Montag, 31. Dezember 2012

Rokokotheater Schwetzingen: Porpora - Polifemo, 30.12.2012

Im Schwetzinger Rokokotheater wird zur Zeit eine deutsche Erst(!)aufführung präsentiert: die Oper Polifemo von Antonio Porpora, die vor 278 Jahren uraufgeführt wurde. Für Anhänger von Barockopern lohnen die 30 Minuten Fahrt von Karlsruhe in die ehemals kurpfälzische Sommerresidenz.


Barock Festspiele
Das Heidelberger Theater bringt zum siebten Mal ein barockes Programm im Rahmen des Winters in Schwetzingen (meines Wissens vom heutigen Karlsruher Chefdramaturgen und Leiter der Händelfestspiele Dr. Bernd Feuchtner ins Leben gerufen) auf die schöne kleine Bühne des Rokokotheaters. Während der Intendanz Peter Spuhlers in Heidelberg gab es dort Vivaldi-Opern, seit seinem Weggang gibt es neapolitanische Komponisten: 2011 war Alessandro Scarlattis Marco Attilio Regolo zu hören. Es gibt also noch zahlreiche Opernschätze des 18. Jahrhunderts, die es zu heben gilt - man kann den Heidelbergern nur dafür danken daß es Polifemo oder besser gesagt eine Oper Porporas auf die Bühne bringt.
Aus Karlsruher Sicht auch ein guter Anlaß, dem früheren Intendanten Günther Könemann zu danken, der bereits 1977 eine Pionierrolle einnahm und als einer der ersten den Trend zur Wiederentdeckung von Barockopern mit seinen Händeltagen am Badischen Staatstheater erkannte und förderte.

Antonio Porpora
1735 war ein großes Jahr für die Barockoper: es gab die Uraufführungen von Pergolesis L'Olimpiade, Händels Ariodante und Alcina sowie Nicola Antonio Porporas Polifemo. Porpora (*1686 †1768)  kam 1733 nach London, wo er die künstlerische Leitung der Opera of the Nobility übernahm. Damit war er Händels Rivale in London. Nach vier konkurrierenden Spielzeit waren beide Opernhäuser finanziell ruiniert. Porpora verließ London, Händel blieb bekanntermaßen.
Porpora war als Gesangslehrer und Stimmenentdecker berühmt: Farinelli gehört zu seinen wichtigsten Schülern. Bei der Premiere des Polifemo sang dieser den Aci. Ein anderer berühmter Kastrat Senesino sang den Ulisse. Polifemo war also nach damaligen Maßstäben herausragend besetzt. Porporas Kompositionsstil war auf Bravour-Arien und virtuose Exzellenz ausgerichtet.

Worum geht es?
Polifemo ist ein Mythen-Mix. Die Nymphe Galatea liebt den Menschen Aci, der aus Eifersucht vom Zyklopen Poliphem getötet wird und der auch Odysseus gefangen hält. Die Göttin Calypso begehrt Odysseus und will ihn befreien. Alle gemeinsam verbünden sich, um sich an Poliphem zu rächen: sie stechen ihm das Auge aus. Doch Galatea bleibt unglücklich. Zeus gibt Aci daraufhin nicht nur das Leben zurück, er verleiht ihm Unsterblichkeit, damit er auf alle Zeiten mit Galatea zusammen sein kann. Acis Wiederauferstehung als Unsterblicher Alto Giove ist wahrscheinlich die bekannteste Arie der Oper und spielt auch eine Rolle in der prämierten Verfilmung des Lebens von Farinelli von 1994.

Was ist zu sehen?
Die Regisseurin Clara Kalus versucht die antiken Sagen nicht zu deuten und erzählt konventionell und etwas zu ruhig die Geschichte von Szene zu Szene als (ein etwas zu wenig) ironisches Märchen. Daß dabei dennoch eine schöne und phantasievolle Inszenierung entstand, ist besonders auch dem Bühnen- und Kostümbildner Sebastian Hannak zu verdanken, der in Karlsruhe in dieser Rolle schon sehr gute Arbeit bei Momo und Jakob der Lügner abgeliefert hat und auch für die schmale, aber tiefe Bühne des Rokokotheaters mit wenig Aufwand eine ideenreiche Aufführung konzipiert hat.

Was ist zu hören?
Dirigent Wolfgang Katschner, 27 Musiker, zwei Countertenöre, zwei Soprane, ein Mezzosopran und ein Bariton - im Vergleich mit Aufführungen bei den Karlsruher Händelfestspielen muß man in Schwetzingen Abstriche in Kauf nehmen. Dabei werden sowohl der Vorteil als auch der Nachteil der Karlsruher Händelfestspiele deutlich: Nachteil: Barockmusik ist im Badischen Staatstheater auf wenige Tage Mitte/Ende Februar beschränkt. Operninszenierungen wie Radamisto und Ariodante hätten leicht ein noch größeres Publikum gefunden, wenn sie öfters auf dem Spielplan gestanden hätten.
Vorteil: es kommen hochrangige Sänger für die kurze Zeit in die Stadt und vor allem die Karlsruher Händel-Solisten sind ein aus bis zu ca. 40 Personen bestehendes Orchester, das sich aus Experten für alte Musik zusammensetzt. Der klangliche Farben- und Nuancenreichtum ist kaum zu überbieten. In Schwetzingen hat man hingegen den Eindruck, daß mehr aus der Partitur zu holen ist.
Bei den jungen Sängern fielen vor allem der stimmschöne Bariton Haris Andrianos als Polyphem und Rinnat Moriah als koloratursichere Galatea auf. Terry Wey war 2011 als Arbace in Händels Partenope bei den Karlsruher Händelfestspielen zu hören und hat sich als Aci im Verlauf der Vorstellung gesteigert. Sein Alto Giove war sehr souverän und stimmsicher und ein Höhepunkt der Vorstellung.
 
Fazit: für Barockopernfreunde eine empfehlenswerte Produktion, die aber in allem kleiner dimensioniert ist als die Opern der Händelfestspiele im Badischen Staatstheater.

PS: Nur fünf weitere Termine: 05./11./15./18./28.Januar 2013

Besetzung und Team
Polifemo: Haris Andrianos
Ulisse: Jakob Huppmann
Aci: Terry Wey
Nerea: Irina Simmes
Galatea: Rinnat Moriah
Calipso: Tijana Grujic   

Musikalische Leitung: Wolfgang Katschner
Cembalo: Gerd Amelung
Regie: Clara Kalus
Bühne und Kostüme:  Sebastian Hannak

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