Freitag, 29. Dezember 2023

Rokokotheater Schwetzingen: Keiser - Nebucadnezar, 28.12.2023

"So fährt unsre Zeit von hinnen"
Das Silvesterfest 2023 scheint in der Bundesrepublik einer der bisher feuerwerksintensivsten Jahreswechsel zu werden. Wie das statistische Landesamt im Südwesten mitteilte, hat die Importmenge an Feuerwerkskörpern im Land einen neuen Rekordwert erreicht und auch im Bund legte der Import deutlich zu. Wer sich bei der gestrigen Vorstellung von Reinhard Keisers Nebucadnezar mit einem Barockfeuerwerk auf den Jahreswechsel einstimmen wollte, wurde stattdessen Zeuge eines Zweikampfs: eine sehr gute Sängerriege kämpfte oft und vor allem gegen Ende vergebens gegen eine sich dahinziehende, ungewöhnlich langweilige Inszenierung.

Dienstag, 19. Dezember 2023

3. Symphoniekonzert, 18.12.2023

Russische Musik, die zu Beginn klingt, als ob man den Zaren begrüßen wollte, und polnische Musik, die einst die DDR-Diktatur in Schrecken versetzte, bildeten das 3. Symphoniekonzert der Saison, das mit knapp 65 Minuten reiner Spieldauer wieder einmal etwas zu klein dimensioniert, wenn nicht sogar knausrig wirkte. Doch  dafür wurde dem Publikum mit den beiden Gästen -Pianistin und Dirigent- einiges geboten.

Freitag, 15. Dezember 2023

Jazz Night: Swinging Christmas

Ausverkauftes Haus bei der gestrigen Jazz Night, an deren Ende sich das Publikum erhob, um seine Ovationen stehend zu erbringen, die insbesondere Jazz-Legende Sandy Patton galten.

Samstag, 9. Dezember 2023

Strauss - Die schweigsame Frau, 09.12.2023

Die Karlsruher Rückkehr von Richard Strauss
Händel, Mozart, Wagner und Richard Strauss sind die Hausgötter des Badischen Staatstheaters, und spätestens als es 2014 zum 150. Geburtstag von Strauss keine einzige Neuinszenierung gab, mußte man sich Sorgen über die Karlsruher Oper machen. 2019 gab es dann eine wenig spannende Elektra, 2022 eine halbherzige Salome, zwei großartige Opern wurden so inszeniert, daß man kaum Freude daran hatte, die Vorstellungen öfters zu besuchen. Doch mit der gestern bejubelten Premiere scheint man nun das Tal der Enttäuschungen verlassen zu haben. Die schweigsame Frau ist eine  hochengagiert musizierte, gespielte und gesungene Buffa-Oper mit vielen Höhepunkten.

Sonntag, 19. November 2023

Tschaikowsky: Der Nußknacker (Ballett), 18.11.2023

Wenig Flair und späte Steigerung
Wie war das noch mal mit der Handlung des Nußknackers? Ein Jahrzehntlang stand immer wieder Youri Vámos beliebte Choreographie auf dem Karlsruher Spielplan, die Dickens' Weihnachtsmärchen mit Tschaikowskys Musik verknüpfte. Bridget Breiner setzt nun mit einer Interpretation dagegen, die näher am Original ist, geographisch wechselt man von Dickens' England in die USA der 1920er und tropft ganz wenig Bitternis in die Weihnachtssüße des Balletts. Doch wie zu befürchten war, kann die neue Produktion die alte nicht umstandslos verdrängen, sie wirkt atmosphärisch weniger stimmig und szenisch nicht rundum überzeugend, erst Mitte des zweiten Akts springt der Funke über, als die Schülerinnen des Otto-Hahn-Gymnasiums einen akrobatischen Auftritt haben und in der Folge die Tänzer zum Schluß umjubelte Tanzszenen bekommen. Viel und langer Applaus für einen Übergangs-Nußknacker, bei dem allerdings kaum jemand bedauern sollte, falls er nur eine Spielzeit gegeben wird.

Donnerstag, 16. November 2023

Gegen Antisemitismus – Kundgebung mit Mahnwache in Karlsruhe

Angesichts des erbärmlichen Schweigens des Badischen Staatstheaters nach dem Terrorangriff der Hamas auf die israelische Zivilbevölkerung (mehr dazu hier), kann man nur hoffen, daß die Intendanz jeglichen weiteren Anschein von Antisemitismus bzw. Israelfeindlichkeit vermeidet und Flagge zeigt. Am Sonntag, den 26.11.2023 besteht dafür Gelegenheit: die Deutsch-Israelische Gesellschaft organisiert eine Kundgebung auf dem Karlsruher Kronenplatz, Beginn 15.30h, mehr dazu hier: 
https://www.deutsch-israelische-gesellschaft.de/veranstaltungen/gegen-jeden-antisemitismus-kundgebung-mit-mahnwache-in-karlsruhe/ 
Traut euch, liebe Intendanz des Badischen Staatstheaters, es ist ganz einfach, den schlechten Eindruck vergessen zu machen und dort offiziell Solidarität zu zeigen! Denn wann ist "Nie wieder!", wenn nicht jetzt?
PS: Wer hart im Nehmen ist, kann in einer Auswertung des Journalisten Deniz Yücel nachlesen (und zwar aktuell hier), wie bestialisch die Hamas gemordet hat. 

Sonntag, 12. November 2023

Verdi - Nabucco, 11.11.2023

Mit Nabucco scheint das Badische Staatstheater einen Volltreffer gelandet zu haben, alle fünf in diesem Jahr angesetzten Vorstellungen sind fast ausverkauft, nur wenige Plätze sind für November und Dezember überhaupt noch verfügbar. Die vermeintlich beliebtere Bohème hinkt trotz bevorstehender Weihnachtszeit in der Publikumsnachfrage hinterher. Was macht Nabucco so gefragt?

Dienstag, 31. Oktober 2023

2. Symphoniekonzert, 30.10.2023

Drei Werke von drei Komponisten, drei Choräle, drei Solisten und eine dreisätzige Symphonie als drittes Werk, die der Autor dieses Besucher-Tagebuchs im dritten Jahrzehnt als Konzertabonnent zum dritten mal im Großen Haus erlebte, und -aller guten Dinge sind drei- beim dritten Hören engagierter und überzeugender musiziert wahrnahm als zuvor. Wenn es nun noch das dritte Symphoniekonzert der Saison gewesen wäre, hätte die auffallende Dreifaltigkeit als zahlenmystisches Zeichen Anlaß zu transcendenten Spekulation über die anscheinende Absichtlichkeit im Schicksale des Einzelnen gegeben. So blieb es dann doch nur Zufall.

Sonntag, 22. Oktober 2023

Verdi - Nabucco, 21.10.2023

Das Elend der Heuchelei
Die Handlung von Verdis Nabucco erzählt vom Leid des israelischen Volkes. Zwei Wochen vor der gestrigen Premiere wurde Israel angegriffen, hunderte Zivilisten -Säuglinge, Kinder, Frauen und Männer- durch ein an ein Pogrom erinnerndes Massaker der palästinensischen Terrormiliz Hamas  teilweise bestialisch ermordet. Und das Badische Staatstheater schwieg dazu. Es ist schon seltsam und bezeichnend: Seit Jahren ist das Theater instrumentalisiert für politische Botschaften aus dem ideologischen Milieu; führende Mitarbeiter des Theaters, bspw. die künstlerische Betriebsdirektorin Uta-Christine Deppermann und der geschäftsführende Direktor Johannes Graf-Hauber, dürfen die Webpräsenz des Badischen Staatstheaters für persönliche Darstellungen instrumentalisieren und ließen sich bspw. letztes Jahr während der Fußballweltmeisterschaft (nach dem Eklat durch Innenministerin Nancy Faeser in Katar, als diese  den Arabern mal so richtig zeigen wollte, auf welchem Niveau der deutsche Regenbogen-Moralhammer hängt) auf Social Media Seiten des Staatstheater wie Faeser mit Armbinde ablichten. Daß Deutsche, die ihre vermeintliche Überlegenheit wie in den 1930/40ern ausgerechnet mit Armbinde (und dann noch im Ausland) präsentieren, einen peinlich geschichtsvergessenen Eindruck abgeben, sei mal hintenangestellt. Doch wieso gab es nun keine Israel-Flaggen oder andere Solidaritätskundgebungen beim Badischen Staatstheater zu entdecken? Wenn Mitarbeiter sogar Solidarität mit einer wenig beliebten SPD-Ministerin zeigten, wieso dann nicht erst recht jetzt  mit Israel?
"Wo sind die israelischen Flaggen?", fragte Simon Strauß bereits am 10.10. in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (und zwar hier). "Unsere kulturellen Institutionen halten sich mit Zeichen der Solidarität bislang auffallend zurück. Es ist, als ob man Hemmungen hätte, sich die israelische Flagge ins Haus zu holen.  .... Wo sind die Banner, die Plakate, die Transparente? All die symbolpolitischen Aushängeschilder, die unsere kulturellen Institutionen sonst sehr gerne sehr schnell in ihre Schaufenster hängen .... Man kann das sehr gerne sehr kritisch sehen .... ".
Die WELT attestierte (und zwar hier) der Kulturszene im Land: "Der Israelhaß ist ein strukturelles Problem" und spielt damit auch auf das Versagen der "Kulturbeauftragten der Bundesregierung" Claudia Roth bei der letzten Documenta an, die im Frühsommer des Jahres dafür die Quittung bekam: bei einem vom Zentralrat der Juden in Deutschland organisierten Ereignis wurde die Grüne Politikerin  beim Grußwortdreschen lautstark ausgepfiffen und ausgebuht. Der Berliner Tagesspiegel fand damals die richtigen Worte für die fehlende Solidarität mit jüdischen Mitbürgern: "Es wird Zeit, mit Claudia Roth und denen, die ihres Geistes sind, Tacheles zu reden(mehr dazu hier). Daß Islamverbände keine deutlichen Worte gegen die Ermordung israelischer Zivilisten fanden und sich scheuen, Mörder als solche zu benennen oder bundesweit ein Zeichen gegen Gewalt zu setzen, daß Menschen mit arabischen Wurzeln auf die Straße gingen und die wahllosen Morde an Frauen und Kinder feiern und doch nur geballten Haß ausdrücken wollen, mag nur die überraschen, die ein naives Verhältnis zu diesen Kreisen pflegen. Auch diesmal blieb der bemerkbare Aufstand der Anständigen im arabischen bzw. islamischen Kreisen aus.
"In Berlin werden die Haustüren von Häusern markiert, in denen jüdische Familien leben. Es gibt versuchte Brandanschläge auf Synagogen. Jüdische Schulen und Kindergärten werden mit Dutzenden Polizisten bewacht. Das Holocaust-Mahnmal muss mit einer Hundertschaft Polizei geschützt werden." - das Badische Staatstheater schwieg, als ob dies ein hinzunehmender Tribut für "Vielfalt", "Diversität" und andere Sonntagswunschfloskeln aus dem Milieu sei. Ein Menschenalter war es undenkbar, daß es in Deutschland innerhalb von zwei Wochen 1100 antisemitische Straftaten geben könnte - nun wird jüdisches Leben wieder massiv bedroht. Es gab keine Solidaritätsbekundung von Seiten des Theaters.
Erst zehn Tage nach den Massakern erfolgte eine Reaktion. Das Badische Staatstheater machte sich aber lediglich die Erklärung des Deutschen Bühnenvereins zu eigen (hier). Doch niemand aus dem Intendanz-Team oder eines anderen Gremiums gab seinen Namen oder sein Foto dazu. Bei der Vermutung von Mikroaggressionen gegen das eigene Klientelmilieu wird vermeintlich Haltung gezeigt, beim Judenhaß und Makroaggressionen wird geschwiegen. Dieses Schweigen des Badischen Staatstheaters und seines Top-Managements ist eine moralische Bankrotterklärung. Wer sich gerne als Moralapostel*ette und Vorzeigehaltungsclown*inchen präsentiert oder glaubt, das Theater für private Meinungen instrumentalisieren zu können und dann im entscheidenden Moment schweigt, der muß sich fragen lassen, was Heuchelei, was Doppelmoral und was gelebte Israelfeindlichkeit ist, und die vergangenen zwei Wochen waren eine Bloßstellung für eine kleine Minderheit im Theater, die sich sonst doch so gerne in Szene setzt und wohlfeil ablichten läßt. Wenn einzelne Mitarbeiter der Intendanz und anderer Gremien am Theater  israelfeindlich bzw. antisemitisch sind oder es nicht für opportun halten, sich zu solidarisieren - bedauerlich, doch jeder darf seine Meinung haben; Aber wenn sich das Staatstheater einerseits für persönliche politische Botschaften kapern läßt (die nichts auf den Seiten eines Theaters verloren haben), dann aber als Theater es nicht hinbekommt, Antisemitismus zu verurteilen, dann ist das schon erbärmlich und lächerlich. 

Sonntag, 1. Oktober 2023

Shakespeare: Romeo und Julia, 30.09.2023

Die Abgedroschenheit des Selbstimitats
Anna Bergmanns Tage als Schauspieldirektor in Karlsruhe sind bekanntlich gezählt, nach dieser Spielzeit ist Schluß. Betrachtet man die abstürzenden Besucherzahlen in ihrer Sparte (mehr hier), kann man ihre Direktion als gescheitert betrachten, und nach der gestrigen Premiere scheint es, als ob ihr Abgang zu spät erfolgt. Ein Regisseur sollte wissen, wann der Vorhang zu fallen hat, denn sonst bekommt laut Oscar Wilde jede Komödie einen tragischen Schluß und jede Tragödie endet als Farce. Die gestrige Premiere von Romeo und Julia wirkte teilweise wie eine Farce. Bergmann  kopiert sich selbst, sie kombiniert Ideen früherer Inszenierungen zu einem Flickenteppich aus Versatzstücken. Shakespeare, Romeo und Julia müssen nun einiges am Badischen Staatstheater aushalten. "Anna Bergmann inszeniert die ... Liebesgeschichte ... in einer Musical-Version ... von hinten nach vorne. Die Inszenierung beginnt mit dem fünften Akt und endet mit dem ersten." Und da Shakespeares Text nicht zu dem paßt, was Bergmann inszenieren will, hat man noch belanglos flache Texte hinzuerfunden. Das Ergebnis wirkt auf gequirlte Weise abgedroschen. 

Dienstag, 26. September 2023

1. Symphoniekonzert, 25.09.2023

Die neue Saison der Symphoniekonzerte startet mit einer sinnvollen Neuerung: die Konzerte beginnen nun nicht mehr um 20 Uhr, sondern um 19.30. Zuletzt begann gegen 22 Uhr oft bereits mitten im Konzert eine geringe, aber merkliche Abwanderung, da manche, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln aus dem Umland kommen, ansonsten aufgrund veränderter Fahrpläne bis zu einer Stunde länger warten müssen, wenn das Konzert kurz nach 22 Uhr endet. Auch sonst scheint es sinnvoll, die im Vergleich mit anderen Theatern späte Standard-Anfangszeit von 20 Uhr zukünftig einheitlich auf 19.30 oder sogar 19 Uhr zu verfrühen.
Reger, Schumann und Mozart und eine namhafte Solistin: GMD Georg Fritzsch eröffnete die Spielzeit mit einer klassischen, aber etwas drögen Programmauswahl mit Ouvertüre, Solistenkonzert und Symphonie

Dienstag, 12. September 2023

Vorschau auf die Spielzeit 2023/24 (2)

Franco Fagioli in PolifemoMichael Spyres als Lohengrin und Karine Deshayes als Norma! Spannend, was die Oper in Straßburg für die bevorstehende Saison ankündigt. Dem Badischen Staatstheater fehlt es dagegen weiterhin an Glanz und Charisma. Die Freude am Theaterbesuch ist nicht nur dem Verfasser dieser Zeilen über ein Jahrzehnt merklich ausgetrieben worden. Manch einer bleibt lieber weg und ob diese Wegbleibenden 2024 einfach wieder ins Theater zurückkommen, steht auf einem anderen Blatt. Doch einiges kann nun endlich in absehbarer Zeit zum Orkus hinab gespült und hoffentlich vergessen werden. Manche werden 2023/24 (mehr auch hier) lieber abwarten, was der kommende Intendant ab 2024/25 anbietet und den Eindruck haben, daß es sich nicht mehr lohnt, die Aporien von Schauspiel- und Operndirektorin zu ertragen. Über ein Jahrzehnt war es intendantengewollte Mode bei den Karlsruher Theaterverantwortlichen_innen, ein verklemmtes Verhältnis zur Erotik zu pflegen. Zu oft wurden Theater und Bühne zum Zwecke der Selbstbefriedigung instrumentalisiert, statt das Publikum zu beglücken. Eine unfreiwillige Komik liegt in Verhalten und Selbstdarstellung eines Theater mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung und einem onanistischen Sendungsbewußtseins, bei der man als Zuschauer nicht über Komödien auf der Bühne lachen durfte, sondern über das künstliche "Empowerment" des Führungspersonal, das sich ungewollt selber dekonstruierte. Als Höhepunkte in der langen Reihe unfreiwilliger Komik darf einerseits der Moment gelten, als der Intendant, der Die Würde des Menschen ist unantastbar kanzelhaft an die Brüstung pinseln ließ, wegen würdelosen Verhaltens gegenüber den Angestellten aus dem Theater geworfen wurde. Und daß die 100% Regie-Frauenquote im Schauspiel so in die Hose ging und lediglich zeigte, daß weibliche Regisseure genauso langweiliges ideologisches Theater machen können wie zuvor die ausgesuchten Männer, wird noch lange als Quelle von Komik dienen können. Doch abgesehen von den Konflikten und Ärgernissen, von Hybris und Heuchelei, wird 2011-2024 als eine Zeit in Erinnerung bleiben, die in Schauspiel und Oper nur sehr wenig erinnerungswürdige Produktionen und Publikumsdauerbrenner auf die Bühne und stattdessen Personen ins Amt brachte, denen es vorrangig darum zu gehen schien, sich selber und ihre Allüren in den Mittelpunkt ihres Klienteltheaters zu stellen, statt Theater für das Publikum zu machen. 

Freitag, 21. Juli 2023

Zuschauerzahlen 2022/23: Der große Publikumsschwund

Man kann Zuschauerzahlen  des Badischen Staatstheater ja nur begrenzt trauen, bei ca. 20.000 Freikarten/Saison in der Vergangenheit sind die offiziellen Zahlen verzerrt.  Dennoch ist ein Vergleich mit früheren Spielzeiten von Interesse, um die eklatante Schwäche nach über einem Jahrzehnt der Instrumentalisierung zu belegen:

Montag, 17. Juli 2023

Rüge des Rechnungshofes

Der Rechnungshof Baden-Württenberg hat 2022 die Haushalts- und Wirtschaftsführung und die Perspektiven des Badischen Staatstheaters geprüft. Prüfungszeitraum waren die Jahre 2016 bis 2021. Das Resultat ist für regelmäßige Besucher nicht überraschend und deutet nicht nur an, daß die gängige Praxis des Klienteltheaters nicht erfolgreich war, sondern zeigt sowohl die Tricks der Theaterleitung, mit denen Premieren manipuliert wurden, als auch die Ignoranz des Verwaltungsrats. Verbesserungspotentiale sieht der Rechnungshof auf der Einnahmenseite:

Dienstag, 4. Juli 2023

GMD Fritzsch bleibt bis 2027

Ein Sturm im Wasserglas - so mag es weiterhin scheinen. Der kommende Intendant wollte ab 2024 nicht mit dem aktuellen GMD weitermachen, das Orchester sprach sich mit 85% Zustimmung für ihren Chef aus, Georg Fritzsch und/oder Mitglieder des Orchesters suchten die öffentliche Konfrontation, man empörte sich mittels der Presse, es wurde gepokert, die Politik scheint sich auf Wunsch des Orchesters für den GMD ausgesprochen zu haben, der kommende Intendant gehorchte, ließ sich aber Zeit zum Verhandeln, die Presse kolportierte meistens ziemlich spekulativ, nun steht der Kompromiß: Georg Fritzsch (*1963) bleibt, aber nur für drei Jahre bis 2027. Für Außenstehende in der freien Wirtschaft mag das Verwunderung ausgelöst haben, da werden Manager ausgewechselt bzw. versetzt, wenn ein neuer Verantwortlicher kommt und sich die Vertrauensfrage stellt. Im steuerfinanzierten Umfeld mußte die Presse hinzugezogen werden, weil zwei Führungskräfte im gehobenen Milieu nicht miteinander konnten. Nun ja, das Badische Staatstheater hat dringendere Probleme als den Posten des GMD, deswegen ist es gut, daß es nun wieder um den sonstigen  künstlerischen Neustart ab 2024 gehen kann. Was der wahre Grund für den Konflikt zwischen Firmbach und Fritzsch ist, scheint aber weiterhin unbekannt und ist wahrscheinlich auch vertraulich und bilateral. 

8. Symphoniekonzert, 03.07.2023

Es gab noch mal viel Applaus für ein schönes Abschlußkonzert einer ordentlichen Konzertsaison.

Sonntag, 25. Juni 2023

Puccini - La Bohème, 24.06.2023

Schöner sterben in zeitloser Postkarten-Nostalgie 
Interimsintendant Ulrich Peters hat sich in seiner ersten Regiearbeit in Karlsruhe seit Amtsantritt eine sehr beliebte Oper vorgenommen. Die Winter- und Weihnachtsoper La Bohème gelang ihm als Sommerpremiere nach einem Samstag mit über 30°C in klassisch anmutender Schönheit. Die Inszenierung ist deutlich darauf angelegt, das Publikum zu versöhnen, sie will die Freude an Puccinis Bohème wecken und und sie nicht in Frage stellen oder diskreditieren. Und so gab es langen  Applaus für alle Beteiligten, viele Bravos und viele zufriedene Gesichter bei einer ausverkauften Opernpremiere.

Sonntag, 18. Juni 2023

Jazz Summer Night, 17.06.2023

Die gestrige Jazz Sommernacht war nicht nur deshalb bemerkenswert, weil sie hochkarätig besetzt und entsprechend großartig musiziert war. Intendant Peters gab sich in einer kurzen Ansprache als Jazz-Fan zu erkennen und erzählte, wie die Idee zum Konzert entstand. Moderator und Jazz-Trompeter Thomas Siffling bat das Publikum um Unterstützung: Um die Jazz Summer Night am Badischen Staatstheater zu etablieren, solle man  dem Intendanten schriftlich mitteilen,  wie sehr man den Abend genossen habe. Peters wird kaum den schriftlichen Popularitätsbeweis benötigen: die vielen Zuhörer bejubelten ein grandioses Konzert, das für sich selbst sprach und auch 2024 wieder auf dem Programm stehen sollte.

Montag, 29. Mai 2023

Jazz (Ballett), 28.05.2023

Zwischen einstudierten Improvisationen und Let's dance
Als Musikrichtung steht Jazz für Improvisation, ein durch Könnerschaft ermöglichtes Variieren auf Basis eines bestehenden Fundaments. Doch wenn Tänzer eine eingeübte Choreographie aufführen, wird das gemeinsame Improvisieren schwierig. Die beiden gestern erstmals gezeigten neuen Choreographien des Badischen Staatsballetts, die von einer sechsköpfigen Live-Band begleitet werden, erhielten von einem lauten Teil des  Premierenpublikums begeisterten Applaus. Doch der Funke sprang nur bedingt über, von einer mustergültigen Umsetzung von Jazz war man choreographisch und szenisch weiter entfernt als erwartet.

Samstag, 27. Mai 2023

Mann - Mephisto, 26.05.2023

Von Mitläuferinnen und Mittäterinnen
Mephisto ist ein Roman, dessen Geschichte spannender ist als seine Handlung und dessen Thema oft mißverstanden wird: Mephisto ist vor allem ein Roman über Gustav Gründgens (*1899 1963). Autor Klaus Mann (*1906 1949), der nach der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 ins Exil ging, verbarg nicht den Haß, den er auf den in Berlin bleibenden Gründgens (seinen ehemaligen Kollegen, Freund und Schwager, der 1926-1929 mit Erika Mann verheiratet war) verspürte. Der Konflikt von Kunst und Macht wird anhand Gründgens Karriere vor und im Nationalsozialismus aufgezeigt.

Das Programmheft zu Mephisto gibt mit einem Zitat von Arthur Schopenhauer vor, was auch für Führungspersonal am Theater gilt: "Wir sind nicht nur für das verantwortlich, was wir tun, sondern auch für das, was wir widerspruchslos hinnehmen." Und das gilt gerade für das eigene nächste Umfeld und nicht für Probleme jenseits der eigenen Einflußsphäre, wo man lediglich symbolisch protestiert, um seinen Narzissmus in Szene zu setzen! Aus Sicht des Karlsruher Staatstheaters ist Mephisto hinsichtlich des Schuldigwerdens durch Schweigen und Mitwirken besonders interessant. Immerhin hatte man einen 2020 erfolgreich geschassten  Generalintendanten, der über beste Kontakt zur zuständigen Ministerin verfügte, am Badischen Staatstheater eine toxische Arbeitsatmosphäre geschaffen und "viele Menschen mit seinem Kontrollzwang und cholerischen Verhalten sehr verletzt" hatte, wie Schauspieldirektorin Anna Bergmann erklärte (hier der Link zum Artikel im VAN Magazin von 2020). Wie laut Bergmann über die Verhältnisse schwieg, konnte man nach der Rebellion der Operndramaturgen gegen den Intendanten bemerken, denn erst dann traute sie sich, die Dinge beim Namen zu benennen. Sie räumte "neofeudale Machtstrukturen im Theater" ein: "Diese Strukturen sitzen uns allen so tief in den Knochen, daß man auch selbst nicht davor gefeit ist, diese zu reproduzieren – egal ob man ein Mann oder eine Frau ist. .... Ich kann mich da nur in aller Form entschuldigen, wenn ich mich mal im Ton vergriffen oder zu starken Druck ausgeübt habe, weil ich zu sehr wollte, daß alles funktioniert." Bergmann hatte schweigend in einem repressiven Umfeld ihre eigene Mephisto-Erfahrung und macht 2024 Platz für einen unbelasteten Neuanfang im Karlsruher Schauspiel.
Schwerwiegend scheint auch der Fall der Künstlerischen Betriebsdirektorin Uta-Christine Deppermann, die für Außenstehende unverständlich über 2024 hinaus am Badischen Staatstheater im Amt bleibt.  Die 2020 zur Entlassung des Intendanten führende Eskalation begann mit der Beschwerde der damaligen Chefdramaturgin, die sich Rat suchend an die Karlsruher Kulturamtsleiterin wendete und verraten wurde. Als der Intendant von der Kritik an seinem Führungsstil erfuhr, ließ er ein Exempel statuieren. Der damalige Operndramaturg Patric Seibert beschrieb im VAN wie folgt die Vorkommnisse: "»Das war seelische Gewalt der besten Sorte ..... Das war einer meiner schlimmsten Tage im Haus.« Auf einem anschließenden Treffen der Spartenindanten sei die Künstlerische Betriebsdirektorin Uta-Christine Deppermann [der Chefdramaturgin] gegenüber »ausgerastet«. Für Patric Seibert, der daran ebenfalls teilnahm, war es »eine Art Tribunal«. »Sie musste sich erklären, warum sie das getan habe, daß es ein theaterschädliches Verhalten gewesen sei … «". Es gibt keinen Hinweis auf eine Gegendarstellung Deppermanns zu diesem Vorkommnis auf der obigen Webseite. Das Verhalten der Betriebsdirektorin scheint aber keine Konsequenzen gehabt zu haben. Und auch der Geschäftsführende Direktor Johannes Graf-Hauber fiel öffentlich nicht durch Zivilcourage auf. Beide bleiben trotz Intendanzwechsel im Amt. Beide reihen sich in die lange Liste des Problempersonals am Badische Staatstheater ein. Beide fielen unangenehm dabei auf, wie sie das Theater instrumentalisierten, um ihre ideologische Selbstdarstellung und private Meinungen über die sozialen Kanäle des Theaters zu verbreiten. Beide haben zwar keine Außenwirkung, doch als Bürokraten in Führungsebene liegt der Verdacht der Kollaboration nahe. Der Intendant trägt nun nur noch Verantwortung für die künstlerische Seite des Staatstheaters, intern -da wo man vom "Reformprozeß" des Theaters spricht- haben Deppermann und Graf-Hauber das Sagen. Und man hört immer noch von Ärger und Prozessen vor dem Arbeitsgericht. Beide verhindern einen unbefleckten Neustart, beide sollten nur als Interimslösung geduldet werden und bald gehen. 

Gestern nun also die Premiere. Erneut arbeitet man einen Roman in ein Bühnenstück um, und das gelingt diesmal bemerkenswert überzeugend und stimmig! Schauspieldirektorin Anna Bergmann, sonst stets bemüht, eine weibliche Perspektive einzunehmen, verweigert sich einer Modernisierung der Vorkommnisse. Im Zentrum steht keine Hendrike Höfgen, sondern der historische Gustav Gründgens als Hendrik. Klaus Mann als Theaterfigur tritt in der Bühnenfassung seines Romans auf - man inszeniert historischen Zeitkolorit ohne Anklänge an das eigene Fehlverhalten. Doch der Premierenabend war spannend, abwechslungsreich und nah am Roman! Lange Jahre leidete man am Karlsruher Schauspiel unter Mangelerscheinungen, ein Skorbut durch Fehlen von ausreichend guter Ideen. Diese Spielzeit ist, was die Premieren im Kleinen Haus angeht, die beste Saison seit langer Zeit. 

Dienstag, 23. Mai 2023

7. Symphoniekonzert, 22.05.2023

Teilweise nur selten zu hörende russische, exilrussische und sowjetische Musik aus dem ersten Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts stand auf dem Programm des stark applaudierten 7. Symphoniekonzerts.

Sonntag, 14. Mai 2023

Dvořák - Rusalka, 13.05.2023

Es ist gar nicht so lange her, daß es am Badischen Staatstheater eine Rusalka zu hören gab. In der Spielzeit 2007/08  war es eine Übernahme einer Produktion aus dem Nationaltheater Ostrava, die die Oper sehr schlicht illustrierte und  die in Karlsruhe musikalisch und sängerisch nicht optimal besetzt werden konnte. Die neue Rusalka überragt die damalige Inszenierung in jeder Hinsicht und nach dem spannenden Wozzeck gelingt der Karlsruher Oper eine weitere hörens- und sehenswerte Umsetzung, der man viel Publikum wünscht!

Montag, 8. Mai 2023

Zur Abschiedssaison in der Oper

Das Ende von Vielfalt und Leistungsfähigkeit
Die Karlsruher Oper hat seit 2011 skandalös gelitten. Das Abschiedsjahr ist immer auch noch mal ein Beweis der eigenen Leistungsfähigkeit, und wer wissen will, was die Intendanz der Jahre 2011-2021 der Karlsruher Oper angetan hat, der muß nur einen Blick auf die einstige Programmvielfalt werfen. Hier eine Übersicht von drei letzten Spielzeiten und ihres Programmangebots:


Man muß sich in der Direktion des Badischen Staatstheaters fragen lassen, wie man dort die zig Millionen Euro verwendet hat, die man für die Programmgestaltung vom Steuerzahler bekommt?!? Wie konnte die größte, teuerste und publikumswirksamste Sparte so schrumpfen? Wo ist das Geld hin verschwunden, daß der Oper nicht mehr zur Verfügung stand? Welche Personen tragen Verantwortung für diese Mißwirtschaft?

Und auch das Fazit der 2024 scheidenden Operndirektorin Nicole Braunger kann bitterer wohl kaum werden: 

Freitag, 5. Mai 2023

Vorschau auf die Spielzeit 2023/2024

Das Jahr der lahmen Enten
Ein wenig scheint es ja, als ob man am Badischen Staatstheater Angst vor seinem Publikum hat. Abonnenten müssen bis Ende Mai für die kommende Spielzeit kündigen, eine Monat Bedenkzeit oder mehr hatte man früher. Nun zögert man es heraus, die kommende Spielzeit bekannt zu geben, als ob weniger Frist die Enttäuschten und Unentschlossenen eher vom Abwägen abhalten. Eine sehr langweilige Spielzeit nähert sich dem Ende, das letzte Jahr der Übergangsintendanz steht bevor, 2024 wird mit dem neuen Intendanten ein echter Neustart erhofft, der das Badische Staatstheater aus dem grauen Tal des Mittelmaßes führen soll. Die Luft ist raus, und viele werden für die kommende Spielzeit erhofft haben, daß nichts mehr unter Wert auf die Bühne kommt, an was man lieber Ansprüche stellen will und Oper und Schauspiel keine Lieblingsstücke verbrennen, auf die man dann wieder Jahre warten muß. Jahrzehntelang freute sich der Autor dieses Tagebuchs auf die Ankündigung der kommenden Saison und verband damit die Vorfreude auf spannende Produktionen. Dieser Anspruch wurde stetig gesenkt, inzwischen meiden viele frühere regelmäßige Besucher das Badische Staatstheater und warten lieber ab, welche Produktion nicht enttäuschen könnten. Die wahren Enthusiasten unter den Zuschauern sind auch in der gefühlten 2. Liga treu geblieben, aber die Erwartungshaltung, es werde schon nicht noch trüber werden, hat den Blick in die falsche Richtung gewendet. Die Anspruchshaltung ist bei vielen im Keller, und da gehört sie nicht hin. Nun denn, in einem Jahr freut man sich auf 2024/25, bis dahin wird man sich mit folgenden Produktionen begnügen müssen:

Dienstag, 25. April 2023

6. Symphoniekonzert, 24.04.2023

Mit einem gänzlich Richard Strauss gewidmeten Konzert und gleich zwei der neun symphonischen Dichtungen des Komponisten erlebte man gestern nicht nur auf dem Papier den Höhepunkt der Konzertsaison. 

Montag, 17. April 2023

Breiner - Maria Stuart (Ballett), 16.04.2023

Mit drei Jahren pandemiebedingter Verspätung präsentiert Ballettdirektorin Bridget Breiner ihr ambitioniertes Großprojekt mit Staatsballett, Staatskapelle und Staatsopernchor, das ursprünglich 2020 ihr erstes großes Handlungsballett in Karlsruhe werden sollte. Und der Erfolg war ihr beim ballettfreundlichen Karlsruher Publikum sicher, und zu recht, wenn auch mit Abstrichen. Maria Stuart ist als Produktion ein gewolltes Spektakel, aber unspektakulär als Ballett. Bis zu 90 kostümierte Tänzer und Sänger sind auf der Bühne, musikalisch und szenisch wurde viel Aufwand betrieben, das Ballett erreicht allerdings nicht die mitreißende Dichte und Spannung, die fasziniert und vereinnahmt.  Doch trotz mancher dramaturgischer Schwächen ist Maria Stuart ein kurzweiliges Erlebnis, das viele Zuschauer anlocken sollte.

Donnerstag, 6. April 2023

Festspielhaus Baden-Baden, Strauss: Die Frau ohne Schatten, 05.04.2023

Halbgar mißlungen
Der Verfasser dieser Zeilen hat in mehr als drei Jahrzehnten hunderte Opern-Inszenierungen gesehen und diese Baden-Badener Frau ohne Schatten wird zweifellos zeitlebens in der Spitzengruppe der inszenatorisch verhunztesten und enttäuschendsten Opernproduktion verharren. Es ist müßig darüber zu spekulieren, warum sich die Regie dieser Oper verweigert hat und stattdessen etwas erzählt, was zur Handlung in einem Mißverhältnis steht. Das Wesen der Frau ohne Schatten ist eine Prüfungs- und Läuterungsgeschichte, das heroisch-seelenhafte, das Die Frau ohne Schatten in eine Reihe mit der Zauberflöte und Fidelio stellt, ist ihr Zentrum. Dem Erhabenen stellt die Regie allerdings Elend entgegen, das Pathos wird veralbert, das Mysterium bleibt beziehungslos, der komplizierten Symbolik werden noch zusätzliche Metaphern hinzugefügt und kaum jemand wird dem Geschehen überhaupt folgen können - das Publikum bleibt ratlos zurück. Im Schlußbild stehen die Sänger rechts und links am Rand, während auf der Bühne eine Figur, die von der Regie hinzuerfunden wurde, verzweifelt nach etwas sucht - mutmaßlich dem Sinn dieser kontraideellen Umsetzung.
Es gab eine Zeit, als im Festspielhaus CD-Mitschnitte produziert wurden. Falls man diese Frau ohne Schatten hätte aufnehmen wollen, hätte man auf einen opernaffineren Dirigenten setzen sollen und auch bei den Sängern war nicht alles außergewöhnlich, immerhin die Berliner Philharmoniker musizierten zwar nicht immer spannungsgeladen, aber stets grandios klangschön. 

Sonntag, 26. März 2023

Berg - Wozzeck, 25.03.2023

Ab zum Psychiater
Der 1925 uraufgeführte Wozzeck ist quasi Carmen im prekären Milieu, wobei der aus Eifersucht und Zurücksetzung tötende Mann oberflächlich betrachtet ein Opfer sein könnte, zermürbt durch den Zynismus seiner Umwelt. Die neue Karlsruher Inszenierung interpretiert die Handlung nicht aus einer sozialen bzw. gesellschaftlichen Perspektive, sondern als psychische Krankheitsgeschichte - dieser Wozzeck gehört in die geschlossene Psychiatrie. Der Regisseur nutzt dieses Konzept, um eine visuell ungewöhnliche und sehenswerte Produktion auf die Beine zu stellen, die mit surrealen Szenen in die imaginäre Zwangswelt ihrer Titelfigur abtaucht und für jede der 15 Szenen bemerkenswerte Bildwelten erschafft, deren Sinn man jedoch nicht zu stark hinterfragen sollte. Justin Brown und die Badische Staatskapelle musizieren unter Hochspannung und das homogene Sängerensemble kann auftrumpfen - eine spröde und sperrige Oper wurde gestern zu einem Erlebnis. Es gab zu recht viel Applaus und teilweise stehende Ovationen.

Dienstag, 7. März 2023

5. Symphoniekonzert, 06.03.2023

Von Ungarn ins Rheinland, das gestrige Konzert bot drei relativ kurze Stücke von Bartók, Liszt und Schumann mit zusammen gerade mal ca. 75 Minuten Spieldauer.

Montag, 27. Februar 2023

Händel - Ottone, 26.02.2023

Der gekürzte Ottone kam auch beim sonntäglichen Matinee-Publikum gut an. Die Inszenierung ist nicht aufdringlich, eine Hintergrundskunst, die Gesang und Musik den Vortritt läßt und die Affekte nicht szenisch überkommentiert oder übertreibt. Diese Zurückhaltung mag nicht jedem gefallen, aber das Inszenierungsteam liefert weder Anlaß zur irgendwelcher Form der Aufregung noch zur Langeweile. Und so genießt man eine solide in Szene gesetzte Oper, bei der man vielleicht noch gerne etwas mehr gehört hätte. 

Samstag, 18. Februar 2023

Händel - Ottone, 17.02.2023

Erfolgreicher Start in die 45. Händel Festspiele
Ottone gehörte zu Lebzeiten zu Händels erfolgreichsten Opern. Uraufgeführt vor 300 Jahren am 12.01.1723, erlebte er im folgenden Jahrzehnt vier Wiederaufnahmen und über 30 Vorstellungen in London, bei denen mehrfach das englische Königshaus zu Gast war, weiterhin Aufführungen in anderen Städten und 1734 spielte sogar die in der englischen Hauptstadt mit Händel konkurrierende Opera of the Nobility den Ottone mit Starkastrat Farinelli als Adelberto. Und auch in Karlsruhe ist Ottone nach den 25. Händel Festspielen 2002 bereits zum zweiten Mal im Programm:. Die gestrige Premiere war ein Erfolg: großartig musiziert, erstklassig gesungen und kurzweilig inszeniert. 

Donnerstag, 9. Februar 2023

Vorschau: Händel Festspiele 2024

Gute Wahl!
Nur noch fünf Opern Händels fehlen bei den Karlsruher Händel Festspielen: Floridante (UA 1721), Siroe (1728), Sosarme (1732), Atalanta (1736) und Faramondo (1738).  Man kann es also gerade noch schaffen, alle überlieferten Opern bis zum runden Geburtstag bei den 50. Händel Festspielen 2028 gespielt zu haben. Bei den Händel Festspielen 2024 wird Intendant Ulrich Peters persönlich Regie führen, für die Ausstattung kehrt Christian Floeren zurück nach Karlsruhe, Attilio Cremonesi dirigiert, und zwar Siroe, Re di Persia. Premiere: 16.02.2024.
Bei den diesjährigen Festspielen kann man bereits einen Vorgeschmack bekommen, Attilio Cremonesi dirigiert am 18.02.23 das Händel Gala-Konzert, in dem es Ausschnitte aus Siroe zu hören gibt.

Sonntag, 5. Februar 2023

Bizet - Carmen, 04.02.2023

Multiple Funkenlosigkeit
Die neue Karlsruher Carmen ist keine Inszenierung für Einsteiger oder Neulinge. Das im spanischen Andalusien spielende Eifersuchtsdrama zwischen der Zigeunerin Carmen und dem Basken Don José wird einigen Perspektivwechseln und Eingriffen unterzogen: es gibt kein spanisches Flair, weder Sonne noch Hitze, sondern nur Nacht. Die Handlung wurde umgedeutet, die Regie stellt Don José so sehr in den Mittelpunkt, daß die beiden weiblichen Rollen nicht nur Nebenfiguren werden, sondern in gewisser Weise verschmelzen, denn dramaturgisch orientiert man sich weniger am Libretto und dafür an der literarischen Vorlage, die nur Carmen kennt, aber nicht Micaëla, was zu mancher Ungereimtheit führt. Dazu hat man die Rezitative gestrichen und bringt von einem Schauspieler gelesene Erläuterungen zu Josés Gedanken als Tonkonserve zwischen einzelnen Szenen und teilweise während der Musik zu Gehör. Vieles ist diskutabel und wirkt ziemlich weit hergeholt, aber man kann der Inszenierung zugute halten, daß sie konsequent und intelligent erdacht ist. Manche Stimmungsbilder lassen erahnen, daß diese Carmen einiges an Potenzial hätte haben können. Doch knapp vorbei ist auch daneben. Die neue Carmen ist zu sehr Kopfgeburt, die die Musik nicht fühlt, die die Leidenschaft nicht kennt, die kein Feuer spürt, und nicht nur die Inszenierung leidet, auch aus dem Orchestergraben tönt es seltsam farblos und wäre da nicht die bemerkenswert schöne Tenorstimme von Jenish Ysmanov als Don José, würde gar nichts in dieser Produktion Funken schlagen. Selten erlebt man eine so sterile Carmen, bei der das Publikum lange fremdelt.

Dienstag, 31. Januar 2023

4. Symphoniekonzert, 30.01.2023

Ein Reger-Sandwich mit Mozartfüllung, manche werden am liebsten von der Mitte genascht haben, doch auch die äußeren Bestandteile waren gestern bemerkenswert.

Samstag, 21. Januar 2023

Wie war denn die Carmen-Premiere?

Um mal aus dem Nähkästchen zu plaudern: umso mißratener eine Premiere, desto mehr Leser hat dieser Blog. Am Folgetag schnellt die Leserzahl stets nach oben, wenn es bis Mittag bereits eintausend Besucher gab, dann waren das nicht nur Neugierige, sondern viele Enttäuschte des Vorabends, die auch in den Tagen danach verstärkt schauen, ob und welche Kommentare es gab. Der fliegende Holländer erlebte innerhalb von 72 Stunden ca. 4000 Seitenaufrufe - die Statistik verrät die Pleite, Erfolge kommen im gleichen Zeitraum auf ca. 2500 Aufrufe. Der urlaubsbedingt abwesende Autor dieses Blogs kann also aus statistischer Betrachtung erahnen, wie die Premiere von Bizets Carmen am 21.01.23 beim Publikum ankam, dennoch freue ich mich über jeden Kommentar, da ich erst die dritte oder vierte Aufführung besuchen kann. Wie war denn die Carmen-Premiere? Erfolg, Unentschieden oder Pleite? Zum Hinhören, zum Wiedersehen oder erneut zum Wegsehen? 

Sonntag, 15. Januar 2023

Mac - Hir, 12.01.2023

Cross Dressing Clown_innen im Gendergedöns
oder 
Deutsche Klamauksoße über amerikanischem Sprachwitz
Schade! Endlich mal wieder eine spannende und vielversprechende deutsche Erstaufführung im Karlsruher Schauspiel, aber ihre Vielschichtigkeit wird nicht ausgereizt. Hätte man sich doch enger an den Text gehalten, mehr Mühe in die Lücken und vor allem mehr in die Übersetzung investiert - sie trifft oft nicht das Wort und die Inszenierung findet nicht den richtigen Ton. Was beim Lesen im englischen Original ein tragikomisches Vergnügen ist, bei der sich hinter zugespitzten Dialogen Abgründe eröffnen, wird in der Karlsruher Bühnenfassung durch Abänderungen und Ergänzungen des Textes an manchen Stellen zu einer Überkleisterung mit Klamauksoße. Etwas mehr Raffinesse und Subtilität hätten diesem Drama über ideologischen Realitätsverlust und Orientierungslosigkeit gut getan. Und auch die Schauspieler finden deshalb nicht den rundum überzeugenden Weg durch dieses Drama.

Mittwoch, 4. Januar 2023

Umbesetzung bei Händels Ottone

Multitalent Max E. Cencic hat seine Auftritte in der Titelrolle des Ottone bei den Händel Festspielen aufgrund eines Muskelfaserrisses abgesagt. Der ukrainische Countertenor Yuriy Mynenko, der ebenfalls bei Cencics Label Parnassus unter Vertrag steht, übernimmt. Chancen sind dazu da, ergriffen zu werden, Mynenko scheint die Rolle noch nie auf der Bühne gesungen zu haben und muß sie nun ggf. sehr kurzfristig einstudieren. Ottone hat neben Mynenko noch einen weiteren Countertenor zu bieten, der in Karlsruhe zum ersten Mal auftritt: der Italiener Raffaele Pe. Man darf auf beide Hausdebuts gespannt sein.