Mittwoch, 24. November 2021

Der nächste Corona-Winterschlaf für Theater tritt in Kraft

Die Theater müssen zwar nicht offiziell schließen, werden aber durch die ausgerufene Alarmstufe II der neuen Corona-Verordnung von Baden-Württenberg quasi in den Winterschlaf geschickt. Die Alarmstufe II soll ab einer landesweiten Intensivbetten-Auslastung von 450 Corona-Patienten oder ab einer Sieben-Tages-Hospitalisierungsinzidenz von sechs gelten.
Ab heute ist der Zugang zum Theater doppelt beschränkt: "Der Zugang ist nur für Geimpfte oder Genesene gestattet, die zusätzlich einen negativen Antigen- oder PCR-Test vorweisen können. Der Antigen-Test darf nicht älter als 24 Stunden, der PCR-Test höchstens 48 Stunden alt sein." Wegen einem Theaterbesuch einem Test hinterherzurennen, dürfte für viele kaum machbar oder zumutbar sein.
Die Theater dürfen dennoch nur noch 50% der Plätze vergeben. Der 2G-Nachweis muß übrigens digital erbracht werden, der Impfausweis reicht nicht mehr aus. Das Geld für nicht nutzbare Eintrittskarten kriegen Zuschauer auch nicht zurück. Laut Badischem Staatstheater: "Nicht-immunisierten Personen sowie Personen ohne negativem Corona-Schnelltestergebnis gewähren wir auf bereits erworbene Karten eine kostenlose Stornierung gegen einen Gutschein."
Es könnte sein, daß für viele nun bis zum Frühjahr die nächste theaterlose Zeit anbricht.

PS (1): Der künstliche Winterschlaf gilt nicht für die Mitarbeiter. Der Spielbetrieb wird aufrechterhalten.

PS (2): Inzwischen hat das Land die Corona-Verordnung wieder geändert. Aktuell (13.12.2020) gilt: "Personen, die eine Auffrischungsimpfung (sog. Booster-Impfung) vorweisen können oder deren Vollimmunisierung (i.d.R. Zweitimpfung) nicht länger als sechs Monate zurück liegt, müssen keinen zusätzlichen Testnachweis vorlegen"
Aktuelle Einlaß-Regeln finden sich zur Zeit hier: https://www.staatstheater.karlsruhe.de/service/ihr-besuch/

Dienstag, 23. November 2021

3. Symphoniekonzert, 22.11.2021

Die Rückkehr glanzvollster Normalität in Zeiten galoppierender Infektionszahlen
Endlich wieder großes Orchester, das 3. Konzert der Saison war das erste seit März 2020 mit symphonisch angemessener Besetzung; und mit Werken von Brahms, Grieg und Strauss gab es lauter Schwergewichte des Repertoires. Auch das Publikum durfte wieder zahlreich erscheinen, trotz vierter Welle und Rekordinzidenzzahlen von über 400 bzw. 450 im Stadt- und Landkreis Karlsruhe. Nur wer geimpft oder genesen ist ("2G") darf Vorstellungen noch besuchen, den Mundschutz muß man trotzdem ständig tragen und wieder eng mit Fremden ohne Leerreihen und Leerplätze zusammen zu sitzen, kann nach so langer Zeit schon ein etwas seltsames Gefühl sein. Doch wen wird das groß gekümmert haben angesichts eines so grandios gelungenen Konzertabends, der an normale Zeiten erinnerte.

Sonntag, 14. November 2021

Breiner - Was ihr wollt (Ballett), 13.11.2021

Eine ernst genommene Komödie
John Cranko zeigte einst mit Der Widerspenstigen Zähmung (mehr dazu hier) wie man eine Shakespeare-Komödie so choreographiert, daß Witz und Charme getanzt beeindrucken. Nun traut sich Bridget Breiner mit ihrem ersten abendfüllenden Handlungsballett in Karlsruhe an Shakespeares Verwechslungskomödie Was ihr wollt und nimmt sich dabei viel vor - Liebesdrama und Verzweiflung, Intrige und Komödie, ein tänzerischer und musikalischer Stilmix mit Stimmungsschwankungen und Verzauberung, ambitioniert, abwechslungsreich, mit starken, aber auch mit schwachen Momente. Die choreographierte Handlung spielt nicht vor sommerlich-sonnigen Hintergrund, sondern hat dunkle Abgründe. Der Funke sprang szenisch vielleicht ein wenig zu selten über, dem Premierenerfolg tat das keinen Abbruch, denn Tänzer und Musiker waren hochmotiviert und zeigten starke Leistungen.

Freitag, 29. Oktober 2021

von Schirach - Gott, 28.10.2021

Scheinveranstaltung mit Scheinargumenten
Ferdinand von Schirachs Terror (mehr hier) als Theaterstück mit Publikumsbeteiligung war ein großer kommerzieller Erfolg, über eine halbe Million Besucher sollen es weltweit im Theater gesehen haben. Ethische Dilemma als unlösbare Konflikte, bei denen man stets falsch handelt, wenn man richtig handeln will, werden buchstäblich verhandelt, in Terror als Gerichtsverhandlung, nun in Gott vor einem Ethikrat und am Schluß darf der Zuschauer seinen Senf beitragen und seine unmaßgebliche Meinung in einer Zuschauerabstimmung kund tun. 'Schuldig oder nicht schuldig' (Terror), nun sogar 'Tod oder Leben', denn in Gott geht es um den Wert eines Lebens und die Frage der assistierten Sterbehilfe. Eine 78jährige, kerngesunde(!), aber traurige Witwe will aus dem Leben scheiden, vor der anzuwendenden Gewalt gegen sich selbst scheut sie zurück und fordert das Recht auf medizinisch verträgliches Ableben mittels einer letalen Überdosierung eines Medikaments.
Die Premierenkritiken im Frühherbst 2020 waren schlecht und vor der TV-Premiere Ende November 2020 geriet der Text stark unter Druck. In einem Offenen Brief schrieben Palliativmediziner und Psychologen zu Schirachs Stück ein vernichtendes Urteil: "Die handelnden Personen entsprechen zum Teil einem Zerrbild und auch die Fakten entsprechen zum Teil nicht dem aktuellen wissenschaftlichen Stand. Auch fehlen die Positionen der modernen Suizidprävention. Darüber hinaus entsprechen weite Teile der Diskussion nicht der eigentlichen Frage." Gott taugt nicht als Diskussionsbasis über Sterbehilfe, dazu ist der Text zu schwach konstruiert, Personen und Argumente sind nicht ausgeglichen, ein argumentatives Unentschieden will der parteiische Autor nicht erreichen. Was man sieht, darf man auf keinen Fall inhaltlich überbewerten, denn Realität findet sich kaum in dieser Fiktion von Scheinargumenten in einer so nicht existierenden Scheinveranstaltung. Somit stellt sich nur die Frage, ob Gott trotz eklatanter Schwächen gutes Theater bieten kann. In Karlsruhe erlebt man eine ruhige, unaufgeregte Inszenierung mit dem etwas langweiligen Reiz einer Talkshow, in der unter sehr guten Schauspielern  insbesondere Jannek Petri und Timo Tank als meinungsstarke Figuren ihr Können unter Beweis stellen.

Sonntag, 24. Oktober 2021

Mozart - La finta giardiniera, 23.10.2021

Hochmotiviert und beseelt
Seit 20 langen Monaten unterliegen die Theater den Virus-Beschränkungen und als man diese Spielzeit plante, konnte man nur ahnen, welchen Verlauf die Epidemie nehmen würde. Ein kleines Orchester, das nicht zu eng zusammensitzen darf, keinen Chor, eine überschaubare Anzahl an Sängern und ggf. eine durch Kürzung einfach zeitlich anpaßbare Oper - es mögen solche Erwägungsgründe gewesen sein, die dazu führten, daß nach über 35 Jahren Mozarts selten gespieltes Frühwerk La finta giardiniera auf die Bühne des Badischen Staatstheaters zurückkehrte. Doch die Rückkehr stand bei der gestrigen Premiere in vielerlei Hinsicht unter einem glücklichen Stern: hochmotivierte Sänger und Musiker und eine beseelte Aufführung in liebevoll gestalteter, attraktiver Inszenierung - der frühe Mozart erwies sich als Glücksgriff zum richtigen Zeitpunkt!

Freitag, 8. Oktober 2021

Ade - Toni Erdmann, 07.10.2021

Die Uneigentlichkeit der Karrierefrau
2016 wurde Toni Erdmann beim Filmfestival in Cannes zwar nicht ausgezeichnet, aber beim Publikum kam der Film überraschend gut an - ein Hype, den sich allerdings manche nicht erklären konnten, denn der langsam erzählte Film taugt kaum zum Kult und wirkte wie eine Seifenblase, die einige Zeit schön schwebte und dann sanft und folgenlos zerstob. Die in Karlsruhe geborene Maren Ade gewann als Drehbuchautorin und Regisseurin einige Preise für ihren Film über sich entfremdete Menschen, im dem eine ambitionierte junge Frau vorübergehend in eine Sinnkrise gestürzt wird als ihr herumalbernder Vater sie und ihre Karrierewünsche nicht versteht und sich in ihr Leben drängt. Da bietet es sich an, in Karlsruhe eine Bühnenfassung zu zeigen. Was steckt im Bühnen-Toni Erdmann? Regisseurin Maria Viktoria Linke bleibt eng am Film, verändert aber die Balance ungünstig, der dokumentarisch wirkende Charakter wird zugunsten grotesker bzw. surrealer Szenen aufgegeben. Wo der Film stets eine Distanz wahrte, will die Regisseurin werten, insbesondere die Figur der Tochter leidet darunter, deren Karriere am gekürzten Ende keine Rolle spielt, sondern die in der neuen Schlußszene zurück in die Arme ihres Vaters flüchtet. Doch das größte Mißverständnis offenbart erneut eine eklatante Schwäche des Karlsruher Schauspiels. Nicht nur gab es seit der glorreichen Schauspieldirektion Knut Webers keine rasante Komödie mehr, es gab auch seit einem Jahrzehnt nur einen sehr verklemmten bzw.  angestrengten Humor, der nie lustig werden wollte. Nun versucht die Regisseurin Toni Erdmann als Komödie zu inszenieren, es gibt auch ein paar gute Einfälle und Momente, bei denen allerdings stets nur wenige lachen, doch es ist fast schon peinlich, wie viele Szenen in den Sand gesetzt werden und wie -man muß es leider mal deutlich schreiben- angestrengt, uninspiriert und fast schon dilettantisch wirkend die Regie versucht, Komik zu erzeugen. Es gibt Aufführungen von Amateur- und Schülertheatern, die mehr Sinn für Humor, Pointen und Timing zeigen als diese komödiantisch unterdurchschnittliche Inszenierung.

Samstag, 2. Oktober 2021

Wolf - Medea. Stimmen, 29.09/01.10.2021

Die abgeflachte Dramaturgie der Scheintriftigkeit
Christa Wolfs Reputation hat stark gelitten. Wolf (*1929 †2011) stand der DDR-Diktatur nicht kritisch genug gegenüber, sie war privilegiertes SED-Unterdrückungsparteimitglied, zwischendurch Kandidatin des Zentralkomitees der SED und Spitzel der Staatssicherheit, als informelle Mitarbeiterin der Stasi war sie allerdings nur kurze Zeit Teil des Regimes. Aber egal, der Mensch wird vergehen, das Werk bleibt bestehen, Mensch und Künstler sind getrennt zu bewerten. Doch auch als Autorin ist Wolf schlecht gealtert. Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki bezeichnete Wolf 1987 "als 'DDR-Staatsdichterin', deren künstlerische und intellektuelle Möglichkeiten weit überschätzt seien, und kritisierte ihre politisch ambivalente Haltung". Der Literaturwissenschaftler und aktuelle literarische Stil-Papst Michael Maar erwähnt sie in seinem Besteller Die Schlange im Wolfspelz: Das Geheimnis großer Literatur nur am Rand als Autorin blasser Kunstprosa. Der für den SWR tätige, stets unterhaltsame Literaturkritiker Denis Scheck setzte Wolfs bekanntestes Werk Kassandra sogar auf seine Liste des Anti-Kanons der schlechtesten Bücher (mehr hier). Er erkennt zwar ihren literarischen Mut an ("Wer Christa Wolf liest hat nichts zu lachen, ... diese Autorin malt mit schwarzem Pinsel auf schwarzem Grund", "wie 7 Tage Regen an der Ostsee"), nicht auszuhalten sei an Wolfs Prosa der "Ton der Besserwisserei und moralischer Überlegenheit, selbstzufriedenen Pharisäertums und pietistischer Enge, die fromme Überfliegerei, das kleinmütige Strebertum, das dogmatische Freund-Feind-Schema, der Mangel an Differenzierung und diese elende permanente Rechthaberei ... Christa Wolf hält sich nicht mit Grautönen auf und macht sich das Fällen der Urteile in ihrem moralischem Gerichtshof sehr sehr leicht". Aufmerksame Karlsruher Theatergänger werden bei der Analyse des Literaturkritikers ein überraschendes Déjà-vu erleben: diese Beurteilung klingt, als ob damit das Schauspiel unter Anna Bergmann beschrieben werden könnte, und man mag spekulieren, ob in dieser Affinität ein Grund liegt, wieso Bergmann Wolfs wenig geglückten Roman Medea. Stimmen auf die Theaterbühne bringt. Doch die Schauspieldirektorin springt mit dieser Inszenierung gewissermaßen über ihren Schatten und begnügt sich damit, Wolfs Medea nahe am Roman zu erzählen. Die Transformation des Romans auf die Bühne ist bemerkenswert gelungen, und das passiert selten genug. Die Inszenierung ist spannend, einfallsreich, gibt den Schauspielern ausreichend Raum zur Entfaltung und ist auf jeden Fall sehenswert. Nur die Scheintriftigkeit des Romans führt letztendlich zu einer abgeflachten Dramaturgie, die eine Spannung mehr aufbauscht denn aufbaut.

Dienstag, 21. September 2021

1. Symphoniekonzert, 20.09.2021

325 Tage nach dem letzten Konzert (dem grandiosen Beethoven-Marathon im Konzerthaus - mehr hier) gab es endlich wieder ein Konzert der Badischen Staatskapelle. Der im sächsischen Meißen geborene GMD Georg Fritzsch dirigierte zwei populäre, in Leipzig uraufgeführte romantische Standardwerke zum Beginn der Saison.

Sonntag, 19. September 2021

Theatertag, 18.09.2021

Ein wenig Aufbruch, ein wenig Neustart und ganz viel Provisorium
Ein neuer Intendant für die nächsten drei Jahre und der Beginn des Umbaus - nicht nur wegen des Corona-Virus befindet man sich in der Baumeisterstraße in einer Übergangsphase, über ein Jahrzehnt der Provisorien steht bevor. Baustellen und Übergänge sind spannend, aber nach außen nicht stetig attraktiv. Es wird eine zentrale Aufgabe werden, nicht den Kontakt zu Abonnenten und Zuschauern zu verlieren und vor allem nach einem sehr ideologisch und intendanzzentriert geprägten, problematischen Jahrzehnt eines wieder strikt in den Mittelpunkt zu stellen: Qualität und Freude. Es braucht Publikumslieblinge und zuverlässige Konstanten, die Besucher gerne zurückkehren lassen, Orchester und Ballett scheinen sehr gut aufgestellt, die Oper muß sich noch ein wenig sortieren und zurück zu alter Stärke finden. Nur das Schauspiel dümpelt uninspiriert und bieder vor sich hin, ob mit Schauspieldirektorin Anna Bergmann die Wende zu Freude, Vielfalt und Abwechslung möglich ist, darf man inzwischen stark bezweifeln. Gestern waren auf und vor der Bühne Erleichterung und Freude angesichts der Wiederaufnahme des Spielbetriebs kaum zu übersehen, Intendant Peters wird dennoch für frischen Wind sorgen müssen.

Freitag, 17. September 2021

Was macht eigentlich Dr. Kehrmann?

Und noch ein kurzer Blick hin zum beliebten und kompetenten Boris Kehrmann, der eine perspektivöffnende Badische Rebellion am Staatstheater auslöste und der noch viele Freunde und Fans in Karlsruhe hat: Seit dieser Spielzeit ist er Chefdramaturg der Oper in Halle, wo es offensichtlich einen  interessanten und abwechslungsreichen Spielplan gibt. Kehrmann betreut Opern von Verdi, Britten, Aribert Reimann und Jan Paderewski sowie eine szenische Umsetzung von Händels Brockes Passion. Mehr dazu hier: https://buehnen-halle.de/boris_kehrmann.

Donnerstag, 16. September 2021

Intendant Peters im Interview

"Das Staatstheater war nie ein Haus für Anfänger"
Mit diesem Satz wird der neue Intendant des Badischen Staatstheaters nach dem vergangenen Jahrzehnt viele Sympathien beim Publikum gewinnen und er widerspricht auch der Sicht, Karlsruhe sei ein Karrieresprungbrett: "Das ist es aus meiner Sicht weder für Sänger noch für Regisseure." Und auch dem Quotengehabe tritt Ulrich Peters mit gesundem Menschenverstand entgegen: "Ich versuche immer, die Besten zu engagieren, ob sie nun weiblich oder männlich sind."
Das interessante, wenn auch für Theaterfans zu kurze Interview (u.a. über Vorfreude, Erstaunen und Kritik, u.a. am Opernspielplan) findet sich für Abonnenten auf den Seiten der BNN, und zwar hier: https://bnn.de/karlsruhe/badisches-staatstheater-karlsruhe-intendant-ulrich-peters-interview-berufung-zukunft 

Sonntag, 12. September 2021

Barockes auf ARTE

Max E. Cencics neues Barockfestival im wunderschönen Markgräflichen Opernhaus ins Bayreuth (https://www.bayreuthbaroque.de/) hatte bei seiner letztjährigen Premiere Pech, und auch dieses Jahr erzwingt die Virusepidemie Einschränkungen. Wer unter Barockmusikentzug leidet, kann auf ARTE für kurze Zeit Aufzeichnungen des Festivals abrufen, u.a. eine Konzert mit Franco Fagioli (hier) und eine komplette Aufzeichnung von Cencics Inszenierung von Porporas Carlo il Calvo (und zwar hier) mit Cencic und Fagioli als Sänger. Weiterhin zeigt ARTE Händels Rodelinda von den diesjährigen Göttinger Händel-Festspielen (hier).
Neues berichtete die BNN diese Woche (hier) zu den Karlsruher Händel Festspielen: Michael Fichtenholz verzichtet auf seinen Posten als Leiter der Festspiele und hat um Auflösung seines Vertrags gebeten (zu den Vorkommnissen um seine Person mehr hier und hier).

Freitag, 3. September 2021

Das instrumentalisierte und ideologisierte Theater (3)

Die DDR-Diktatur als Kinderidyll für Anna Bergmann?
Die Selbstdarstellung des Schauspiels unter seiner Direktorin Anna Bergmann ist eine Mischung aus unfreiwilliger Komik und Ideologisierung, doch vor allem der Diktatur-Verharmlosung auf der Internetseite des Staatstheaters (und zwar hier) muß vehement widersprochen werden. Und auch sonst darf Widerspruch nicht fehlen, denn schweigen wird gerne als Zustimmung bewertet. Keine Karlsruher Sparte ist im vergangenen Jahrzehnt stärker abgestürzt als das Schauspiel: kaum Freude, selten  Stimmung, es mangelt an guten Stücken, statt Handlungen gibt es zu oft Belehrungen, statt Konflikten gibt es Moral, statt Menschen findet man Klischees. Es geht zu wenig um inhaltsreiche Qualität und dafür zu oft um aufdringliche Symbolik. Diese Schwächen sollen kompensiert werden durch eine Positionierung als Moralapostel. Wer künstlerisch nichts zu sagen hat, der kann immerhin noch den Zeigefinger heben. Viele deutsche Theatermacher scheinen zu denken, Aufmerksamkeit verdient zu haben, weil sie das Theater als Ort der ideologischen Belehrung instrumentalisieren: die Inszenierung mag noch so unterirdisch sein, man soll aber gefälligst der "politisch korrekten" Haltung applaudieren. Wer als Zuschauer nicht zum Mitläufer werden will, muß widersprechen oder den Vorstellungen fern bleiben.

Donnerstag, 2. September 2021

Das instrumentalisierte und ideologisierte Theater (2)

Gender-Clown*innen, Genderpfaffen*innen und Gender-Taliban*innen sind als Mensch*innen oft ideologische Betonköpf*innen, die Sündenböck*innen suchen
Eine Abschweifung am Anfang: Humor ist eine Tür zur Gedankenfreiheit, Gendern (im Folgenden: Dschendern) kann viel Spaß machen, wenn man die Lächerlichkeit daran auskostet. Es gibt viele Identitätsschubladen, die nicht zur gedschenderten Sprache kommen; nur zwei Kategorien sollen immer genannt werden, die Genitalien werden zur wichtigsten Unterscheidungskategorie, männlich und weiblich sollen gesondert ausgewiesen werden - das birgt Komik. Das wäre doch ein amüsanter Karikaturwettbewerb, bei dem Gewinner wird, dessen gedschenderte Geschichte am bescheuertsten klingt.
Doch zurück: viele staatliche Institutionen dschendern, obwohl es orthographisch nicht korrekt ist, eine deutliche Mehrheit der Bundesbürger das Dschendern ablehnt und sprachliche Rücksichtnahme auch ohne Sternchenverhunzung möglich ist. Wie konnte es so weit kommen, daß man -auch am Theater- undemokratisch, von oben herab versucht, Sprache zu manipulieren?

Mittwoch, 1. September 2021

Das instrumentalisierte und ideologisierte Theater (1)

Die unfreiwillige Komik im Egoelfenbeinturm
Wird nun alles besser? Oder bleibt das Badische Staatstheater ein Klienteltheater? Schauspieldirektorin Anna Bergmann scheint das Machtvakuum nach Abgang des alten und vor Amtsbeginn des neuen Intendanten ausgenutzt zu haben: "Für die kommenden Monate kündigt sie eine Radikalisierung des Programms an, weg vom 'Gemischtwarenladen' hin zu Fokussierung auf Themen, die ihr wichtig sind", verkündet etwas versteckt die Internetseite des Staatstheaters. Doch wie programmatisch öde, kleinkariert und monoton wirkt es, wenn alles, was Frau Bergmann als Schauspieldirektor verantwortet, sich innerhalb ihres engen persönlichen Horizonts abspielen sollte? Sie mag es ja toll finden, nicht über ihren Suppenteller hinausschauen zu müssen und in ihrer eigenen Filterblase zu verbleiben, aber es scheint doch eine narzißtische Selbstüberschätzung zu sein, damit gutes "Theater für alle" machen zu wollen. Statt Vielfalt und Abwechslung (oder wie sie es nennt: "Gemischtwarenladen") kündet sie Eintönigkeit und Themenenge durch radikale Einschränkung an. Der neue Intendant sollte ihr bei der Selbsterkenntnis helfen, daß Theater, Bühne und Künstler nicht Mittel zum Zweck ihrer Ego-Show sind. Die Millionen Euro Steuergelder, die die Schauspieldirektorin  zur Verfügung gestellt bekommt, sind für gutes Theater gedacht, nicht um ihre persönlichen Befindlichkeiten und Gesinnungen auszuleben. Es geht darum, daß endlich wieder lebendiges, spannendes Schauspiel gezeigt wird, Applaus gibt es für Qualität, nicht für eine Instrumentalisierung der Bühne zu persönlichen Zwecken. An einem Staatstheater geht es also nicht darum, daß Verantwortliche sich aufspielen und ausleben. Die angekündigte "Radikalisierung des Programms" bedeutet Theater, das dem Publikum den Rücken zudreht.

Freitag, 23. Juli 2021

Intendant Peters im Interview

Dr. Ulrich Peters hat einer Mitarbeiterin des Kindertheaters Fragen beantwortet, u.a. zu seinem Werdegang, der Anfrage zur Übernahme des Badischen Staatstheaters, seinem Wunsch, wieder öfters Regie zu führen (Ulrichs interessiert sich z.Z. für die Opern des jungen Verdi und nennt als Beispiel I Masnadieri (basierend auf Schillers Räuber) und vergessene entartete Opern, die nach 1933 verschwanden und eine Wiederentdeckung verdienen), seine musikalische Vorliebe für Heavy Metal-Musik und die Idee einer Heavy Metal-Oper in Karlsruhe u.ä. Für das bestehende Repertoire scheint ihm in Karlsruhe eine Carmen zu fehlen. Ein sympathisches, ca. zwanzigminütiges Interview, das aktuell aber bisher nur über das Instagram-Konto des Kindertheaters anzusehen ist und eine Anmeldung erfordert, aktuell hier: https://www.instagram.com/tv/CRmJx1_o6Op/

Dienstag, 13. Juli 2021

Der falsche Intendant

Es wurde hier genug geschrieben über das vergangene Intendanz-Jahrzehnt am Badischen Staatstheater, doch es ist vorbei, der Blick geht längst nach vorne. Aus der Zuschauer- und Beobachterperspektive wurden auf diesen Seiten frühzeitig Rückschlüsse gezogen und Kritik formuliert, untenstehend finden sich Texte, die seit 2015 auf einer besonderen Blog-Seite Einsprüche sammelten und nun hier außerhalb der Aktualität verbleiben. Gerade Theatergänger wissen: Qualität setzt sich durch, das Wahre, Schöne, Gute übersteht, Shakespeare wird auch nach vierhundert Jahren gespielt, dreihundert Jahre alte Barockopern machen heute ein weltweites Publikum glücklich, eine mißratene Intendanz ist ein Rückschlag, den man nun zu den Akten legen kann.

Montag, 12. Juli 2021

Lieber ein Ende mit Schrecken ... (2)

Bei der FAZ kommentiert ein politischer Korrespondent die Intendanten-Kündigung aus dem Kulturbereich und übt Kritik an Ministerin Teresia Bauer.

Donnerstag, 8. Juli 2021

Lieber ein Ende mit Schrecken ...

Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich's ziemlich ungeniert (?)
Als im letzten November eine Vertragsauflösung mit dem Generalintendanten des Badischen Staatstheaters (der, dessen Name hier nicht mehr genannt werden sollte) für den Sommer 2021 angekündigt wurde, wirkte das wie eine überfreundliche Überbrückungsgeste, manche dachten dabei an Grünen Filz, immerhin kennen sich die Ministerin und der Intendant gut, neun Monate weitere Gehaltszahlungen fürs Fernbleiben (also spekuliert ca. 200.000 €, ggf. weniger, falls Leistungsanteil vorhanden) plus eine Ablöse sind großzügig. Das wäre auch anders gegangen: anhand der Vorfälle und dem Reputationsverlust des Theaters hätte man den Intendanten im November auch aus wichtigem Grund außerordentlich kündigen können. Es gibt Arbeitnehmer, denen so etwas für weit weniger widerfährt. Der Intendant hätte vor ein Arbeitsgericht ziehen können, um eine Abfindung zu erstreiten. Das wollte man im November aber gerade nicht, denn dabei könnte auch schmutzige Wäsche gewaschen werden. Doch sieben Monate später scheinen sich beide Parteien immer noch nicht auf die finanziellen Details des Abgangs geeinigt zu haben, der Intendant spekuliert wahrscheinlich gerichtlich auf mehr als geboten. Die Situation ist so verfahren, daß Stadt und Land die Reißleine ziehen: Peter Spuhler wurde heute mit sofortiger Wirkung gekündigt.

Sonntag, 4. Juli 2021

Symphoniekonzert als Livestream, 04.07.2021

Wer weiß, vielleicht war das heute Morgen das letzte live gestreamte Konzert, ab Herbst sollte alles -toitoitoi- wieder vor Publikum stattfinden können. Schon  heute um 11 Uhr waren auch wieder einige Zuschauer im Haus erlaubt, das Konzert wird zusätzlich um 18 Uhr vor Publikum musiziert. Mit Schubert, Hummel und Mendelssohn hat man dazu ein zu schönes Programm. Schade, daß es mehr Konzertbesucher verpassen als teilnehmen können.

Henze - Das Wundertheater (als Livestream), 03.07.2021

Der Künstler als Sensibelchen und Weichei
Die Viruspandemie macht's möglich, denn sonst hätte man wohl kaum die Chance, Hans Werner Henzes Kurzsingspiel Das Wundertheater kennenzulernen. Nachdem es letzte Woche den Prolog aus Strauss' Ariadne auf Naxos zu hören gab, folgte nun der zweite Teil in solider Umsetzung, bei dem ein Schwachpunkt im Versuch liegt, die Anknüpfung an die Ariadne aus der wehleidigen Perspektive bedauernswert überempfindlicher Künstlerseelen zu konstruieren.

Sonntag, 27. Juni 2021

Strauss - Vorspiel zu Ariadne auf Naxos (als Livestream), 26.06.2021

Richard Strauss' Vorspiel zu Ariadne auf Naxos in Kombination mit Hans Werner Henzes Singspiel Das Wundertheater, die aber an zwei Wochenenden einzeln gestreamt werden? Erste Zuschauer konnten gestern in Karlsruhe zurückkehren und bereits die ganze Produktion live sehen, vorausgesetzt sie erbrachten den Nachweis, geimpft, getestet oder genesen zu sein. Was das Badische Staatstheater bieten will, erschließt sich für das digitale Publikum erst am nächsten Samstag, wenn das Wundertheater übertragen wird. Als kurze, orchestral kleindimensionierte Werke, die vielen Sängern die Chance für Auftritte verschaffen, ergibt diese Zusammenstellung des genialen Klangmagiers Strauss mit dem spröden, wenig populären Henze einen der Pandemie geschuldeten Sinn. Ob die Kombination gelungen ist, bleibt noch offen. Das gestrige Ariadne-Vorspiel machte schon mal Appetit auf mehr.

Sonntag, 6. Juni 2021

Symphoniekonzert als Livestream, 06.06.2021

Erneut streamt die Badische Staatskapelle ein bemerkenswert schönes Konzert. Werke des Rokoko und des Neobarock standen im Mittelpunkt und Dirigent Johannes Willig führte in den Pausen kenntnisreich durch die Entstehungsgeschichte.

Freitag, 4. Juni 2021

Zukunft Choreographie (Ballett als Livestream), 03.06.2021

Gelungener Positionswechsel
Bridget Breiner setzt Birgit Keils Nachwuchsförderung fort. 16 Tänzer des Badischen Staatsballett präsentierten gestern eigene Choreographien - von Solos über Duette bis zum achtköpfigem Ensembletanz war alles dabei und ein sympathisches, unterhaltsames und abwechslungsreiches Kaleidoskop künstlerischer Kreativität.

Dienstag, 18. Mai 2021

Vorschau auf die Spielzeit 2021/2022

Im Jahr Eins nach so manchem
Durchgeimpft und ohne verheerend neue Virusmutation sollte doch der Spielzeit 2021/22 nichts mehr im Wege stehen. Oper, Ballett und Schauspiel haben nun ihre Planungen öffentlich gemacht, die allerdings noch skeptisch mit Beschränkungen rechnen - ob und wie Abstandsregeln ab Herbst zu beachten sind, ist unklar. Hervorzuheben ist Bridget Breiners Ballett, das besonders ambitioniert und verdienstvoll agiert. Die Oper hat sieben reizvolle Premieren, aber nur wenige Wiederaufnahmen. Nur die Moralapostel des Schauspiels wollen anscheinend, daß dem Publikum das Lachen vergeht - nach einer rasanten Komödie sucht man erneut vergebens, den erhobenen Zeigefinger wird man hingegen zweifellos oft vorfinden.

Donnerstag, 13. Mai 2021

Wer wird neuer Intendant am Badischen Staatstheater?

Stimmt das Gerücht, daß evtl. ein am Badischen Staatstheater Bekannter den Posten des Interimsintendanten ab diesen Sommer übernehmen könnte? Und zwar handelt man aktuell ...

Puccini - Gianni Schicchi (als Livestream), 12.05.2021

Wie die Zeit vergeht! Wer erinnert sich nicht gerne an den letzten Karlsruher Trittico?  In der Spielzeit 2002/2003 inszenierte Robert Tannenbaum die drei knapp einstündigen Opern über Eifersuchtsmord, Himmelfahrt und Erbschaftsbetrug und insbesondere Barbara Dobrzanska als Schwester Angelica rührte dabei zu Tränen. Die dritte Oper des Trittico ist als Komödie ein idealer Kandidat für die Streaming-Premiere des Musiktheaters, Gianni Schicchi (UA 1918 an der New Yorker MET)  bereitete gestern am Bildschirm viel Freude!

Montag, 10. Mai 2021

Berg - In den Gärten oder Lysistrata Teil 2 (Schauspiel als Livestream), 09.05.2021

Feminismus als Frigidität und Freudlosigkeit
Nun streamt auch das Karlsruher Schauspiel gegen die Virusepidemie an und versucht sich sogar an der bundesdeutschen Erstaufführung einer "science-fiction-artigen Komödie", die eher eine mit faschistoiden Vorbildern kokettierende Dystopie ist. Leider bleibt man sich dabei qualitativ enttäuschend treu und inszeniert unoriginell, ohne Witz und Humor und ohne jeden Tiefgang. Seit einem Jahrzehnt versucht man sich angestrengt an Komödien-Inszenierungen, bei denen das Publikum dann kaum lacht, und es ist stark zu bezweifeln, daß In den Gärten, sollte es vor Publikum live gezeigt werden, zu Lachanfällen führen wird. Statt einer Komödie zum Lachen gibt es stattdessen eine lächerliche Komödie. Autorin Sibylle Berg wurde als "Haßpredigerin der Singlegesellschaft" bezeichnet, sie analysierte kürzlich: "Gemeinschaft erleben wir nur noch, wenn wir uns im Haß geeint fühlen" und dieses Motto scheint eine treffende Beschreibung ihres Weltbilds. In ihrer Dystopie über das verkorkste Liebesleben freudlos frigider Frauen durch primitiv plumpe Männer steckt weit mehr Potential als Autorin und Inszenierungsteam ausschöpfen. Stattdessen gibt es einen unfreiwilligen Humor in diesem Stück, das den Feminismus in gewisser Weise als Kompensation für verzweifelte Lieblosigkeit beschreibt und sich an Weisheiten aus der Ratgeberspalte und Horoskopen von Frauenzeitschriften zu bedienen scheint.

Freitag, 30. April 2021

Ballettfilm „Seid umschlungen - Momentaufnahme“, 29.04.2021

Nun gibt es ein weiteres ambitioniertes Angebot des Badischen Staatstheaters: der Ballettfilm Seid umschlungen - Momentaufnahme hatte gestern Online-Premiere und erwies sich als gelungen und sehenswert. Als Erstlingsfilm überzeugte dieses Projekt ästhetisch, Kameraführung und Schnitt fingen die Tänzer und Choreographien wirksam ein, überwiegend neue Choreographien in einer Mischung aus klassischen und modernen Elementen sorgten für Aufmerksamkeit. Ein 80minütiger Appetithappen zur Überbrückung der hoffentlich letzten Epidemiemonate.

Sonntag, 25. April 2021

Symphoniekonzert als Livestream, 25.04.2021

Ein schönes Lebenszeichen mit Mehrwert
Nach dem Ballett meldete sich nun auch die Badische Staatskapelle mit einem live gestreamten Symphoniekonzert zurück und was sich beim Feuervogel bereits abzeichnete, wurde heute morgen deutlich: die Karlsruher Toningenieure haben den Klang optimal eingefangen, das Anhören machte Freude und war ein passabler Ersatz für das fehlende Live-Erlebnis. Und das in der Pause gezeigte Gespräch zwischen GMD Georg Fritzsch und Cellist Isang Enders war hochinteressant und ein weiterer Gewinn.

Sonntag, 18. April 2021

Der Feuervogel (Ballett als Livestream), 17.04.2021

Weiterhin bleiben die Theater geschlossen, aber seit dem 17.04. wird nun in Karlsruhe zurückgestreamt. Das Badische Staatsballett hat eine Ballettpremiere im Livestream kostenlos gezeigt, die Produktion soll nun 14 Tage kostenpflichtig zum Anschauen zur Verfügung stehen. Und auch wenn man am Bildschirm geringdimensionaler und beengter wahrnimmt, so lag der Reiz der gestrigen Live-Übertragung zumindest im Flair einer Aufführung ohne Netz und doppelten Konservenboden. Vieles gelang, tänzerisch, szenisch und musikalisch ist dieser Feuervogel reizvoll mit guten Momenten und man konnte glücklich feststellen, daß das Badische Staatstheater das Live-Erlebnis nicht verlernt hat.

Freitag, 9. April 2021

Wer wird zukünftig die Karlsruher Händel-Festspiele leiten?

Weder Mißverständnis noch Kavaliersdelikt
Im Zweifel immer für den Verdächtigten, doch der frühere Karlsruher Operndirektor und Noch-Leiter der Karlsruher Händel-Festspiele Michael Fichtenholz scheint auch in Karlsruhe nun nicht mehr tragbar. Das Schweizer Fernsehen SRF recherchierte (und zwar aktuell hier), daß hinter Fichtenholz' Abgang in Zürich (mehr auch hier) "Vorwürfe der sexuellen Belästigung stehen. Betroffen sind, so beteiligte Personen, junge Sänger, die Fichtenholz direkt unterstellt waren".

Freitag, 19. März 2021

Ein Jahr im Kulturwinter

Abschied von der Spielzeit 2020/21
Bis mindestens Ende April kann es epidemiebedingt keine Vorstellungen geben, falls danach etwas kommen könnte, wird es im freien Verkauf stattfinden. Das Badische Staatstheater hat nun endgültig alle Abo-Termine bis zum Sommer storniert, die offizielle Spielzeit ist ausgesetzt.

Montag, 8. März 2021

Toxizität von oben

Machtmißbrauch an Opernhäusern: «Wer sich wehrt, wird kaltgestellt»
titelt die Neue Zürcher Zeitung (und zwar hier) und bezieht sich in dem Artikel auch auf Peter Spuhler und Michael Fichtenholz. Durch den Artikel wird untermauert, was man in Karlsruhe spätestens seit letztem Jahr weiß: die Hierarchien im Theater sind in gewisser Weise altertümlich zurückgeblieben. Das selbstverliebte Führungspersonal verwendet zwar gerne den Zeigefinger, verglichen zur freien Wirtschaft herrschen Verhältnisse, die seit einiger Zeit überwunden schienen. Der in der Regel denunzierend eingesetzte Begriff des alten weißen Manns scheint in Wahrheit ein Attribut sich mit Tarnbegriffen wie divers oder bunt aufspielender Kulturmacher zu sein, die das Theater nicht nur in Karlsruhe zum Ort der Spießer und Heuchler gemacht haben. "Der Opernberuf ist ein toxischer Beruf", sagte die während Spuhler/Fichtenholz am Badischen Staatstheater engagierte Mezzosopranistin Katharine Tier der NZZ; "Allein in der Machtfülle, die ein Generalintendant innehat, ist der Machtmißbrauch potenziell angelegt.", wird Barbara Kistner als Vorsitzende des Personalrats am Staatstheater Karlsruhe zitiert.

Sonntag, 28. Februar 2021

Die Affäre Spuhler als die Affäre Bauer

Vom "Treiben eines bösen alten weißen Mannes" und der "Überforderung mit der Führungsverantwortung"
Man mag es bedauern, daß Kulturpolitik wenig öffentliche Aufmerksamkeit genießt, man kann es beklagen, daß auch andere mißglückte Affären um Ministerin Theresia Bauer ihr politisch bisher nichts anhaben konnten, manch einer mag den unguten und beunruhigenden Verdacht hegen, daß Presse und Medien die Affäre um Generalintendant Spuhler dann empört skandalisiert hätten, wenn das Ministerium von einem männlichen Minister von CDU oder FDP statt von einer Grünen geführt wäre, und manch einer mag mit einer gewissen Empörung darauf reagieren, daß viel verschwiegen, geschwiegen und geheuchelt wird und eine Aufarbeitung wohl erst nach Abgang der sich politisch noch im Amt befindlichen Politiker möglich sein wird. Klüngelpolitik und politisches Versagen beklagte im Januar schon die Stuttgarter Zeitung (mehr hier), nun hat auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung eine kurze Zusammenfassung zur "Affäre Spuhler" veröffentlicht, die auch eine Affäre Bauer ist.

Donnerstag, 25. Februar 2021

Fahrplan in die Zukunft

Die BNN berichten (und zwar hier) wie das Badische Staatstheater wieder Anschluß an die Normalität bekommen soll. Für drei Jahre bis 2024 soll ein Interimsintendant die Geschicke des Theaters leiten. In dieser Zeit sollen Reform- und Modernisierungsmaßnahmen umgesetzt werden, die eine Strukturkommission erarbeitet. Ab der Saison 2024/25 soll dann die neue Struktur (wahrscheinlich ohne Generalintendanten) bestehen. Und Nicole Braunger bleibt bis 2024 Operndirektorin.

Sonntag, 31. Januar 2021

Von Karlsruhe nach Zürich

"Ein Fall von Machtmißbrauch?" fragt die Neue Zürcher Zeitung (und zwar hier) in Bezug auf Michael Fichtenholz. Der frühere Karlsruher Operndirektor wird seinen Posten am Opernhaus Zürich zum Ende der Saison vorzeitig abgeben. Bei Vorwürfen "in Bezug auf Belästigung und Machtmißbrauch" beauftragt die Oper in Zürich eine "externe spezialisierte Fachstelle". Die NZZ dazu: "«Ein solcher Prozeß wurde auch in Bezug auf Vorwürfe gegen Herrn Fichtenholz verfolgt», heißt es in dem Statement des Opernhauses weiter. Man habe «ohne Verzug nach Kenntnis der Vorwürfe» Abklärungen eingeleitet und die externe Fachstelle hinzugezogen. Über Inhalt und Ergebnis dieser Abklärungen seien die Beteiligten informiert worden. Der Prozeß sei einvernehmlich beendet worden. «Es wurden von keiner Seite her weitergehende Schritte, insbesondere keine rechtlichen, beantragt», teilte das Opernhaus mit." Über die Vorkommnisse wurde Stillschweigen vereinbart, dennoch legt die Vertragsauflösung nahe, daß es nur dann keine Basis für einen Verbleib von Fichtenholz in Zürich geben konnte, wenn ein inakzeptables Verhalten vorlag. Eine Ablöse scheint Fichtenholz nicht zu bekommen, die Schweizer scheinen in der Hinsicht deutlich weniger Verständnis für Fehlverhalten zu haben als die Verantwortlichen in Stuttgart. Wie es mit Fichtenholz' Posten als Leiter der Karlsruher Händel-Festspiele weitergeht, wird sich im Rahmen der Neustrukturierung noch ergeben.

Donnerstag, 14. Januar 2021

Nach der Absetzung ist vor der Aufarbeitung

Verdacht auf grüne Klüngelpolitik
"Es ist eine Art Zeitbombe, an der Theresia Bauer (55) gerade bastelt. Früher oder später wird sie auf jeden Fall explodieren, die Frage ist nur, wann und wie heftig. Geschieht es noch vor der Landtagswahl, wäre der politische Schaden am größten. Aber auch danach kann es unangenehm werden für die grüne Kunstministerin. Dann muß sie der Öffentlichkeit womöglich erklären, warum ein Theatermann viel Geld aus Steuermitteln dafür erhält, daß er künftig nichts mehr tut – und welchen Anteil sie daran hat, daß es so weit kam. ... Für Kunstministerin Bauer kann der Abgang brisant werden: ihr eigenes Ministerium hatte sie einst gewarnt.", schreibt die Stuttgarter Zeitung (eingeschränkt zugänglich hier).

"Offene Theater sind möglich"

Das Fraunhofer-Institut hat in Zusammenarbeit mit dem Konzerthaus Dortmund die räumliche Ausbreitung von Aerosolen in einem Konzertsaal untersucht, um die damit verbundene  Infektionsgefahr zu bewerten. Das Ergebnis: "Gefahr von Infektionen durch Aerosolübertragung im Saal nahezu ausgeschlossen." Sobald die Infektionslage es zuläßt, scheint nun der erneuten Öffnung der Theater nichts entgegen zu stehen, sofern Symbolpolitik durch wissenschaftliche Erkenntnisse abgelöst werden.

Sanierung oder Neubau?

Die BNN berichten aktuell hier, daß eine weitere Kostensteigerung für die umfangreiche Sanierung des Badischen Staatstheaters möglich ist. Von einst 125 Millionen Euro (2015), dann 325 Millionen (2017) und 500 Millionen (2020) vermuten  manche Lokalpolitiker inzwischen 700 Millionen Euro und regen eine Wirtschaftlichkeitsprüfung an, ob ein Neubau nicht sinnvoller ist. Dabei wird allerdings etwas übersehen und es droht ein Fehler, der bereits vor 50 Jahren stattfand. Nachdem die alte Oper von Heinrich Hübsch am Standort des heutigen Bundesverfassungsgerichts bei dem  Bombenangriff in der Nacht zum 27.09.1944 zerstört wurde, dauerte es trotz Wirtschaftswunder 30 Jahre bis Karlsruhe wieder ein Theater bekam und sein Provisorium verlassen konnte. Doch auch der aktuelle Bau von Helmut Bätzner war eine schwäbische Sparversion, die nicht optimiert auf die Ansprüche des Theaters war und schnell Defizite zeigte. Ein erneuter Neubau sollte den Anspruch haben, langfristig bestehen zu können und architektonisch etwas zu bieten zu haben. Ein attraktives Theatergebäude zieht Publikum an, der Wohlfühl- und Repräsentationscharakter ist Grundlage für guten Inhalt und Karlsruhe als badische Residenzstadt hat ein Anrecht auf einen kulturellen Leuchtturm. Ein günstigerer Neubau bringt Karlsruhe nicht weiter, das Ergebnis muß attraktiv und nachhaltig sein. Das aktuelle Modell scheint dafür die richtigen Voraussetzungen zu haben. Die Frage sollte also lauten, ob es günstiger ist, das aktuell geplante Endergebnis neu zu bauen oder die bestehende Substanz zu sanieren und zu erweitern. Kurzfristig zu sparen und erneut günstig zu bauen und damit ein Provisorium durch das nächste Provisorium abzulösen, verschiebt die Fragestellung nur um wenige Jahrzehnte. Die Verwaltung eines Problems ist aber nicht gleichbedeutend mit der Lösung dieses Problems, auch wenn die politischen Parteien gerne diesen Eindruck erwecken möchten. Karlsruhe braucht endlich einen zukunftsfähigen Theaterbau und keinen weiteren faulen Kompromiß.