Montag, 25. Juni 2012

Kammerkonzert Extra, 24.06.2012

Den Termin konnte man sich eigentlich nicht entgehen lassen: wenn GMD Justin Brown als Pianist zusammen mit den Konzertmeistern der Badischen Staatskapelle Janos Ecseghy (Violine) und  Thomas Gieron (Violoncello) ein Kammerkonzert mit Werken zweier Komponisten mit ausgesprochen starkem Idiom spielen, ist Virtuosität und Spannung garantiert. Dazu kam der unübliche Termin am Abend, der auch denen den Besuch des Konzerts erlaubte, die den traditionellen Karlsruher Kammerkonzert-Termin sonntags um 11 Uhr morgens aus familiären Gründen nicht wahrnehmen können oder denen sonntags um 11 Uhr morgens einfach zu früh ist.

Mit Janáček und Schostakowitsch stand an diesem Abend Musik aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf dem Programm, die einen unverwechselbaren, stark emotionalen und leidenschaftlich-expressiven Charakter besitzt. Und es wurde ein Kammermusik-Abend, bei dem sich die Spielfreude und der Spaß der Musiker auf das Publikum  übertrug und bei dem man  staunend die virtuose Musikalität und Leidenschaft der Künstler bewundern musste.

Zu Beginn hörte man Dimitri Schostakowitschs Klaviertrio Nr. 1 C-Dur op. 8, das Jugendwerk eines 17jährigen und 1923 entstanden. Es schwankt zwischen verschiedenen emotionalen Polen, die der Komponist aber stets zu verbinden wusste. Schostakowitsch ist hier noch nicht unverwechselbar, aber zeigt bereits frühreife Souveränität. Danach Leoš Janáčeks Pohádka (Märchen) für Violoncello und Klavier und Janáčeks Sonate für Violine und Klavier. Letztere entstand 1921 hörbar zeitgleich zur Oper Katja Kabanova. Der Höhepunkt des starken und rundum überzeugenden Konzerts war zum Abschluß Schostakowitschs Klaviertrio Nr. 2 e-Moll op. 67 und dort besonders der vierte Satz (dort taucht das Motiv auf, das später auch im 8. Streichquartett und der daraus abgeleiteten Kammersinfonie für Streichorchester op. 110a verwendet wurde und das man im Karlsruher Ballett Momo aktuell beeindruckend getanzt sieht): die drei Musiker spielten mit soviel Leidenschaft und Feuer, daß man sich nicht hätte wundern dürfen, wenn ein Mitarbeiter des Brandschutzes sinnverwirrt auf die Bühne gestürzt wäre, um das akustische Feuerwerk zu löschen.
Das Publikum dankte mit Bravos und langem Applaus für einen wunderschönen und mitreißenden Kammermusik Abend.

PS: Im Publikum waren u.a. Heidi Melton, Renatus Meszar und John Parr. Auch Intendant Peter Spuhler wurde nach der Pause gesichtet.

Donnerstag, 14. Juni 2012

Rückblick (1): Das Unbehagen im Theater. Das Karlsruher Schauspiel in der Spielzeit 2011/2012

Es war für mich eine Spielzeit ohne positiven Erinnerungswert.
Es muß zuletzt in den 1990ern gewesen sein, daß mich das Theater so kalt ließ. 2011/12 war ich deutlich weniger im Schauspiel als in den Spielzeiten zuvor; nichts sah ich bisher ein zweites Mal, nur sehr wenige Inszenierungen konnte ich guten Gewissens empfehlen; einen Theaterabend mit Freunden oder Kollegen konnte ich guten Herzens nicht organisieren. Vieles fand ich einfach zu langweilig oder holprig buchstabiert. Fast keine Schauspiel-Aufführung hat mich überzeugt, geschweige denn begeistert. Im Gegenteil! Um auf eine frühere Diagnose zurückzugreifen: es bestand bei mir in dieser Spielzeit oft eine spürbare Distanz des innerlich Erlebten zum Geschehen auf der Bühne. Einiges, vor allem viele Studio-Produktionen, habe ich erst gar nicht gesehen. Deren Themen waren für mich zu unattraktiv oder –für mich ungewöhnlich– die Meinungen und Aussagen zu gewissen Stücken waren so desillusionierend, daß ich mich negativ beeindruckt zeigte und es lieber bleiben ließ. Wo ich fast ein Jahrzehnt nichts verpassen wollte, fühlte ich mich in dieser Spielzeit nicht mehr betroffen.

Mittwoch, 13. Juni 2012

Verdi - Rigoletto, 12.06.2012

Der wiederholte Besuch des Karlsruher Rigolettos könnte angesichts der sterilen und unattraktiven Inszenierung wie Masochismus wirken, ist aber aufgrund der durchweg sehr hohen musikalischen Qualität gerechtfertigt. So auch gestern: obwohl es die x-te und für diese Spielzeit letzte Aufführung war, parallel die Fußball-EM lief und es kühl-regnerisches Wetter gab: Ausreden zählen nicht für dieses Ensemble. Es gab also keine Abnutzungserscheinungen, im Gegenteil - es war eine wirklich sehr gute und intensive  Aufführung.

Montag, 11. Juni 2012

Vorschau: Symphoniekonzerte 2012/13 der Badischen Staatskapelle

Nachdem man im April die Spielzeitvorschau 2012/13 aufgrund eines Auslandsaufenthalts von GMD Justin Brown ohne die Konzerttermine veröffentlicht hat, wurden heute nun auch die Konzerte bekannt gegeben:

1.Symphoniekonzert
BRITTEN Sinfonia da Requiem
ADÈS ...but all shall be well
BRAHMS 1. Klavierkonzert (Solist Boris Berezovsky)
16./17.9.12

2.Symphoniekonzert
VON WEBER Oberon Ouvertüre
BEETHOVEN 5. Symphonie
WAGNER Karfreitagszauber
R.STRAUSS Tod und Verklärung
21./22.10.12

3.Symphoniekonzert
BARTOK Rhapsodie für Klavier und Orchester (Solist Benjamin Moser)
TSCHAIKOWSKY 6. Symphonie
25./26.11.12

4.Symphoniekonzert
HÄNDEL Concerto Grosso op6 Nr4
DORMAN Concerto Grosso
TELEMANN Ouvertüre-Suite "La Bourse"
HAYDN 104. Symphonie
24./25.02.13

5.Symphoniekonzert
GREENWOOD 48 Respones to Polymorphia
LUTOSLAWSKI Cellokonzert (Solist Maximilian Hornung)
BRAHMS 4. Symphonie
28./29.04.13

6.Symphoniekonzert
STAUD Tondo
MOZART Klarinettenkonzert (Solist Frank Nebl)
MARTINU 4. Symphonie
26./27.05.13

7.Symphoniekonzert
BRIDGE The Sea
BRITTEN Les Illuminations
MASON  Lighthouses
DEBUSSY La Mer
16./17.06.13

8.Symphoniekonzert
SCHNITTKE 4. Violinkonzert (Solist Gideon Kremer)
BRUCKNER 9. Symphonie
14./15.07.13

Sonderkonzert
SCHÖNBERG Gurrelieder
15./16.12.12

Donnerstag, 7. Juni 2012

Momo (Ballett), 06.06.2012

Nach der Premiere war das Publikum begeistert, und  auch der gestrige Besuch bestätigte den Eindruck der Uraufführung. Momo ist Siegfried im künstlerischen Ausdruck überlegen: ein zu Herzen gehendes poetisch-philosophisches Ballett; Siegfried ist hingegen Spektakel: handlungsreich und spannend und mit grandiosem Live-Orchester zur Unterstützung. Beide sind also sehr unterschiedlich und ergänzen sich durch ihre verschiedenen Ausdruckswelten. Beide konkurrieren Kopf an Kopf um die Krone der spartenübergreifend besten Inszenierung der Spielzeit.

Für Kinder oder Jugendliche ist diese Inszenierung von Momo allerdings weniger geeignet: im Mittelpunkt stehen die Symptome und Diagnose der durch die "Zeitkrankheit" ausgelösten Defizite, bei der die Menschen sinnlos Zeit sparen, anstatt sinnbewußt Zeit zu erleben. Das Ballett greift dabei nur sehr wenige Handlungsstränge auf. Der Gegensatz zwischen Momo und den grauen Herren (in diesem Fall auch graue Damen) ist der zentrale Spannungspunkt und Momos Rolle als Therapeutin und Erlöserin die zentrale Rolle. Blythe Newman gibt Momo im besten Sinne ein Gesicht; eine Hauptrolle, wie man sie als Tänzerin nicht oft bekommt. Newman passt ideal und überzeugt das Publikum durchgehend. Ein Glücksfall!

Die Choreographie von Tim Plegge öffnet Horizonte. Zu Beginn des Balletts wird erst die Lebensfreude der Protagonisten eingängig vermittelt. Für die grauen Herren und Damen fand Plegge eine Tanzsprache der Nervosität und Anspannung, die unmittelbar auf die Zuschauer wirkt. Höhepunkt ist im ersten Teil der Weg zum Ursprung der Zeit (Hier wird die Zeit zum Raum, sozusagen eine Umkehrung von Wagners Parsifal. Unterlegt mit Musik von Lepo Sumera) und dort der Aufenthalt beim Hora-Paar (Bruna Andrade und Admill Kuyler haben zwei starke Auftritte), musikalisch genial unterlegt mit dem langsamen Satz von Philip Glass' Klavierkonzert. Eine Szene, bei der man spürt, wie das Publikum staunt und begeistert wird, wie es in die Aufführung gezogen und fasziniert wird. Im zweiten Teil bleiben besonders Momos Tanz über die Tische in Erinnerung (unterlegt mit Ausschnitten aus Schostakowitschs Kammersinfonie für Streichorchester op. 110a) und die Schlußszene, bei der sich die grauen Tänzer in Luft auflösen und von der Bühne rollen.

Für die Karlsruher Ballett Compagnie ergeben sich viele dankbare Rollen und Szenen. Bewährte Künstler wie der erste Solist Flavio Salamanka (Beppo) zeigen die Stärke ihres Könnens und auch die kleineren Rollen sind sehr gut besetzt, z.B. Shiri Shai als Kassiopeia, Zhi Le Xu als Gigi und besonders der ausdrucksstarke Arman Aslizadyan als Agent BLW/553/c.

Im voll besetzten Badischen Staatstheater wurde gejubelt, lange applaudiert und man konnte den Gesichtern der Zuschauer die Freude ansehen. Momo ist -wie Siegfried- in jeder Hinsicht ein Glücksfall.  Birgit Keil und Vladimir Klos haben es spätestens diese Spielzeit geschafft, das Ballett zur unumstritten populärsten Sparte des Badischen Staatstheaters zu machen.

Dienstag, 5. Juni 2012

7. Symphoniekonzert, 04.06.2012

Der niederländische Autor Maarten 't Hart schwärmte einst: "Wenn man einen Menschen für Mozart begeistern will, sollte man zu den Klavierkonzerten greifen." Gestern konnte man im 7.Symphoniekonzert der Badischen Staatskapelle Mozarts Klavierkonzert KV 488 in A-Dur aus dem Jahr 1786 hören, das den legendären Ruf besitzt, eines der schönsten, eines der vollkommenen Meisterwerke Mozarts zu sein. Er vereint unterschiedlichste Elemente: es ist virtuos und symphonisch, galant und intim, fröhlich und melancholisch und voller melodischer Fülle. Noch mal Maarten 't Hart: "Wenn es überhaupt einen Beweis für die Existenz einer besseren Welt, die Existenz einer Art von Himmel gibt, dann dieses Klavierkonzert von Mozart." Das mag hilflos pathetisch klingen, aber es trifft einen wahren Kern: jeder Klassikliebhaber sollte unter den Klavierkonzerten Mozarts ab KV456 sein Lieblingsmeisterwerk finden können, ob das KV 488 sei oder doch z.B. KV 459, 466, 467, 491 oder 503, bleibt dann eine individuelle Präferenz.

Gestern war GMD Justin Brown als Klaviervirtuose und Dirigent angetreten, um Vollkommenheit zu Gehör zu bringen. Nach dem erwartungsfrohen Satzbeginn folgte ein sehr flüssiges, fröhlich-beredsames Allegro voller Spielfreude. Der langsame zweite Satz wurde bei Brown zum Schwachpunkt: Wo Mozartsche Melancholie im Adagio einen veredelten grauen Regentag fordert, spielte Brown eher leichten Nieselregen bei auflockernder Bewölkung: zu rasch, zu unberührt, zu wenig die Feinheiten auskostend. Am Schluß dann ein gut gelaunter Finalsatz mit ausgelassener Freude. Ein von Orchester und Solopianisten schön, rasch und eloquent gespieltes Konzert mit einem großen Manko: Das zentrale Adagio kontrastierte zu wenig zu den eher schnell dirigierten Ecksätzen, deren Binnenstruktur ebenfalls zu kontrastarm war; das Konzert verlor dabei spürbar eine Dimension und wirkte einseitig. Brown dirigierte und spielte sich etwas zu schnell und sorglos durch das Konzert: Ein wesentlicher Teil des Inhalts ging dabei verloren.


Nach der Pause dann ein symphonisches Schwergewicht: Mahlers 5. Symphonie, entstanden in den Jahren 1901/1902. Ein besonderes Werk und vielleicht der Prototyp der Mahlerschen "Zerrissenheit". Eine Symphonie in 3 Teilen und 5 Sätzen, die nicht auf einen finalen Höhepunkt ausgerichtet ist, sondern deren emotionaler Höhepunkt zu Beginn im 1. Teil, den ersten beiden Sätzen erreicht wird.

I. Abteilung
1. Trauermarsch. In gemessenem Schritt. Streng. Wie ein Kondukt (cis-Moll)
2. Stürmisch bewegt. Mit größter Vehemenz (a-Moll)

Brown dirigierte den Trauermarsch packend und von Emotionen überwältigt, und dann immer wieder stockend und inne haltend und nur schwer voran kommend. Der anschließende zweite Satz war sich wehrend und doch wieder zusammenbrechend: eine Auflehnung ohne Erfolgsaussichten. Brown wählt zur Zeit immer das raschere Tempo und jagte hier das Orchester virtuos und beeindruckend durch die Partitur.

II. Abteilung
3. Scherzo. Kräftig, nicht zu schnell (D-Dur)


Das Zentrum des Werkes, ein über 800 Takte langes Scherzo, ist wechselhaft: Notenwert und Tempos variieren, Gegensätzlichkeit wird nicht ausgeglichen, sondern gesteigert. Brown  betonte die Labilität des Satzes und  die Kontraste. Besonders schön ließ er die einzelnen Instrumentengruppen und Musiker zu Gehör kommen. Ein rundum überzeugendes Scherzo.

III. Abteilung
4. Adagietto. Sehr langsam (F-Dur)
5. Rondo-Finale. Allegro - Allegro giocoso. Frisch (D-Dur)

Das berühmte Adagietto kontrastiert die anderen Sätze durch seine Kontrastlosigkeit. Je nach Vorgabe des Dirigenten dauert der Satz zwischen 8 und 15 Minuten und wirkt daher in einer Bandbreite von zärtlich, sentimental, melancholisch bis morbid. Justin Brown entschied sich für die Liebeserklärung: nur die Streicher und Harfe singen beseelt vom Glück. Der Satz benötigte bei ihm knapp 9,5 Minuten.

Der Schlußsatz: ein Rondo-Finale. Ein vor-Beethovensches Ende, das man oft bei Haydn findet. Es versucht die Balance zu halten und nicht, die Gegensätze zu vereinen. So hörte man auch bei Brown ein vordergründiges Happy End: der Vorhang fällt  schnell und es könnte wie ein gutes Ende wirken, doch dem Satz fehlt die innere Glaubwürdigkeit. Es ist ein Schlußsatz unter Vorbehalt. Die Maske des  Optimismus ist nur aufgesetzt.

Was vorab als Höhepunkt der Konzertsaison gehandelt wurde, erfüllte nicht ganz die Erwartungen: Mozart war zu wenig Mozart, Mahler war hingegen ein beeindruckendes Erlebnis. Es war kein orchestral perfekter oder CD-reifer Abend -wenige Wackler und Unsauberkeiten waren zu hören-, aber eine in hohem Maße spannende Interpretation der Symphonie, bei der man einige Musiker und Instrumentengruppen hervorheben und loben kann. Orchester und GMD bekamen sehr langen und kräftigen Applaus .

PS: Justin Brown wird erneut als Pianist in Erscheinung treten. Aufgrund der mangelnden Werbung fast noch unbemerkt von der Öffentlichkeit gibt es am Sonntag, 24.06. im Kleinen Haus beim Kammerkonzert Extra ein sehr spannendes Programm. Zusammen mit dem ersten Violinisten Janos Ecseghy und Konzertmeister Thomas Gieron am Violoncello werden folgende Stücke musiziert:
Schostakowitsch Klaviertrios Nr. 1 op. 8 und Nr. 2 op. 67
Janáčeks Pohádka (Märchen) für Violoncello und Klavier sowie Janáčeks Violinsonate