Donnerstag, 25. April 2024

Strauss - Die schweigsame Frau, 24.04.2024

Es ist GMD Georg Fritzsch zu verdanken, daß man nach über 30 Jahren in Karlsruhe endlich wieder diese grandiose Oper erleben konnte - denn das war auch  anscheinend gestern leider schon wieder die Dernière. Man kann allen an dieser Produktion Beteiligten vor, auf und hinter der Bühne nur herzlich für diese engagiert präsentierte Produktion danken. Man könnte behaupten, die Qualität eines Opernpublikums erkennt man an dem Maße, wie es diese zu selten gespielte Oper zu schätzen weiß, vor allem wenn sie so beseelt gesungen, gespielt und musiziert wird wie am Badischen Staatstheater. BRAVO!

Montag, 1. April 2024

Wagner - Tannhäuser, 31.03.2024

Nach der enttäuschenden Premiere des Fliegenden Holländers vor 16 Monaten (mehr hier) ließ es sich die zum Spielzeitende scheidende Operndirektion gestern nicht nehmen, einen dramaturgisch ungewöhnlich dürftigen Tannhäuser in einer ambitionslosen, visionslosen und funkenlosen Inszenierung hinterher zu knebeln. Dennoch gab es mehr Lichtblicke als zuvor, insbesondere Armin Kolarczyk und Pauliina Linnosaari wurden mit tosendem Jubel belohnt und Staatskapelle und Staatsopernchor trugen wie gewohnt zum Publikumsglück bei.

Dienstag, 5. März 2024

5. Symphoniekonzert, 04.03.2024

Das 5. Symphoniekonzert war auch Abschluß der Händel-Festspiele 2024 und ließ die Badische Staatskapelle Händel, Bach und Benda musizieren.

Montag, 26. Februar 2024

Händel - Ottone, 25.02.2024

Homogen hochklassig (2) 
Die Wiederaufnahme der letztjährigen Produktion des Ottone ergänzt sich gut mit Siroe: zwei Königsdramen, beide historisierend-archaische Phantasie-Inszenierungen, die charakterisieren ohne abschweifend zu psychologisieren, beide finden einen geradlinigen Weg, der die musikalischen Affekte respektiert und sie nicht aus dem Zusammenhang reißt, und der insbesondere Sängern und Musiker Raum zur Entfaltung gibt. Auch für Ottone gab es gestern viel Jubel und langanhaltenden Applaus.

Samstag, 17. Februar 2024

Händel - Siroe, 16.02.2024

Homogen hochklassig
So starr die Barockoper mit dem Modell des handlungstreibenden Rezitativs und dessen emotionale Verarbeitung in affektgeladenen Arien auch ist, so flexibel sind die sich daraus ergebenden Interpretationsmöglichkeiten. Modern oder historisierend, humorvoll oder ernst, naiv oder zwielichtig. ob bei Kerzenlicht, in mafiösem Halbdunkel oder unter arkadischer Sonne - die Opera Seria zeigt nur den sichtbaren Teil des Eisbergs und überläßt es deshalb der Regie, durch die Inszenierung mehr zu offenbaren und gerade bei den Karlsruher Händel Festspielen konnte man in der Hinsicht reichhaltig Anschauungsmaterialen bei vielfältigen Inszenierungsstilen sammeln. Aktuell ist man in einer historisierenden Schwertphase in dominanten Bühnengrau, wie auch letztes Jahr bei Ottone ist auch Siroe eine Rückversetzung in Zeiten, wo schwere metallene Stich- und Hiebwaffen verwendet werden. Für den neuen Siroe bekannte sich das Inszenierungsteam im Vorfeld bereits zur Inspirationsquelle Game of Thrones. Die gestrige Premiere setzte also ganz auf Dramatik und Intrigen und wurde diesem Anspruch gerecht: eine solide Inszenierung, der es gelingt, der Handlung passende Szenen zu unterlegen, und die vor allem musikalisch und sängerisch durch eine homogen hochklassige Besetzung getragen wird.

Montag, 12. Februar 2024

Oper Straßburg: Porpora - Polifemo, 11.02.2024

Die Arie Alto Giove aus Nicola Porporas Oper Polifemo ist schon seit Jahrzehnten ein viel eingespieltes Bravourstück für Barocksänger. 1994 wurde sie im Film Farinelli des belgischen Regisseurs Gérard Corbiau verwendet (damals gesungen von Dereck Lee Ragin), der die Kastraten als Pop-Stars der damaligen Epoche zurück ins Bewußtsein des Publikums brachte. So bekannt und oft gehört die Arie ist, so unbekannt blieb die Oper: die deutsche Erstaufführung erfolgte erst 2013 in Schwetzingen (mehr hier) und an der Opéra du Rhin ist aktuell die  spannend besetzte französische Erstaufführung zu hören, bei der Franco Fagioli die einst von Farinelli gesungene Rolle des Aci übernimmt. Und auch 18 Jahre nach Fagiolis erstem Auftritt bei den Karlsruher Händel Festspielen ist es ein Erlebnis, dem argentinischen Countertenor zuzuhören.

Dienstag, 30. Januar 2024

4. Symphoniekonzert, 29.01.2024

Hymnisch himmlische Eschatologie
2024 gedenkt man u.a. des 100. Todestags von Franz Kafka, Giacomo Puccini und Gabriel Fauré, des 125. Geburtstags von Erich Kästner, Ernest Hemingway und Vladimir Nabokov, des 150. Geburtstags von Hugo von Hofmannsthal und William Somerset Maugham, des 175. Geburtstags von August Strindberg, des 200. Geburtstags von Anton Bruckner und Bedřich Smetana, des 200. Jahrestags der Uraufführung von Beethovens 9. Symphonie sowie des 300. Geburtstags von Immanuel Kant und des Dichters Friedrich Gottlieb Klopstock. Die Badische Staatskapelle startete gestern in das Jahr mit der bekanntesten Klopstock-Vertonung.

Sonntag, 28. Januar 2024

Jazz Night: Max Greger jr. Trio, 27.01.2024

Von Kopf bis Fuß auf Schwarzwaldfahrt mit Duke Ellington eingestellt
Der Name Max Greger ist quasi eine Marke, mit der man seit Jahrzehnten Musik verbindet, der Bigband-Klang des Saxophon spielenden Vaters (*1926 †2015) war durch viele TV-Auftritte bei Sendungen des ZDF in den 1960ern und 70ern fast jedem bekannt. Gestern nun der zweite Auftritt des Sohns (*1951) bei den Karlsruher Jazz Nights, und zwar in kleiner Bigband-Besetzung. Neben einigen Stücken von Duke Ellington und anderer Jazz-Persönlichkeiten gab es Interpretationen bekannter Musik von Frederick Loewe (My fair Lady) und George Gershwin (I got rhythm), Kurt Weil (Mackie Messers Moritat) und als Höhepunkte quasi eine Wiederentdeckung von Horst Jankowskis Schwarzwaldfahrt sowie eine fulminant verjazzte Version von Friedrich Hollaenders Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt. Max Greger jr. überzeugte als virtuoser Pianist und Moderator, am Schlagzeug war der souveräne Bernd Reiter zu hören und Bassist Mini Schulz überraschte mit seinen Improvisationen.
Ein Konzert, das wie im Flug verging, manche wären gerne noch weitergeflogen. Der elegante Swinging Jazz des Trios erwies sich als Hörvergnügen, bei dem sich die Freude des Musizierens auf die Zuhörer im ausverkauften Kleinen Haus übertrug.

Donnerstag, 25. Januar 2024

Strauss - Die schweigsame Frau, 24.01.2024

Zeit für eine kurze Heldenverehrung, denn es ist unbedingt erforderlich auf einen Sänger hinzuweisen, für den es aktuell keine Zweitbesetzung am Badischen Staatstheater gibt. Am Samstag  sang er Ferrando in der Premiere von Così fan tutte, drei Tage später am Dienstag mußte er deshalb auch bei der B-Premiere auftreten, am Tag darauf war dann gestern die Rolle des Henry Morosus dran. Drei Vorstellungen tragender Rollen in fünf Tagen: ohne den sympathisch und humorvoll auftretenden mexikanischen Tenor Eleazar Rodriguez geht es zur Zeit nicht. Wir kaum ein anderer hat Rodriguez die letzten Jahre nutzen können, mit den richtigen Rolle sich ein Repertoire und in Karlsruhe ein Publikum zu ersingen, insbesondere als Mozart- und Donizetti-Tenor (Nemorino im Liebestrank, Roberto Devereux, Percy in Anna Bolena, Tonio (Regimentstochter) und Ernesto in Don Pasquale). Scheinbar unermüdlich und stets zuverlässig -   BRAVO!

Wie musikalisch reich und bereichernd ist doch Die schweigsame Frau! Was da alles im Orchestergraben zu hören ist, Glocken, Zitate, komponierter Lärm, man denke nur an die Explosion, von der Morosus mit Hinweis auf sein zerstörtes Trommelfell berichtet und die visuell so schön und passend umgesetzt ist: die erzählten Schallwellen fegen die Anwesenden um. Den Sängern scheint das ebenfalls Freude zu bereiten, mit viel Engagement sind alle bei der Sache. Nicht alles an der Inszenierung ist optimal (mehr hier zur Premiere), doch wen kümmert's, wenn die Aufführungen im übrigen so gut funktionieren! BRAVO! Sechs weitere Termin stehen noch in den nächsten drei Monaten zur Verfügung, die man unbedingt und so oft als möglich nutzen sollte.

Sonntag, 21. Januar 2024

Mozart - Così fan tutte, 20.01.2024

Beschaulich, behaglich, betulich
Es ist nicht einfach, das richtige Inszenierungsmaß für Così fan tutte zu finden. Meistens wird die  hanebüchene  Handlung dieser Buffa-Oper nicht als komisch, sondern als lächerlich empfunden, früher hat man deshalb oft in die Handlung eingegriffen oder der Oper neue Texte unterlegt. Lange betonte man die bittersüße Komponente des Geschehens, die man ironisch oder sarkastisch interpretieren kann, je nachdem, ob man die Abgründe übertünchen will oder versucht, sie glaubhaft zu machen. Und in der Schlußszene kann man dann entweder ein Ausrufezeichen oder ein Fragezeichen setzen.
Die neue Karlsruher Inszenierung findet einen überwiegend kurzweiligen Weg durch die Education sentimentale der Handlung, die Regie drängt sich nie in den Vordergrund, modernisiert behutsam das Geschehen und charakterisiert treffend die wankelmütigen Figuren. Musik und Sänger blieben bei der gestrigen Premiere nicht nur stets im Mittelpunkt, sondern trumpfen auf: Dirigent und Musiker trugen die spielfreudigen Sänger quasi auf  Händen und zelebrierten die Partitur als Schönklang. 

Sonntag, 14. Januar 2024

Reza - Kunst, 13.01.2024

Die fragile Maskulinität der Memmen
Mann oder Memme? Es ist wenig überraschend, wie das Karlsruher Schauspiel die drei Protagonisten in Yasmina Rezas Erfolgsstück charakterisiert: Man bleibt überraschungsfrei in der eigenen Filterblase, nimmt sich viele Freiheiten am Text und verkrüppelt die Figuren zu politisch korrekt gewollten Klischees: statt Männer stehen Memmen auf der Bühne. Doch die gute Nachricht: Rezas Kunst hält die Reduzierung auf clownesk infantile Charaktere aus, wer sich an den grobmotorisch plumpen Humor gewöhnt, der kann der Regie durchaus eine ideenreiche Figurenentwicklung bescheinigen, die wahrscheinlich noch besser funktioniert hätte, wenn man bei dieser Inszenierung die Rollen mit drei Schauspielerinnen besetzt hätte. Was auf manche ein wenig wie eine unterbelichtete Selbstverramschung wirken könnte, ist dennoch durchaus zeitgemäß durch die Darstellung eines ins Lächerliche gezogenen, pseudomännlichen woke-soften Habitus.