Der gekürzte Ottone kam auch beim sonntäglichen Matinee-Publikum gut an. Die Inszenierung ist nicht aufdringlich, eine Hintergrundskunst, die Gesang und Musik den Vortritt läßt und die Affekte nicht szenisch überkommentiert oder übertreibt. Diese Zurückhaltung mag nicht jedem gefallen, aber das Inszenierungsteam liefert weder Anlaß zur irgendwelcher Form der Aufregung noch zur Langeweile. Und so genießt man eine solide in Szene gesetzte Oper, bei der man vielleicht noch gerne etwas mehr gehört hätte.
Betrachtet man die Anzahl der Arien, so hätte Ottone auch Teofane heißen können, denn die byzantinische Prinzessin hat von Händel die meisten Arien bekommen. Händel engagierte für diese Rolle die junge Francesca Cuzzoni (*1696 †1778), die ein Star der damaligen Opernszene war und noch viele Rollen von Händel auf die Stimme komponiert bekam, u.a. Rodelinda und Kleopatra. In Karlsruhe hat man diese Rolle am stärksten gekürzt, die spanische Sopranistin Lucía Martín-Cartón kann als Teofane nicht das ganze Spektrum zeigen, das Händel für diese Figur komponiert hat. Gestern ließ sie sich als leicht verschnupft ansagen, was aber nicht zu bemerken war: sie sang eher auffallender als in der Premiere, ihre Stimme kann leuchten und Wärme ausstrahlen, als Teofane kann sie das nur nicht durchgängig ausreizen. Eine schöne Stimme, die in dieser Inszenierung nicht erwartungsgemäß in den Vordergrund tritt.
Die italienische Altistin Sonia Prina ist durch zahlreiche CD-Einspielungen ein bekannter Name der barocken Musikszene, umso überraschter konnte man in der Premiere feststellen, daß sie als Matilda teilweise fahl klang, manchen tiefe Töne fehlte es an Schönheit - ein sehr geerdeter Klang, der nicht himmelwärts strebt. Gestern wirkte Prina deutlich verbessert und dennoch mangelte es bspw. dem koloraturreichen All'orror d'un duolo eterno im 2. Akt an Eleganz und stimmlicher Flexibilität.
Die beiden Countertenöre Yuriy Mynenko in der Titelrole und Raffaele Pe als Adelberto meistern ihre Aufgaben sehr gut. Lena Belkina als Gismonda klingt makellos. Was in der Premiere bei ihr fast zu souverän bzw. zu glatt klang, hat gestern an Charakter hinzugewonnen, ihr Veni, o figlio im 2. Akt (bzw. in dieser Inszenierung die letzte Arie vor der einzigen Pause) war ein Höhepunkt der Matinee. Auch gestern ein schöner Erfolg für Nathanaël Tavernier als Emireno, der seine drei Arien bemerkenswert interpretierte. Dirigent und Orchester waren auch gestern Garanten für barocke Verzauberung.