Auf den Tag genau 50 Jahre nachdem am 2. Dezember 1962 in Stuttgart John Crankos Choreographie von Prokofievs Romeo und Julia Uraufführung hatte, gab es gestern Abend eine erinnerungswürdige Wiederaufnahme im Stuttgarter Staatstheater mit großen Gastnamen in den Nebenrollen. Die Karlsruher Ballettdirektoren Birgit Keil und Vladimir Klos waren als Lord und Lady Capulet auf der Bühne, Marcia Haydée (die Julia der Uraufführung) als Amme, Egon Madsen als Pater Lorenzo, Ray Barra (der Romeo der Uraufführung) als Herzog von Verona, dazu weitere frühere erste Solisten des Stuttgarter Balletts in den anderen Charakterrollen, die alle zeigten, daß man ein ganzes Leben lang Tänzer bleiben kann. Sogar den Ausstatter Jürgen Rose führte der Stuttgarter Ballettchef Reid Anderson zum Schlußapplaus auf die Bühne. Nur einer fehlte: an Richard Cragun, der im August 2012 verstarb, erinnerten während der Ouvertüre projizierte Fotos aus seinem Stuttgarter Tänzerleben.
Die Jubiläumsvorstellung hatte aber auch in den Titelrollen große Tänzer: die ausdrucksstarken Alicia Amatriain als Julia und Friedemann Vogel als Romeo verzauberten und zogen ihr Publikum geradezu spürbar in ihren Bann während ihrer faszinierenden Pas de deux. Das Stuttgarter Ballett mit seinen zahlreichen ersten Solisten glänzte an diesem Abend auch in den Nebenrollen, die alle durch starke Tänzer besetzt waren.
Man schreibt dieser Choreographie zu, daß sie das Stuttgarter Signaturwerk ist und das Genre Handlungsballett erneuerte. Seit ihrer Premiere wird sie weltweit aufgeführt. Im Badischen Staatstheater war die Choreographie von Kenneth McMillan zu sehen, die 1965 Premiere im Royal Ballet in London hatte und global noch erfolgreicher ist, in Deutschland aber lange unbekannt blieb. Im Karlsruher Ballett erfolgte 2006 dann die deutsche Erstaufführung. McMillan hatte seine Version konzipiert, nachdem er Crankos Fassung in Stuttgart gesehen hatte und ließ sich auch an einigen Stellen von ihm deutlich inspirieren. Mehr zum Vergleich Cranko - McMillan aus Stuttgarter Sicht findet sich hier auf den Seiten von www.tanznet.de.
Birgit Keil hatte dank eines Stipendiums Stuttgart im Herbst 1962 verlassen, um ihre Ausbildung an der Royal Ballet School in London zu beenden. John Cranko machte sie im Sommer 1963 zur Solistin des Stuttgarter Balletts. Die Rolle der Julia tanzte sie in Crankos Choreographie erst einige Jahre später im März 1968 zum ersten Mal.
Fazit: Ein glanzvoller Abend für Nostalgiker und eine stimmungsreiche Geburtstagsfeier mit enthusiastischem Applaus.
PS(1): Dirigent Wolfgang Heinz und das Staatsorchester Stuttgart hatten leider nicht ihren besten Tag erwischt.
PS(2): Liebes Badisches Staatstheater, auf die Wiederaufnahme von McMillans
Romeo und Julia in Karlsruhe freuen sich viele, auch wenn es noch bis
dahin wenige Jahre dauern könnte.
BESETZUNG am 02.12.2012
JULIA Alicia Amatriain
ROMEO Friedemann Vogel
BENVOLIO Marijn Rademaker
MERCUTIO Filip Barankiewicz
TYBALT Nikolay Godunov
FASCHINGSKÖNIG Jason Reilly
AMME Marcia Haydée
LADY CAPULET Birgit Keil (a.G.)
LADY MONTAGUE Melinda Witham
HERZOG VON VERONA Ray Barra (a.G.)
PATER LORENZO Egon Madsen
LORD CAPULET Vladimir Klos (a.G.)
LORD MONTAGUE Robert Conn (a.G.)
GRAF PARIS Alexander Jones
ZIGEUNERINNEN Georgette Tsinguirides, Yseult Lendvai (a.G.), Sonia Santiago
ROSALINDE Julia Krämer (a.G.)
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.
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