Freitag, 11. November 2011

Berlioz - Les Troyens 1+2, 09.11.2011 / 10.11.2011

Die Karlsruher Oper bietet die Trojaner auch unterteilt an zwei aufeinanderfolgenden Abenden an, entsprechend der ersten Komplettaufführung am 5. und 6. Dezember 1890 am Karlsruher Hoftheater. An den beiden letzten Abenden wurde nun zum ersten Mal die Neuinszenierung der Berlioz' Oper als Die Eroberung Trojas und Die Trojaner in Karthago getrennt aufgeführt. Beide Lösungen sind gleichwertig: vermittelt die Komplettaufführung mit über 5 Stunden Dauer das intensivere Gesamterlebnis, erlaubt die getrennte Aufführung die unterschiedlichen musikalischen Farben der beiden Abende besser aufzunehmen.

Es gab wenige personelle Änderungen: Der Brite Ian Storey, der den Aeneas bereits in der letzten Spielzeit in der Deutschen Oper in Berlin unter Donald Runnicles sang, blieb am ersten Abend rollenbedingt eher unauffällig und erwies sich dann in den Akten 3-5 als unspektakulärer und nicht gerade nuancenreicher Tenor, der sich mit viel Kraft und Lautstärke durch den Abend stemmt, aber auch seine Rolle nur eher marginal ausfüllt und die Personenregie nur grob übernommen hat. Da Storey für Berlin einen gekürzten Aeneas einstudiert hatte, musste die gestrige Vorstellung der Trojaner in Karthago im 5.Akt für ihn gekürzt werden und das letzte Duett mit Dido war gestrichen. Man hatte über beide Abende als Zuschauer nicht den Eindruck, dass er viel Sorgfalt auf die Vorbereitung der Rolleninterpretation gelegt hatte. An der Mailänder Scala hat er ja bereits den Tristan gesungen – nach der Karlsruher Vorstellung eher nicht nachvollziehbar.

Rebecca Raffell als Didos Schwester Anna nutzte ihre Chance eindrucksvoll. Gegenüber der eher unauffälligen Erstbesetzung Karine Ohanyan wertete Raffell ihre Rolle deutlich auf. In ihrer Auftrittszene jongliert sie beim Singen mit 3 Äpfeln, das anschließende Duett mit Didon bekam durch ihre auffällige, farbenreiche und warme Alt-Stimme eine bisher ungehörte sinnliche Dimension. Sie wird im Februar in Händels Alessandro singen – darauf kann man sich jetzt schon freuen!

Heidi Melton stand und sang zu Beginn des 3 Aktes, der im Zuschauerraum gesungen wird, für kurze Zeit direkt neben mir und ich war begeistert, wie mühelos und leicht sie sang. Ich konnte keine Anstrengung feststellen, ganz im Gegenteil: sie sang "natürlich" und ihre wunderbare Stimme nimmt unmittelbar für sie ein. Es fällt nicht schwer ihr eine große Karriere vorauszusagen.

Christoph Gedschold dirigierte konzentriert, sicher und umsichtig und hatte Chor und Orchester jederzeit im Griff. Berlioz' Farben- und Nuancenreichtum ist in den Trojanern so groß, dass man fast jede Szene herausstellen kann. Großartig, wie beeindruckend und doch unterschiedlich die Geisterscheinungen im 2. Und 5. Akt komponiert sind. Das große Vorspiel zum 4. Akt ist fester Bestandteil des Konzertrepertoires von Symphonieorchestern. Die räumliche Dimension der Berliozschen Partitur (Chöre und Instrumentengruppen in verschiedenen Positionen und Entfernungen) können in dem weitläufigen und großen Innenraum des Karlsruher Staatstheater meines Erachtens besser verwirklicht werden als in einem engeren Raum. So wird das ganze Haus bespielt und die Klangeffekte sind überwältigend. Drei Harfen werden für die Trojaner benötigt - in Karlsruhe spielen sie am linken Rand des Zuschauerraums und sind wunderbar zu hören. Chor und Orchester sind ideal einstudiert!

Die getrennt aufgeführten Trojaner sind in der Karlsruher Publikumsgunst noch nicht angekommen. Der erste Abend war zu ca 60-70% ausgelastet, am zweiten Abend nur zu ca 50%. Für den zweiten Teil wurden sogar einige Karten zurückgegeben: etliche belegte Plätze waren wieder verfügbar; das kann aber auch mit der Absage des ursprünglich vorgesehenen Lance Ryans an diesem Abend zusammenhängen.
Während Traviata, Rigoletto, sogar schon Alessandro bei den Händelfestspielen im Februar und die Ballette Nußknacker und Schwanensee sich sehr gut verkaufen und regelmäßig ausverkauft sind, ist die Auslastung bei den Trojanern  (trotz der sehr guten Kritiken) eher mäßig. Vielleicht ist es ja wirklich eine Liebhaber-Oper: es gibt Längen, es gibt anstrengende Momente, aber halt auch Grandioses. Hoffentlich kommt diese Oper noch beim breiten Publikum an und erobert ihren Repertoire-Platz. Das Staatstheater sollte sie einige Jahre im Repertoire halten!