Freitag, 29. November 2013

Hübner/Nemitz - Richtfest, 28.11.2013

Der Vorname war letzte Spielzeit solide gemacht und ein sehr großer Erfolg, die gestrige Premiere von Richtfest steht mehr als gleichberechtigt daneben, ist inhaltlich prägnanter und sollte der nächste voraussichtlich stets ausverkaufte Komödien-Erfolg des Badischen Staatstheaters werden.

Dienstag, 26. November 2013

3. Symphoniekonzert, 25.11.2013

Das 3. Symphoniekonzert zeichnete sich durch kontrastierende Gemeinsamkeiten aus.

Mozarts 31. Symphonie (die sogenannte Pariser) war als kalkuliertes Werk zur Selbstvermarktung dazu gedacht das Pariser Publikum zu begeistern und ein Fuß in die Tür der musikalisch durch hohen Konkurrenzdruck geprägten französischen Metropole zu bekommen. Dementsprechend ist die Musik effekt- und prunkvoll, kontrastreich und überraschend - Mozart wollte gefallen und tatsächlich sollen die Zuhörer auch während der Symphonie Szenenapplaus gegeben haben. Gestern hörte man eine schöne und schwungvoll dirigierte Symphonie, deren Gefallsucht aber nicht mehr wie vor 235 Jahren funktioniert und deren Popularität heute durch andere Symphonien abgelöst wurde.
Claude Debussy Ibéria (Images Nr. 2) erklang danach und der Dirigent löste das Versprechen der unterschiedlichen und farbenreichen Debussy-Klänge ein: Straßengetümmel, Sommernächte, festliche Vorbereitungen - es war eine stimmungsreiche Interpretation.

Nach der Pause erfolgte eine Steigerung: die beliebtere Mozart Symphonie und die bekanntere Spanien-Tondichtung. Im Sommer 1788 komponierte Mozart innerhalb von ca. 8 Wochen seine drei letzten Symphonien: die heitere 39., die in C-Dur strahlende 41 sowie die gestern gespielte 40. Symphonie in g-moll. Rätselhafte, dunkle Befindlichkeiten und melancholische Stimmung prägen dieses so beliebte und bekannte Werk und der Dirigent brachte das spannend zu Gehör: rasch und erregt, elegisch und innerlich aufgewühlt.
Der Abend endete wieder im französischen Spanien mit der Rapsodie espagnole von Maurice Ravel. Der erste Satz -das Prélude à la nuit- war gestern eine Meisterleistung fein nuancierter, delikater Poesie, die folgenden Sätze atmosphärisch charaktervoll und individuell stark.

Der junge, aus Mallorca stammende Dirigent Antonio Méndeza beeindruckte nicht nur das Publikum, sondern auch das Orchester, das ihn mit heftigem Applaus bedachte. Zu Recht, denn der gerade 29 Jahre alte Spanier zeigte fast schon frühreifes Können: die Mozart Symphonien waren nuanciert und lebendig und die orchestral groß besetzten französischen Tondichtungen leitete er souverän und atmosphärisch dicht. Beeindruckend war dabei, daß man nie den Eindruck der Beliebigkeit hatte, sondern stets spürte, daß Méndeza einen Plan verfolgte und wusste, was er wollte und genau das auch erreichte. Bravo!

Montag, 25. November 2013

Franco Fagioli - Arien für Caffarelli, 24.11.2013

Anlässlich seiner neusten (und wirklich grandiosen) Solo-CD Arien für Caffarelli konnte das Karlsruher Publikum gestern zum dritten Mal Franco Fagioli in einem Konzert erleben. Und was für eines! Der Applaus für ihn wollte kaum enden.

Hommage an Franco Fagioli
Mit Countertenören ist das so eine Sache. Als man (wann eigentlich?) so vor ca 30-40 Jahren begann, Barockopern mit Countern aufzuführen, waren diese noch Exoten und viele im Publikum werden sich gewünscht haben, daß man die entsprechende Rolle lieber mit einer Sängerin besetzt hätte. Die wenigen bühnentauglichen Sänger hatten damals teilweise Stimmen, die es heute schwer hätten, sich gegen die inzwischen groß gewordene Konkurrenz durchzusetzen - sie klangen damals entweder zu piepsig oder hohl, zu schrill oder nasal - viele im Publikum -auch ich- haben sie nur als Exoten und Experiment toleriert.

Doch innerhalb des letzten Jahrzehnts gab es erste beste Stimmen und die Situation hat sich grundlegend geändert: es gibt bereits CD Einspielungen barocker Opern, die auf Frauenstimmen komplett verzichten. Damit ist man allerdings bereits zu einseitig geworden und schlägt die falsche Richtung ein - aber das ist ein anderes Thema .... Die Spitzengruppe der Countertenöre ist dennoch überschaubar klein geblieben und sogar wahrscheinlich an einer Hand abzuzählen.

Die Wende in Karlsruhe ist mit dem Namen Franco Fagioli verknüpft. Seine Auftritte als Julius Cäsar und Ariodante rissen das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin. Sein vierter Opernauftritt bei den Karlsruher Händel Festspielen 2014 als Riccardo Primo ist bereits frühzeitig ausverkauft gewesen. Fagioli hat nicht nur eine individuelle und schöne Stimmfarbe sowie einen als Alleinstellungsmerkmal zu bezeichnenden, sensationell großen Stimmumfang über 3 Oktaven. Der sympathische Argentinier ist in einem Maß koloratursicher, daß er mit Cecilia Bartoli verglichen wurde, mit der er auch bereits zusammen auftrat und CDs einspielte. Er hat es bei vielen Zuhörern geschafft, der erste Countertenor zu sein, den man in den Rang eines Publikumslieblings und zur favorisierten Stimme erhebt. Franco Fagioli ist für mich der beste Sänger seiner Stimmlage - niemand sonst traut sich an die schwer zu singenden Arien für Caffarelli. Was für ein Glück, daß er bisher so oft in Karlsruhe auftrat (hier mehr zu seinen letzten Auftritt) und nun auch gestern seine neue CD erstmals im Konzert vorstellte.

Zum Konzert
Fagioli wählte für seine CD neapolitanisch geprägte Komponisten, denn laut Fagioli: "Ich muss sagen, dass die Neapolitaner die schwierigste Musik überhaupt komponiert haben. Die Arien sind wirklich tückisch. Das hat etwas Sportliches, fast schon Akrobatisch-Athletisches." Händels Arien für Caffarelli sind hingegen keine Bravourstücke wie die aus Neapel, die Arien von Händel sind sängerfreundlicher und weniger schwierig. Neapel und seine Oper stehen heute für den Triumph des Sängers über den Komponisten und der Vergleich der Kastraten als die ersten Popstars greift deshalb nicht zu kurz.
Man konnte gestern im Konzert schnell hören, wieso man Fagioli auch bereits als Cecilia Bartoli 2.0 bezeichnet hat: es hat etwas Atemberaubendes mit welcher Sicherheit und Souveränität Fagioli diese Form der Stimmakrobatik in den Bravourarien darbot und dabei das besondere Timbre seiner Stimme nie verlor. Schon in der ersten Arie von Porpora konnte man sich gestern daran schwindlig hören. Daß Fagioli auch Stimmungen auf sein Publikum übertragen kann, weiß das Karlsruher Publikum schon lange und auch gestern waren es die langsamen Arien, die man sich inniger nicht wünschen konnte und besondere Höhepunkte des Konzerts darstellten, bei denen das Publikum in den Sog barocker Affekte gezogen wurde.

Musikalisch wurde Fagioli von Il Pomo d'oro begleitet, einem gestern 15köpfigen Barock-Ensemble, das aus Spezialisten für authentische Aufführungspraxis mit historischen Instrumenten besteht und trotz der kleinen Besetzung (es fehlten die Holzbläser. In Pergolesis Arie spielte stattdessen Riccardo Minasi an der Geige das Solo) eine kompetente Begleitung mit nuancierten und variablen Klangfarben darstellte.

Fazit: Das Publikum erhob sich - Standing Ovations und viele Bravos für Franco Fagioli und Il Pomo d'oro nach einem herzöffnenden und wunderschönen Konzert. 

PS (1): Riccardo Primo ist von Händel für Senesino -einen weniger variablen Kastraten mit deutlich kleinerem Stimmumfang- komponiert worden. Für Caffarelli komponierte er u.a. die Rolle des Faramondo in der gleichnamigen Oper, also eine der wenigen Händel Opern, die bei den Karlsruher Händel-Festspielen noch nie zu hören war. Also ein guter Ansatzpunkt für Fagiolis nächste Verpflichtung in Karlsruhe.

PS (2): Händel mit seinen über 40 Opern stand nur am Anfang der aktuellen Wiederausgrabungsepoche. Barock boomt und man gewöhnt sich wieder an Namen von Opernkomponisten, die lange Zeit niemand kannte: Leonardo Vinci (†1730), Leonardo Leo (†1744), Domenico Sarro (†1744), Francesco Feo (†1761), Nicola Porpora (†1768), Niccolò Jommelli († 1774), Tommaso Traetta (†1779), Gennaro Manna (†1779), ....
Nach Händel scheint es auch die nächste sächsische Wiederentdeckung zu geben: Johann Adolph Hasse (*1699 †1783), der zu seiner Zeit ein Star war, ebenfalls über 30 Opern komponierte und  mit der Sängerin Faustina Bordoni verheiratet war, die in London für Händel sang (er komponierte für sie u.a. Rollen in Alessandro und Riccardo Primo).

PS(3): 2015 feiert Karlsruhe seinen 300. Stadtgeburtstag. Gibt es in den Archiven keine überlieferte Oper vom badischen Hof, die man aufführen könnte?


PROGRAMMFOLGE

Domenico Sarro (1679 – 1744)
Demofoonte - Sinfonia (Allegro – Poco andante - Allegro)

Nicola Antonio Porpora (1686 – 1768)
Passaggier che sulla sponda
Semiramide riconosciuta, Napoli, Teatro San Carlo 1739

Johann Adolf Hasse (1699 – 1783)
Ebbi da te la vita
Siroe, Bologna, Teatro Malvezzi 1733

Giuseppe Avitrano (um 1670 – 1756)
Sonata D-Dur opus 3 Nr. 2 L’Aragona für 3 Violinen und Continuo (Largo – Allegro – Adagio - Presto)

Leonardo Leo (1694 – 1744)
Misero pargoletto
Demofoonte, Napoli, Teatro San Carlo 1741

Leonardo Vinci (1690 – 1730)
In braccio a mille furie
Semiramide riconosciuta, Napoli, Teatro San Carlo 1744

PAUSE

Giovanni Battista Pergolesi (1710 – 1736)
Lieto così talvolta
Adriano in Siria, Napoli, Teatro San Bartolomeo 1734

Angelo Ragazzi (um 1680 – 1750)
Sonata f-moll opus 1 Nr. 4 Imitatio in Salve Regina, Mater Misericoriae für Streicher (Andante – Adagio - Allegro)

Johann Adolf Hasse
Fra l’orror della tempesta
Siroe, Bologna, Teatro Malvezzi 1733

Leonardo Leo
Il Ciro riconosciuto Introduzione (Allegro – Andante - Allegro)

Pasquale Cafaro (1716 – 1787)
Gonfio tu vedi il fiume
L’Ipermestra, Napoli, Teatro San Carlo 1751

Gennaro Manna (1715 – 1779)
Odo il suono di tromba guerriera
Lucio Papirio dittatore, Roma, Teatro delle Dame, Carnevale 1748

ZUGABE:

Leonardo Leo (1694 - 1744)
Sperai vicino il lido
Demofoonte, Napoli, Teatro San Carlo 1741

Domenico Sarro
Un cor che ben ama
Valdemaro, Roma, Teatro delle Dame, Carnevale 1726

Freitag, 22. November 2013

Williams - Endstation Sehnsucht, 21.11.2013

Die gestrige Premiere von Endstation Sehnsucht bewies, was für ein großartiger Autor Tennessee Williams war. Leider wurde dieser Beweis dem Publikum erbracht trotz einer lauwarmen und unrunden Inszenierung und obwohl der Regisseur den Text nicht nur massiv kürzte und dennoch den Worten des Autors nicht vertrauend neue Sätze und Szenen hinzu erfand, um seine Figuren zu charakterisieren. Was vordergründig gelang und durchaus auch immer wieder spannend war, gelang meistens entgegen der Regie und dank der Qualität des Stücks. Die gestrige Premiere zeigte also mal wieder vieles, was im Schauspiel des Badischen Staatstheater zur Zeit suboptimal läuft.

Mittwoch, 20. November 2013

Verdi - Un Ballo in Maschera, 19.11.2013

Ein sehr schöner, ausverkaufter Maskenball am Dienstagabend. Ein so gutes, treues und interessiertes Publikum verdiente eine sehr gute Aufführung - und diese Erwartung wurde erfüllt. Der musikalisch so packend und spannend gelungene und inszenatorisch stabile und unaufregende Maskenball kommt beim Publikum gut an.

Doch es gibt auch andere gute Gründe für den Publikumszuspruch. Endlich führt man mal wieder eine Oper über die ganze Spielzeit verteilt auf. Gestern war der letzte Termin im November, es folgen jeweils nur eine Vorstellung im Dezember bis März, jeweils zwei im April und Mai, drei im Juni. Die knapp 20 Termine erstrecken sich über neun Monate. Für Opernfreunde ist das ideal, um sich eine Oper mehrfach im Verlauf einer Spielzeit anhören zu können. Peter Grimes hatte im Juli Premiere und verschwindet bereits wieder Ende November aus dem Programm. Und das ist wahrscheinlich auch ein Schwachpunkt des scheidenden Operndirektors Joscha Schaback: sein Spielplan hätte weniger gedrängt und damit abwechslungsreicher sein können und immer wieder fehlten schlichtweg die Alternativen für die Besucher.
 
Und noch ein wichtiger Anlaß für das ausverkaufte Haus: gestern sang zum ersten Mal Heidi Melton als Amelia. Mit ihr und Publikumsliebling Barabara Dobrzanska hat man zwei gute Gründe für zwei Besuche. Melton hatte gerade erst an vier Terminen im November im Opernhaus Palau de les Arts im spanischen Valencia als Sieglinde in Wagners Walküre (Dirigent Zubin Mehta) gesungen. Kaum zurück aus Valencia begeisterte sie gestern das Karlsruher Publikum wieder mit der scheinbaren Leichtigkeit mit der sie die Rolle gestaltete. Während Dobrzanska Amelias Verzweiflung und Tragik betont, singt sie Melton erregt und ungestüm. In Karlsruhe ist Melton übrigens noch vier mal als Amelia eingeplant (28.01.14, 09/22.05.14, 11.06.14).

Mit gewohnt souveränem und beeindruckendem Auftritt sangen Ewa Wolak (ihr Auftritt ist der Höhepunkt vor der Pause), Andrea Shin (mit einer wunderbar offenen Stimme und unangestrengter Höhe und sehr starkem viertem Akt) und Seung-Gi Jung (mit herausragender Arie im dritten Akt). An alle: BRAVO!
Emily Hindrichs und alle anderen Sänger sowie Chor und Orchester trugen ihren Anteil zur so schönen gestrigen Aufführung bei und zeigten, daß die musikalische Leistungsstärke der Karlsruher Oper bei Operndirektor Schaback nicht gelitten hat.

Fazit: Eine der schönsten Verdi-Opern in einer Darbietung, die man öfters hören kann/will.

Sonntag, 17. November 2013

Tschaikowsky - Dornröschen, 16.11.2013

Wie immer endete die große Ballett-Premiere mit vielen freudig strahlenden Gesichtern, nicht enden wollendem Applaus und heißgeklatschten Händen.

Die Tschaikowsky-Trilogie ist komplett
Nach Schwanensee und Nußknacker erfolgte nun gestern das in der Entstehungsgeschichte mittlere Dornröschen und Birgit Keil hat mal wieder bewiesen, daß das große Handlungsballett das publikumswirksamste Aushängeschild in Karlsruhe ist. Welches der drei Ballette nun die schönste und gelungenste Inszenierung in Karlsruhe hat, darüber lässt sich trefflich diskutieren - und das beweist nur mal wieder, mit wie viel qualitativer Kontinuität das Karlsruher Staatsballett nun schon über ein Jahrzehnt tanzt und sich seine große Popularität verdient hat.

Worum geht es?
Wie schon bei seinem Nußknacker erzählt Choreograph Youri Vámos eine neue Geschichte und zwar diesmal die der Zarentochter Anastasia, die vermeintlich die Hinrichtung durch die Bolschewisten überlebt haben soll. Eine Frau namens Anna Anderson behauptete in den 1920ern in Berlin von sich, die einzige überlebende Zarentochter zu sein, und viele glaubten ihr. Heutzutage ist sie als Hochstaplerin überführt, aber das spielt für Vámos' Geschichte keine Rolle - es bleibt in der Schwebe, wer die Unbekannte ist. Das Drama der Zarentochter, die durch die russische Revolution alles verliert wird zur Drama einer einsamen Frau, die sich in Erinnerungen und Phantasien flüchtet. Das Ballett ist eine kontrastierende Vermischung von Zeitebenen - ein in Rückblenden verpacktes inneres Puppenspiel der vermeintlichen Anastasia.
Dennoch ist diese Geschichte von Youri Vámos nur eine sehr lose Klammer, die das Ballett gerade so zusammenhält. Schon das Original-Dornröschen galt als handlungsschwaches Ballett und auch Vámos schafft es nur, dem Geschehen eine geringe Handlungsdichte zu geben. Der große Jubel für die gestrige Premiere hatte andere Gründe.

Was ist zu sehen?
Dornröschen ist ein abwechslungsreiches und bildstarkes Ballett. Michael Scott hat wieder ein schönes Bühnenbild und viele Kostüme entworfen. Die Nähnadeln müssen geglüht haben bei der hohen Anzahl an Kostümen, die benötigt werden. Der Zarenpalast mit seinem prunkvollen Ballsaal steht im Gegensatz zu einer kargen, dunklen Welt der einsamen Anastasia. Licht spielt hier eine wichtige Rolle und Klaus Gärditz' gelungene Lichtregie ist ein wichtiger Bestandteil, der zentrale Spannungsmomente bewirkt.

Für die Tänzer hat Youri Vámos eine sehr ausgeglichene und anspruchsvolle Choreographie mit regelmäßigen Höhepunkten geschaffen, die die komplette Kompagnie gleichermaßen fordert, auch wenn es nur wenig individuelle Charakterzeichnungen gibt. Nur Bruna Andrade als Anastasia wird nicht nur tänzerisch gefordert, sondern auch als Darstellerin. Wie immer tanzt und spielt sie mit hoher Souveränität und viel Ausdruck. Bravo! Doch wirklich alle Tänzer hatten den Applaus gestern verdient, für viele gibt es Gelegenheit sich auszuzeichnen: Flavio Salamanka, Admill Kuyler, Sabrina Velloso und Pablo Dos Santos (er entwickelt sich immer mehr zum Nachfolger von Diego de Paula) haben dabei die größten Rollen. Ergänzt wird das Karlsruher Ballettensemble wieder durch Tänzer des Ballettstudios, der Mannheimer Akademie des Tanzes und durch Kinder der Ballettschule Lagunilla & Reijerink - dem Auge wird viel geboten.

Was ist zu hören?
Christoph Gedschold und die Badische Staatskapelle spielen einen opulenten Ohrenschmaus, der auch als Symphoniekonzert gelten kann: ob nun Janos Ecseghy als Soloviolinist oder das ganze Orchester im akustischen Breitwandformat - immer wieder ergeben sich große Höreindrücke und der Schluß ist überwältigend pompös und schön. Bravo!

Hommage an das Karlsruher Ballett
Kann man etwas Kritisches anmerken? Bestimmt. Aber nicht heute! Der Erfolg und die überragende Beliebtheit des Karlsruher Balletts sowie ein Blick auf das letzte Jahrzehnt sprechen eine klare Sprache. Die erfolgreichste Sparte des Badischen Staatstheaters hat die höchste Zuschauerauslastung und das im Durchschnitt jüngste Publikum. Birgit Keil hat so viel Interessantes und Erinnerungswürdiges auf die Bühne gebracht: Don Quijote, Liaisons Dangereuses, Giselle, CoppéliaRomeo und Julia,  Les Sylphides, Carmen, Tschaikowsky, La Fille mal gardée, Ein Sommernachtstraum, Schwanensee, Nußknacker, nun Dornröschen, dazu die großartigen Neuschöpfungen des Glanzjahres 2011/12: Siegfried und Momo und zuvor Anna Karenina. Auch wer Handlungsballett weniger schätzt wird daran erkennen, daß Birgit Keil dem Karlsruher Publikum ein goldenes Jahrzehnt beschert hat und viele neue Anhänger gewonnen wurden, die in die Vorstellungen pilgern. Besser und geglückter konnte sich das Karlsruher Ballett nicht entwickeln.
   
Fazit: Das komplette Ballettensemble glänzt in einem visuell prachtvoll umgesetzten, aber inhaltlich wenig ergiebigen "Handlungs"ballett, das musikalisch zelebriert wurde von der Badischen Staatskapelle und Christoph Gedschold am Dirigentenpult.

PS: Ein Kamerateam begleitete gestern Birgit Keil bei der Premiere. Hallo liebes Staatstheater, meldet rechtzeitig, wann und wo der Bericht gesendet wird!

Team & Besetzung
Zar - Eric Blanc
Zarin - Hélène Dion
Anastasia - Bruna Andrade
Der Unbekannte - Admill Kuyler
Alexei - Kammertänzer Flavio Salamanka
Anastasia als Kind - Sabrina Velloso
Olga als Kind - Shiri Shai
Tatjana als Kind - Kyoko Watanabe
Maria als Kind  - Moeka Katsuki
Olga als Erwachsene - Blythe Newman
Tatjana als Erwachsene - Elisiane Büchele
Maria als Erwachsene - Patricia Namba
3 Adelige - Juliano Toscano, Louis Bray, Bledi Bejleri
Rasputin - Andrey Shatalin
Blauer Vogel - Sabrina Velloso, Pablo dos Santos
Katzen - Blythe Newman, Arman Aslizadyan
3 Russen - Brice Asnar, Pablo dos Santos, Ed Louzardo

Musikalische Leitung - Christoph Gedschold
Choreografie - Youri Vámos
Einstudierung - Joyce Cuoco, Filip Veverka
Einstudierung der Kinder - Leon Kjellsson
Bühne & Kostüme - Michael Scott
Licht - Klaus Gärditz

Freitag, 15. November 2013

****Generalprobe Riccardo Primo im Vorverkauf****

Karten für die Generalprobe für die bereits ausverkaufte Kerzenlichtproduktion von Händels Oper Riccardo Primo am Mittwoch, 19.02.14 um 19:00 Uhr mit Countertenor-Star Franco Fagioli können ab heute für 15€ für alle Plätze im Vorverkauf erworben werden, und zwar z.B. im Internet hier:

http://www.staatstheater.karlsruhe.de/programm/termine/1674/

WICHTIG: Bei Generalproben wird nicht immer alles ausgesungen. Gelegentlich schonen sich sie Sänger und markieren nur. Wer eine möglichst hochwertige Vorstellung hören will, der hat nur noch die Chance auf Stehplätze in den regulären Aufführungen.

Donnerstag, 14. November 2013

160 Dirigenten und 148 Komponisten gegen SWR Orchesterzerschlagung

Das Land Baden-Württenberg steht zur Zeit nicht gut da. Die Staatstheater-Intendanten des Landes protestieren gegen massive Eingriffe in die Kunstfreiheit und auch die Entscheidung gegen das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg und die zentralistische Neuschaffung eines Fusionsorchesters am Standort Stuttgart verärgert viele Künstler und den badischen Landesteil.

Hier der offene Protest-Brief, unterschrieben von 160 Dirigenten, die diese Orchester bereits dirigiert haben, z.B. auch der frühere Karlsruher GMD Kazushi Ōno:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/gegen-die-fusion-der-swr-orchester-ein-offener-brief-von-hundertsechzig-dirigenten-12660917.html

"Mit der Entscheidung für Stuttgart als Standort des Fusionsorchesters huldigen Sie zudem einem Zentralismus, dessen verhängnisvolle Auswirkungen auf die Musikkultur in zahlreichen europäischen Staaten zu besichtigen sind, und welcher der in Deutschland historisch gewachsenen Situation einer flächendeckend regionalen Verwurzelung von Kultureinrichtungen diametral entgegensteht."

Die Frankfurter Allgemeine befragte auch den Dirigenten Michael Gielen zur SWR Orchesterzerschlagung. Das Interview befindet sich hier: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/michael-gielen-zur-orchesterfusion-worum-es-den-160-dirigenten-geht-12661358.html


NACHTRAG (15.11.2013): Auch 148 Komponisten schließen sich dem Protest für den Erhalt des SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg an, darunter auch Wolfgang Rihm. Mehr dazu hier: http://www.nmz.de/node/86282

Dienstag, 12. November 2013

Konstantin Gorny in Paris

Das Karlsruher Ensemble-Mitglied Konstantin Gorny sang im Oktober als Gast im Théâtre des Champs Elysées in Paris die Rolle des Oberpriesters in Spontinis Oper La Vestale, die in der letzten Saison auch in Karlsruhe zu hören war (mehr hier).

Auf der Internetseite der Pariser Oper ist die Inszenierung zur Zeit (anscheinend noch bis ca. April 2014; @S.: Danke für die Info!) als Aufzeichnung zum Ansehen/-hören hinterlegt. Hier der Link: http://www.theatrechampselysees.fr/opera/opera-mis-en-scene/la-vestale

Mittwoch, 6. November 2013

Yuval Sharon im ZDF heute Journal

Das heute Journal des ZDF berichtete über eine Inszenierung der Oper Invisible Cities im Bahnhof von Los Angeles. Regisseur Yuval Sharon wird im Januar in Karlsruhe John Adams' Oper Dr. Atomic inszenieren.

Hier der Link: http://www.heute.de/Kopfh%C3%B6rer-Oper-Wenn-Realit%C3%A4t-und-Kunst-verschmelzen-30509152.html

Die Oper des Badischen Staatstheater verdient Applaus: "Mit Yuval Sharon konnte einer der kreativsten amerikanischen Regisseure gewonnen werden, der hier zum ersten Mal in Europa Regie führt."

Sonntag, 3. November 2013

Kurze Zwischenbilanz der Intendanz Spuhler (Teil 1)

Wie schief hängt denn nun der Haussegen zwischen Intendanz und scheidender Operndirektion des Badischen Staatstheaters? Es wird wohl nur rückblickend zu analysieren sein, denn alle Beteiligten werden die Professionalität haben, um eine Schlammschlacht zu vermeiden. Durch verschiedene freundliche Kommentare und persönliche Mitteilungen scheint aber eines klar: Schaback und Team gehen von sich aus, sie wurden nicht gegangen. Die Ursachen für das Zerwürfnis bleiben vorerst unklar. Der Zeitpunkt für die Veröffentlichung in den BNN scheint abgesprochen. Auch die Moderation der Sparte Oper beim Theaterfest durch Heiner Kondschak erscheint in neuem Licht. Sogar das neue Theatermagazin Nr. 9 lässt sich aus dieser Sicht wie eine Verteidigung der Intendanz Spuhler mit Durchhalteparolen lesen. Im Begrüßungswort wird man bereits darauf hingewiesen, daß man das Theater allen Menschen öffnen wolle (wem war es denn bisher ausdrücklich verschlossen?). In einem über mehrere Seiten aufgeblähten, aber inhaltsschwachem Gespräch (Seite 19 ff.) wird "Öffnung" als Schlüsselwort und "Du mußt dein Leben ändern" als Leitlinie der Intendanz Spuhler in Erinnerung gerufen. (Die Leitlinie bedeutet doch aber nicht, daß man seine Ansprüche an die Qualität des Badischen Staatstheaters verringern muß?). Und Peter Spuhler offenbart sogar seine Vision: "Ich träume von einen Haus/Theater, das rund um die Uhr offen ist". Wieso der Charme einer Bahnhofshalle künstlerisch relevant und eine Vision ist, wird sich nicht jedem auf Anhieb erschließen. Wer lange genug im Bahnhof ist, wird auch mal selbstverständlich einen Zug besteigen - so scheint die Taktikvorgabe bei solchen Aussagen zu sein. Dabei gäbe so viele und schöne andere Visionen auf die man sich mit seinem Publikum einigen könnte: z.B. ein Haus, dessen künstlerische Qualität ein großes Publikum lockt und das seinen Platz auf der Landkarte zwischen Frankfurt, Stuttgart und Baden-Baden gefunden hat.

Hier treffen wohl zwei Paradigmen aufeinander: soll  das Theater ein alltäglicher Gebrauchsraum werden und verhilft die Currywurst dem Hamlet zu mehr Besuchern oder soll das Theater ein besonderer und gelegentlich feierlicher Raum sein, in dem man den Anspruch aufstellt, etwas Außergewöhnliches und nicht Alltägliches in hoher künstlerischer Qualität durch Profis aufzuführen. Ein Intendant, dem es um die künstlerische Qualität des Besonderen im Staatstheater geht wäre mir lieber als einer, der die Alltagstauglichkeit eines Stadt-Theaters bevorzugt.

Und noch an ein anderes wichtiges Argument will ich erinnern, das ich bei den vielen sehr guten Kommentaren zum Abgang der Operndirektion gefunden habe (mehr dazu hier): Das Badische Staatstheater ist vorrangig ein Opern und Konzerthaus, bei dem Orchester, Chor und Solisten den mit Abstand größten Personalposten einnehmen. Es gibt also einen guten Grund, wieso vor Spuhler der Intendant auch immer gleichzeitig der Operndirektor war - diese Sparte muß stets im Mittelpunkt stehen; ihre Besucherauslastung ist entscheidend. Die Ausstrahlung der Karlsruher Oper als Staatstheater muß bis ins Umland reichen. Kontinuität ist hier wichtig. Der frühzeitige Abgang der Operndirektion lässt das nun schmerzlich zu Tage treten.

Ich bin anscheinend  nicht der einzige, der sich mehr erhofft hatte und schnell enttäuscht wurde. Bald sind 2,5 Jahre vorbei, 2,5 Jahre liegen noch vor uns, ggf. länger, wenn Spuhler als Sanierungsintendant vom Kultusminsterium verlängert wird. Doch profiliert hat sich der Generalintendant nicht auf dem Gebiet, auf dem ihn viele sehen wollten: Spuhler hat in Karlsruhe bisher keine künstlerischen Ambitionen gezeigt, es geht ihm weniger um die künstlerische Leuchtkraft des Hauses. Zum ersten Mal hat man in Karlsruhe ein Leitungsteam, das nicht selber inszeniert, sondern nur verwaltet. Der GI arbeitet an Grundlegendem: der Akzeptanz in breiten Schichten der Bevölkerung. Er will ein Intendant zum Anfassen sein, das Programm hat sich vom dem Kern entfernt, der traditionell dem Staatstheater vorbehalten war und sich zu Programmpunkten verbreitert, die man sonst in anderen Theatern erwartet hat. Es dominieren gute Absichten (Standard-Platitüde "Theater für alle", die "Öffnung des Theaters auf allen Ebenen") und Organisatorisches. Es wird nun Zeit, daß es wieder um Inhalte und Qualität geht.

Wagner - Der fliegende Holländer, 02.11.2013

Für die erste Operngala der Spielzeit hat man Achim Thorwalds Inszenierung aus dem Jahr 2005 aus dem Fundus geholt, bei der sich die Holländer-Geschichte nur in der überspannten Phantasie Sentas abspielt, die am Ende an der Seite Eriks ein Happy-End erlebt - so zumindest in der ursprünglichen Version; gestern starb Senta und beraubte die Inszenierung ihrer Pointe.

Für den ursprünglich als Holländer angekündigten und in Karlsruhe noch bspw. als Barak in Strauss' Frau ohne Schatten bekannten Marcus Jupither hatte man ca. 10 Tage zuvor Tomasz Konieczny als Ersatz bekannt gegeben. Der 1972 in Polen geborene Bassbariton erwies sich als Glückgriff! Mit seiner durchdringenden, düster-kernigen und klaren Stimme lieferte er ein eindrucksvolles Rollenporträt und beeindruckte stark. Für seinen Auftritt lohnte sich der Besuch der gestrigen Gala.
Es gab gestern auch ein schönes Wiederhören mit Manuela Uhl die von 1995 bis 2000 ihr erstes Engagement in Karlsruhe hatte und bereits damals einige große Rolleninterpretationen lieferte, bspw. als Marguerite in Gounods Faust in der Inszenierung von Thomas Schulte-Michels (und Konstantin Gorny als grandiosem Mephisto). Bei Thorwalds Inszenierung befindet sich Senta für die komplette Dauer der pausenlosen Oper auf der Bühne und muß ca. 55 Minuten warten, bevor sie zum ersten Mal singen darf. Vielleicht lag es daran, daß Uhl die Ballade nicht ganz so beeindruckend gelang. Danach steigerte sich sich und gestaltete ihre Partie sicher und überzeugend.
Als dritter Gast sang Reinhard Hagen mit sehr schöner und sonorer Stimme einen  fast schon zu noblen Daland.

Fazit: Eine gelungene, spannende und schöne Aufführung, bei der Chor, Orchester, hauseigene und geladene Sänger gleichermaßen zum harmonischen Gesamteindruck beitrugen.

Besetzung:
Holländer - Tomasz Konieczny
Daland - Reinhard Hagen
Senta - Manuela Uhl
Erik - Zurab Zurabishvili
Mary - Rebecca Raffell  
Steuermann - Steven Ebel    
Musikalische Leitung - Johannes Willig