Die Rückkehr glanzvollster Normalität in Zeiten galoppierender Infektionszahlen
Endlich wieder großes Orchester, das 3. Konzert der Saison war das erste seit März 2020 mit symphonisch angemessener Besetzung; und mit Werken von Brahms, Grieg und Strauss gab es lauter Schwergewichte des Repertoires. Auch das Publikum durfte wieder zahlreich erscheinen, trotz vierter Welle und Rekordinzidenzzahlen von über 400 bzw. 450 im Stadt- und Landkreis Karlsruhe. Nur wer geimpft oder genesen ist ("2G") darf Vorstellungen noch besuchen, den Mundschutz muß man trotzdem ständig tragen und wieder eng mit Fremden ohne Leerreihen und Leerplätze zusammen zu sitzen, kann nach so langer Zeit schon ein etwas seltsames Gefühl sein. Doch wen wird das groß gekümmert haben angesichts eines so grandios gelungenen Konzertabends, der an normale Zeiten erinnerte.
Die Tragische Ouvertüre d-Moll op.81 von Johannes Brahms wirkt wie eine düstere Mini-Symphonie, unverkennbar brahmsisch, mit Tuba und Posaunen voluminös besetzt. Ein Beginn mit zwei Schlägen, die Musik lehnt sich auf, erregt sich, trotzt und fällt doch zusammen, es gibt Paukenwirbel, einen Trauermarsch, es lastet das Schicksal - die Badische Staatskapelle musizierte es anschaulich und spannend und Georg Fritzsch wird hoffentlich in absehbarer Zeit die Symphonie dirigieren, die alle Generalmusikdirektoren des Badischen Staatstheaters zu interpretieren haben: die in Karlsruhe uraufgeführte Erste von Brahms.
Edvard Griegs Klavierkonzert a-moll op.16 ist eine besondere Schönheit, ein häufiger Gast auf den Konzertbühnen und eng mit den Vorbild des Schumannschen Klavierkonzerts in a-moll verbunden. Pianist Herbert Schuch interpretierte es spannungsgeladen, ein prachtvoller Beginn nach Paukenwirbel und abstürzenden Akkorden, eine großartig gespielte Kadenz, ganz innig und virtuos im zweiten Satz. Das Finale dann grandios, rhythmisch mitreißend und in aufregenden Variationen bis zur strahlenden Apotheose. Schuch spielte abwechslungsreich mit farbigem Klang und rasanten Steigerungen - was für eine beglückende Interpretation und ein souveräner Auftritt! Als Zugabe gab es Schuberts beliebtes Impromtu Nr. 3, op.90.
Nach der Pause zwei frühe symphonischen Dichtungen für großes Orchester von Richard Strauss. Zuerst der eher selten gespielte Macbeth op.23, Strauss allererstes Werk mit Untertitel Tondichtung. Die erste Fassung von 1888 endete noch mit dem Triumph Macduffs, doch auf Empfehlung Hans von Bülows wählte Strauss einen marschähnlichen Epilog, die Uraufführung fand 1890 statt. Bei GMD Fritzsch prägten Prägnanz und Kontraste das programmatisch deutbare Werk, oft düster und hart in der Geste, schön herausgearbeitete Motive und beeindruckend modellierte Klangmassen.
Zum Abschluß von Schottland nach Spanien, eine andere Person unter anderer Konstellation: der beliebte Don Juan op.20 von 1889, der vom 24jährigen Strauss selber dirigiert in Weimar erstmals erklang und als Geniestreich gleich ein großer Erfolg war. "Don Juan gehört zu den absoluten Lieblingswerken unseres Generalmusikdirektors Georg Fritzsch", schrieb das Badische Staatstheater und das war auch zu hören. Don Juan ist bei Strauss unmittelbar hörbar: Leidenschaft und Übermaß, Genuß und Eroberung, Widersprüche und Sehnsüchte, Charme und Rohheit, d.h.das Werk ist nicht programmatisch, sondern charakteristisch. Bei Fritzsch war das zu hören, es wurde kraftvoll, vehement und ungestüm, sinnlich, schwelgend und lieblich. Die Badische Staatskapelle musizierte mustergültig und gab den Strauss'schen Farben Tiefe und Glut, etwas Überströmendes, Überschäumendes, Auftregendes - wie es sich für guten Strauss gehört. BRAVO! Wer noch nicht wußte, daß GMD Fritzsch ein Strauss-Experte ist, der konnte es gestern hören (und sehen, Brahms und Strauss dirigierte er auswendig ohne Partitur). Das gestrige Konzert wurde aufgezeichnet, es scheint als CD erscheinen zu sollen.
Strauss' überwältigende Alpensymphonie hat Fritzsch angekündigt, Salome steht diese Saison noch auf dem Opernspielplan, Die schweigsame Frau war zumindest geplant - man kann nur hoffen, noch viel Strauss vom GMD in nächster Zeit in Karlsruhe hören zu können.
PS: Die Rückkehr einer "Normalität" kann man auch anhand des nachfolgenden Fotos erkennen, wenn man die Orchestergröße mit den beiden ersten Symphoniekonzerten 2020 (hier) und 2021 (hier) vergleicht.