Dienstag, 29. November 2011

3. Symphoniekonzert, 28.11.2011

Um Licht ging es gestern im ersten Teil des Karlsruher Symphoniekonzerts. Für Henry Dutilleux‘ Orchesterstück Mystère de l’instant für Streicher, Schlagzeug und Cymbalom wurde das Licht im Zuschauerinnenraum gelöscht und nur durch die Beleuchtung an den Notenständern erhellt. Allerdings hatte dies keinen Stimmungseffekt auf den musikalischen Eindruck: Mystère de l’instant hatte die sinnliche Qualität eines Migräneanfalls.

Als dieser vergangen war folgte nach kurzer Umbaupause Alexander Scrjabins Tondichtung Prometheus: Le Poème du feu für großes Orchester (gestern ca 95 Musiker) einschließlich Klavier, das von Alexander Melnikov gespielt wurde. Fast genau vor 2 Jahren war er bereits mit Rachmaninows Paganini Variationen in Karlsruhe erfolgreich aufgetreten. Prometheus ist von Scrjabin als spätromantisches Gesamtkunstwerk für Farbklavier konzipiert: Tönen werden dabei Farbwerte zugeordnet. (Mehr dazu hier: http://publib.upol.cz/~obd/fulltext/Musicologica%206/musicol6-9.pdf). In Karlsruhe wurden die entsprechenden Farben hinter dem Orchester projiziert, um den vom Komponisten angestrebten Farb-Ton-Klang zu verwirklichen. Musikalisch verzichtet das Werk auf traditionelle Harmonik und rückt statt dessen den sechstönigen Quartakkord (c - fis - b - e - a - d) in den Mittelpunkt, der das Chaos präsentiert. Das hört sich interessanter an als das Ergebnis: ein unmelodiöses und gegen Ende immer lauter werdendes Stück, bei dem der Pianist keine Möglichkeit zu glänzen hat.

Nach der Pause wurde das Publikum mit Beethovens 3.Symphonie entschädigt. Überraschenderweise dirigierte GMD Justin Brown ein zurückhaltendes, vornehmes Allegro con brio. Vor allem im Marcia funebre und Finale überzeugte er dann mit einem direkteren und spannenden Zugriff und bewies erneut die hohe Affinität britischer Dirigenten für Beethoven.

Freitag, 25. November 2011

Schiller – Die Verschwörung des Fiesco zu Genua, 24.11.2011

Der frühere FAZ Theaterkritiker Georg Hensel hat die alte Schauspielerweisheit überliefert, daß der Fiesco gerne dazu verwendet wird, einen Regisseur zu verheizen, und meistens bleiben dabei auch Schiller, die Schauspieler und das Publikum auf der Strecke. All jene, die sich noch an den letzten Karlsruher Fiesco erinnern, der in der Spielzeit 1992/1993 im Großen Haus präsentiert wurde, können das wahrscheinlich aus leidvoller Erinnerung bestätigen: damals ein grandioses Fiasko, bei dem die Zuschauer in der Pause des 3,5 stündigen Abends in Scharen das Theater verließen. Einige erinnern sich eventuell noch deshalb an die Inszenierung von Paolo Magelli, weil er bei vielen Szenenwechseln durch Einsatz einer ohrenbetäubend lauten Fliegeralarmsirene jeden Theaterschlaf unterband.

Mittwoch, 23. November 2011

Siegfried (Ballett), 22.11.2011

Auch die zweite Aufführung des Balletts Siegfried bestätigte den Eindruck der Premiere: es ist bewundernswert mit wie viel Geschick Choreograf Peter Breuer und sein Librettist Andreas Geier ein Handlungsballett neu erfanden und dazu die passende Musikauswahl so ideal getroffen haben, dass man durchgängig den Eindruck von Geschlossenheit und Folgerichtigkeit hat. Siegfrieds Heldentaten sind beispielsweise stimmig mit dem 1.Satz der Dante Symphonie von Franz Liszt kombiniert, Siegfrieds Ermordung wird unterlegt vom 3.Satz von John Adams Harmonielehre und ist der dramatische Höhepunkt, bei dem das Publikum spürbar in den Sog des Bühnengeschehens und der Musik gerät.

Das Ballettcorps wird von der Choreographie sichtbar gefordert und beweist erneut seine Leistungsfähigkeit. Nun folgen noch die Wiederaufnahmen von Nußknacker und Schwanensee und eine weitere Premiere im Frühjahr und angesichts der körperlichen und künstlerischen Hochleistungsfähigkeit des Karlsruher Balletts kann man nur applaudieren.

Glückwunsch an Birgit Keil: Die Ballett-Aufführungen in Karlsruhe werden weiterhin regelmäßig ausverkauft sein und haben aktuell die höchste Zuschauerakzeptanz!

Montag, 21. November 2011

Siegfried (Ballett Uraufführung), 19.11.2011

Seitdem Birgit Keil 2003 die Leitung des Karlsruher Balletts übernommen hat, ist die große Handlungsballett-Premiere im Herbst zu einem der Prestige-trächtigsten Premierenabende der Spielzeit geworden und viele erinnern sich gerne an die umjubelten Aufführungen von Giselle, Coppelia, Les Sylphides, Anna Karenina, Prokofiews Romeo und Julia, Schwanensee, Nußknacker und anderer Ballette in den letzten Jahren. Siegfried reihte sich am Samstag erfolgreich in diese Liste ein.

Freitag, 11. November 2011

Berlioz - Les Troyens 1+2, 09.11.2011 / 10.11.2011

Die Karlsruher Oper bietet die Trojaner auch unterteilt an zwei aufeinanderfolgenden Abenden an, entsprechend der ersten Komplettaufführung am 5. und 6. Dezember 1890 am Karlsruher Hoftheater. An den beiden letzten Abenden wurde nun zum ersten Mal die Neuinszenierung der Berlioz' Oper als Die Eroberung Trojas und Die Trojaner in Karthago getrennt aufgeführt. Beide Lösungen sind gleichwertig: vermittelt die Komplettaufführung mit über 5 Stunden Dauer das intensivere Gesamterlebnis, erlaubt die getrennte Aufführung die unterschiedlichen musikalischen Farben der beiden Abende besser aufzunehmen.

Es gab wenige personelle Änderungen: Der Brite Ian Storey, der den Aeneas bereits in der letzten Spielzeit in der Deutschen Oper in Berlin unter Donald Runnicles sang, blieb am ersten Abend rollenbedingt eher unauffällig und erwies sich dann in den Akten 3-5 als unspektakulärer und nicht gerade nuancenreicher Tenor, der sich mit viel Kraft und Lautstärke durch den Abend stemmt, aber auch seine Rolle nur eher marginal ausfüllt und die Personenregie nur grob übernommen hat. Da Storey für Berlin einen gekürzten Aeneas einstudiert hatte, musste die gestrige Vorstellung der Trojaner in Karthago im 5.Akt für ihn gekürzt werden und das letzte Duett mit Dido war gestrichen. Man hatte über beide Abende als Zuschauer nicht den Eindruck, dass er viel Sorgfalt auf die Vorbereitung der Rolleninterpretation gelegt hatte. An der Mailänder Scala hat er ja bereits den Tristan gesungen – nach der Karlsruher Vorstellung eher nicht nachvollziehbar.

Rebecca Raffell als Didos Schwester Anna nutzte ihre Chance eindrucksvoll. Gegenüber der eher unauffälligen Erstbesetzung Karine Ohanyan wertete Raffell ihre Rolle deutlich auf. In ihrer Auftrittszene jongliert sie beim Singen mit 3 Äpfeln, das anschließende Duett mit Didon bekam durch ihre auffällige, farbenreiche und warme Alt-Stimme eine bisher ungehörte sinnliche Dimension. Sie wird im Februar in Händels Alessandro singen – darauf kann man sich jetzt schon freuen!

Heidi Melton stand und sang zu Beginn des 3 Aktes, der im Zuschauerraum gesungen wird, für kurze Zeit direkt neben mir und ich war begeistert, wie mühelos und leicht sie sang. Ich konnte keine Anstrengung feststellen, ganz im Gegenteil: sie sang "natürlich" und ihre wunderbare Stimme nimmt unmittelbar für sie ein. Es fällt nicht schwer ihr eine große Karriere vorauszusagen.

Christoph Gedschold dirigierte konzentriert, sicher und umsichtig und hatte Chor und Orchester jederzeit im Griff. Berlioz' Farben- und Nuancenreichtum ist in den Trojanern so groß, dass man fast jede Szene herausstellen kann. Großartig, wie beeindruckend und doch unterschiedlich die Geisterscheinungen im 2. Und 5. Akt komponiert sind. Das große Vorspiel zum 4. Akt ist fester Bestandteil des Konzertrepertoires von Symphonieorchestern. Die räumliche Dimension der Berliozschen Partitur (Chöre und Instrumentengruppen in verschiedenen Positionen und Entfernungen) können in dem weitläufigen und großen Innenraum des Karlsruher Staatstheater meines Erachtens besser verwirklicht werden als in einem engeren Raum. So wird das ganze Haus bespielt und die Klangeffekte sind überwältigend. Drei Harfen werden für die Trojaner benötigt - in Karlsruhe spielen sie am linken Rand des Zuschauerraums und sind wunderbar zu hören. Chor und Orchester sind ideal einstudiert!

Die getrennt aufgeführten Trojaner sind in der Karlsruher Publikumsgunst noch nicht angekommen. Der erste Abend war zu ca 60-70% ausgelastet, am zweiten Abend nur zu ca 50%. Für den zweiten Teil wurden sogar einige Karten zurückgegeben: etliche belegte Plätze waren wieder verfügbar; das kann aber auch mit der Absage des ursprünglich vorgesehenen Lance Ryans an diesem Abend zusammenhängen.
Während Traviata, Rigoletto, sogar schon Alessandro bei den Händelfestspielen im Februar und die Ballette Nußknacker und Schwanensee sich sehr gut verkaufen und regelmäßig ausverkauft sind, ist die Auslastung bei den Trojanern  (trotz der sehr guten Kritiken) eher mäßig. Vielleicht ist es ja wirklich eine Liebhaber-Oper: es gibt Längen, es gibt anstrengende Momente, aber halt auch Grandioses. Hoffentlich kommt diese Oper noch beim breiten Publikum an und erobert ihren Repertoire-Platz. Das Staatstheater sollte sie einige Jahre im Repertoire halten!

Montag, 7. November 2011

Verdi - Rigoletto, 06.11.2011

Viel zu viel Zeit ist verflossen seitdem in Karlsruhe zuletzt in der Spielzeit 1989/90 Verdis Meisterwerk Rigoletto zu hören war. Entsprechend hoch war gestern die Erwartungshaltung des Publikums bei der Premiere, die allerdings nur die Neuinszenierung einer Produktion war, die fast genau zwei Jahre zuvor in Heidelberg erstmalig gezeigt wurde. Leider blieb es unverständlich und rätselhaft, aus welchen Gründen diese Inszenierung in Karlsruhe wieder belebt wurde.
Rigoletto ist auf Kostümebene in die 1980er Jahre versetzt worden. Der Bühneninnenraum ist dreieckig begrenzt durch helle Lamellenvorhänge, die zwei Hinterräume und eine Empore vom Innenraum abgrenzen und automatisch auf- und zufahren, um den Zuschauern Einblicke zu gewähren. Dazu kommen variabel positioniert Stuhlreihen, die der Bühne den Reiz eines Warte- oder Seminarraums geben und gelegentlich ein Bett im Hintergrund. Daraus ergibt sich ein Bühnenbild von selten gesehener, unattraktiver Beliebigkeit, das so unspezifisch, ja charakterlos ist, daß man darin genauso gut andere Opern oder Theaterstücke spielen könnte. Der Regisseur Jim Lucassen hatte gute Ideen,  findet dafür aber nur selten gelungene Lösungen; die Personenregie kommt über gutes Mittelmaß nicht hinaus. Die Chorregie ist dilettantisch: so vermittelt das erste Bild das Flair eines Kegelvereins auf Kaffeefahrt; in der Gewitterszene des dritten Akts, bei der Verdi die Windmaschine durch einen wortlos summenden Männerchor ersetzt, gerät die Ermordung Gildas zu einer unfreiwillig komischen Halloween Farce.