Am Ende von Spielzeit, Operndirektion und Intendanz exhumiert die Karlsruher Oper mit der letzten Premiere für insgesamt sechs Aufführungen (eine Wiederaufnahme steht 2024/25 nicht an) Zemlinskys Kreidekreis - eine Oper, der man nachsagt, daß sie als Garant für einen lauwarmen Achtungserfolg gilt. So kam es zwar auch gestern, doch darüber hinaus sah man eine stimmig inszenierte Parabel, die spannend musiziert und engagiert gesungen und gespielt wurde!
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.
Sonntag, 16. Juni 2024
Zemlinsky - Der Kreidekreis, 15.06.2024
Sonntag, 14. Mai 2023
Dvořák - Rusalka, 13.05.2023
Es ist gar nicht so lange her, daß es am Badischen Staatstheater eine Rusalka zu hören gab. In der Spielzeit 2007/08 war es eine Übernahme einer Produktion aus dem Nationaltheater Ostrava, die die Oper sehr schlicht illustrierte und die in Karlsruhe musikalisch und sängerisch nicht optimal besetzt werden konnte. Die neue Rusalka überragt die damalige Inszenierung in jeder Hinsicht und nach dem spannenden Wozzeck gelingt der Karlsruher Oper eine weitere hörens- und sehenswerte Umsetzung, der man viel Publikum wünscht!
Montag, 23. Mai 2022
Puccini - Tosca, 22.05.2022
Da weiß man, was man hat
Vor über fünf Jahren verkündete das Badische Staatstheater die Dernière: "Tosca - zum 70. & letzten Mal" (mehr hier), doch damals war schon abzusehen, daß John Dews Inszenierung aus dem Jahr 2000 nicht so einfach ersetzt werden kann. Nun erlebt man eine über zweijährige Abschiedsphase und wer weiß, 2023/24 -im letzten Jahr vor der Neuaufstellung- könnte auch diese Tosca noch mal zurückkehren. Die gestrige 70+x-ste Vorstellung hatte so viele Besucher, daß sich zwischendurch eine 60-70 Meter lange Schlange vor dem Einlaß bildete, was aber auch daran lag, daß man am Eingang teilweise nur eine Person hatte, die Eintrittskarten scannte. Das Karlsruher Opernpublikum ist also noch da und spendete Tosca viel Applaus und Bravos.
Montag, 30. Dezember 2019
Offenbach - Hoffmanns Erzählungen, 29.12.2019
Sonntag, 13. Oktober 2019
Offenbach - Hoffmanns Erzählungen, 12.10.2019
Sonntag, 9. Juni 2019
Offenbach - Hoffmanns Erzählungen, 08.06.2019
Freitag, 19. Oktober 2018
Puccini - Tosca, 18.10.2018
Donnerstag, 14. Juni 2018
Verdi - Simon Boccanegra, 13.06.2018
Sonntag, 28. Januar 2018
Portrait von Barbara Dobrzanska auf SWR2
Der Beitrag ist aktuell hier zum Nachhören auf SWR2 oder -mit vielen weiteren interessanten Reportagen (hier)- auf der Seite von Herrn Waßmuth: https://soundcloud.com/geowas/die-sopranistin-barbara-dobrzanska-portrat-fur-swr2
PS: Vielen lieben Dank für die Hinweise und Links zu der Sendung!
Sonntag, 21. Januar 2018
Verdi - Simon Boccanegra, 20.01.2018
Donnerstag, 4. Mai 2017
Puccini - Tosca, 03.05.2017
Sonntag, 2. April 2017
Cilea - Adriana Lecouvreur, 01.04.2017
Sonntag, 29. Januar 2017
Dorman - Wahnfried, 28.01.2017
Dienstag, 19. Juli 2016
8. Symphoniekonzert, 18.07.2016
Sonntag, 24. Januar 2016
Verdi - Macbeth, 23.01.2016
Montag, 13. Juli 2015
Verdi - Falstaff, 12.07.0215
Freitag, 17. April 2015
Puccini - Tosca, 16.04.2015
Wieder eine Sternstunde durch Barbara Dobrzanska
Sonntag, 25. Januar 2015
Puccini - La Bohème, 24.01.2015
Was ist zu sehen (1)?
oder
"Soll ich euch meine Brüste zeigen?"
Regisseurin Anna Bergmann "ist bekannt für genaue und einfühlsame Frauenporträts", so das Badische Staatstheater. Auf Mimi ruht die Konzentration der neuen Karlsruher Inszenierung. Und zwar nur auf Mimi, alle anderen Bühnenfiguren sind nur Beiwerk, gewinnen keine Konturen und hampeln teilweise herum, als ob sie unwichtige Hintergrundfiguren sind, für die man sich keine Gedanken machen muß.
Mimi ist die Außenseiterin: sie gehört bekanntlich nicht selber zur Bohème und ist unheilbar an Tuberkulose erkrankt. Die Regisseurin greift zu einem bekannten und inzwischen etwas abgeschmackten Vorgehen, um diesen Fokus zu erreichen: sie lässt Mimi auf der Bühne doppelt erscheinen: die Sängerin wird durch eine Schauspielerin ergänzt: Dazu die Regisseurin: "Mit der Doppelung – die Sängerin auf der einen, die Schauspielerin auf der anderen Seite – können wir zwischen einer realen und einer Traumebene wechseln und unterstreichen die traumhaft-romantischen Momente der Opernhandlung. Die Schauspielerin Jana Schulz zeigt uns eine realistische Mimì, die die Handlung rahmt und gleichzeitig auch motiviert. ... Bei der Sängerin ist es der zarte, liebliche bis leidenschaftliche Gesang gepaart mit einer eher entrückten Spielweise und bei der Schauspielerin ein körperlich-hingebungsvolles und offenherziges Spiel." Leider mißlingt dieser Ansatz und verzerrt die ganze Oper, denn Sängerin und Schauspielerin sind zwar meistens als Zwillinge gleichzeitig auf der Bühne, doch dabei dominiert die 'die Handlung motivierende' Schauspielerin: sie interagiert oft mit den Sängern und zieht die Konzentration auf sich, während die Sängerin abseits steht und singt. Eine Intensivierung des Bühnengeschehens erreicht man dabei nicht, ganz im Gegenteil. Die naturalistisch leidende und verstörte Mimi stört meistens einfach nur.
Zu Beginn des vierten Akts kippte dann gestern die Stimmung beim Publikum durch einen bedauerlichen Fehlgriff der Regie: Die Schauspielerin beginnt zu sprechen, und zwar einen viel zu langen und nichtssagenden Monolog, mit dem man Mimis Verzweiflung deutlich machen wollte und doch nur nervte. Spätestens wenn die Schauspielerin dem Publikum anbietet, ihre Brüste zu zeigen, erreicht man einen Grad von unfreiwilliger Komik, der die Regie peinlich bloßstellt. "Nein!" antworteten mehrere Zuschauer laut vernehmlich auf das Angebot und eine Welle der Qual und des Kopfschüttelns über so viel dramaturgische Unbeholfenheit durchströmte spürbar das Haus. Man möchte sich gar nicht vorstellen, was passieren könnte, wenn amüsierte Zuschauer künftiger Vorstellungen Ja! und Ausziehen! rufen. Der Text des Monologs reicht also nicht aus, um zu fesseln oder das Gefühl einer sinnvollen Ergänzung zu erreichen - er wirkte als Störfaktor. Die etwas zu simplen und sterilen Hauptideen und ratlosen Bühnenumsetzungen der Regisseurin können nicht überzeugen und bleiben ohne positive Wirkung.
La Bohème ist die Oper des romantisierten und verklärten Elends. Episoden aus dem Gefühlsleben - man lebt, lacht, liebt und leidet, man friert, hungert und stirbt. Ist das Leben in der Bohème selbstgewählt oder aufgezwungen? Ist es mehr individuelle Wahl oder Notlage? Für den Autor Henri Murger (*1822 †1861) waren die Bohèmiens ihre eigenen Gefangenen: zum Künstler berufen leben sie ohne Glück und sterben ohne Ruhm. Sie wollen nichts anderes als dieses Leben und künstlerische Anerkennung und erreichen ihre Ziele doch nicht. Lieber gehen sie zugrunde als einen Brotberuf zu wählen. Kiez oder Ghetto? Jedes Inszenierungsteam steht vor dieser Entscheidung. Manche Regisseure haben die Bohème im Drogen- oder Außenseiter-Umfeld angesiedelt, also einer Bühnenausstattung, die im harten Kontrast zur Musik steht. In Karlsruhe hat man dies glücklicherweise nur halbherzig getan: Drei Damen vom Straßenstrich und ein Obdachloser geben ein unscharfes Bild. Die Sänger der Bohème bleiben hingegen überwiegend undefiniert und blaß. Nur Colline hat als psychisch auffällige Person mit Bindung an seinen Teddybären etwas eigenes, Alcindoro und Benoît bekommen durch Kostüme einen Typ. Rudolfo, Marcello und Mustetta sind hingegen leblose Avatare.
Was ist zu sehen (2)?
oder
Zwischen Fiebertraum und Persönlichkeitsspaltung
Viele ungewöhnliche Entscheidungen trifft sie Regisseurin. So spielt die Oper nicht in Paris, sondern in New York, genauer gesagt alle vier Akte spielen am Angel of the Waters-Brunnen im Central Park. Es gibt also keine Mansarde, kein Café Momus, keine Barrière d'enfer, sondern ein Einheitsbühnenbild, in dem sich Mimi Liebe und Liebesleid erträumt. Die Regisseurin erklärt: "Der berühmte Brunnen im Central Park mit der wunderbaren Engelsstatue, den man aus vielen Hollywood-Filmen kennt, stellt einen Ort der Zuflucht und der Begegnung dar, an dem Mimì neue Menschen kennen lernt, an dem sie sich in Rodolfo verliebt, aus dem Wasser sprudelt, welches wieder versiegt, und wo Mimì letztlich stirbt." Wer vorab die spannenden Fotos sah (aktuell kann man sich hier auf den Seiten des Badischen Staatstheaters einen Eindruck verschaffen), bekam mehr versprochen als die Bühne hält, denn nicht alle Stimmungen der Bohème werden überzeugend vermittelt. Dennoch gehört das Bühnenbild von Ben Baur zur Habenseite dieser Inszenierung.
Mimi ist also verdoppelt: die todkranke und wohnungslose Mimi (sie lebt im Auto) der Schauspielerin sucht Anschluß und phantasiert bzw. erträumt sich die Beziehung zu Rudolfo herbei, nachdem sie ihn um eine Zigarette angeschnorrt hat. Dazu die Regisseurin: "Die Liebesbeziehung zu Rodolfo wird zu einem Sehnsuchtstraum, der durch Mimìs existenzielle Not, ihre Armut und Krankheit, begründet ist. Deswegen zeige ich das gesamte 2. Bild als eine surreal gefärbte und wunderschöne Welt voller Liebespaare, in der Mimì trotz ihrer tödlichen Krankheit unbeschwert und fröhlich ist." Der zweite Akt ist fast schon plakativ als Klischee inszeniert, der Kinderchor hat einen schönen Auftritt. Der dritte Akt zeigt den nächtlichen Brunnen bei Schneefall und belanglose Videoeinspielungen mit schnellen Schnitten, der reizlose vierte Akt bleibt atmosphärisch hinter der ersten drei zurück und zieht sich wie Kaugummi in die Länge.
Die einzige Pause ist übrigens nicht nach dem zweiten Akt, also nach Ende des ersten Abends, sondern nach dem dritten, da die Regisseurin den Kontrast der beiden zentralen Akte direkt aufeinander prallen lassen wollte. So geht der erste Teil ca. 80 Minuten bis zur Pause, der zweite Teil (4.Akt) gerade noch knapp 30 Minuten (davon über 5 Minuten Monolg). Eine weitere unglückliche Entscheidung ohne Wirkung.
Was ist zu hören?
Für die Regie gab es feindselige Buhs, aber das intelligente Karlsruher Publikum weiß zu differenzieren und machte zum wiederholten Male den Tenor Andrea Shin zum Star des Abends. Für seinen schön und souverän gesungenen Rudolfo bekam er unzählige Bravos. Es gab lange nicht mehr so viel Begeisterung für einen Sänger vom Karlsruher Premierenpublikum! Überhaupt war es der Abend der Koreaner, denn auch Seung-Gi Jung als Marcello beeindruckte durch Kraft und Klarheit. Um Shin und Jung kann man ein Repertoire bauen - ihnen sollte in Karlsruhe die Zukunft gehören.
Man entschied sich gestern nicht, die Rollen nur mit jungen Sängern zu besetzen, sondern setzte bei der Premiere auf Sicherheit. Drei Sänger waren schon in der letzten Karlsruhe Bohème dabei. Die wunderbare Barbara Dobrzanska hat als Mimi schon vor wenigen Jahren überzeugt. Ihr Rollenportrait wurde gestern doppelt beeinträchtigt. Die Regie legt den Fokus auf die Schauspielerin und Dobrzanska sang zwar wie gewohnt sicher, aber auch ein wenig zu verhalten, als ob die von der Regie auferlegte Zurückhaltung auch sängerisch galt. Auch Ina Schlingensiepen war schon zuvor als Musetta in Karlsruhe bekannt und litt gestern darunter, daß die Regie sie nur als Nebenfigur am Rande definiert- sie überzeugte mit einer makellosen Arie im zweiten Akt. Konstantin Gorny litt hingegen unter einer Erkältung und mußte im vierten Akt aufgeben, Gorny spielte auf der Bühne, seine Mantelarie sang der kurzfristig ins Staatstheater geeilte Avtandil Kaspeli überzeugend sicher und schön von der Seite.
Johannes Willig dirigierte zu Beginn etwas verhuscht und übereilt, fing sich dann aber und zeigte einen symphonischen Zugriff auf die Partitur, bei der er immer wieder das Orchester klangstark ausmusizieren ließ und dabei gelegentlich die Sänger übertönte oder durch seine Tempowahl forderte.
Fazit: So makaber es klingt - es hätte schlimmer kommen können. Gerade mit La Bohème rächen sich viele Opernhäuser an ihren Zuschauer, indem sie die Poesie der Musik durch Häßlichkeiten entwerten. Der Karlsruher Versuch ist hingegen legitim, aber einfach zu schwach durchdacht und unbeholfen in Szene gesetzt. Das massive Buh-Konzert der Premiere könnte einer mittelmäßigen Temperierung bei den weiteren Aufführungen folgen und durch die musikalischen Qualitäten wird diese Bohème sich vielleicht doch besser etablieren als gedacht.
PS: Manche Neuinszenierung kommt nach 27 Jahren einfach zu früh
Diese Neuinszenierung von Puccinis La Bohème hätte es eigentlich gar nicht geben dürfen. Die letzte Inszenierung von Giancarlo del Monaco (sie lief in Karlsruhe von 1987 bis 2007) war im besten Sinne ein zeitloser und beliebter Klassiker - eine Inszenierung, die sich nie in den Vordergrund drängte und Stimmungen und Hintergründe atmosphärisch ideal ergänzte. Daß sie aus dem Repertoire und Fundus geschmissen wurde, erschließt sich nicht auf Anhieb, wobei man bei den letzten Vorstellungen aber nicht umhin kam zu bemerken, daß das Bühnenbild nach 20 Jahren zwischen Lager und Oper deutlich gelitten hatte - eine restaurierte Wiederaufnahme dieses Dauerbrenners wäre nur logisch gewesen. Den Zauber und die Intensität der 87-Bohème erreicht der aktuelle Versuch nicht: weder den Humor und die Ausgelassenheit, noch die Verliebtheit und das Erleben des Augenblicks und auch nicht die Traurigkeit und Verzweiflung von del Monacos unvergesslicher Inszenierung.
Team und Besetzung:
Mimi: Kammersängerin Barbara Dobrzanska
Musetta: Ina Schlingensiepen
Rodolfo: Andrea Shin
Marcello: Seung-Gi Jung
Schaunard: Andrew Finden
Colline: Kammersänger Konstantin Gorny /Avtandil Kaspeli (4.Akt)
Parpignol: Max Friedrich Schäffer
Monsieur Benoît: Edward Gauntt
Alcindoro: Yang Xu
Ein Zöllner: Marcelo Angulo
Sergeant bei der Zollwache: Andrey Netzner
Mimi-Double: Jana Schulz
Regie: Anna Bergmann
Bühne: Ben Baur
Kostüme: Claudia González Espíndola
Choreografie: Krystyna Obermaier
Video: Sebastian Pircher
Musikalische Leitung: Johannes Willig
Chorleitung: Ulrich Wagner
Einstudierung Kinderchor: Anette Schneider
Kinderchor: Cantus Juvenum Karlsruhe e. V.
Mittwoch, 31. Dezember 2014
Puccini - Tosca, 30.12.2014
Ausgezeichnet gesungen und gespielt vor fast vollem Haus, zufriedenem Publikum und schöner Stimmung - wer dabei war, erlebte eine sehr gute Aufführung.
Dienstag, 20. Mai 2014
7.Symphoniekonzert, 19.05.2014
Anton Webern variierte in Ricercata aus dem Jahr 1934 das Ricercar zu 6 Stimmen aus Johann Sebastian Bachs Spätwerk Das musikalische Opfer für ein kleines Orchester und dieses kurze Stück mit wenigen Minuten Spieldauer ist für den Beginn eines Konzerts gut geeignet: Ein schöner Einstieg ohne Nebenwirkungen.
Arnold Schönberg komponierte Ein Überlebender aus Warschau in Zwölftontechnik für einen deklamierenden Sprecher, Männerchor und Orchester im Jahre 1947. (Das Programmheft gibt diesbezüglich sehr interessante Informationen und ist von Bernd Feuchtner mal wieder sehr kenntnisreich und lesenswert zusammengestellt). Als Sprecher bewies Renatus Meszar mit beeindruckend schöner Stimme seine Fähigkeit zur Empathie und Drastik. Ein ausdrucksstarkes Werk, das seine Wirkung auch durch den groß besetzten Männerchor mit ca 45 Sängern erhält, die abschließend ein traditionelles jüdisches Gebet singen.
Danach Drei Stücke für Orchester op. 6 von Alban Berg und es schien Justin Brown ein Anliegen zu sein, dieses Werk zu dirigieren: mit großer Konzentration modellierte er die komplexe Partitur und ließ Bergs Stücke in der Nachfolge Gustav Mahlers symphonisch erregt und aufreibend spannend erklingen. Ein Fortsetzung wäre möglich: Bergs Oper Wozzeck war in Karlsruhe schon lange nicht mehr zu hören.
Nach der Pause dann die Symphonie der Klagelieder des polnischen Komponisten Henryk Górecki (*1933 †2010), die 1976 als Auftragswerk für den Südwestfunk Baden-Baden komponiert wurde. (Das waren noch Zeiten: der erfolgreiche SWF mit seinem großartigen Symphonieorchester! Erst musste man die Senderfusion zum SWR und nun die Zerschlagung und Fusion mit dem Stuttgarter Orchester erdulden. Wer hätte gedacht, daß ausgerechnet eine Rot-Grüne Landesregierung Kulturpolitik unter kapitalistischen Zwang zur erbarmungslosen Einsparungspolitik setzt und den Stuttgarter Zentralismus fördert). Górecki hat als gläubiger Katholik in jedem der drei Symphoniesätze einen polnischen Text vertont; symphonische Klagelieder die von der seelenvollsten Stimme des Badischen Staatstheater Barbara Dobrzanska mit großer Innigkeit und Intensität in ihrer Muttersprache gesungen wurden. Ein meditativer Ausklang, der zeigte, daß auch in Schlichtheit Größe liegen kann.