Dienstag, 30. Januar 2024

4. Symphoniekonzert, 29.01.2024

Hymnisch himmlische Eschatologie
2024 gedenkt man u.a. des 100. Todestags von Franz Kafka, Giacomo Puccini und Gabriel Fauré, des 125. Geburtstags von Erich Kästner, Ernest Hemingway und Vladimir Nabokov, des 150. Geburtstags von Hugo von Hofmannsthal und William Somerset Maugham, des 175. Geburtstags von August Strindberg, des 200. Geburtstags von Anton Bruckner und Bedřich Smetana, des 200. Jahrestags der Uraufführung von Beethovens 9. Symphonie sowie des 300. Geburtstags von Immanuel Kant und des Dichters Friedrich Gottlieb Klopstock. Die Badische Staatskapelle startete gestern in das Jahr mit der bekanntesten Klopstock-Vertonung.

Sonntag, 28. Januar 2024

Jazz Night: Max Greger jr. Trio, 27.01.2024

Von Kopf bis Fuß auf Schwarzwaldfahrt mit Duke Ellington eingestellt
Der Name Max Greger ist quasi eine Marke, mit der man seit Jahrzehnten Musik verbindet, der Bigband-Klang des Saxophon spielenden Vaters (*1926 †2015) war durch viele TV-Auftritte bei Sendungen des ZDF in den 1960ern und 70ern fast jedem bekannt. Gestern nun der zweite Auftritt des Sohns (*1951) bei den Karlsruher Jazz Nights, und zwar in kleiner Bigband-Besetzung. Neben einigen Stücken von Duke Ellington und anderer Jazz-Persönlichkeiten gab es Interpretationen bekannter Musik von Frederick Loewe (My fair Lady) und George Gershwin (I got rhythm), Kurt Weil (Mackie Messers Moritat) und als Höhepunkte quasi eine Wiederentdeckung von Horst Jankowskis Schwarzwaldfahrt sowie eine fulminant verjazzte Version von Friedrich Hollaenders Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt. Max Greger jr. überzeugte als virtuoser Pianist und Moderator, am Schlagzeug war der souveräne Bernd Reiter zu hören und Bassist Mini Schulz überraschte mit seinen Improvisationen.
Ein Konzert, das wie im Flug verging, manche wären gerne noch weitergeflogen. Der elegante Swinging Jazz des Trios erwies sich als Hörvergnügen, bei dem sich die Freude des Musizierens auf die Zuhörer im ausverkauften Kleinen Haus übertrug.

Donnerstag, 25. Januar 2024

Strauss - Die schweigsame Frau, 24.01.2024

Zeit für eine kurze Heldenverehrung, denn es ist unbedingt erforderlich auf einen Sänger hinzuweisen, für den es aktuell keine Zweitbesetzung am Badischen Staatstheater gibt. Am Samstag  sang er Ferrando in der Premiere von Così fan tutte, drei Tage später am Dienstag mußte er deshalb auch bei der B-Premiere auftreten, am Tag darauf war dann gestern die Rolle des Henry Morosus dran. Drei Vorstellungen tragender Rollen in fünf Tagen: ohne den sympathisch und humorvoll auftretenden mexikanischen Tenor Eleazar Rodriguez geht es zur Zeit nicht. Wir kaum ein anderer hat Rodriguez die letzten Jahre nutzen können, mit den richtigen Rolle sich ein Repertoire und in Karlsruhe ein Publikum zu ersingen, insbesondere als Mozart- und Donizetti-Tenor (Nemorino im Liebestrank, Roberto Devereux, Percy in Anna Bolena, Tonio (Regimentstochter) und Ernesto in Don Pasquale). Scheinbar unermüdlich und stets zuverlässig -   BRAVO!

Wie musikalisch reich und bereichernd ist doch Die schweigsame Frau! Was da alles im Orchestergraben zu hören ist, Glocken, Zitate, komponierter Lärm, man denke nur an die Explosion, von der Morosus mit Hinweis auf sein zerstörtes Trommelfell berichtet und die visuell so schön und passend umgesetzt ist: die erzählten Schallwellen fegen die Anwesenden um. Den Sängern scheint das ebenfalls Freude zu bereiten, mit viel Engagement sind alle bei der Sache. Nicht alles an der Inszenierung ist optimal (mehr hier zur Premiere), doch wen kümmert's, wenn die Aufführungen im übrigen so gut funktionieren! BRAVO! Sechs weitere Termin stehen noch in den nächsten drei Monaten zur Verfügung, die man unbedingt und so oft als möglich nutzen sollte.

Sonntag, 21. Januar 2024

Mozart - Così fan tutte, 20.01.2024

Beschaulich, behaglich, betulich
Es ist nicht einfach, das richtige Inszenierungsmaß für Così fan tutte zu finden. Meistens wird die  hanebüchene  Handlung dieser Buffa-Oper nicht als komisch, sondern als lächerlich empfunden, früher hat man deshalb oft in die Handlung eingegriffen oder der Oper neue Texte unterlegt. Lange betonte man die bittersüße Komponente des Geschehens, die man ironisch oder sarkastisch interpretieren kann, je nachdem, ob man die Abgründe übertünchen will oder versucht, sie glaubhaft zu machen. Und in der Schlußszene kann man dann entweder ein Ausrufezeichen oder ein Fragezeichen setzen.
Die neue Karlsruher Inszenierung findet einen überwiegend kurzweiligen Weg durch die Education sentimentale der Handlung, die Regie drängt sich nie in den Vordergrund, modernisiert behutsam das Geschehen und charakterisiert treffend die wankelmütigen Figuren. Musik und Sänger blieben bei der gestrigen Premiere nicht nur stets im Mittelpunkt, sondern trumpfen auf: Dirigent und Musiker trugen die spielfreudigen Sänger quasi auf  Händen und zelebrierten die Partitur als Schönklang. 

Sonntag, 14. Januar 2024

Reza - Kunst, 13.01.2024

Die fragile Maskulinität der Memmen
Mann oder Memme? Es ist wenig überraschend, wie das Karlsruher Schauspiel die drei Protagonisten in Yasmina Rezas Erfolgsstück charakterisiert: Man bleibt überraschungsfrei in der eigenen Filterblase, nimmt sich viele Freiheiten am Text und verkrüppelt die Figuren zu politisch korrekt gewollten Klischees: statt Männer stehen Memmen auf der Bühne. Doch die gute Nachricht: Rezas Kunst hält die Reduzierung auf clownesk infantile Charaktere aus, wer sich an den grobmotorisch plumpen Humor gewöhnt, der kann der Regie durchaus eine ideenreiche Figurenentwicklung bescheinigen, die wahrscheinlich noch besser funktioniert hätte, wenn man bei dieser Inszenierung die Rollen mit drei Schauspielerinnen besetzt hätte. Was auf manche ein wenig wie eine unterbelichtete Selbstverramschung wirken könnte, ist dennoch durchaus zeitgemäß durch die Darstellung eines ins Lächerliche gezogenen, pseudomännlichen woke-soften Habitus.