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Sonntag, 10. Juli 2016

Wagner - Das Rheingold, 09.07.2016

Nicht alles, was glänzt, ist Gold
Ein neuer Nibelungen-Ring beginnt in Karlsruhe und beginnt auch wieder nicht, denn innere Zusammenhänge und Folgerichtigkeit kann man bei vier Regisseuren nicht erwarten und schon gar nicht voraussetzen und sogar bei den vier Szenen des gestrigen Rheingolds kann man sie bereits vermissen. Jede Oper wird für sich produziert, man ahmt das Stuttgarter Konzept des damaligen Intendanten Klaus Zehelein von 1999 nach. Die vier Regisseure in Karlsruhe nehmen keinen inhaltlichen Einfluß aufeinander, es soll aber einige wenige szenische Bezüge geben, die vier Inszenierungen scheinen sich nicht ganz hermetisch gegeneinander abzugrenzen.
Das neue Karlsruher Rheingold muß mit zweierlei Maß gemessen werden: die musikalisch ansprechende Premiere hatte doch eine zentrale Schwäche. Die Inszenierung ist kurzweilig und unterhaltsam, teilweise visuell augenfällig attraktiv mit vielen guten kleinen Einfällen und ist doch nur gutes Handwerk, dem etwas Entscheidendes fehlt - es ist ein Rheingold ohne Sinn und Tiefe und ohne Personenentwicklung. Zum Ansehen und Anhören, aber nicht zum Mitdenken. Der gestrige Auftakt geriet szenisch seltsam bedeutungslos, eine Illustration ohne Folgen, Ideen ohne Aussage, ein unwesentliches Rheingold, nett anzuschauen, doch ohne Triftigkeit und in gewisser Weise eine verpaßte Chance für den Regisseur und die Karlsruher Oper.

Sonntag, 5. Juni 2016

Bellini - I Capuleti e i Montecchi, 04.06.2016

Begeistertes Publikum im Belcanto-Glück
Bellini ist für Feinschmecker. Der italienische Dirigent Daniele Squeo ordnete es sehr treffend ein: "Bellinis Musik ist wie Haute Cuisine: klein und fein mit wohldosierten Aromen. Sie erschlägt nicht, sie berührt." Man kann in seinen Belcanto-Opern schwelgen, Melodien, die nicht zu enden scheinen, Schönklang zum Dahinschmelzen, eine genußreiche Kombination feiner Nuancen. Klang und Gesang sind auch im Mittelpunkt der Karlsruher Produktion, die die Kulinarik des Belcanto-Repertoires nicht verleugnet. Der Funke sprang sängerisch und musikalisch über, szenisch sieht man inszenierte Routine, zwar in keiner Weise aufregend, aber dafür in musikdienlicher Zurückhaltung.

Donnerstag, 19. Mai 2016

Vitouch - Planet Walden, 18.05.2016

Zwischen Entfremdung und Eskapismus
Bei Planet Walden geht es um die Utopie des Aussteigens, der Zivilisation den Rücken zu kehren, alles hinter sich lassen, eine vermeintlich neue Chance zur Eigentlichkeit, es geht um den "Traum vom wahren Leben in der Natur als Gegenentwurf zur gesellschaftlichen Teilhabe" - ein Spezialfall des Wunsches, als Tourist durchs Leben zu gehen, als Auswanderer in exotischer Umgebung sich selber und/oder äußerlichen Zwängen zu entfliehen. Wieso steigt man aus? Wie steigt man aus? Welche Erfahrung macht man beim Aussteigen? In Karlsruhe wird anhand eines Extrembeispiels gezeigt, daß man Wittgensteins berühmten Satz "Die Welt ist alles, was der Fall ist." präzisieren kann: Die Welt ist alles, worin man in der Falle ist.

Sonntag, 24. April 2016

Anne Frank (Ballett), 23.04.2016

Viel Applaus gab es gestern nach der Premiere von Anne Frank von einem sehr wohlwollenden Publikum, es gab beeindruckende Leistungen, vor allem und erneut von der grandiosen Bruna Andrade in der Titelrolle. Und doch ..... einiges ist an dieser Ballettproduktion problematisch, teilweise ungeschickt, teilweise oberflächlich durch eine hollywoodeske Dramaturgie ohne innere Wahrhaftigkeit, die es dem Publikum leicht machen will und doch nur zeigt, daß die historische Distanz inzwischen so groß geworden ist, daß es kaum noch jemanden negativ auffällt, daß Tod und Grauen des Holocaust routiniert ästhetisiert werden können und sich Tänzerinnen im KZ vor dramatischem Wolkenhimmel bewegen. Die Choreographie hat keine Höhepunkte, sie bemüht sich erfolglos darum, der Geschichte  jenseits der Chronistenpflicht bemerkenswerte Konturen zu geben. Unappetitlicher Tiefpunkt ist die von Moralschmalz triefende Schlußszene, die die Ermordung der Juden als Flüchtlingsdrama verharmlost und heutige Kriegsflüchtlinge mit den verfolgten Juden vergleicht und damit einen unsäglichen Kitsch fabriziert. So ergibt sich ein ambivalenter Eindruck: engagiert und gut getanzt, aber klar konzeptionell gescheitert. Anne Frank wird hier lediglich zum Ballett verwertet.

Dienstag, 19. April 2016

Wilhelm Tell entfällt

Gerade kam die offizielle Mitteilung, daß die Premiere der Neuinszenierung von Schillers Wilhelm Tell am 19.06.2016 aus nicht genannten Gründen nicht zustande kommt und auf eine spätere Spielzeit verschoben wird. Stattdessen wird die Komödie Das Abschiedsdinner vom Studio ins Kleine Haus ziehen. Doch die Absetzung hat wohl einen unkreativen Hintergrund: man hatte keine passende Idee für das Stück, peinlicherweise hat man es in über 12 Monaten Vorbereitungszeit nicht geschafft, ein Inszenierungskonzept auf die Beine zu stellen oder Ersatz vorzubereiten. Einbußen bei Qualität und Leistungsfähigkeit begleiteten den scheidenden Schauspieldirektor bis zum Schluß.

Sonntag, 10. April 2016

Euripides - Troerinnen, 09.04.2016

Lustige Jammergestalten
oder
Wenn die Tragödie zur Farce wird
Es ist mutig und originell, was das Karlsruher Schauspiel zeigt: Krieg und Leid als Comédie humaine, wenig Mitgefühl und viel Spott, letztendlich Pessimismus statt Pazifismus, warum auch nicht, in einer Welt, in der der Krieg wieder allgegenwärtig ist, in der Bürgerkriegsflüchtlinge von allen Seiten instrumentalisiert werden, um aus ihnen politisches Kapital zu schlagen, in der sogar der Humanismus zynisch geworden ist und es noch keinen Monat her ist, daß sogenannte Flüchtlingsaktivisten versuchten, künstlich eine humanitäre Katastrophe im griechischen Idomeni herbeizuführen, einen Grenzdurchbruch inszenierten und mitschuldig wurden am Ertrinken von Flüchtlingen in einem Grenzfluß und das für Medienaufmerksamkeit und aus Rechthaberei. In Euripides Troerinnen gibt es deshalb kaum Mitgefühl, jeder muß alleine mit seinem Unglück fertig werden, andere schauen zu und wollen es noch zu ihrem Vorteil ausnutzen oder diskutieren und rechtfertigen ihre Haltung. Das Unsägliche wird immer wieder von Galgenhumor und die Tragödie von einer Farce überdeckt, am Ende bleiben Groll und Ohnmacht. Viel Applaus gab es zu recht für sehr gute Schauspieler und flotte und solide 85 Minuten, die einige Fragen aufwerfen und bei der manche "Thema verfehlt" denken werden.

Montag, 28. März 2016

Wagner - Tristan und Isolde, 27.03.2016

Der Mount Everest der Operngeschichte 
Regisseur Christopher Alden legte vorab lobenswerterweise die Meßlatte auf die richtige Höhe: "Der Tristan ist schlicht und ergreifend der Mount Everest der Operngeschichte und den muß man erst einmal erklimmen. Und damit meine ich nicht nur die musikalische Herausforderung, vor der die Sänger stehen, sondern auch den inhaltlichen Reichtum, der allen Beteiligten einiges zu denken gibt." Alden löste die zu erklimmende Höhe zwar nur bedingt ein, gute und sterile Regie-Momente lösen sich ab, Sänger, Dirigent und Orchester zielten gestern deutlich höher. Und so gab es viel Applaus für alle und Bravo-Rufe für die Sänger, Musiker und den Dirigenten.

Freitag, 18. März 2016

Ibsen - Gespenster, 17.03.2016

Bereits im 1. Akt konnte man gestern die ersten gähnenden Zuschauer beobachten, obwohl man viele Mitarbeiter des Staatstheaters im Publikum hatte, verebbte der Schlußapplaus nach weniger als vier Minuten. Die Karlsruher Neuinszenierung von Ibsens Enthüllungsthriller und Familientragödie Gespenster leidet darunter, daß die Enthüllungsdramatik in dieser Inszenierung keine Spannung erhält, daß die Figuren zu wenig Konturen bekommen. Lakonisch, leidenschaftslos und spannungsarm, weder die Dramatik noch die Komik auslotend, sprachlich unaufregend, szenisch und darstellerisch lauwarm mißlang die Premiere zu einer betulichen und läßlichen Angelegenheit bei der man sich mal wieder die Frage stellt, wieso man Stücke bringt, für die man weder inhaltlich noch szenisch Triftigkeit belegen kann.

Sonntag, 14. Februar 2016

Händel - Arminio, 13.02.2016

Ungetrübte Händel-Freude
Es gelingt bemerkenswert viel bei der Produktion von Händels selten gespieltem Arminio: eine spannende Inszenierung, bei der man stets wissen will, wie es weiter- und ausgeht und die der Oper fast filmische Spannungsmomente verleiht, ein passendes, stimmungs- und situationsunterstützendes Bühnenbild, eine homogene, sehr gute Sängerleistung und ein wunderbar beredtes Orchester - Barockoper auf der Höhe der Zeit, die keine Vergleiche zu scheuen braucht. Applaus und Bravos für alle Beteiligten waren hochverdient.

Montag, 1. Februar 2016

Jaques Prévert - Kinder des Olymp, 31.01.2016

Zwischen Entschleunigungstheater und Theatermagie
Theater kann so einfach sein, man nimmt gute Schauspieler und erzählt eine Geschichte, am besten über die Liebe und das Leben oder noch besser über eine außerordentliche Liebe: vier ungewöhnliche Männer lieben eine Frau. Wen wird sie erwählen? Das Karlsruher Schauspiel zeigt diese Geschichte mit einer Besonderheit: es gelingt das Kunststück, einen hierzulande ziemlich unbekannten, über 70 Jahre alten französischen Schwarzweißfilm auf die Bühne zu übertragen, eng angelehnt an das Original - ohne wesentliche Veränderungen, ohne sprachliche Modernisierung, ohne Aktualisierungen oder zusätzliche Zuspitzungen. Wer den Film kennt, wird sich unmittelbar zurechtfinden, die szenische Wiedergabe könnte man als authentisch beschreiben. Regisseur Künstler Benjamin Lazar ist Experte für die Wiederbelebung vergessener Formen und Geschichten (als Barockexperte hatte er bei den Karlsruher Händel Festspielen Riccardo Primo in Kerzenlicht inszeniert, im Februar ist von ihm als Gastspiel eine Adaption eines Romans von Cyrano de Bergerac zu sehen), und dies gelingt ihm auch bei dieser ungewöhnlichen, fast unzeitgemäßen Aufführung, die auf Theatermagie setzt, poetisch und melancholisch, ein Inszenieren von Liebeskonstellationen, Stimmungen und Atmosphäre in ungewöhnlichem Milieu. Die Liebe ist romantisch-sinnstiftend, Eifersucht oder Traurigkeit kommen auf, wenn dieser Sinn in Frage gestellt wird. Nebengeschichten, Zufälle, vieles passiert, gehört dazu und hat nicht unbedingt Bedeutung für die Kernhandlung. In alten Schwarzweißfilmen hatte man noch Zeit zum Mäandern und Erzählen und Lazar gönnt dies auch den Theaterzuschauern. Man kann sich sehr gut unterhalten und staunen, wenn man sich darauf einläßt und schon wegen den sehr guten Schauspielern, der phantasievollen Umsetzung und dem Mut zu dieser Produktion, lohnt diese Entdeckung.

Sonntag, 24. Januar 2016

Verdi - Macbeth, 23.01.2016

Gestern gab es lauten Jubel und Bravos für eine oft grandiose musikalische Umsetzung, die sich durch zwei Sängerpersönlichkeiten in den Hauptrollen, einem starkem Chor und einer konzentrierten Orchesterleistung immer wieder zu großen Momenten verdichtete. Das Regie-Team hatte Glück, es bekam lediglich empörte und massive Buhs, man hätte sich nicht beschweren dürfen, wenn man für diese sinnlose und unterirdisch schlechte Bühnenumsetzung wie früher üblich mit Tomaten oder anderen Wurfgegenständen vom Publikum von der Bühne gejagt worden wäre. Dieser Macbeth ist eine öde Kopfgeburt, bei der man die Handlung nicht mehr erkennt - keine Abgründe, keine Dämonie, keine Unbedingtheit, keine Fallhöhe. Tatsächlich erlebte man gestern eine Pleite mit Ansage, die Warnungen und Distanzierungen aus dem Haus für diese Umsetzung waren bereits vorab im Umfeld deutlich zu bemerken. Was war passiert? Die Regie hat sich komplett verrannt und verirrt: Eine fehlgeleitete Phantasie voller abwegiger Ungereimtheiten, ein Unfall unter Originalitätszwang, ein atmosphärisches Bühnendesaster, das komplexe Psychologie als schlecht konstruierte Symbolik zeigen will.

Freitag, 18. Dezember 2015

Delaporte / de la Patellière - Das Abschiedsdinner

Gemütlich geht es im Abschiedsdinner zu, man lacht und amüsiert sich, ohne sich zu verausgaben, man erlebt sehr gute Schauspieler und gut temperierte, lauwarme 90 Minuten, die schnell vorüber gehen. Doch Komödien können aufregender und lustiger sein, kontrastreicher zwischen heiß und kalt wechseln - ein solches Stück und die dazu erforderliche Inszenierung fehlen weiterhin in Karlsruhe und man wird nun den neuen Schauspieldirektor Axel Preuß ab 2016/17 daran messen können, ob endlich mal wieder eine rasante und aufregende Komödie auf den Spielplan kommt.

Sonntag, 13. Dezember 2015

Loewe - My fair Lady, 12.12.2015

Kehrtwende zur Nostalgie
Keine Entrüstung, keine Buhs, dafür einhelliger Jubel und viel Applaus - diesmal entstellte und verhunzte die aktuelle Intendanz kein beliebtes Werk und hat die Pflichtaufgabe, das Publikum nicht durch sinnschwache Ideen zu verärgern, bestanden. Die Kür blieb ähnlich überraschungslos wie bei der letzten Karlsruher Inszenierung im Jahr 1995: man verzichtet auf Modernisierung und Aktualisierung und bleibt im London des Jahres 1912, zeigt aufwändige Kostüme und Bühnenbilder und lehnt sich an den Film an. My fair Lady - das beliebte Nostalgie-Musical, bei dem viele immer noch sofort an die Verfilmung mit Audrey Hepburn denken - erlebt in Karlsruhe eine zeitlos klassische, wunderbar leichte, schwungvolle und geglückte Umsetzung mit einer klaren Betonung am Ende: Eliza will nichts mehr vom sturen Exzentriker Higgins wissen und verlässt ihn, und zwar "für immer", wie das Programmheft rabiat postuliert. Der Regisseur erlaubt sich dabei einen diskreten Scherz und belebt die flapsige Redewendung, daß zur Feministin wird, wer keinen Mann abbekommen hat. Dem Publikum gefiel's in hohen Maßen, vor allem die hinreißende Kristina Stanek überzeugte in der Hauptrolle als Eliza optisch und akustisch: eine bildhübsche Opernsängerin, die nicht nur singen kann, sondern auch überzeugend als Schauspielerin agiert - ein Auftritt, mit dem sie sich in die Herzen des Publikums singt und spielt.

Mittwoch, 25. November 2015

Bruckner - Die Kinder des Musa Dagh, 24.11.2015

Zu bieder, zu harmlos, zu langweilig
Die Kinder des Musa Dagh mißlingen in Karlsruhe zu einer biederen Geschichtsdokumentation mit Spielszenen. Warum erneut kein bemerkenswerter Theaterabend entstand, erklärt sich aus den bisherigen Schwächen des scheidenden Theaterdirektor Jan Linders: man präsentiert dem Karlsruher Publikum veganes Gesinnungstheater - es ist bestenfalls gut gemeint und stets bemüht. Konzipiert nicht aus künstlerischen Gründen, sondern aus Berechnung: man will Themen verwerten, Bedeutung durch scheinbare Aktualität behaupten, man will mit aller Macht "berührend" und relevant wirken. Doch die vermeintlich guten Absichten summieren sich erneut zur Formlosigkeit mit geringem Kunst- und Bühnenwert. Saft- und kraftlos und ohne bemerkenswerte Phantasie schleppt sich dieser Theaterabend dahin - ein freiwilliger Verzicht auf Lebendigkeit zugunsten vorgetäuschten Pseudo- und Ersatz-Theaters. Wo diese Inszenierung interessant ist, ist sie nicht Theater, sondern Dokumentation.

Sonntag, 15. November 2015

Das Kleine Schwarze / The riot of spring, 14.11.2015

Wie gewohnt langer Applaus und viel Jubel zur ersten großen Ballettpremiere der Saison. Die Erwartungshaltung beim Karlsruher Publikum war hoch und wurde erfüllt, doch es ist vor allem der zweite Akt, der Begeisterung auslöste und den Abend zum erfolgreichen Ereignis machte.

Montag, 19. Oktober 2015

Meyerbeer - Der Prophet, 18.10.2015

Eine Grand Opéra als große Oper     
84 Jahre lang hat man am Badischen Staatstheater keine Oper von Jakob Meyer Beer alias Giacomo Meyerbeer mehr gespielt, das opulente, fünfaktige Musikdrama Le Prophète gab es in Karlsruhe seit 94 Jahren nicht mehr zu hören. Die gestrige Rückkehr endete vom Publikum umjubelt mit viel Applaus für alle, musikalisch hochwertig mit einer mit Bravo-Rufen überschütteten Altistin Ewa Wolak in der schweren Rolle der Fidès. Die spannende Regie rehabilitierte Meyerbeer indem sie das betonte, was man Meyerbeer oft vorwarf: sie betont die szenische Kraft, das äußerlich Dankbare, das Sensationelle, Effekt auf Effekt wie ein Varietéprogramm - eine Oper als Plakat, eine Inszenierung, die fast kein Klischee bei der Durchführung ihrer Idee ausläßt. Es scheint als könnte man vieles von dem, was die Kritik im 19. Jahrhundert dazu beitrug, um Meyerbeer von den Bühnen verschwinden zu lassen, nun anführen, um den szenischen Premierenerfolg zu erklären.

Freitag, 2. Oktober 2015

Shakespeare - Hamlet, 30.09.2015

Vorab aus doch bemerkenswertem Anlaß mit gewissem Seltenheitswert in den letzten Jahren ein erstes Fazit: mit Spamalot, Love hurts und Hamlet gelingt dem Karlsruher Schauspiel ein ordentlicher und guter Start in die neue Spielzeit!

Hamlet vor der Hüpfburg 

Eine riesige aufblasbare Hüpfburg als dominantes Bühnenbildelement für den Königshof dürfte vorab bei einigen Skepsis hervorgerufen haben. Zu Unrecht! Der neue Karlsruher Hamlet hat viele gute Momente und spannende Szenen, die Inszenierung ist gekonnt mit einfallsreich und überraschend komponierten Szenen. Einiges gelingt, doch eines mißlingt - man kann sich nicht entscheiden, was man will. Zur Tragödie fehlt die Fallhöhe und Anteilnahme, zum Drama oft der Biß, immer wieder werden Szenen entschärft und zu viel verulkt. Zum Klamauk-Komödie fehlt manchmal nicht viel, aber das ist auch nicht Hamlet. Es ist eine Unausgewogenheit des Ausdrucks und eine halbfertige, nicht zu Ende gedachte Personenregie, die diesen Hamlet nicht zum Ereignis werden lassen: es fehlt das Abgründige, das Existentielle und der Zwiespalt. "Sein oder nicht sein" oder vielleicht doch irgend etwas dazwischen? -  etwas mehr Unbedingtheit des Konflikts hätte es schon sein können. So wird in diesem Hamlet kein Bogen geschlagen, sondern sich von Szene zu Szene gehangelt. Vom Schluß betrachtet summieren sich die guten Szenen nicht zum überzeugenden Gesamterlebnis.

Love Hurts, 01.10.2015

Auf Kuschelkurs
70 Jahre Kriegsende und 50 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel - da wird das Staatstheater zum Staats-Theater und ist offiziell am Programm zur Feier beteiligt. Die gestern gezeigte Koproduktion mit dem Teatron Beit Lessin, dem zweitgrößten Theater Israels, wird zweistaatlich gefördert. Ein israelisch-deutsches Team vor und hinter der Bühne präsentiert eine empfehlenswerte, gut gemachte und in der Grundhaltung amüsante Rückschau. Man blieb bei diesem "Deutsch-Israelischen Rechercheprojekt" dokumentarisch, zwischenmenschlich und meistens rückwärts blickend - aber das scheint wohl der Zustand des deutsch-israelischen Verhältnisses zu sein. Zuspitzungen traut man sich kaum, Themen wie der Gaza-Krieg und seine Folgen und der neue Antisemitismus werden weitestgehend ausgeblendet. Wenn man an dieser Produktion etwas kritisieren möchte, dann daß sie die unschöne Aktualität fast komplett ausblendet und einen kuscheligen Konsensabend zum Wohlfühlen herbeispielt, der so vor 20 Jahren große Aussagekraft gehabt hätte. Heute wirkt er zu politisch korrekt auf Ausgleich bedacht, wo man Deutschen und Israelis inzwischen mehr Realitäten zumuten sollte.

Samstag, 26. September 2015

Monty Python - Spamalot, 25.09.2015

Wer Musicals und Materialschlachten mag, darf sich freuen. Das Programmheft stellt klar: "Ungefähr 170 Kostüme, gut 50 Perücken und Haarteile, unzählige schnelle Umzüge hinter der Bühne - damit ist Monty Python's Spamalot die aufwändigste Produktion ... seit langem." Man gibt sich viel Mühe am Badischen Staatstheater (manch einer würde sich den Aufwand in Oper und Schauspiel wünschen!), um einen Erfolg zu erzwingen - immerhin ist das Haus durch qualitätsschwache Inszenierungen in Schauspiel und Oper und die negativen Schlagzeilen um den Intendanten Peter Spuhler ins Gerede gekommen, es drohen weitere Publikumsabwanderungen, das Haus steht vier Jahre nach der Intendanzübernahme nicht so gut da, wie man es erwarten kann und muß. Karlsruhe und Umland boomen und wachsen, am Staatstheater fehlt ein durchdachtes Konzept. Spamalot muß ein Erfolg werden - deshalb gab das Staatstheater die Regie ab, und zwar an Ingmar Otto, den Intendanten des Karlsruher Kammertheaters, der (im Gegensatz zu seinen lediglich administrierenden und delegierenden Kollegen in der Theaterleitung des Staatstheaters) selber künstlerisch tätig ist und weiß, wie man inszeniert. Und Spamalot wird wohl auch ein Erfolg, denn es ist wirklich ein opulent und einfallsreich in Szene gesetztes und von allen Beteiligten hochmotiviert umgesetztes Musical bei dem man sich stets amüsiert.