Sonntag, 31. Januar 2021

Von Karlsruhe nach Zürich

"Ein Fall von Machtmißbrauch?" fragt die Neue Zürcher Zeitung (und zwar hier) in Bezug auf Michael Fichtenholz. Der frühere Karlsruher Operndirektor wird seinen Posten am Opernhaus Zürich zum Ende der Saison vorzeitig abgeben. Bei Vorwürfen "in Bezug auf Belästigung und Machtmißbrauch" beauftragt die Oper in Zürich eine "externe spezialisierte Fachstelle". Die NZZ dazu: "«Ein solcher Prozeß wurde auch in Bezug auf Vorwürfe gegen Herrn Fichtenholz verfolgt», heißt es in dem Statement des Opernhauses weiter. Man habe «ohne Verzug nach Kenntnis der Vorwürfe» Abklärungen eingeleitet und die externe Fachstelle hinzugezogen. Über Inhalt und Ergebnis dieser Abklärungen seien die Beteiligten informiert worden. Der Prozeß sei einvernehmlich beendet worden. «Es wurden von keiner Seite her weitergehende Schritte, insbesondere keine rechtlichen, beantragt», teilte das Opernhaus mit." Über die Vorkommnisse wurde Stillschweigen vereinbart, dennoch legt die Vertragsauflösung nahe, daß es nur dann keine Basis für einen Verbleib von Fichtenholz in Zürich geben konnte, wenn ein inakzeptables Verhalten vorlag. Eine Ablöse scheint Fichtenholz nicht zu bekommen, die Schweizer scheinen in der Hinsicht deutlich weniger Verständnis für Fehlverhalten zu haben als die Verantwortlichen in Stuttgart. Wie es mit Fichtenholz' Posten als Leiter der Karlsruher Händel-Festspiele weitergeht, wird sich im Rahmen der Neustrukturierung noch ergeben.

Donnerstag, 14. Januar 2021

Nach der Absetzung ist vor der Aufarbeitung

Verdacht auf grüne Klüngelpolitik
"Es ist eine Art Zeitbombe, an der Theresia Bauer (55) gerade bastelt. Früher oder später wird sie auf jeden Fall explodieren, die Frage ist nur, wann und wie heftig. Geschieht es noch vor der Landtagswahl, wäre der politische Schaden am größten. Aber auch danach kann es unangenehm werden für die grüne Kunstministerin. Dann muß sie der Öffentlichkeit womöglich erklären, warum ein Theatermann viel Geld aus Steuermitteln dafür erhält, daß er künftig nichts mehr tut – und welchen Anteil sie daran hat, daß es so weit kam. ... Für Kunstministerin Bauer kann der Abgang brisant werden: ihr eigenes Ministerium hatte sie einst gewarnt.", schreibt die Stuttgarter Zeitung (eingeschränkt zugänglich hier).

"Offene Theater sind möglich"

Das Fraunhofer-Institut hat in Zusammenarbeit mit dem Konzerthaus Dortmund die räumliche Ausbreitung von Aerosolen in einem Konzertsaal untersucht, um die damit verbundene  Infektionsgefahr zu bewerten. Das Ergebnis: "Gefahr von Infektionen durch Aerosolübertragung im Saal nahezu ausgeschlossen." Sobald die Infektionslage es zuläßt, scheint nun der erneuten Öffnung der Theater nichts entgegen zu stehen, sofern Symbolpolitik durch wissenschaftliche Erkenntnisse abgelöst werden.

Sanierung oder Neubau?

Die BNN berichten aktuell hier, daß eine weitere Kostensteigerung für die umfangreiche Sanierung des Badischen Staatstheaters möglich ist. Von einst 125 Millionen Euro (2015), dann 325 Millionen (2017) und 500 Millionen (2020) vermuten  manche Lokalpolitiker inzwischen 700 Millionen Euro und regen eine Wirtschaftlichkeitsprüfung an, ob ein Neubau nicht sinnvoller ist. Dabei wird allerdings etwas übersehen und es droht ein Fehler, der bereits vor 50 Jahren stattfand. Nachdem die alte Oper von Heinrich Hübsch am Standort des heutigen Bundesverfassungsgerichts bei dem  Bombenangriff in der Nacht zum 27.09.1944 zerstört wurde, dauerte es trotz Wirtschaftswunder 30 Jahre bis Karlsruhe wieder ein Theater bekam und sein Provisorium verlassen konnte. Doch auch der aktuelle Bau von Helmut Bätzner war eine schwäbische Sparversion, die nicht optimiert auf die Ansprüche des Theaters war und schnell Defizite zeigte. Ein erneuter Neubau sollte den Anspruch haben, langfristig bestehen zu können und architektonisch etwas zu bieten zu haben. Ein attraktives Theatergebäude zieht Publikum an, der Wohlfühl- und Repräsentationscharakter ist Grundlage für guten Inhalt und Karlsruhe als badische Residenzstadt hat ein Anrecht auf einen kulturellen Leuchtturm. Ein günstigerer Neubau bringt Karlsruhe nicht weiter, das Ergebnis muß attraktiv und nachhaltig sein. Das aktuelle Modell scheint dafür die richtigen Voraussetzungen zu haben. Die Frage sollte also lauten, ob es günstiger ist, das aktuell geplante Endergebnis neu zu bauen oder die bestehende Substanz zu sanieren und zu erweitern. Kurzfristig zu sparen und erneut günstig zu bauen und damit ein Provisorium durch das nächste Provisorium abzulösen, verschiebt die Fragestellung nur um wenige Jahrzehnte. Die Verwaltung eines Problems ist aber nicht gleichbedeutend mit der Lösung dieses Problems, auch wenn die politischen Parteien gerne diesen Eindruck erwecken möchten. Karlsruhe braucht endlich einen zukunftsfähigen Theaterbau und keinen weiteren faulen Kompromiß.