Mit einem gänzlich Richard Strauss gewidmeten Konzert und gleich zwei der neun symphonischen Dichtungen des Komponisten erlebte man gestern nicht nur auf dem Papier den Höhepunkt der Konzertsaison.
Keine Religion ist so überragend kulturmächtig wie das Christentum, das Künstler aus allen Gattungen zu unvergänglichen Höchstleistungen inspirierte. Der gläubige Christ stirbt nach oben und daß Richard Strauss seine 1890 uraufgeführte dritte Tondichtung Tod und Verklärung nannte, weckt unmittelbar Erwartungen, die erfüllt wurden: dieses Werk wurde schnell populär und vom breiten Publikum verstanden. Erst bange Todesahnung in einer langsamen Einleitung, kindliche Idylle und Erinnerung an Glück und Lebenserfolge, herbe Rückkehr in die Gegenwart mit versagender Vitalität und sich steigernder, triumphaler Verklärung. Die Badische Staatskapelle trumpfte auf und brachte Strauss zum Leuchten, schön bspw. die sanften Holzbläser der Klarinetten und Oboe und zarte Flötentöne, doch etwas gegen Ende hin schien nicht zu funktionieren. GMD Georg Fritzsch fehlte ein wenig der Sinn für das Transzendentale, die Steigerung vom Pianissimo zum Fortissimo sowie die Verklärung in den Höhenlagen - seine Interpretation war zu geerdet.
Das Konzert für Waldhorn und Orchester Nr. 1 op. 11 ist ein Frühwerk, Strauss' Vater war Hornist. Anklänge von Mendelssohn und Weber scheinen vorhanden, schöne Melodien, liedhafte Übergänge, das Horn hat bspw. Dialoge mit Klarinette und Fagott und der Solo-Hornist des Badischen Staatskapelle Dominik Zinstag nutze das Konzert, um sein Instrument wunderbar eloquent und elegant ertönen zu lassen, das Resultat war ein Hornkonzert, bei dem das Soloinstrument ganz leicht und spielerisch wirkte. Nicht nur das Orchester klatschte vehement, auch das Publikum zeigte sich begeistert von dieser runden Aufführung. Bravo!
Richard Strauss' Alpensymphonie ist pittoreske Erlebnismalerei und beschreibt illustrativ eine Bergtour. Bergwanderer sind bei dieser Musik klar im Vorteil. Wer es selber nie erlebt hat, frühmorgens bei Sonnenaufgang aufzustehen, den Rucksack zu schultern, um zeitig die Höhendifferenz bis zum Gipfelkreuz zu bezwingen und den Abstieg zu schaffen, der kann nur erahnen, wie viel Begeisterung in dieser symphonischen Dichtung steckt und insbesondere die orchestrale Überwältigung in der Mitte des Werks (gestern mit imposanten drei Becken auf einen Schlag) ist ein innerer Zustand der Belohnung und der jubilatorischen Zufriedenheit angesichts einer außergewöhnlichen Anstrengung. Was dieser Musik hingegen fehlt, ist die Wehleidigkeit und idiosynkratische Subjektivität unserer Zeit. Man bezwingt nicht den Berg, sondern sich selber - eine Erkenntnis, die Strauss nicht komponiert hat. Anstrengung, Schweiß und Erschöpfung fehlen in dieser Musik und mancher heutiger Komponist würde die körperliche Schwäche, die Qual und die Angst vor dem "Scheitern" in den Mittelpunkt einer migränischen Musik stellen. Jede Zeit hat die Komponisten, die sie verdient und welcher kanonische deutsche Komponist folgte eigentlich auf Richard Strauss? Was passierte in den sieben Jahrzehnten nach Strauss' Tod? Trotz jahrzehntelanger Konzertbesuche mag manchen nur Schostakowitsch, Britten, Adams und Glass einfallen, aber kein deutscher Komponist. Doch genug der Abschweifung. Die Alpensymphonie entstand zu der Zeit, als Strauss auch Die Frau ohne Schatten komponierte - und beide Werke sind genial durch raffinierte Instrumentationskunst. Für GMD Fritzsch ist Strauss bekanntlich eine Herzensangelegenheit, beide Tondichtungen dirigierte er ohne Partitur auswendig, und sein gestriges Konzert war der erwartete Höhepunkt der Konzertsaison. Für das trotz weniger Wackler famos aufspielende Orchester gab es angesichts wunderbarer solistischer Stellen und Ensembles sowie überwältigender Momente (bspw. das großartig musizierte Gewitter) viele Bravos und langen Applaus.
Ca. 100 Musiker fanden Platz für die Alpensymphonie |
@anonym: vielen Dank für den Hinweis auf die Verwechslungsgefahr. Es geht hier um das Symptom, nicht um die Ursache, also nicht um die Religion, sondern um deren Folgeerscheinung. Und wie sehr die Welt kulturell christlich kodiert ist - musikalisch, bildlich, emotional - kann man bspw. in einem sehr schönen Buch nachlesen: Jörg Lauster - "Die Verzauberung der Welt: Eine Kulturgeschichte des Christentums" im C.H.Beck-Verlag!
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