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Donnerstag, 15. Dezember 2022

Reza - Der Gott des Gemetzels, 14.12.2022

Wer erinnert sich an die letzte rasante Komödie?
Das Leichte ist bekanntlich das Schwere, und am Karlsruher Schauspiel fand sich über ein Jahrzehnt kein Schauspieldirektor, der sich traute, eine richtige Komödie zu stemmen. Auch Anna Bergmann weigerte sich vier Spielzeiten lang und erarbeitete sich lieber den eher moralinsauren Ruf, daß an einem deutschen Staatstheater nicht gelacht werden darf. Nun, in Bergmanns fünfter Spielzeit und zum ersten Mal seit Knut Webers Schauspieldirektion, ist es geschafft: mehrere Zuschauer lachten gleichzeitig, und das auch noch öfters! Und die vier Schauspieler dürfen auftrumpfen wie zu besten Zeiten!  Nach langen Jahren der Humorlosigkeit am Karlsruher Schauspiel ist diese Inszenierung ein entschiedener Fortschritt.

Freitag, 29. Oktober 2021

von Schirach - Gott, 28.10.2021

Scheinveranstaltung mit Scheinargumenten
Ferdinand von Schirachs Terror (mehr hier) als Theaterstück mit Publikumsbeteiligung war ein großer kommerzieller Erfolg, über eine halbe Million Besucher sollen es weltweit im Theater gesehen haben. Ethische Dilemma als unlösbare Konflikte, bei denen man stets falsch handelt, wenn man richtig handeln will, werden buchstäblich verhandelt, in Terror als Gerichtsverhandlung, nun in Gott vor einem Ethikrat und am Schluß darf der Zuschauer seinen Senf beitragen und seine unmaßgebliche Meinung in einer Zuschauerabstimmung kund tun. 'Schuldig oder nicht schuldig' (Terror), nun sogar 'Tod oder Leben', denn in Gott geht es um den Wert eines Lebens und die Frage der assistierten Sterbehilfe. Eine 78jährige, kerngesunde(!), aber traurige Witwe will aus dem Leben scheiden, vor der anzuwendenden Gewalt gegen sich selbst scheut sie zurück und fordert das Recht auf medizinisch verträgliches Ableben mittels einer letalen Überdosierung eines Medikaments.
Die Premierenkritiken im Frühherbst 2020 waren schlecht und vor der TV-Premiere Ende November 2020 geriet der Text stark unter Druck. In einem Offenen Brief schrieben Palliativmediziner und Psychologen zu Schirachs Stück ein vernichtendes Urteil: "Die handelnden Personen entsprechen zum Teil einem Zerrbild und auch die Fakten entsprechen zum Teil nicht dem aktuellen wissenschaftlichen Stand. Auch fehlen die Positionen der modernen Suizidprävention. Darüber hinaus entsprechen weite Teile der Diskussion nicht der eigentlichen Frage." Gott taugt nicht als Diskussionsbasis über Sterbehilfe, dazu ist der Text zu schwach konstruiert, Personen und Argumente sind nicht ausgeglichen, ein argumentatives Unentschieden will der parteiische Autor nicht erreichen. Was man sieht, darf man auf keinen Fall inhaltlich überbewerten, denn Realität findet sich kaum in dieser Fiktion von Scheinargumenten in einer so nicht existierenden Scheinveranstaltung. Somit stellt sich nur die Frage, ob Gott trotz eklatanter Schwächen gutes Theater bieten kann. In Karlsruhe erlebt man eine ruhige, unaufgeregte Inszenierung mit dem etwas langweiligen Reiz einer Talkshow, in der unter sehr guten Schauspielern  insbesondere Jannek Petri und Timo Tank als meinungsstarke Figuren ihr Können unter Beweis stellen.

Sonntag, 9. Februar 2020

Kleist - Penthesilea, 09.02.2020

Inspirationslose Kleist-Bearbeitung
Penthesilea ist kein Stück für Pazifisten. Es geht um den trojanischen Krieg, Kleist wählte den Mythos, um die Fallhöhe zu maximieren. Mythologische Krieger und Helden werden in ein neues Spannungsverhältnis zueinander gesetzt, die beiden Hauptfiguren kommen zu Fall, und zwar durch ihre Begierde füreinander. Das Ungeheuerliche eines mörderischen Gewaltexzesses im rauschhaften Affekt macht Penthesilea zu einem der außerordentlichsten Theaterstücke deutscher Sprache. Schade nur, daß das Karlsruher Schauspiel nichts damit anzufangen weiß. Das Ungeheuerliche ist der Regie nicht geheuer, wo Tragik sein sollte, bleibt harmloser Beziehungsstreß, statt einem eskalierenden Ende, gibt es lauwarmen Weichspühlgang. Von Heinrich von Kleist bleibt nicht viel übrig, die Regisseurin streicht sieben von neun Figuren und läßt ihre Inszenierung ins Leere laufen. Aber es gibt auch zwei positive Aspekte: die stark gekürzte Penthesilea benötigt nur 65 Minuten und mit Claudia Hübschmann und Jannek Petri hat man die richtige Besetzung gewählt.

Freitag, 5. April 2019

Heldenbergh - The Broken Circle, 04.04.2019

Melodramatisches Rührstück
Früher traf man im Karlsruher Theater nie auf Claqueure, doch seit der Amtsübernahme von Intendant Spuhler wird die inoffizielle Zurückhaltungsregel bei Premieren anscheinend laxer gehandhabt - das engagierte Umfeld darf künstlich Stimmung machen, regelmäßig konnte man in den letzten Jahren als aufmerksamer Zuschauer beobachten, daß es augenfällig Angehörige und Freunde sind, die lautstark johlen, vor allem wenn eine Produktion auf der Kippe steht, fallen solche Manipulationsversuche auf. Die gestrige Premiere benötigte diese künstlichen Akklamationsspender, denn The Broken Circle hat in Karlsruhe zu viele Schwachpunkte. Die wenigen guten Momente übertünchen kaum die konzeptionelle Pseudostimmung eines sentimentalen Melodramas, das Betroffenheit behauptet, ohne große Gefühle entwickeln zu können.

Freitag, 24. November 2017

ETA Hoffmann - Der goldene Topf, 21./23.11.2017

Bekloppte Handlung in bravouröser Inszenierung
Der Mensch ist täglich von Wundern umgeben, die deutsche Romantik wollte den Sinn für das Wunderbare wiederbeleben und so das Leben romantisieren. ETA Hoffmanns Prosamärchen Der Goldene Topf aus dem Jahr 1814 ist eine Novelle der Romantik und kein Theaterstück. Daß es nun auf der Bühne des Karlsruher Schauspiels gelandet ist, hat einen einfachen Grund: wie auch Goethes Faust wird es zum Abiturthema, die Adaption soll es Schülern näher bringen. In diesem Fall bedeutet das glücklicherweise nicht, das phantasievoll-skurille und in gewisser Weise surreal-komische Märchen irgendwie exzentrisch auf diskutable Weise psychologisch umzudeuten, sondern vielmehr eine anschauliche Romantik-Erfahrung zu vermitteln, "die Vielschichtigkeit des Kunstmärchens beizubehalten und eine Vielfalt an Deutungsmöglichkeiten zuzulassen". Und das gelingt beeindruckend gut! Man bleibt nah am Stoff und setzt ihn sehr einfallsreich, inspiriert, liebe- und humorvoll gestaltet in Szene. Daß Der Goldene Topf nun mal kein Theaterstück, sondern ein etwas abstrus hinkonstruiertes und zusammenfabuliertes Märchen mit manchen Willkürlichkeiten ist, bleibt die einzige Einschränkung dieser schönen Produktion.

Freitag, 29. September 2017

Goethe - Faust I, 26./28.09.2017

Kaum Faust zwischen Klamauk und Kalauer
Eines vorweg: das Engagement und die Spielfreude der Schauspieler bei der gestrigen Premiere waren ansteckend und ein wichtiger Erfolgsgarant. Bravo!
Doch sonst ist es gekommen, wie es zu befürchten war: Angsthasentheater! Man plätschert am seichten Rand und flachen Wasser und traut sich nicht in die Tiefen und Untiefen des Stücks vor. Goethes Faust wird Abiturthema und in den kommenden Monaten will man am Karlsruher Schauspiel möglichst viele Schüler durch die Vorstellungen schleusen. Das scheint auch der einzige Grund, wieso man Faust nun neu und ausgesprochen dürftig inszenierte, der Regisseur hat die Zielgruppe im Blick: bloß nicht ernst, bloß nicht staubtrocken, bloß nicht bedeutungsschwanger. Das Rezept für einen leichten Faust heißt: Groteske statt Tragödie, eine Entstellung, um eine Pleite zu verhindern. Beim Zuschauer bleibt der schale Eindruck, daß man mit Goethes Text spürbar wenig anfangen kann und ihm subtile Gewalt zufügt, nur die Gretchentragödie gelingt akzeptabel, davor ist vieles Verulkung. Man hat nur Ideen für den Urfaust, an Faust I scheitert man desinteressiert.
Doch Goethes Faust ist ein undurchdringlich kluges Mysterienspiel, in dem so viel mehr steckt, als man inszenieren und wahrnehmen kann, es ist buchstäblich reich und vielfältig - wieso muß die neue Karlsruher Inszenierung so reduziert und so armselig ausfallen? Wieso diese Selbstbeschränkung, die sich der Vielfalt nicht stellen will? Ein Theater, das Goethes Faust nicht mit spürbarer Hingabe und einer triftigen Idee inszenieren kann, hat ein grundlegendes Problem. Was sagte die gestrige Premiere also über das Karlsruher Schauspiel aus? Erneut vermittelt man den unguten Eindruck, daß es hier hauptsächlich nur um den Betrieb, weniger um die Sache und schon gar nicht wirklich um Qualität und das Stück geht. Man will über die Runden kommen und bewegt sich im Notenschema für diese Groteske zwischen ausreichend und ungenügend.

Freitag, 2. Juni 2017

Schiller - Die Jungfrau von Orleans, 01.06.2017

Gut gescheitert
Zwei Stunden lang bahnte sich gestern eine Überraschung an, Optimisten konnten hoffen, daß man vielleicht Zeuge einen Paradigmenwechsels sei, denn man sah dichtes, spannendes und scheinbar schlüssiges Schauspielertheater und mit Paula Skorupa in der Titelrolle hat man eine beeindruckende Verstärkung engagiert, deren Namen man sich unbedingt merken muß. Bravo! Doch dann, als es nach zwei Stunden mitten im dritten von fünf Akten in die Pause ging, erfolgte eine weitere ernüchternde Überraschung: keine Pause, das Stück ist vorbei, ein Actus Interruptus, man hört mittendrin auf! Die Inszenierung bleibt dem Publikum die Auflösung schuldig. Wie schade und auch unverständlich, denn bis dahin gelang der Regie viel, aber anscheinend um den Preis, in einer Sackgasse gelandet zu sein. Eine Fortsetzung "Die Rückkehr der Jungfrau" ist bisher leider nicht geplant.

Sonntag, 31. Mai 2015

Tschechow - Drei Schwestern, 30.05.2015

Tschechows Drei Schwestern (mehr dazu auch hier) sind ein Glücksfall. Regisseurin Anna Bergmann hat eine so handlungs- und assoziationsreiche Inszenierung geschaffen, daß man auch beim wiederholten Besuch immer noch etwas Neues entdecken kann und bemerkt, wie geschickt sie bspw. die Textstellen, die sich etwas ziehen oder für heutige Ohren zu hypothetisch bleiben, durch Hintergrundhandlungen aufwertet. Vor allem ermöglicht sie den Schauspielern großartige Szenen und motiviert sie zu einer Spielfreude, die einfach ansteckend ist.

Samstag, 21. März 2015

Tschechow - Drei Schwestern, 20.03.2015

Die neue Karlsruher Inszenierung von Tschechows Drei Schwestern ist leicht angreifbar: die Regisseurin zeigt eine eigenwillige und individuelle Auffassung, die einige ungeschützte Angriffsflächen für schnelle und harte Kritik zulässt. Tatsächlich ist es aber für das Karlsruher Schauspiel vielleicht sogar die bemerkenswerteste Inszenierung der letzten Jahre, bei der gleich mehrere Kunststücke gelingen: durchweg hochklassige Schauspielerleistungen in allen Rollen und eine ansteckende Spielfreude des Ensembles, eine interessante und spannende Regie, bei der man stets wissen will, wie es weiter geht, eine überbordende Phantasie mit vielen guten Einfällen, viel Spaß und Humor und eine stimmige Tschechow'sche Atmosphäre in vierfacher Ausführung - denn jeder der vier Akte ist auf unterschiedliche Weise in Szene gesetzt und man kann sich danach überlegen, in welcher der vier Fassung man sich im eigenen Kopfkino die ganzen Drei Schwestern vorstellen möchte.

Montag, 24. November 2014

Theo van Gogh - Das Interview / Lot Vekemans - Gift, 23.11.2014

Ein zweifaches Doppel: zwei spannende Stücke holländischer Autoren für jeweils zwei Schauspieler an einem Abend, die zukünftig auch einzeln gezeigt werden. Das Ergebnis ist höchst unterschiedlich: Das Interview ist geglücktes Theater, Gift hingegen enttäuscht auf ganzer Linie!