Dienstag, 5. Juni 2012

7. Symphoniekonzert, 04.06.2012

Der niederländische Autor Maarten 't Hart schwärmte einst: "Wenn man einen Menschen für Mozart begeistern will, sollte man zu den Klavierkonzerten greifen." Gestern konnte man im 7.Symphoniekonzert der Badischen Staatskapelle Mozarts Klavierkonzert KV 488 in A-Dur aus dem Jahr 1786 hören, das den legendären Ruf besitzt, eines der schönsten, eines der vollkommenen Meisterwerke Mozarts zu sein. Er vereint unterschiedlichste Elemente: es ist virtuos und symphonisch, galant und intim, fröhlich und melancholisch und voller melodischer Fülle. Noch mal Maarten 't Hart: "Wenn es überhaupt einen Beweis für die Existenz einer besseren Welt, die Existenz einer Art von Himmel gibt, dann dieses Klavierkonzert von Mozart." Das mag hilflos pathetisch klingen, aber es trifft einen wahren Kern: jeder Klassikliebhaber sollte unter den Klavierkonzerten Mozarts ab KV456 sein Lieblingsmeisterwerk finden können, ob das KV 488 sei oder doch z.B. KV 459, 466, 467, 491 oder 503, bleibt dann eine individuelle Präferenz.

Gestern war GMD Justin Brown als Klaviervirtuose und Dirigent angetreten, um Vollkommenheit zu Gehör zu bringen. Nach dem erwartungsfrohen Satzbeginn folgte ein sehr flüssiges, fröhlich-beredsames Allegro voller Spielfreude. Der langsame zweite Satz wurde bei Brown zum Schwachpunkt: Wo Mozartsche Melancholie im Adagio einen veredelten grauen Regentag fordert, spielte Brown eher leichten Nieselregen bei auflockernder Bewölkung: zu rasch, zu unberührt, zu wenig die Feinheiten auskostend. Am Schluß dann ein gut gelaunter Finalsatz mit ausgelassener Freude. Ein von Orchester und Solopianisten schön, rasch und eloquent gespieltes Konzert mit einem großen Manko: Das zentrale Adagio kontrastierte zu wenig zu den eher schnell dirigierten Ecksätzen, deren Binnenstruktur ebenfalls zu kontrastarm war; das Konzert verlor dabei spürbar eine Dimension und wirkte einseitig. Brown dirigierte und spielte sich etwas zu schnell und sorglos durch das Konzert: Ein wesentlicher Teil des Inhalts ging dabei verloren.


Nach der Pause dann ein symphonisches Schwergewicht: Mahlers 5. Symphonie, entstanden in den Jahren 1901/1902. Ein besonderes Werk und vielleicht der Prototyp der Mahlerschen "Zerrissenheit". Eine Symphonie in 3 Teilen und 5 Sätzen, die nicht auf einen finalen Höhepunkt ausgerichtet ist, sondern deren emotionaler Höhepunkt zu Beginn im 1. Teil, den ersten beiden Sätzen erreicht wird.

I. Abteilung
1. Trauermarsch. In gemessenem Schritt. Streng. Wie ein Kondukt (cis-Moll)
2. Stürmisch bewegt. Mit größter Vehemenz (a-Moll)

Brown dirigierte den Trauermarsch packend und von Emotionen überwältigt, und dann immer wieder stockend und inne haltend und nur schwer voran kommend. Der anschließende zweite Satz war sich wehrend und doch wieder zusammenbrechend: eine Auflehnung ohne Erfolgsaussichten. Brown wählt zur Zeit immer das raschere Tempo und jagte hier das Orchester virtuos und beeindruckend durch die Partitur.

II. Abteilung
3. Scherzo. Kräftig, nicht zu schnell (D-Dur)


Das Zentrum des Werkes, ein über 800 Takte langes Scherzo, ist wechselhaft: Notenwert und Tempos variieren, Gegensätzlichkeit wird nicht ausgeglichen, sondern gesteigert. Brown  betonte die Labilität des Satzes und  die Kontraste. Besonders schön ließ er die einzelnen Instrumentengruppen und Musiker zu Gehör kommen. Ein rundum überzeugendes Scherzo.

III. Abteilung
4. Adagietto. Sehr langsam (F-Dur)
5. Rondo-Finale. Allegro - Allegro giocoso. Frisch (D-Dur)

Das berühmte Adagietto kontrastiert die anderen Sätze durch seine Kontrastlosigkeit. Je nach Vorgabe des Dirigenten dauert der Satz zwischen 8 und 15 Minuten und wirkt daher in einer Bandbreite von zärtlich, sentimental, melancholisch bis morbid. Justin Brown entschied sich für die Liebeserklärung: nur die Streicher und Harfe singen beseelt vom Glück. Der Satz benötigte bei ihm knapp 9,5 Minuten.

Der Schlußsatz: ein Rondo-Finale. Ein vor-Beethovensches Ende, das man oft bei Haydn findet. Es versucht die Balance zu halten und nicht, die Gegensätze zu vereinen. So hörte man auch bei Brown ein vordergründiges Happy End: der Vorhang fällt  schnell und es könnte wie ein gutes Ende wirken, doch dem Satz fehlt die innere Glaubwürdigkeit. Es ist ein Schlußsatz unter Vorbehalt. Die Maske des  Optimismus ist nur aufgesetzt.

Was vorab als Höhepunkt der Konzertsaison gehandelt wurde, erfüllte nicht ganz die Erwartungen: Mozart war zu wenig Mozart, Mahler war hingegen ein beeindruckendes Erlebnis. Es war kein orchestral perfekter oder CD-reifer Abend -wenige Wackler und Unsauberkeiten waren zu hören-, aber eine in hohem Maße spannende Interpretation der Symphonie, bei der man einige Musiker und Instrumentengruppen hervorheben und loben kann. Orchester und GMD bekamen sehr langen und kräftigen Applaus .

PS: Justin Brown wird erneut als Pianist in Erscheinung treten. Aufgrund der mangelnden Werbung fast noch unbemerkt von der Öffentlichkeit gibt es am Sonntag, 24.06. im Kleinen Haus beim Kammerkonzert Extra ein sehr spannendes Programm. Zusammen mit dem ersten Violinisten Janos Ecseghy und Konzertmeister Thomas Gieron am Violoncello werden folgende Stücke musiziert:
Schostakowitsch Klaviertrios Nr. 1 op. 8 und Nr. 2 op. 67
Janáčeks Pohádka (Märchen) für Violoncello und Klavier sowie Janáčeks Violinsonate

2 Kommentare:

  1. Wolfgang Kiefer06 Juni, 2012 13:54

    Hallo Honigsammler
    Nach der Lektüre des obigen Bloggs habe ich mir das Mozartkonzert wieder mal vorgenommen. Ich glaube, Justin Brown hat für den langsamen Satz das richtige (machbare) Tempo gewählt. Der Klaviersatz ist höchst transparent, fast dünn. Wenn man bei langsameren Tempo die notierten Pausen spielen will, zerbröselt der Klavierpart schnell gegenüber den Streichern und vor allem gegenüber den Holzbläsern. Da hilft auch kein 2,80m-Flügel. Im Studio herrschen natürlich ganz andere Bedingungen.
    Beim dritten Satz war mir das Tempo wie fast bei allen Pianisten zu schnell. Viele harmonische Details der linken Hand sind der Brillanz zum Opfer gefallen. Warum glauben alle Pianisten im Finale besonders mit Tempo glänzen zu müssen?
    Mahler hat mir sehr gut gefallen – beim zweiten Mal sogar noch besser.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Herr Kiefer, vielen Dank für den Hinweis. Mozarts KV 488 ist bei vielen erwartungsbelastet: bei mir auch. Die Aufnahmen mit Friedrich Gulda und Daniel Barenboim begleiten mich schon sehr lange, wie ich überhaupt eine große Schwäche für die Mozartschen Klavierkonzerte habe. Allerdings war ich am Montag nicht davon berührt - es fehlte für mich deutlich etwas und das Adagio gefiel mir gar nicht. In der Pause bestätigten mir meine Abo-Nachbarn meinen Verdacht: irgendwas stimmte für fast alle nicht an diesem Abend. Vielleicht waren wir einfach alle zu erwartungsbelastet bei diesem sehr bekannten Konzert.
      Der Finalsatz lädt dazu ein, schnell zu spielen und gerade bei einem Live-Konzert ist es verständlich, daß Publikum mitreißen zu wollen. Für mich war das Tempo ebenfalls zu hoch.

      Der Mahler war wirklich sehr gut. Hätte ich es zeitlich geschafft, wäre ich auch noch gestern in das Sonderkonzert.

      Löschen