Freitag, 28. November 2014

Festspielhaus Baden-Baden: Bellini - I Capuleti e i Montecchi, 27.11.2014

Bellini statt Jelinek
Im Schauspiel des Karlsruher Staatstheaters gab es gestern eine spannende deutsche Erstaufführung als Premiere: Schatten von Elfriede Jelinek. Aber das Abo zu tauschen und dafür gestern lieber die kurze Strecke nach Baden-Baden zu fahren war eindeutig die richtige Wahl! Ungetrübtes Belcanto-Glück, dahinschmelzende Bellini-Melodien und ein alles überragender Star - das waren die qualitativ unschlagbaren Trümpfe, die übrigens nicht wenige Karlsruher an diesem Abend nach Baden-Baden lockten.

Der sanfte Sizilianer
Es war ein sehr kurzfristiges Engagement: gerade mal 50 Tage hatte Bellini, um für das Teatro La Fenice in Venedig eine Oper zur Karnevalssaison fertig zu stellen. Man studierte den 1. Akt schon ein, bevor der 2. komponiert wurde. Um so schnell fertig zu werden, griff Bellini auf eine damals übliche Praxis zurück: er bediente sich der existierenden Musik einer seiner Opern. Zaira wurde im Jahr zuvor in Parma ein Mißerfolg beim Publikum und kaum gespielt. Bellini glaubte an seine Musik und verwendete sie größtenteils wieder. Die Premiere von I Capuleti e i Montecchi am 11. März 1830 und die Folgevorstellungen wurden zu einem überwältigendem Erfolg. "Die Begeisterung kannte kein Maß mehr" berichtete die Presse danach. Ein Triumph für Bellini, auch in anderen Opernhäusern - exakt getroffener Zeitgeschmack der frühen Romantik, der berührte und begeisterte. Richard Wagner schrieb bewundernd 1834: "... werde ich nie den Eindruck vergessen, den in neuester Zeit eine Bellinische Oper auf mich machte, nachdem ich des ewig allegorisierenden Orchestergewühls herzlich satt war und sich endlich wieder ein einfach edler Gesang zeigt." Wagner war ein Fan des von ihm so bezeichneten "sanften Sizilianers".

Romeo und Julia ohne Shakespeare
I Capuleti e i Montecchi - dahinter verbergen sich Romeo und Julia, allerdings nicht auf Basis des Shakespeare Dramas. Gerade noch 5 Sängersolisten werden benötigt: Romeo (ein Mezzosopran) und Julia (Sopran)  haben den mit Abstand größten Gesangsanteil. Nur eine kleine Rolle hat Romeos Konkurrent Tebaldo (der hier eine schwache Kombination von Tybalt und Mercutio ist), Julias Vater Capellio und der Arzt Lorenzo sind kleine Nebenrollen. Das Libretto nimmt nicht Shakespeare als Vorlage, also bspw. keine Amme, kein Mönch, szenisch auch kein Fest, bei dem sich die Liebenden kennenlernen. Die Balance zwischen äußerer Handlung und innerem Geschehen ist verschoben, es dominieren Lyrismen und Stimmungen, die von überwiegend langgezogenen, eher langsamen Melodien geprägt sind. Romeo und Julia - eine Liebeselegie mit wenig Konfrontationen und nicht durch äußere Spannung geprägt. Richard Wagners Kennzeichnung "sanft" ist nachvollziehbar, aber der gestrige Dirigent zeigte auch, daß man die Dramatik aus dem Orchestergraben forcieren kann, indem man die Tempi nicht schleifen lässt.

Oper mit Star
Für diese Koproduktion mit der Oper in Genf hat man einen Star engagiert: Elīna Garanča - eine wunderbar ausdrucksstarke  und voluminöse Stimme voller Schönheit und Eleganz und frei jeder Anstrengung, entspannt und weich. Allein für ihre Stimme lohnte sich schon der gestrige Abend in Baden-Baden. Doch auch die Giulietta von Ekaterina Siurina ließ beglückt aufhorchen. Die Russin singt international an den großen Opernhäusern wie bspw. der MET, der Scala, in Wien, London, Paris und München und sang zusammen mit Garanča  Capuleti e i Montecchi bereits in Berlin. Beide harmonierten perfekt und ließen keine Wünsche offen.
Für die kleinere Rolle des Tebaldo hat man den Tenor Yosep Kang von der deutschen Oper Berlin engagiert, der das Duo klangschön mit offener und nur in den obersten Höhen leicht angestrengter Stimme ergänzte. Anstelle des ursprünglich vorgesehenen Genfer Orchesters spielte die Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern mit hoher Klangkultur. Die Herren des Genfer Opernchores sowie die weiteren Sänger vervollständigten diesen geglückten Abend.
Eine weitere Entdeckung war gestern der britische Dirigent Karel Mark Chichon der sehr prägnant und mit klarer Linie dirigierte und dabei das Orchester nie breiig oder sentimental werden ließ.

Fazit: Eine hochwertige Aufführung der selten gespielten Bellini-Schönheit

PS: Der Saarländischen Rundfunk hat die Aufführung aufgezeichnet und überträgt sie in seinem zweiten Programm am Samstagabend, 29.11.2014. Am 03.01.2015 folgt eine Ausstrahlung beim DLF.

Besetzung:
Romeo: Elīna Garanča
Giulietta: Ekaterina Siurina
Tebaldo: Yosep Kang
Capellio: Mathias Hausmann
Lorenzo: Nahuel Di Pierro

Dirigent: Karel Mark Chichon
Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern
Chor des Grand Théâtre de Genève
Eine Koproduktion mit dem Grand Théâtre de Genève.