Nun gibt es ein weiteres ambitioniertes Angebot des Badischen Staatstheaters: der Ballettfilm Seid umschlungen - Momentaufnahme hatte gestern Online-Premiere und erwies sich als gelungen und sehenswert. Als Erstlingsfilm überzeugte dieses Projekt ästhetisch, Kameraführung und Schnitt fingen die Tänzer und Choreographien wirksam ein, überwiegend neue Choreographien in einer Mischung aus klassischen und modernen Elementen sorgten für Aufmerksamkeit. Ein 80minütiger Appetithappen zur Überbrückung der hoffentlich letzten Epidemiemonate.
Mit Seid Umschlungen präsentierte Ballettdirektorin Bridget Breiner im November 2019 ihre erste Karlsruher Produktion (mehr hier zur Premiere). Der nun gezeigte Tanzfilm zeigt drei Choreographien aus dem Originalabend sowie sechs neue Kreationen. Bridget Breiner steuert vier neue Beiträge bei mit Musik von Bob Dylan, Chopin, Rachmaninow sowie Anthony and the Johnsons, bei deren Cut the World Alba Nadal und Baris Comak ein starken Auftritt haben. Lynne Charles als Expertin fürs Klassische ließ zur Musik aus Tschaikowskys Dornröschen tanzen. Kevin O’Days Petite Poème zur Musik von Philip Glass im papiernem Schneefall für fünf männliche und einen weiblichen Tänzer ist visuell und tänzerisch wirksam. Aus dem Originalabend ist Tué von Marco Goecke zu sehen, diesmal mit Rita Duclos, Ruff Celts Reworked der Choreographin Marguerite Donlon, das live unmittelbarer wirkte als in der Aufnahme, sowie The new 45 Finale von Richard Siegal für zwei männliche Tänzer: Paul Calderone und Ledian Soto hatten den lässigsten Auftritt des Films.
Das Karlsruher Ballett will damit ein "Kaleidoskop" und "Momentaufnahme" zeigen, vor allem ermöglicht es den Tänzern, nicht ins Leere zu trainieren und sich zu präsentieren und für diesen Zweck sollte man diesen Film auch sehen: er weckt erneut die Vorfreude auf die Rückkehr in den Live-Alltag. Technisch ist der Film sehr gut mit minimalen Abstrichen, anhand eines manchmal mehr, manchmal weniger oder gar nicht verschwitzten Hemd eines Tänzers kann man bspw. erkennen, daß der Film aus mehreren Aufnahmen zusammen geschnitten wurde, das Verhältnis von Nahaufnahmen und Totale ist manchmal diskutabel, an wenigen Lichteffekten hätte man feilen könne, doch das ist kaum erwähnenswert. In der Summe bleibt eine überzeugend gute Umsetzung aller Beteiligten und 80 schöne Wiedersehensminuten mit dem Karlsruher Ballett.