e del Disinganno (war 2007 in Karlsruhe zu hören), das er 1737 nach einer Umbearbeitung in London als  Il trionfo del Tempo e della Verità (war 1999 in Karlsruhe zu hören) und noch mal 20 Jahre später nach einer englischen Übersetzung und weiteren Umarbeitung als The Triumph of Time and Truth restverwertete und nun die Karlsruher Reihe komplettiert. Um es für die Bühne inszenieren zu können, wurde das Oratorium gekürzt und dauert ca 90 Minuten.

Die Oper The Triumph of Beauty and Deceit des irischen Komponisten Gerald Barry (*1952) wurde 1991 uraufgeführt. Barry war vor der gestrigen Premiere der große Unbekannte - fast niemand dürfte bisher von ihm gehört oder etwas gehört haben. Aus gutem Grund - man kann seine Musik in jedem Fall als sehr gewöhnungsbedürftig bezeichnen: sie wirkt sehr gehetzt und gedrängt, dabei aber in ihrem Ausdruck überwiegend eintönig und schrill-hysterisch: ein akustischer Migräneanfall. Auffällig ist bei ihm auch die Behandlung der Singstimme. Im Programmheft warnt das Badische Staatstheater bereits vorab: "Außerdem schert sich Barry nur wenig um die verkrusteten Konventionen, innerhalb derer Menschen auf der Opernbühne ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen pflegen. Denn würden diese Konventionen gelten, müssten Barrys Figuren als ernstlich wahnsinnig erscheinen, da sie sich in Gesangslinien entäußern, die durch alle Register rasen, an den falschen Stellen abbrechen (will heißen: der jeweiligen Textphrasierung widersprechen) und sich überdies häufig wiederholen, wie gefangen in manischer Konfusion. …. Seine Charaktere benehmen sich nicht angemessen, indem sie ihre Emotionen ausdrücken; sie gehen weiter, bis hin zu grotesker Übertreibung. Oder sie bleiben zurück und verharren in Stille."
Es gibt immer wieder Phasen, wo man Barrys Musik durchaus einen gewissen Reiz abgewinnen kann, aber in der Summe wirkt sie wie ein Klischee über moderne Musik. Immer wieder verließen Besucher in den knapp 50 Minuten Aufführungsdauer den Saal, weil sie es nicht mehr ertragen konnten. Gerade auch nach der melodiösen und ruhigen Barockmusik, wirkt die Kombination mit der unruhigen Musik Barrys umso harscher und gewöhnungsbedürftiger für die Zuschauer.

Worum geht es?
In Händels allegorischem Oratorium und Barrys Oper gibt es das gleiche Personal. Die Zeit, die Wahrheit, das Vergnügen und die Täuschung versuchen die Schönheit auf den richtigen Weg zu bringen, und zwar bei Händel auf den Pfad der religiösen Tugend, bei Barrys Fortsetzung hin zum Vergnügen. Es ist also eine moralische Handlung, die hier inszeniert wird, bei der die Schönheit manipuliert werden soll. Der Paradigmenwechsel ist unverkennbar: im spätbarocken Oratorium ist die Vergänglichkeit der Schönheit Anlaß zur Konzentration auf göttliche Belohnung im Jenseits; in moderner Sicht ist die Vergänglichkeit der Schönheit Anlaß zu diesseitigen Vergnügen und hedonistischen Genuß. Wo Vergnügen und Schönheit einst in offizieller Moral (inoffiziell huldigten ihr die Kirchenfürsten hemmungsfrei)  nur frivol denkbar waren und ihnen der Spaß ausgetrieben wurde, sind sie heute selbstverständliche Chance zur geglückten Selbstverwirklichung.
Aus oben genannten Gründen war die Premiere konzertant und über Bühnenbild und Absichten des Regie-Teams lässt sich noch nichts sagen.

Was ist zu hören?
Wie fast immer in den letzten Jahren hat man sehr gute Sänger versammelt und es fällt schwer, jemand aus dem homogenen Ensemble hervorzuheben. In Händels Oratorium hat man mit Sebastian Kohlhepp und Stefanie Schaefer erprobte und beliebte Ensemblemitglieder und mit Anna Patalong eine schöne Sopranstimme. Zwei Sänger singen in beiden Stücken: Countertenor William Purefoy und der Bassist Joshua Bloom, den wahrscheinlich einige gerne öfters hören würden: eine tragende und markante Stimme, die auffällt. Ebenfalls eine sehr schöne Stimme hat der Tenor Peter Tantsits, der die Schönheit in Barrys Oper singt. Das Publikum spendete demonstrativ langen und starken Applaus für alle Sänger.


Die Premiere findet nun am Dienstag, 19.02. statt. Das Badische Staatstheater bietet allen Inhabern von Premierenkarten 50% Ermässigung an, falls sie sich für einen zweiten Termin mit Inszenierung noch mal eine Karte besorgen wollen.


PS: Diesmal hat man die Preisverleihung (mehr dazu hier bei den Gurreliedern) für den "Preis der deutschen Theaterverlage - Bestes Opernprogramm 2012/13" im Anschluß an die Premiere vorgenommen. Vielen Dank, daß man all jenen, für die das Was weniger wichtig ist als das Wie, die üblichen Blabla-Ansprachen dieses so beliebig und überflüssig anmutenden Preises vor der Premiere nicht zugemutet hat. Dennoch zur Orientierung eine kurze Wertung und Einordnung des Preises.
Das Badische Staatstheater hat also scheinbar ein besseres Opernprogramm als alle anderen Städte. Zur Erinnerung hier das sensationelle Karlsruher Programm, das der Jury keine andere Wahl ließ, als den Preis ins Badische zu vergeben: Wagner - Tannhäuser, Künneke - Der Vetter aus Dingsda, Händel - The Triumph of Time and Truth, Barry - The Triumph of Beauty and Deceit, Donizetti - Die Regimentstochter, Weinberg - Die Passagierin, Britten - Peter Grimes. Der Konkurrenz hat es wahrscheinlich Verzweiflungstränen in die Augen getrieben angesichts dieses außergewöhnlichen Hammerprogramms, um das uns viele in der Republik beneiden müssen.

Gewürdigt wurden also nicht Künstler oder künstlerische Qualität -was manche für die einzige maßgebliche Kategorie halten- sondern theoretische Absichten bei der Zusammenstellung der Programmpunkte. Bereits im zweiten Jahr unter Joscha Schaback kann die Jury überraschenderweise  feststellen: "Beeindruckend ist ... die Stringenz, mit der thematische Linien verfolgt werden." Unglaublich, aber wahr: das Badische Staatstheater begeistert damit, daß es eine stringente Planung über zwei Jahre zustande gebracht hat. Als Zuschauer reibt man sich allerdings verwundert die Augen und fragt sich, wieso Absichten und Pläne überhaupt preiswürdig sind und so wichtig, daß man das Publikum seit Monaten auf den Preis aufmerksam macht. Vielleicht muß man in einem mit Steuergeld subventionierten Umfeld arbeiten, um Leistung und Errungenschaft so einfach zu definieren.

Wieso macht das Badische Staatstheater so ein großes Trara um Preise? Eigenlob stinkt! heißt es umgangssprachlich und frühere Intendanzen veröffentlichten ihre Auszeichnungen nur auf einer mittleren Seite in der Theaterzeitung. Bescheidenheit und Gelassenheit kann zeigen, wer Vertrauen in seine Arbeit hat. Es spricht nicht für die Selbstsicherheit und das Stilgefühl eines Theaters, das nach außen die eigenen Verdienste ins Rampenlicht stellt. Wer Zweifel an seiner eigenen Qualität hat oder denkt, daß das Publikum Qualität nicht erkennt, wenn es sie sieht, zeigt, daß etwas nicht zusammenpasst und Mißtrauen gegenüber den Zuschauern herrscht.

Übrigens: "Der Bariton Seung-Gi Jung, seit 2011/12 Ensemblemitglied, hat den 1. Preis beim Internationalen Gesangswettbewerb in Bilbao in der Kategorie Männerstimmen gewonnen". Dem Badischen Staatstheater war dieser großartige Erfolg nur diese kurze Notiz auf Seite 35 des aktuellen Theatermagazins wert. Hätte man mal lieber ihm auf der Bühne gratuliert und den "Preis" für das "beste" Opernprogramm einmalig auf Seite 35 verkündet - dann hätten die Verhältnisse gestimmt und jeder wäre an dem Platz, an den er gehört.


Team und Besetzung:

HÄNDEL - DER SIEG VON ZEIT UND WAHRHEIT:
Beauty: Anna Patalong
Deceit: Stefanie Schaefer
Counsel (or Truth): William Purefoy
Pleasure: Sebastian Kohlhepp
Time: Joshua Bloom

BARRY - DER SIEG VON SCHÖNHEIT UND TÄUSCHUNG:
Beauty: Peter Tantsits
Pleasure: Iestyn Morris
Truth: William Purefoy
Deceit: Gabriel Urrutia Benet
Time: Joshua Bloom

Musikalische Leitung: Richard Baker
Regie: Sam Brown
Bühne & Kostüme: Annemarie Woods
Choreographie: Lorena Randi

Freitag, 15. Februar 2013

Teilweiser Vorverkauf für die Händel Festspiele 2014 gestartet

2014 könnte ein herausragendes Jahr in der Geschichte der Händel Festspiele werden!
Es wird wieder eine historisierende Aufführung mit Kerzenlicht geben (Radamisto ist vielen ein unvergessenes Erlebnis) und in der Hauptrolle von Händels Riccardo Primo (Richard Löwenherz) wird der Karlsruher Publikumsliebling und großartige Countertenor Franco Fagioli zu hören sein. Für die Premiere am 21.02.14 (noch nicht für die vier anderen Termine) kann man ab heute Karten buchen.

Dazu scheint es mit Händels Rinaldo eine Übernahme der Händel Festspiele in Halle aus dem Jahr 2011 zu geben. Die Sänger geben dabei ihre Stimmen an Marionettenfiguren des Marionettentheaters Carlo Colla e Figli. Wie schon in Halle, musiziert die Lautten Compagney Berlin unter Wolfgang Katschner. Einen Eindruck dazu gewinnt man bei dieser Filmreportage: http://vimeo.com/26574249. Für eine von zwei Aufführungen kann man ebenfalls bereits Karten kaufen.

Das Badische Staatstheater hat beide Premieren in einer höheren Preiskategorie als sonst üblich angesetzt: für beide Vorstellungen sind die Karten teurer als bei Opernpremieren, aber günstiger als bei Gala-Abenden. Angesichts der geringen Aufführungsanzahl und des großen Aufwands, den man dafür betreibt, eine dennoch gerechtfertigte Preispolitik.

Hier der Link zum Internet-Vorverkauf:
http://www.staatstheater.karlsruhe.de/programm/haendel-festspiele-2014/
     
PS: Liebes Badisches Staatstheater,
Radamisto sollte damals als DVD in einer SWR Produktion auf den Markt kommen. Leider geschah das nicht, aber bei Riccardo Primo könnte man das doch eventuell nachholen!?!

Montag, 11. Februar 2013

Händel Festspiele 2014

Das Badische Staatstheater kündigte heute an, aufgrund des großen Interesses den Vorverkauf für gewisse Veranstaltungen der Festspiele 2014 bereits im Verlauf der diesjährigen Festspiele zu beginnen.

Liebes Badisches Staatstheater,
wäre es nicht eine gute Idee, den Vorverkauf grundsätzlich erst mal nur für Abonnenten freizugeben und danach/später den freien Verkauf zu starten? Das wäre doch ein Mehrwert für treue Besucher und ein Anreiz, sich zukünftig ein Abo zu besorgen!

Nachtrag (13.02.13): Hier mehr zum Vorverkauf 2014 http://www.staatstheater.karlsruhe.de/aktuell/news_id/262/

Wagner - Tannhäuser, 10.02.2013

Seit der Premiere (mehr dazu hier) ist Tannhäuser ein sehr schöner und ständig mehr als ausverkaufter Erfolg für das Badische Staatstheater und auch die Presse hat sehr viel Positives darüber geschrieben. Den Satz, über den man sich in Karlsruhe vielleicht am meisten gefreut hat, lieferte die Frankfurter Rundschau: "Was würde ein derart interessanter, überragender Tannhäuser in Bayreuth erst für Furore machen!"

Gestern nun eine weitere Bestätigung, daß die Inszenierung kurzweilig und spannend ist, erst recht wenn man wie gestern hervorragende Sänger hat. Für Peter Seiffert ist Tannhäuser eine Paraderolle. Mit seinem klaren und beweglichen Tenor hinterließ er jederzeit den Eindruck, eine mustergültige Interpretation zu singen und der ideale Tannhäuser zu sein. Beeindruckend, wie er sich sogar noch im letzten Akt steigern konnte und eine großartige, intensive Rom-Erzählung sang. Die zahllosen begeisterten Bravo-Rufe für ihn waren verdient:  Seifferts differenziertes und überlegtes Porträt setzte einen Maßstab, der nur schwer zu überbieten sein wird. Seifferts Ehefrau Petra Maria Schnitzer sang eine lyrische Elisabeth und in dieser Kombination kann man die beiden als Traumpaar für Tannhäuser bezeichnen. Schnitzer hatte in der Vergangenheit bereits beide Rollen als Venus und Elisabeth gesungen. Die bisherige Doppelbesetzung wurde gestern allerdings  aufgegeben: Heidi Melton präsentierte sich als Venus so, wie man sie in Karlsruhe kennt: klangsinnlich und souverän. Erneut war es auch Armin Kolarczyk, der als Wolfram von Eschenbach seine Abendstern-Arie  sensationell schön sang und auch beim Schlußapplaus entsprechend triumphierte.
Viel Applaus auch für den Knabensopran von Tom Volz, der mit seinem kleinen Auftritt alle aufhorchen ließ und sich nahtlos einpasste.
Musikalisch in jeder Hinsicht ein hochklassiger Abend

Regisseur Aron Stiehl  inszeniert Tannhäuser als Künstlerdrama und rosalies ästehtisch-abstrakte Farbbühne unterstreicht diese Interpretation. Wagner baut die Spannung in seinen Opern durch entgegengesetzte Pole, die durch ihre widersprüchliche Charakteristik vielfältig deutbar sind. In der Karlsruher Produktion sind neben dem Gegensatz Gesellschaft / Künstler andere Gegensätze erkennbar, die aber nur angedeutet werden und keine Prägnanz gewinnen, bspw. Venusberg / Wartburg, Wartburgchor/ Pilgerchor, Venus / Elisabeth bzw. sinnliche Liebe / geistige Liebe, Erlösung / Verdammung. Der zottelige Pilgerchor kommt aus Rom genau so niedergeschlagen zurück, wie er bereits im ersten Akt aufbrach.
Daß das Publikum dieser Inszenierung so enthusiastisch zujubelt, scheint in der Kombination der Hör- und Seherlebnisse zu liegen. Die reduzierte inszenatorische Ausleuchtung der Konflikte scheint aber ebenfalls dazu beizutragen und hilft, den Tannhäuserstoff als etwas Interessantes zu sehen, fern von Sinnsünden, Reue, göttlicher Vergebung und Erlösungsdramatik. Tannhäuser wird nicht erlöst, er stirbt in Venus' Armen. Wolfram folgt darauf Venus und scheint der nächste zu sein, der sie sich als Muse wählt.

Mittwoch, 6. Februar 2013

Vorschau: Händel Festspiele 2014

Es gibt bereits eine Vorschau für 2014, die die Vorfreude jetzt schon schürt:

Riccardo Primo (Richard Löwenherz)
Oper von Georg Friedrich Händel HWV 23
In der Titelrolle Franco Fagioli
Dirigent Michael Hofstetter
Regie Benjamin Lazar
Inszenierung im Stil der Barockzeit mit Kerzenlicht
Premiere am 21.2.
Weitere Vorstellungen am 23., 24., 26. & 27.2.

Rinaldo
Oper von Georg Friedrich Händel HWV 7
Marionettentheater Carlo Colla & Figli Mailand
Lautten Compagney Berlin
Wolfgang Katschner Dirigent
Zauberoper mit prachtvollen Puppen und Dekorationen
Premiere am 1.3.
Weitere Vorstellungen am 2. & 3.3.

Athalia
Oratorium von Georg Friedrich Händel HWV 52
Konzertante Aufführung am 2.3.

Dienstag, 5. Februar 2013

Händel Festspiele 2013

Das übergroße Interesse des letzten Jahres (hier mehr dazu) war noch ein Echo der erfolgreichen letzten Intendanz. In der letzten Spielzeit waren bereits alle Karten für Alessandro knapp drei Monate vorher verkauft. Man entschloss sich damals auch die Generalprobe für das Publikum zu öffnen - auch sie war ausverkauft.

Wieso dieser erstaunliche Zulauf? Verantwortlich für den großen Erfolg war nicht die Wahl der Oper, noch die Sänger oder das Inszenierungsteam, sondern einzig und allein die außergewöhnlichen und vom Publikum begeistert aufgenommenen Produktionen der Thorwald/Brux-Arä, die bei vielen Zuschauern die hohe Nachfrage und fast schon eine Zugriffspanik auslöste: spätestens nach Ariodante und Radamisto konnte man es sich einfach nicht erlauben, keine Karten für die neue Händel-Oper rechtzeitig zu ergattern - auch wenn Partenope 2011 bereits abfiel.
Alessandro enttäuschte nicht -wirklich gute Sänger, ein großartig aufspielendes Orchester, eine etwas zu langatmige Inszenierung-, aber es war doch kein Vergleich zu den vorherigen Erfolgen.

Dieses Jahr ist die Konsequenz zu bemerken: knapp 10 Tage vor Beginn ist noch gar nichts ausverkauft, aber doch vieles sehr gut besucht. Der Schwund ist auf sehr hohem Niveau. Aber man merkt, wie groß der Verdienst und der Erfolgsbeitrag von Achim Thorwald und Thomas Brux noch zum Erfolg der Festspiele 2012 war. Ohne sie hätte es den letztjährigen  Zuschauerrekord nicht geben können.

Das diesjährige Programm ist verglichen zum Vorjahr unspektakulärer, aber durchaus auf dem Niveau der Vorjahre. Besondere Beachtung gilt der Neuinszenierung, mit der Festspielleiter Bernd Feuchtner wieder etwas sehr Spannendes präsentiert: ein Händel Oratorium kombiniert mit einer zeitgenössischen Oper, die den Stoff des Oratoriums aufnimmt und weiter verarbeitet: Händels The Triumph of Time and Truth und The Triumph of Beauty and Deceit von Gerald Barry. Das Badische Staatstheater verspricht: "Humor ist garantiert bei diesem ungewöhnlichen Händel-Projekt!". Das britische Inszenierungsteam Sam Brown und Annemarie Woods gewann alle Preise des Ring Award 2011, des wichtigsten Wettbewerbs für den Opernnachwuchs. Man kann also eine interessante und wahrscheinlich vor allem amüsante Produktion erwarten. Neues ist dabei auch musikalisch angesagt, und zwar aus englischsprachigen Ländern: Man wird zwei neue Countertenöre kennenlernen: William Purefoy und Iestyn Morris sowie drei weitere junge Sänger. Geleitet wird der Abend vom britischen Komponisten und Dirigenten Richard Baker (*1972).

Wie immer ist der Terminplan sehr gedrängt und besonders am 24.02 nicht optimal - da gibt es drei Konzerte zeitgleich und man macht sich ungeschickt gegenseitig Konkurrenz: das vierte Symphoniekonzert im Großen Haus (Dirigent Bruno Weil), das Oratorium Esther in der evangelischen Stadtkirche (dirigiert von Michael Hofstetter und mit Kirsten Blaise) sowie ein Klavierabend mit Claude Diallo im Kleinen Haus.


Am 15.02. geht es im Konzerthaus los, u.a. mit Händels Feuerwerkmusik. Hier befindet sich die komplette Programmübersicht:
http://www.staatstheater.karlsruhe.de/programm/haendel-festspiele/

Und hier ist der Link zum Programm (als pdf-Datei, Größe: 4 MB) der diesjährigen Händel Festspiele.


NACHTRAG (06.02.13): das Badische Staatstheater hat sich freundlicherweise zu einer ungenauen Bemerkung in diesem Blog gemeldet. Folgende Aussage:
"Dieses Jahr ist die Konsequenz zu bemerken: knapp 10 Tage vor Beginn ist noch gar nichts ausverkauft, aber doch vieles sehr gut besucht. Der Schwund ist auf sehr hohem Niveau."
ist wie folgt zu detailieren:

Es ist Fakt, dass zum jetzigen Zeitpunkt trotz ungewöhnlichem Programm (Oratorium/ moderne Oper) bereits mehr Karten verkauft/ reserviert wurden als im Vorjahr (2012: 11.063 Karten, 2013: 11.876 Karten). Dass es für viele Veranstaltungen noch Karten gibt, liegt schlicht und ergreifend daran, dass in diesem Jahr mit 17.751 angebotenen Plätzen aufgrund der hohen Nachfrage weitaus mehr Kapazität geschaffen wurde als 2012 mit 14.743 angebotenen Plätzen.

Vielen Dank für den Hinweis. Mit meiner Bemerkung wollte ich primär darauf hinaus, daß keine der vier Vorstellungen des Doppelabends (Oratorium/Oper) bisher ausverkauft ist, während Alessandro in der letzten Spielzeit ein sehr viel größeres Interesse entgegengebracht wurde.

Freitag, 1. Februar 2013

Spontini - La Vestale, 31.01.2013

Auch fünf Tage nach der Premiere (mehr dazu hier) bestätigen sich die Eindrücke des Wochenendes: dem Badischen Staatstheater gelingt eine weitere spannende musikalische Wiederentdeckung.

Regisseur Aron Stiehl entkleidet La Vestale seines antiken Handlungsgewands und betont, was nach der französischen Revolution bei der Uraufführung 1807 in Paris zwar antiklerikal gedacht war, aber nicht so deutlich wie in der Karlsruher Produktion gezeigt wurde: Aberglaube, Täuschung und die zynische Allianz von Kirche und Herrschaft. Bemerkenswert bei La Vestale ist die Bedeutungsverschiebung der nachrevolutionären Zeit: wo vor der französischen Revolution die Schuldfrage klar entschieden ist -Julia wäre ohne wenn und aber schuldig und ein göttliches Zeichen schickt das himmlische Verzeihen- ist bei Spontini der Zwang betont, der auf Julia ausgeübt wird. Nicht mehr Kirche und Staat sind im Recht, sondern deren Gesetzte zwingen die Figuren gegen ihren freien Willen in ein Korsett, gegen das sie rebellieren müssen, um ihre Liebe zu bekennen. Der Blitzeinschlag am Ende ist die Rechtfertigung eines Mentalitätswandels. In der Karlsruher Regie kommt es anders: Aron Stiehl erkannte, daß ein heutiges Publikum einen Blitzeinschlag als Lösung und Happy-End-Auslöser nicht ernst nehmen und dem Regisseur nicht abnehmen kann.

Der nachrevolutionäre Zeitgeist war so stark, daß auch die restaurative Reaktion aus Adel und Fürsten La Vestale nicht als Bedrohung sah und die Oper europaweit ihren Siegeszug antreten konnte. Das Badische Staatstheater analysierte bspw.: "Auch in Karlsruhe war die Oper sehr beliebt, wurde am Hoftheater von 1813 bis 1840, also über Jahrzehnte, jährlich gespielt." Zuletzt wurde sie 1872 in Karlsruhe gespielt bevor sie 140 Jahre lang aus der Erinnerung verschwand.

In La Vestale kann man das Bemühen um Prunk und Größe immer noch erkennen und die Oper steht damit nach Les Troyens zu Recht in der Spielplanreihe als große historische Oper auf dem Spielplan in Karlsruhe. Spontini ging es um Repräsentation und Wirkung - und ein wenig erscheint seine Oper heute mehr klassizistisch erstarrt als romantisch bewegt. Als Zuhörer interessiert man sich musikalisch nur für die Figur der Julia, die die meisten und interessantesten Arien hat. Licinius hingegen ist nur unzureichend charakterisiert, ohne Paradearie oder tiefe Empfindung. Ihre Liebe bleibt steril. Der Regisseur verzichtet folgerichtig auf zu große Nähe zwischen den beiden; auch im Liebesduett erfolgt fast keine Berührung.

Regisseur Aron Stiehl hatte bereits in seiner oft gelobten Karlsruher Tannhäuser-Inszenierung  einen reduzierten Charakterisierungsansatz gewählt. Bei La Vestale erscheint die Personenführung immer wieder zu vorhersehbar und  unspontan. Man kann sich darüber streiten, ob das nun reduziert oder zu schlicht ist. In beiden Fällen erlaubt diese Form der Inszenierung zumindest die Konzentration auf Sänger, Musik und Stimmungsfarben.

Die Höhepunkte der Oper befinden sich im 2. Akt: Julias Szenen gehören zu den emotionsreichsten und dramatisch expressivsten Momenten des Abends. Die Sopranistin Daniela Köhler, die im Februar die B-Premiere singen sollte, sprang bereits gestern für die erkrankte Barbara Dobrzanska ein. Köhler studierte an der Musikhochschule in Karlsruhe und war Mitglied des Karlsruher Opernstudios. Man konnte gespannt sein, wie sich die junge Sängerin in ihrer ersten Hauptrolle präsentiert - und sie hatte einen guten und vielversprechenden Auftritt und wird sich bei den kommenden Aufführungen noch steigern können.
Die Rolle des Licinius ist bei Andrea Shin bestens aufgehoben und ein wenig bedauert man, daß er nicht die Gelegenheit hat mehr kantable Arien zu singen, um die Schönheit seiner Stimme effektvoller in Szene zu setzen.
Konstantin Gorny als Pontifex schafft es durch seine starke Bühnenpräsenz und Stimme, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und seiner Figur einen Charakter zu geben. Ich kann mich nur wiederholen: Bravo! Es wird Zeit, daß man ihm mal wieder eine Oper und Inszenierung auf seine Stärken hin maßschneidert (z.B. als Heinrich VIII. in Donizettis Anna Bolena? Wer denkt nicht gerne zurück an Verdis Attila oder seinen Auftritt als Don Giovanni oder Boitos Mefistofele oder Méphistophèles in Gounods Faust). 
Kataharine Tier 
ist ebenfalls ein klarer Gewinn: stimmgewaltig und dominant nimmt man ihr die Oberpriesterin jederzeit ab. An diesem Abend sang Klaus Schneider die Rolle des Cinna und es bleibt mir rätselhaft, wieso er nicht schon die Premiere sang.
Wie immer kann man sich auf Johannes Willig und die Badische Staatskapelle sowie den Chor verlassen, der in La Vestale eine tragende Rolle und viel Text hat und von Ulrich Wagner wieder sehr gut einstudiert ist.

Eine musikalisch spannende und in ihrer inszenatorischen Haltung intelligente und begrüßenswerte Produktion mit einer etwas zu statischen Regie, die dennoch nicht stört und den Stimmen den Vorrang lässt.