Montag, 30. Dezember 2019

Offenbach - Hoffmanns Erzählungen, 29.12.2019

Da werden sich gestern einige verwundert die Augen gerieben haben: eine sehr gut besuchte Operngala mit über 90%iger Auslastung! Es geht also, das Publikum ist immer noch vorhanden, es kam bzw. kommt nur nicht mehr so gerne und häufig in die runtergespuhlerte Karlsruher Oper. Nicht nur das Publikum kehrte mal wieder zurück, auch die Gäste. Mit Nino Machaidze und Ramon Vargas hatte man anscheinend die richtigen Zugpferde, die Inszenierung unterstützt die Handlung - gestern gab es nach einer bemerkenswert schönen Aufführung viel gute Laune.

Sonntag, 22. Dezember 2019

Was verdient man als Generalintendant des Badischen Staatstheaters?

Der frühere sozialistische Präsident François Hollande, der bei Umfragen rekordverdächtige Unbeliebtheitswerte erreichte und sich nicht wieder zur Wahl stellte, hatte wohl einen seiner Tiefpunkte erreicht, als er die französischen Steuerzahler mit dem legendären Satz "Nein, das kostet nichts, das zahlt der Staat" belehren wollte. Doch auch die deutsche Politik leidet darunter, daß zu viele ihrer Akteure nie gezwungen waren, als Selbstständige oder Angestellte ihr Gehalt ohne Alimentierung verdienen zu müssen. Auch im durch Steuergelder großzügig finanzierten Kultursektor scheint es Führungspersonal zu geben, das das echte Arbeitsleben nicht kennt und sich nicht bewußt ist, was es dem Wohlstand erwirtschafteten Teil der Steuergeldzahler verdankt. Wer sich fragen sollte, was man wohl als Intendant eines Theaters verdient, findet nicht ohne weiteres Information und wird von der Antwort evtl. überrascht sein.

Sonntag, 15. Dezember 2019

Mozart - Don Giovanni, 14.12.2019

Don Giovanni auf Koks und Alkohol
Sehr gute Sänger, insbesondere ein grandioser Konstantin Gorny und ein starker Nicolas Brownlee, sehr schön musiziert, ein überzeugendes Bühnenbild und eine Inszenierung, die in ihren besten Momenten konventionell und überraschungslos ist und an zentralen Stellen ambitionslos und dramaturgisch altmodisch wirkt. Es gab viel Applaus für die gestrige Premiere des neuen Don Giovanni, doch wer sich noch an Robert Tannenbaums Karlsruher Inszenierung aus der Saison 2006/2007 erinnert, der wird gestern vielleicht auch den Eindruck gehabt haben, über weite Strecken einen variierenden Abklatsch der letzten Produktion zu sehen, der weniger humorvoll und augenzwinkernd gelang, kaum Dramatik entwickelt und bei der die zugekokste, alkoholisierte und fast dauerschwankende, in einer tödlichen Psychose endende Titelfigur kaum Plausibilität gewann.

Sonntag, 1. Dezember 2019

Hübner/Nemitz - Frauensache, 30.11.2019

Mumpitztheater (14): Absturz zum Relotius-Theater 
Hetze ist aus Karlsruher Theatersicht für alle gut! Wer sich gerne gemein macht, um das Gemeine zu bekämpfen, der kann sich bei Frauensache auf tumbes und plumpes Agitprop-Theater freuen, bei der die Bühne nicht mehr Zweck, sondern Mittel zur linksideologischen Selbstbefriedigung, zur eitlen Selbstdarstellung und Selbstvergewisserung geworden ist. Theater von Spießern für Spießer. Linke Gutmenschen und gute Asylanten treffen in diesem Theaterstück auf nichtlinke Bösmenschen,
die völkischen Unsinn verzapfen. Eine Welt in Schwarzweiß, Grautöne gibt es nicht, die politische Mitte spielt keine Rolle, wer nicht links ist, ist ein Nazi oder ein Nazi-Sympathisant, und dazu zählen auch Christen und Konservative. Was nach Ende der beiden Diktaturen 1945/1989 überwunden schien, kehrt nun auf die Karlsruher Bühne zurück: das propagandistische Feindbildtheater, das es nicht nur mit den Fakten nicht genau nimmt, sondern ungeniert alternative Fakten präsentiert. Schlimmer noch: mal wieder hebt man den Zeigefinger und will entlarven und beschuldigen, doch vor allem entlarvt man das eigene bornierte Denken und zeigt, warum diverse Meinungsumfragen ein desaströses Bild liefern. Laut einer Allensbach-Umfrage vom Mai 2019 haben fast zwei Drittel der Deutschen den Eindruck, man müsse im öffentlichen Raum „sehr aufpassen“, was man sagt. Die Jugendstudie des Bundes im Herbst des Jahres bestätigte diese Aussage, auch unter den Jugendlichen bestätigen 68%, daß die Meinungsfreiheit in Deutschland eingeschränkt ist. Dem ist natürlich (noch) nicht so, aber daß die Bundesbürger durch alle Altersgruppen Tabus und Sprechverbote wahrnehmen, ist durch ein neues Spießertum und "Political Correctness" verursacht, die mit Unterstellungen und Moralisierungen attackieren, was ihnen schlicht nicht paßt. Die Neue Zürcher Zeitung  (für manche ist die NZZ so etwas wie damals Westfernsehen in der "DDR", ein kritischer deutschsprachiger und doch ausländischer Blick auf Deutschland, der die kritischen Fragen stellt, die die bundesdeutsche Presse gerne vermeidet) schrieb im Frühjahr, daß die Deutschen "nicht nur Weltmeister im Moralisieren, sondern auch im Heucheln" sind. Der Chefredakteur der NZZ  erklärte später an anderer Stelle: "Deutschland sieht sich als Moralweltmeister". Was für treffende Aussagen! Wer die heutige Bundesrepublik tiefenanalysieren wollte, könnte sein Vorhaben mit genau diesen beiden Begriffen -moralisieren und heucheln- beginnen und ihre Folgen von oben nach unten verfolgen, denn es handelt sich um eine Abwärtsbewegung der Erosion und Verwahrlosung, die sich in den letzten beiden Jahrzehnten durch Politik, Medien und Institutionen bis in die Gesellschaft in unterschiedlichster Ausprägung ausbreitet und zur Gefahr für die demokratische Kultur wird. Privates politisch zu instrumentalisieren, Ablaßhandel anzubieten, sich selber zum Opfer stilisieren und andere zu beschuldigen, ihnen pauschal böse Absichten zu unterstellen, um daraus politisches Kapital zu schlagen, ist bspw. ein weit verbreitetes Mittel in den politischen Ecken, dem die verwässerte Mitte zur Zeit nur viel zu zögerlich etwas entgegensetzt.
"Frauensache" wurde ursprünglich unter dem Titel "Neurechte Frauen" lanciert. Da es diese neurechten Frauen pauschal nicht gibt und sie gesellschaftlich keine Rolle spielen, man aber im Karlsruher Schauspiel ein opportunes Diffamierungsopfer benötigte, an dem man vor allem seine eigene korrekte Gesinnung beweisen kann, wurde Abtreibung als Vehikelthema gewählt. Für die gewählte Vorgehensweise gibt es unschöne Vorbilder wie bspw. das berüchtigte Framing-Manual der ARD: "Von der ARD lernen heißt, gehorchen lernen"  analysierte die FAZ und erklärte: "Als im Frühjahr publik wurde, daß die ARD ihre Mitarbeiter von der Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling anhand eines „Framing-Manuals“ beschulen läßt, das lehrt, wie man den eigenen Standpunkt moralisch überhöht und den von Andersdenkenden moralisch abwertet, war einer der Kritikpunkte, daß sich in diesem Papier ein totalitäres, diskussions- und demokratiefeindliches Denken ausdrücke". Dieses "totalitäre, diskussions- und demokratiefeindliche Denken" läßt sich auch bei dieser Produktion des Karlsruher Schauspiels aufspüren, denn wie hier unter dem Deckmantel eines fiktionalen Theaterdramas Gesinnung transportiert wird, erinnert an den Relotius-Skandal, bei der ein Journalist Lügen einsetzte, um in seinen Reportagen das Bild zeichnen zu können, das opportun und erwünscht war. Man kann diskutieren, ob Frauensache nun endgültig der Absturz zum Relotius-Theater darstellt, bei dem die Herstellung korrekter Gesinnung durch ideologische Propaganda der vorrangige Zweck ist, zu dessen Mittel die Bühne mißbraucht wird.