Jubel und Applaus
Birgit Keil und das Badische Staatsballett bringen mit Der Widerspenstigen Zähmung einen Klassiker des Balletts von Keils Mentor und Ballettlegende John Cranko auf die Karlsruher Bühne - und es ist gekommen, wie es kommen mußte: alle jubeln und strahlen und sind begeistert. Ein durch und durch humorvolles Ballett, das viel zu schnell vorüber ist. Und wer schon immer wissen wollte, wieso Premierenkarten ein besonderes (und etwas kostspieligeres) Vergnügen sind, der konnte
gestern anhand der Vorfreude, Spannung, der wunderbaren Stimmung und dem Enthusiasmus beim Publikum unmittelbar
mitverfolgen, wie viel Glück und Harmonie gelungene Premierenstimmung in
sich trägt. (Zumindest etwas von diesem Erfolg wünscht man
in Karlsruhe auch Oper und Schauspiel, aber da liegt noch ein langer Weg mit viel
Änderungsbedarf vor diesen Sparten, bevor man wieder annähernd diese
Akzeptanz und Zuneigung des Publikums erringen kann. Doch auch die Schwäche der Oper hat anscheinend ihre Auswirkung aufs Ballett: wenn sich die Anzahl der spartenübergreifenden Abonnements verringert, bleiben auch öfters Karten im Ballett übrig.)
Ruhm und Ehre
Birgit Keil bekam vom Nachlassverwalter John Crankos die Aufführungsrechte des Werkes zum Geschenk. Die Uraufführung des Stuttgarter Balletts fand am 16. März 1969 statt und nach 45 Jahren feiert man nun in Karlsruhe das frühere Stuttgarter Ballettwunder und Keils Lebenswerk und Karriere als Ballerina, Lehrerin, Förderin und Ballettdirektorin sowie den aktuellen Erfolg des Karlsruher Staatsballetts und insbesondere der Gewinn des FAUST-Preises durch die erste Solistin Bruna Andrade.
Nach einem Autounfall im Jahr 1968 erfolgte Birgit Keils erster Auftritt in Der Widerspenstigen Zähmung als
Bianca beim legendären Stuttgarter Gastspiel im Mai 1969 in New York. Nach weiteren
Verletzungspausen erfolgte ihr Rollendebut als Katharina im Dezember
1970.
Worum geht es?
Das auf Shakespeares gleichnamiger Komödie basierende Ballett dreht sich um zwei Schwestern: Die liebreizende Bianca hat drei Verehrer, darf aber erst heiraten, wenn ihre ältere Schwester -die widerborstige Katharina- unter die Haube gekommen ist. Diese zeigt aber keine Ambitionen und so bezahlt man den mittellosen Petrucchio, um Katharina zu ehelichen. Doch es ist keine Liebe auf den ersten Blick, erst nach einigen Auseinandersetzungen finden die beiden zueinander. John Cranko erklärte dazu: „Die ganze Handlung dreht sich um einen Mann und um eine Frau und um
deren Beziehung zueinander. Drei Pas de deux. Zuerst ist sie die
Stärkere, er ist der Freier; im zweiten ist er der Stärkere, sie seine
Frau; zum Schluss kommen sie zu einer Balance und sind wirklich
ineinander verliebt“. Doch bis dahin gibt es Szenen häuslicher Gewalt und Konfrontationen klassischer Rollenvorstellungen - und das alles in deutlichen Szenen und ständigem Hin und Her zwischen den Figuren: es geht um Macht und Unterwürfigkeit, es gibt Ringkämpfe und gerissene Finten, doch ohne ernsten Subtext. Alles ist in geradlinigem Humor gehalten: Ballett als Show.
Was ist zu sehen?
John Crankos Ballettkomödie hat seine Ausnahmestellung durch Eigenschaften, die man auch dem Choreographen nachsagt: "überquellender Humor und ansteckende Lebensfreude". Ein stets heiteres und kurzweiliges Vergnügen, bei dem die Tänzer gleich mehrfach gefordert sind: tänzerisch, schauspielerisch, pantomimisch und komödiantisch. Das Leichte ist das Schwere - unter dieser Prämisse gelang dem Karlsruher Ballett gestern ein großartiger Erfolg, denn es wirkte alles leicht und heiter, was in der Premiere zu sehen und hören war.
Als Katharina war in der Premiere Blythe Newman auf der Bühne (in den folgenden Monaten werden auch Bruna Andrade, Harriet Mills und Rafaelle Queiroz zu sehen sein). Newman gab ihrer Rolle die perfekte Mischung aus Resolutheit und Unsicherheit, Kratzbürstigkeit und Liebesglück. Ihr Partner Petrucchio ist mit einem erfahrenem Routinier besetzt. Filip Barankiewicz (mehr zu ihm findet sich hier) gehört zum Ensemble des Stuttgarter Balletts und tanzt seit Jahren als Petrucchio. Sein Auftritt war aber alles andere als einfach nur routiniert, sondern voller Elan und Freude und Leidenschaft: er bekam immer wieder Szenenapplaus und war der Star des Abends. (Später folgen Kammertänzer Flavio Salamanka, Admill Kuyler und Bledi Bejleri in dieser Rolle.)
Rafaelle Queiroz als Bianca (später auch mit Sabrina Velloso und Moeka Katsuki besetzt), ihre drei Verehrer Zhi Le Xu, Reginaldo Oliveira (als Gremio ein weiterer komischer Höhepunkt des Abends) und Louis Bray sowie Bruna Andrade, Hélène Dion und Andrey Shatalin als Priester und die Gruppentänzer- alle zusammen zeigen eine runde Leistung. BRAVO!
Die Ausstattung kopiert die Originalinszenierung von 1969: farbenreiche Kostüme im Retro-Look, die sich an die Renaissance-Mode des italienischen Spielorts Padua anlehnen. In Kombination mit der Bühne drängt sich die Stilverwandschaft zu Romeo und Julia unmittelbar auf (und zwar in beiden wesentlichen Choreographien: Crankos Stuttgarter Fassung oder die in Karlsruhe gezeigte von Kenneth MacMillan bieten eine ähnliche Ausstattung.)
Was ist zu hören?
Die Musik basiert auf Werken des Barock-Komponisten Domenico Scarlatti, die Kurt-Heinz Stolze arrangiert und orchestriert hat. (Stolze war auch für die Musikauswahl des Cranko-Balletts Onegin verantwortlich). Dirigent Steven Moore bringt mit der Badischen Staatskapelle diese neoklassizistisch modernisierte und orchestral aufgestockte Musik vergnügt-lebendig zum Klingen - eine gute-Laune-Partitur, der vielleicht etwas die Raffinesse fehlt, dafür aber nie die Konzentration von den Augen zu den Ohren ablenkt.
Fazit: Gelöste Feierstimmung bei allen. Man muß es ab und zu wiederholen: wir erleben gerade eine goldene Zeit des Karlsruher Balletts, an die man sich irgendwann in der Zukunft wehmütig erinnert. Und gerade deshalb sollte man das als zufriedener Zuschauer auch honorieren und es weiterempfehlen bzw. Eintrittskarten verschenken! Man muß schon in sehr verstockter Stimmung sein, um hier keine heiteren 2,5 Stunden zu erleben.
PS1: Birgit Keil bleibt bis 2019 Ballettdirektorin in Karlsruhe!
PS2: gestern gab es Besuch aus Stuttgart - Reid Anderson (seit 1996 Ballettintendant des Stuttgarter Balletts) und Tamas Detrich (seit 2004 der stellvertretende künstlerische Leiter des Stuttgarter Ballett) waren im Publikum.
Team und Premieren-Besetzung
Katharina: Blythe Newman
Bianca: Rafaelle Queiroz
Petrucchio: Filip Barankiewicz
Lucentio: Zhi Le Xu
Gremio: Reginaldo Oliveira
Hortensio: Louis Bray
Baptista: Eric Blanc
Wirt: Andrey Shatalin
Priester: Andrey Shatalin
Dirnen: Bruna Andrade, Hélène Dion
Musikalische Leitung: Steven Moore
Inszenierung & Choreografie: John Cranko
Einstudierung: Jane Bourne
Bühne & Kostüme: Elisabeth Dalton
Licht: Steen Bjarke
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.
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Die Kritik des Neuen Merker Wien:
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Da muß ich Nichts zufügen
Gruß
Klaus
Vielen Dank für den Hinweis!
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