325 Tage nach dem letzten Konzert (dem grandiosen Beethoven-Marathon im Konzerthaus - mehr hier) gab es endlich wieder ein Konzert der Badischen Staatskapelle. Der im sächsischen Meißen geborene GMD Georg Fritzsch dirigierte zwei populäre, in Leipzig uraufgeführte romantische Standardwerke zum Beginn der Saison.
Das Konzert für Violine und Orchester in e-Moll op. 64 von Felix Mendelssohn Bartholdy ist seit der Uraufführung 1845 beliebt und x-fach auf Tonträger ganz unterschiedlich aufgezeichnet. Jasha Heifetz interpretierte es bspw. in raschen 24 Minuten, von Frank Peter Zimmermann oder Anne-Sophie Mutter gibt es ca. 30minütige Einspielungen - ob forsch und knapp oder romantisch gefühlvoll, beides verträgt das Konzert. Violinistin Arabella Steinbacher hat zahlreiche Konzerte bereits auf Tonträger veröffentlicht, auch Mendelssohn (in einer ca. 30 Minutenversion), den sie gestern ebenfalls in fast genau in einer halben Stunde spielte. Bei einem so bekannten, so oft aufgenommenen Stück gibt es für den routinierten Klassikhörer fast keine Überraschungen mehr, und auch gestern dürfte niemand überrascht gewesen sein. Beeindruckend war hingegen mit welcher mühelos wirkenden, selbstverständlichen Gelassenheit Steinbacher das Konzert spielte. Ihre gestrige Interpretation erklang so berückend schön und anmutig, daß man sich fast ein paar Ecken und Kanten gewünscht hätte, um den perfekten Fluß durch eine kleine Schroffheit zu brechen.
Die beliebte Symphonie Nr. 4 d-Moll op. 120 ist eigentlich Robert Schumanns zweite Symphonie, 1841 komponiert und uraufgeführt und 1851 umgearbeitet als 4. veröffentlicht. Ein romantisches Meisterwerk mit vier ineinander übergehenden Sätzen, einigen motivischen Wechselbeziehungen und einprägsamen Melodien, im Charakter dramatisch, spannend, vorwärtsdrängend und letztendlich jubilierend. Der erste Satz entsprach bei GMD Fritsch der Satzbezeichnung Ziemlich langsam – Lebhaft: eine schön formulierte langsame Einleitung, erst tastend, dann bald drängend, entschlossen und voranschreitend, motivisch abwechslungsreich. Die langsame Romanze mit einer wunderbaren Oboen-Melodie und einem friedlichen Ausklang, die im Scherzo aufmüpfig kontrastiert wird und beseelt weitergeführt wird. Der letzte Satz beginnt mit Paukenwirbel, Hörnern und einen schönen Posaunenruf und endet mit guter Laune. Georg Fritsch benötigte keine Partitur und betonte weniger den romantischen Taumel, dafür hätte man manche langsame Stelle stärker ins Zwielicht setzen können, sondern gab dem Werk einen entschlossenen, raschen und vorwärtsgehenden Gestus.
Herzlicher Applaus für ein pausenloses, ca 65minütiges kurzes Konzert, das vier mal innerhalb von zwei Tagen vor virusbedingt ausgedünntem Publikum gespielt wurde. Vor einem Jahr beim ersten Symphoniekonzert der Saison 2020/2021 waren es bei Beethovens Violinkonzert weniger Musiker als gestern bei Mendelssohn (mehr dazu hier), doch sehr viel weiter ist man nicht, obwohl bald 2/3 der Bevölkerung geimpft sind.
Orchester in Corona-Zeiten: Mendelssohn mit knapp über 40 und Schumann mit knapp unter 50 Musikern |
Beim Verlassen des Großen Hauses konnte der Blogautor zufällig Intendant Peters auf dem Weg von der Intendantenloge zum 15 Meter entfernten Theatereingang beobachten, der mit schlichter Jeans und Pullover kaum zu erkennen war.
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