Es ist vielleicht die undankbarste Aufgabe für einen Künstler, wenn er vor ein Publikum tritt, das emotionale Erinnerungen an Werke, Inszenierungen und/oder Interpreten hat. In Karlsruhe werden das evtl. einige Zuschauer aus Interpretationssicht bei folgenden Beispielen nachvollziehen können: Kathleen Cassello war unvergleichlich als Lucia di Lammermoor, Günter von Kannen ein unvergessen charismatischer Hans Sachs, Konstantin Gorny war grandios als Méphistopheles (Gounod) (u.v.a.m.!), Barabara Dobrzanska ist die Idealbesetzung für viele Puccini Rollen (u.v.a.m!), Bernhard Berchtold war erschütternd gut als Gustav von Aschenbach, Lance Ryan ist Siegfried (in Karlsruhe sang er diese Rolle zum ersten Mal und über Jahre immer wieder: die Erinnerung daran ist lebendig und wach), .....
Viele regelmäßige Opernbesucher werden solche Vorstellungen -emotionale Erinnerungen- kennen und bei der Walküre sind Edith Haller und Klaus Florian Vogt als
Sieglinde/Siegmund (die Karlsruher Erstbesetzung dieser Inszenierung in
der Spielzeit 2005/2006) unvergessen und zugegeben ein sehr hoher
Maßstab. Als Zuschauer muß man sich davor hüten, solche Erinnerungen zu verklären und damit zu sentimentalisieren, denn dann ist man an einem Punkt des inneren Stillstands, der nur noch in Reminiszenzen schwelgt. Ein emotionales Erinnerungsvermögen kann gelegentlich ein Hindernis sein, aber es ist auch ein Kompass der eigenen Begeisterungsfähigkeit.
Nach dieser längeren Einführung ist es vielleicht verständlich, daß man gestern eventuell überrascht sein konnte: Was für eine schöne Walküren-Vorstellung! Bereits die Premiere im Herbst 2005 war umjubelt und sie stellt immer noch den schönsten und gelungensten Teil der Denis Krief Inszenierung dar. Als gestern nach über fünf Stunden um 23.15 der letzte Vorhang fiel, hatte es viel Jubel und viele positive Eindrücke: gegeben
Linda Watson hat schon oft in Bayreuth gesungen und man konnte gestern staunen, mit welcher Souveränität und Stärke sie als Brünhilde auf der Bühne steht. Und wo hört man sonst eine so die Szene beherrschende, unerbittliche und hochdramatische Fricka wie die der großartigen Ewa Wolak? Heidi Melton hat sich in kürzester Zeit einen Platz im Herzen des Karlsruher Publikums ersungen und spielt ihre großen Rollen -gestern Sieglinde- mit bewundernswerter Selbstverständlichkeit. Renatus Meszar ist spätestens mit seinem gestrigen Auftritt als Wotan in Karlsruhe angekommen - viele warten jetzt auf seinen Hans Sachs in den angekündigten Meistersängern. Avtandil Kaspeli gab mit dunkler Stimme einen düsteren und authentischen Hunding. Und die größte Herausforderung bestand wahrscheinlich für John Treleaven - immerhin hatte er mit Klaus Florian Vogt und Lance Ryan aktuelle Bayreuth-Sänger als Vorgänger in der Rolle des Karlsruher Siegmunds. Treleaven zeigte eine beachtliche Leistung und auch er ist in Karlsruhe angekommen - im Sommer wird er als Peter Grimes in Brittens gleichnamiger großer Oper zu hören sein und man kann ihm nur wünschen, daß er so viel Applaus und Zustimmung wie gestern für diese Rolle bekommen wird. Justin Brown und die Badische Staatskapelle musizierten wieder sängerfreundlich und transparent und bekamen eine extra Portion Applaus vom glücklichen Publikum.
Was für eine schöne und interessante Walküren-Vorstellung! Der Ring in diesem Jahr scheint unter einem sehr guten Stern zu stehen.
PS: Aus familiären Gründen verpasse ich Siegfried am Ostersamstag und für Ostermontag habe ich bereits Karten für Simon Rattle und die Berliner Philharmoniker in Baden-Baden und werde auch die Götterdämmerung nicht besuchen. Ich würde mich über Stimmungsbilder und Kommentare zu den beiden Vorstellungen sehr freuen, insbesondere über die Sänger - vor allem Christian Franz als Siegfried, Christian Hübner als Hagen und Linda Watson als Brünnhilde.
Besetzung & Team
Siegmund: John Treleaven
Hunding: Avtandil Kaspeli
Wotan: Renatus Meszar
Sieglinde: Heidi Melton
Brünnhilde: Linda Watson
Fricka: Kammersängerin Ewa Wolak
Helmwige: Christina Niessen
Gerhilde: Veronika Pfaffenzeller
Ortlinde:Ekaterina Isachenko
Waltraute: Katharine Tier
Siegrune: Stefanie Schaefer
Roßweiße: Sarah Alexandra Hudarew
Grimgerde: Hatice Zeliha Kökcek
Schwertleite: Rebecca Raffell
Dirigent: Justin Brown
Regie, Bühne und Kostüme: Denis Krief
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.
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Freitag, 29. März 2013
Sonntag, 1. April 2012
Rückblende: Der Bayreuther Lohengrin von Hans Neuenfels
Wenige Stunden vor der Karlsruher Premiere der neuen Lohengrin Inszenierung ein Rückblick auf die in Bayreuth seit 2010 gespielte Produktion des Regisseurs Hans Neuenfels. Der neue Karlsruher Lohengrin spielt anscheinend in einem Sportstadion, Lohengrin tritt in einem Fechtkostüm auf.
Lohengrin ist eine der Opern, bei der die Regie die interessantesten und ausgefallensten Ideen hat. Es wird spannend, was ab 17 Uhr im Badischen Staatstheater zu hören und sehen sein wird ...
Lohengrin ist eine der Opern, bei der die Regie die interessantesten und ausgefallensten Ideen hat. Es wird spannend, was ab 17 Uhr im Badischen Staatstheater zu hören und sehen sein wird ...
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