Es ist GMD Georg Fritzsch zu verdanken, daß man nach über 30 Jahren in Karlsruhe endlich wieder diese grandiose Oper erleben konnte - denn das war auch anscheinend gestern leider schon wieder die Dernière. Man kann allen an dieser Produktion Beteiligten vor, auf und hinter der Bühne nur herzlich für diese engagiert präsentierte Produktion danken. Man könnte behaupten, die Qualität eines Opernpublikums erkennt man an dem Maße, wie es diese zu selten gespielte Oper zu schätzen weiß, vor allem wenn sie so beseelt gesungen, gespielt und musiziert wird wie am Badischen Staatstheater. BRAVO!
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.
Donnerstag, 25. April 2024
Montag, 1. April 2024
Wagner - Tannhäuser, 31.03.2024
Nach der enttäuschenden Premiere des Fliegenden Holländers vor 16 Monaten (mehr hier) ließ es sich die zum Spielzeitende scheidende Operndirektion gestern nicht nehmen, einen dramaturgisch ungewöhnlich dürftigen Tannhäuser in einer ambitionslosen, visionslosen und funkenlosen Inszenierung hinterher zu knebeln. Dennoch gab es mehr Lichtblicke als zuvor, insbesondere Armin Kolarczyk und Pauliina Linnosaari wurden mit tosendem Jubel belohnt und Staatskapelle und Staatsopernchor trugen wie gewohnt zum Publikumsglück bei.
Dienstag, 30. Januar 2024
4. Symphoniekonzert, 29.01.2024
Hymnisch himmlische Eschatologie
2024 gedenkt man u.a. des 100. Todestags von Franz Kafka, Giacomo Puccini und Gabriel Fauré, des 125. Geburtstags von Erich Kästner, Ernest Hemingway und Vladimir Nabokov, des 150. Geburtstags von Hugo von Hofmannsthal und William Somerset Maugham, des 175. Geburtstags von August Strindberg, des 200. Geburtstags von Anton Bruckner und Bedřich Smetana, des 200. Jahrestags der Uraufführung von Beethovens 9. Symphonie sowie des 300. Geburtstags von Immanuel Kant und des Dichters Friedrich Gottlieb Klopstock. Die Badische Staatskapelle startete gestern in das Jahr mit der bekanntesten Klopstock-Vertonung.
Samstag, 9. Dezember 2023
Strauss - Die schweigsame Frau, 09.12.2023
Die Karlsruher Rückkehr von Richard Strauss
Händel, Mozart, Wagner und Richard Strauss sind die Hausgötter des Badischen Staatstheaters, und spätestens als es 2014 zum 150. Geburtstag von Strauss keine einzige Neuinszenierung gab, mußte man sich Sorgen über die Karlsruher Oper machen. 2019 gab es dann eine wenig spannende Elektra, 2022 eine halbherzige Salome, zwei großartige Opern wurden so inszeniert, daß man kaum Freude daran hatte, die Vorstellungen öfters zu besuchen. Doch mit der gestern bejubelten Premiere scheint man nun das Tal der Enttäuschungen verlassen zu haben. Die schweigsame Frau ist eine hochengagiert musizierte, gespielte und gesungene Buffa-Oper mit vielen Höhepunkten.
Dienstag, 4. Juli 2023
GMD Fritzsch bleibt bis 2027
Ein Sturm im Wasserglas - so mag es weiterhin scheinen. Der kommende Intendant wollte ab 2024 nicht mit dem aktuellen GMD weitermachen, das Orchester sprach sich mit 85% Zustimmung für ihren Chef aus, Georg Fritzsch und/oder Mitglieder des Orchesters suchten die öffentliche Konfrontation, man empörte sich mittels der Presse, es wurde gepokert, die Politik scheint sich auf Wunsch des Orchesters für den GMD ausgesprochen zu haben, der kommende Intendant gehorchte, ließ sich aber Zeit zum Verhandeln, die Presse kolportierte meistens ziemlich spekulativ, nun steht der Kompromiß: Georg Fritzsch (*1963) bleibt, aber nur für drei Jahre bis 2027. Für Außenstehende in der freien Wirtschaft mag das Verwunderung ausgelöst haben, da werden Manager ausgewechselt bzw. versetzt, wenn ein neuer Verantwortlicher kommt und sich die Vertrauensfrage stellt. Im steuerfinanzierten Umfeld mußte die Presse hinzugezogen werden, weil zwei Führungskräfte im gehobenen Milieu nicht miteinander konnten. Nun ja, das Badische Staatstheater hat dringendere Probleme als den Posten des GMD, deswegen ist es gut, daß es nun wieder um den sonstigen künstlerischen Neustart ab 2024 gehen kann. Was der wahre Grund für den Konflikt zwischen Firmbach und Fritzsch ist, scheint aber weiterhin unbekannt und ist wahrscheinlich auch vertraulich und bilateral.
Sonntag, 25. Juni 2023
Puccini - La Bohème, 24.06.2023
Schöner sterben in zeitloser Postkarten-Nostalgie
Interimsintendant Ulrich Peters hat sich in seiner ersten Regiearbeit in Karlsruhe seit Amtsantritt eine sehr beliebte Oper vorgenommen. Die Winter- und Weihnachtsoper La Bohème gelang ihm als Sommerpremiere nach einem Samstag mit über 30°C in klassisch anmutender Schönheit. Die Inszenierung ist deutlich darauf angelegt, das Publikum zu versöhnen, sie will die Freude an Puccinis Bohème wecken und und sie nicht in Frage stellen oder diskreditieren. Und so gab es langen Applaus für alle Beteiligten, viele Bravos und viele zufriedene Gesichter bei einer ausverkauften Opernpremiere.
Dienstag, 25. April 2023
6. Symphoniekonzert, 24.04.2023
Mit einem gänzlich Richard Strauss gewidmeten Konzert und gleich zwei der neun symphonischen Dichtungen des Komponisten erlebte man gestern nicht nur auf dem Papier den Höhepunkt der Konzertsaison.
Sonntag, 11. Dezember 2022
Wagner - Der fliegende Holländer, 10.12.2022
Thema verfehlt
oder
Das Märtyrermärchen als Außenseitertragödchen
Richard Wagner gilt als der Erfinder der Schwertransporte, seine Opern schicken ganze Lastzüge in Richtung Erlösung. Doch was ist diese Erlösung? Wer sich ihrer annimmt, muß dem musikalischen Charakter des Schwertransports entsprechen oder es droht, am Läppischen zu scheitern. Letzteres geschah gestern. Wie bereits vor drei Wochen bei Giselle im Ballett weiß man mit dem Romantik-Element im Geschehen nichts anzufangen, ersetzt Transzendenz durch Immanenz und Geheimnis durch Lappalie. Das sich ergebende szenische Ergebnis ist ungewöhnlich reizlos und belanglos. Für eine banale Inszenierung ohne Triftigkeit erhielt die Regie verdientermaßen Ablehnung und Buh-Rufe, doch auch musikalisch und sängerisch war die gestrige Holländer-Premiere nicht zufriedenstellend.
Donnerstag, 27. Oktober 2022
Ein Sturm im Wasserglas(?)
Ein wenig amüsiert kann man aktuell die Beißreflexe beobachten, die der designierte Intendant Christian Firmbach anscheinend damit auslöste, über einen neuen Generalmusikdirektor ab 2024 nachzudenken. Das Orchester bestimmt selber, wer es leitet, inzwischen sollen sich 85% der Musiker für eine Verlängerung von GMD Georg Fritzsch über 2024 hinaus ausgesprochen haben. Gut so. Thema erledigt. Mit einer klaren Kommunikation sollte man das Mißverständnis zwischen Orchester und neuem Intendanten schnell aus der Welt schaffen können. Wieso wurde es nun publik?
Dienstag, 20. September 2022
1. Symphoniekonzert, 19.09.2022
Pfade in die Natur und Wege ins Paradies
Gustav Mahler (*1860 †1911) und Jean Sibelius (*1865 †1957) waren Zeitgenossen, 1907 lernten sich beide anläßlich einer Konzertreise Mahlers nach Finnland kennen. Mahler starb zu früh, Sibelius verstummte zu früh und komponierte die letzten 25 Jahre seines Lebens kein weiteres Stück. Gestern erklangen zwei Werke, die im Abstand weniger Jahre entstanden, und ganz unterschiedliche Wege begehen: Sibelius' Violinkonzert (UA1904) und Mahlers 4. Symphonie (UA 1901).
Montag, 23. Mai 2022
Puccini - Tosca, 22.05.2022
Da weiß man, was man hat
Vor über fünf Jahren verkündete das Badische Staatstheater die Dernière: "Tosca - zum 70. & letzten Mal" (mehr hier), doch damals war schon abzusehen, daß John Dews Inszenierung aus dem Jahr 2000 nicht so einfach ersetzt werden kann. Nun erlebt man eine über zweijährige Abschiedsphase und wer weiß, 2023/24 -im letzten Jahr vor der Neuaufstellung- könnte auch diese Tosca noch mal zurückkehren. Die gestrige 70+x-ste Vorstellung hatte so viele Besucher, daß sich zwischendurch eine 60-70 Meter lange Schlange vor dem Einlaß bildete, was aber auch daran lag, daß man am Eingang teilweise nur eine Person hatte, die Eintrittskarten scannte. Das Karlsruher Opernpublikum ist also noch da und spendete Tosca viel Applaus und Bravos.
Sonntag, 15. Mai 2022
Strauss - Salome, 14.05.2022
Die Karlsruher Oper hat über ein Jahrzehnt Vertrauen verspielt und Zuschauer verloren - die gestrige Premiere von Strauss' Salome war nicht ausverkauft, die Ballettpremiere am letzten Wochenende war beim Publikum deutlich begehrter und besser besucht. Donizettis Don Pasquale war ein Reinfall und wird am Ende der Saison wieder abgesetzt, Rossinis Barbier von Sevilla wurde kurz vor der Premiere abgesagt. Kurz: man braucht endlich wieder attraktive Neuproduktionen. Gestern nun Strauss' Salome, bei der die Erwartungshaltung niedrig war und die Erleichterung beim Schlußapplaus um so größer: Musikalisch und sängerisch erlebte man eine sehr gute und intensive Aufführung und die harmlose Inszenierung gewann durch Halbherzigkeit und Zurückgenommenheit: sie trug zwar kaum zur Spannung bei, sie sabotierte sie aber auch nicht.
Dienstag, 23. November 2021
3. Symphoniekonzert, 22.11.2021
Die Rückkehr glanzvollster Normalität in Zeiten galoppierender Infektionszahlen
Endlich wieder großes Orchester, das 3. Konzert der Saison war das erste seit März 2020 mit symphonisch angemessener Besetzung; und mit Werken von Brahms, Grieg und Strauss gab es lauter Schwergewichte des Repertoires. Auch das Publikum durfte wieder zahlreich erscheinen, trotz vierter Welle und Rekordinzidenzzahlen von über 400 bzw. 450 im Stadt- und Landkreis Karlsruhe. Nur wer geimpft oder genesen ist ("2G") darf Vorstellungen noch besuchen, den Mundschutz muß man trotzdem ständig tragen und wieder eng mit Fremden ohne Leerreihen und Leerplätze zusammen zu sitzen, kann nach so langer Zeit schon ein etwas seltsames Gefühl sein. Doch wen wird das groß gekümmert haben angesichts eines so grandios gelungenen Konzertabends, der an normale Zeiten erinnerte.
Sonntag, 4. Juli 2021
Symphoniekonzert als Livestream, 04.07.2021
Wer weiß, vielleicht war das heute Morgen das letzte live gestreamte Konzert, ab Herbst sollte alles -toitoitoi- wieder vor Publikum stattfinden können. Schon heute um 11 Uhr waren auch wieder einige Zuschauer im Haus erlaubt, das Konzert wird zusätzlich um 18 Uhr vor Publikum musiziert. Mit Schubert, Hummel und Mendelssohn hat man dazu ein zu schönes Programm. Schade, daß es mehr Konzertbesucher verpassen als teilnehmen können.
Montag, 2. November 2020
1. Sonderkonzert, 01.11.2020
Es gibt Bühnenerlebnisse, die unvergeßlich sind. Das gestrige 1. Sonderkonzert wird bei manchen Besuchern in solch dauerhafter Erinnerung bleiben. Alle fünf Klavierkonzerte Ludwig van Beethovens in einem Konzert!?! Was für eine wagemutige Ausdauervirtuosenleistung des Pianisten Gerhard Oppitz und was für eine wunderbare Konzertidee (dafür bereits ein herzliches Bravo! und Danke! an Solist und Dirigent). Am Vorabend verschärfter Corona-Maßnahmen wurde den Besuchern (die den Mund-/Nasenschutz auch während des Konzerts tragen mußten) mit 2 Pausen über 4,5 Stunden ein kultureller Zehrvorrat für die kommenden Wochen mitgegeben, der als außergewöhnliches Konzerterlebnis länger nachwirken sollte.
Dienstag, 27. Oktober 2020
2. Symphoniekonzert, 26.10.2020
Das 2. Symphoniekonzert der Pandemie-Spielzeit begann unruhig und erregt, wurde dann gelassen erhaben und klang zärtlich aus.
Sonntag, 18. Oktober 2020
Lehár - Die lustige Witwe, 17.10.2020
Krisen brauchen Komödien
Die erste Premiere im Musiktheater seit Februar konnte gestern stattfinden. In Baden-Württenberg wird ab Montag die Corona-Alarmstufe erhöht, das Robert-Koch-Institut meldete den dritten Tag in Folge ein neues Allzeithoch an Corona-Neuinfektionen und deutlich steigende Reproduktionszahlen. Wie im März, als die Politik das öffentliche Leben bei geringeren Zahlen zum Erliegen brachte, drohen neue harte Maßnahmen. Was bietet sich quasi am Vorabend einer stark aufflammenden Pandemie besser an, als sich zu amüsieren? Wer weiß, ob die Theater nicht bald wieder schließen müssen? Wer gestern Die Lustige Witwe in Karlsruhe erlebte, wird wohl besser temperiert und gelassener in die nächsten Tage gehen, die Freude, endlich mal wieder zu singen, zu spielen und zu musizieren war deutlich bemerkbar und übertrug sich aufs Publikum, das dann auch deshalb lange applaudierte, um Künstlern, Musikern und sich selber Zuversicht zuzuklatschen.
Dienstag, 29. September 2020
1. Symphoniekonzert, 28.09.2020
Kultur ist Glücksversprechen
Nach 204 Tagen ohne Theaterbesuch endete für den Verfasser dieses Blogs gestern die längste staatstheaterfreie Periode seit über drei Jahrzehnten und die Vorfreude auf das Orchester, den neuen GMD und Beethoven hatte sich gebirgig aufgetürmt. Das Glücksversprechen wurde eingelöst. Georg Fritzsch ist aktuell der Hoffnungsträger am Badischen Staatstheater, er steht für das, was Intendant Spuhler dem Publikum und den Mitarbeitern des Badischen Staatstheaters verweigert: einen unbelasteten Neuanfang. Fritzsch ist nicht wie andere Spartenleiter in den letzten Jahren gezwungen, wegzuschauen, zu ignorieren oder zu relativieren oder lieber zu gehen, als den Windmühlenkampf gegen ahnungslose Politiker und selbstherrliches Führungspersonal aufzunehmen. Fritzsch kann sagen, was ist, er muß sich nicht in die Schweigespirale einfügen. Er wird auch daran gemessen werden.
Donnerstag, 28. Mai 2020
Vorschau (1): Symphoniekonzerte 2020/2021
16 Jahre war Georg Fritzsch als GMD in Kiel erfolgreich, die Badische Staatskapelle hat ihn mit überragend deutlicher Zustimmung gewählt und der Generalintendant konnte oder wollte anscheinend nicht erneut gegen das Orchester einen Kandidaten verhindern (Frank Beermann hätte sonst 2019 den Posten übernommen). Sympathiepunkte gewann Karlsruhes neuer GMD, als er in der Pressekonferenz zum Amtsantritt ausdrücklich auf Gegenkurs zu Generalintendant Peter Spuhler ging und ihm eine Absage an "DDR"-Romantik, ideologisches Gesinnungs- und Erziehungstheater und die damit verbundenen diskriminierenden Ab- und Ausgrenzungen erteilte: „Für mich persönlich, hinter der Mauer geborenen und aufgewachsen, ist die Annäherung an Karlsruhe zudem ein Ankommen in der Stadt, in der die Hüter unserer Verfassung, die Sachwalter von menschlicher Würde und persönlicher Freiheit, der Freiheit des Wortes wie von jedweder, auch künstlerischer, Äußerung ihren Sitz haben“, so Fritzsch.
Geplant sind für die Spielzeit 2020/21 die üblichen 8 Symphonie- und 5 aufgewertete Sonderkonzerte. Ob die Wirklichkeit das Wunschprogramm zuläßt, bleibt abzuwarten. Sollte sich die Virus-Epidemie in Wohlgefallen auflösen, gibt es einiges auf das man sich Freuen kann. Und auch Justin Browns Abschied wird nachgeholt: Im 5. Symphoniekonzert wird Brown mit Mozarts 24. Klavierkonzert als Pianist auftreten und Beethovens Eroica dirigieren.