Es wurde hier genug geschrieben über das vergangene Intendanz-Jahrzehnt am Badischen Staatstheater, doch es ist vorbei, der Blick geht längst nach vorne. Aus der Zuschauer- und Beobachterperspektive wurden auf diesen Seiten frühzeitig Rückschlüsse gezogen und Kritik formuliert, untenstehend finden sich Texte, die seit 2015 auf einer besonderen Blog-Seite Einsprüche sammelten und nun hier außerhalb der Aktualität verbleiben. Gerade Theatergänger wissen: Qualität setzt sich durch, das Wahre, Schöne, Gute übersteht, Shakespeare wird auch nach vierhundert Jahren gespielt, dreihundert Jahre alte Barockopern machen heute ein weltweites Publikum glücklich, eine mißratene Intendanz ist ein Rückschlag, den man nun zu den Akten legen kann.
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Vorwort, Juli 2020
Die nachfolgenden Texte entstanden überwiegend 2015, nachdem zum
ersten Mal Mitarbeiter des Badischen Staatstheaters vor dem
Verwaltungsrat demonstrierten, und wurde in den folgenden Jahren nur
noch aktualisierend ergänzt. Schon früh war es für die routinierten
Besucher des Badischen Staatstheaters kaum übersehbar, daß das Theater
unter der Intendanz von Peter Spuhler leidet. Im Juni 2020 (mehr hier) spitze sich die Situation zwischen Intendant und Theater zu, im Juli (mehr hier)
eskalierte der Konflikt und manches erwies sich als noch schlimmer als
befürchtet. Mir scheint schon seit Jahren, das Badische Staatstheater
hat aktuell den falschen Intendanten an der Spitze.
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Das Badische Staatstheater hat eine bessere Intendanz verdient!
Ich gehe seit meiner Jugend, genau genommen sogar seit meiner Kindheit,
ins Badische Staatstheater und seit nun über 30 Jahren mit hoher
Regelmäßigkeit. Meine Großmutter wohnte in der Wilhelmstraße in
Sichtweite, ich habe den Neubau, den Brand, die Inbetriebnahme 1975
wahrgenommen. Als Schüler und später als Student stand ich samstags oft
in aller Frühe auf, war kurz vor 9 Uhr vor dem Eingang, um dann bei
Öffnung der Kasse um 10 Uhr Karten zu kaufen (Internet gab es noch
nicht, der Vorverkauf begann samstags für die kommende Woche, viele
Vorstellungen waren schnell ausverkauft). Lieber Frisches als Konserven,
lieber eine Bühne als einen Fernseher - ein Großteil meines Lebens
verbinde ich die Bühne mit einem begeistertem Gefühl der Abwechslung,
des Perspektivwechsels und der Hochachtung vor der Hochkultur.
Seit 2011 hat sich etwas verändert, besser gesagt verschlechtert, und das in vielerlei Hinsicht (mehr dazu auch hier).
Seitdem Peter Spuhler als Generalintendant die Geschicke des Karlsruher
Staatstheaters leitet, ist man sowohl qualitativ als auch quantitativ
defizitär geworden, man kann einen Mangel an Format und Klasse und ein
Übermaß an Durchschnittlichkeit und Phantasielosigkeit feststellen,
etwas Aufgesetztes, Anbiederndes, Mittelbares, wie aus zweiter Hand
wieder Aufgewärmtes ist bemerkbar, bei dem es zu selten um die Sache
geht; seit 2011 haben bei mir Freude und Begeisterung bei
Theaterbesuchen deutlich nachgelassen. Angesichts des Mangels an
Originalität und Qualitätsbewußtseins seines Theaterkonzepts könnte man
Herrn Spuhler treffender als Gebrauchttheaterhändler anstatt als
Generalintendant bezeichnen. Ein Theater der Uneigentlichkeit -
ästhetisch unsicher, inhaltlich insbesondere zu Beginn überfordert,
politisch tumb und einseitig parteipolitisch, denn statt zu inspirieren
wird zu oft indoktriniert. Das Publikum verdankt der Intendanz von Peter
Spuhler auch etwas Neues, denn dilettantisch mißlungene Inszenierungen
gab es vorher in diesem Ausmaß nicht.
Auch im Umfeld gibt es unsympathische Erscheinungen, die etwas
Unaufrichtiges beinhalten. Den Claqueur-Verdacht hört man immer wieder.
Tatsächlich wurde die tradierte Zurückhaltung bei Premieren aufgehoben.
Zu oft erwiesen sich lautstarke Bravo-Rufer als Mitarbeiter oder
Angehörige, die eine neutrale Meinungsfindung verhindern sollten. Gibt
es eigentlich ein anderes Theater, das sich nach einer Premiere selber
bespricht und für toll befindet? Man kann viel lachen, wenn man gerne
genau liest, was man am Badischen Staatstheater für selbstverliebte
Sätze produziert. Unaufrichtig sind auch die Floskeln, die die Intendanz
gerne verwendet: „Theater für alle“ als Alibispruch für segmentierendes
Klienteltheater und politische Meinungsmache, die tatsächlich
ausgrenzend gedacht sind. Selbstdarstellung und Selbstbeweihräucherung
der Intendanz erinnern mich an Donald Trump, sie wirken unfreiwillig
komisch und wie eine Selbstparodie und mir fällt es schwer, diese
Intendanz ernst zu nehmen, auch wenn sich Lerneffekte und Verbesserungen
bei den Verantwortlichen eingestellt haben.
Seit Jahrzehnten beobachte ich Kunst, Künstler und Kunstermöglicher am
Badischen Staatstheater. Angesichts der Freud- und Lieblosigkeit, der
nervenden Spießigkeit politischer Gesinnungsverklemmung steht bei mir
ohne Zweifel fest: Das Badische Staatstheater hat eine bessere Intendanz
verdient!
Entgeisterung statt Begeisterung
Es ist schon bitter, da gibt es von allem Bemerkenswertem zuviel: mehr
Musik, mehr Texte, Bücher und Bühnenwerke, mehr Kunst als man kennen
kann, soviel Entdeckenswertes und Spannendes - und dann beginnt in
Karlsruhe die Intendanz Peter Spuhlers und präsentiert bevorzugt
Alltägliches und Problembeladenes, kunstloses Brot sowie
opportunistische Anbiederung an bevorzugte Zielgruppen: veganes
Klientel-Theater, vermeintlich "politisch korrekt". Man hebt gerne den
Zeigefinger und belehrt sein Publikum. Was in den Medien ist, kann man
auch im Theater verwerten - man benötigt Krisen und Katastrophen
und/oder Betroffenheitsgesten für dieses "Theater"-Konzept. Zu sagen hat
man allerdings fast nichts, hauptsächlich geht es nur um den Anschein
von Relevanz, Aufmerksamkeit und Medienpräsenz. Dabei läßt man eine
fundamentale Einsicht vermissen, die der Karlsruher Philosoph Peter
Sloterdijk in seinem Buch "Du mußt dein Leben ändern" formuliert
hat: Der gelungene ästhetische Imperativ ist weder aufdringlich noch
autoritär; im "ästhetischen Simulationsraum" wird eine "nicht-repressive
Erfahrung" gemacht. Daß Standpunkte bei Intendant Peter Spuhler oft als
Bevormundung und Einseitigkeit vermittelt werden, liegt an einer
defizitären Theaterauffassung in plakativ politischem Gewand. Der
Mißerfolg der Spuhlerschen Intendanz ist u.a. ein Ästhetik-Defizit:
irgendwie "gut gemeint" ist nicht genug. Der große Dichter Gottfried
Benn sagte, daß "gut gemeint" das Gegenteil von Kunst sei. Damit ist
mein Problem mit einer nicht bereichernden Theaterauffassung, die sich
mehr politisch und schulmeisterlich als ästhetisch und phantasievoll
definiert, hinreichend beschrieben. Oder um es noch mal anders mit
adaptierten Worten Sloterdijks auszudrücken: Müssen Künstler etwas zu
sagen haben? Den Künstler stimmt das Nichts-zu-sagen haben heiter, da
es die Voraussetzung dafür ist, daß die Kunst feiert.
Eine Intendanz auf der Suche nach der künstlerischen Linie
Die neue Karlsruher Leitungsspitze hat die ersten sieben Jahre keine eigene aktive künstlerische Handschrift: keiner war als Regisseur tätig oder hatte eine bemerkenswerte Erfahrung als Bühnendarsteller - Anna Bergmann im Schauspiel ist im 8. Jahr die Ausnahme. Man spürt, daß man in Karlsruhe Theatertheoretiker statt Theaterpratiker hat - sie können nach meiner Ansicht mit Ensemblepflege und Repertoireplanung nur unterdurchschnittlich umgehen und planen nach theoretischen Gesichtspunkten und mit zu wenig Fokus auf Qualität, Perspektive und Entwicklung der Künstler. Als Zuschauer konnte man den Eindruck gewinnen, daß die neuen Verantwortlichen am Badischen Staatstheater immer wieder ein wenig hilf- und ratlos wirkten. Als würde man ein Training-on-the-job beobachten: das Badische Staatstheater als Übungsfeld, auf dem man in eine Aufgabe hineinwachsen kann. Lernerfolge haben sich für mich tatsächlich eingestellt; vieles wirkt immer noch freudlos heruntergespuhlert. Es scheint, daß der Intendant nur wegen seiner Sanierungs- und Neubauerfahrung engagiert wurde. Denn bisher überwog für mich bei Peter Spuhler und Jan Linders ansonsten der Eindruck, es lediglich mit Kulturmanagern zu tun zu haben, die künstliche Waren für vermeintlich aktuellen Bedarf verkaufen wollen.
Problemzone (1) - Die Oper
Wie stark der Opernbetrieb vom Intendanten reduziert wurde, zeigen folgende Zahlen: vor 10 Jahren in der Saison 2006/2007 umfaßte der Spielplan 23 Opern, 2016/2017 gibt es nur noch 15. 2005/2006 gab es 8 Premieren und 15 Wiederaufnahmen, 2015/2016 gibt es 7 Premieren und 8 Wiederaufnahmen. Eine Opernsaison mit nur noch 15 anstatt 23 Opern vor 10 Jahren - 8 Opern fehlen zur früheren Vielfalt. Harte Zeiten für die Karlsruher Opern-Fans.
In der Spielzeit 2017/18 hat nun eine neue Variante zur Marginalisierung der Oper gewählt: man bringt nur noch sechs Opernpremieren auf die Bühne, ein weiteres Werk wird konzertant ohne Inszenierung gespielt. 2019/20 kann man das Opernpremieren-Abo nicht mehr mit sechs Premieren bestücken und mogelt eine Ballettpremiere in das Abo.
Im Schauspiel hinterließ Jan Linders einen hilf- und ratlosen Eindruck: man produzierte zu viel Unterdurchschnittliches mit dem man die Ansprüche, die man meines Erachtens an ein Staatstheater haben darf, immer wieder unterbot und teilweise grottenschlechte und schlampig durchdacht erscheinende Inszenierungen zeigte, bei der man die Qualitäten der Schauspieler entweder nicht ausreizte oder sie fehlbesetzte. Hier hat man am stärksten aus seinen Fehlern gelernt: alle Dramaturgen wurden ausgetauscht, Mißerfolge schnell wieder eliminiert und ein variabler und optimierter Spielplan auf die Beine gestellt. 17 neue Schauspieler brachte man 2011 mit nach Karlsruhe, 2015 sind noch 5 davon übrig, in der Saison 2016/2017 sogar nur noch 3. Diskontinuitäten, abnehmende Leistungsfähigkeit - Schauspieldirektor Linders gab nach 5 Jahren auf.
Inzwischen hat sich einiges verbessert, man hat wieder Schauspieler und ein Ensemble, 2016/17 wurde Axel Preuß neuer Schauspieldirektor, 2018/19 folgte Anna Bergmann. Wirklich begeisternd ist man dennoch nie geworden.
Politisches vs. Weltanschauliches Theater
Einfache Lösungen schneiden die Kausalkette von Ursache und Symptom schnell ab, Verzweigungen und Komplexität sollen gar nicht erst in Reichweite kommen. Der intellektuelle Zugang wehrt sich gegen diese Art der primitiv populistischen Vereinfachung, die den Geist beleidigt. Auch die Karlsruher Intendanz ist leider ein Anhänger von Simplifizierung, man konstruiert gerne einfache Verhältnisse und falsche Wertigkeiten, in denen man die weltanschauliche verklemmte Sicht der Intendanz darstellen kann. Man identifiziert gerne Symptome als Ursachen und leitet daraus oberflächliche Schlußfolgerungen ab. Aber als Zuschauer muß man von einer Intendanz mehr erwarten. Politisches Theater stellt Fragen, ideologisches Theater gibt Antworten. Das Spießerhafte der Intendanz von Peter Spuhler liegt in der selbstgefälligen Positionierung als Sittenwächter und Moralprediger. Man weiß alles besser, gibt gerne Antworten und stellt keine Fragen. Sich selber zu hinterfragen –ob ernsthaft tiefgründig oder ironisch verspielt– kommt gar nicht erst in die Tüte. Das eigene –von Außenstehenden durchaus als borniert wahrzunehmende– Selbstverhältnis prägt eine Selbstgerechtigkeit, die zur Weltgerechtigkeit aufgebläht wird.
Problemzone (3) - Die Intendanz
Es gibt auch zuverlässige Konstanten: das Ballett unter Birgit Keil bzw. Bridget Breiner, das Orchester mit GMD Justin Brown bzw. nun Georg Fritzsch und der Staatsopernchor und sein Leiter Ulrich Wagner sowie die sehr guten Mitarbeiter neben und hinter der Bühne sind hier aus gutem Grund nicht in der Problemzone genannt. Alle sind Aushängeschilder für das Theater und die Stadt.
Das Unbehagen an der Intendanz von Peter Spuhler wurde hier immer wieder versuchsweise in Worte gepackt. Ein Überblick:
Spielzeit 2020/21
Patriarchendämmerung (24)
Patriarchendämmerung (25)
Patriarchendämmerung (26)
Neuer Operndirektor gesucht
Patriarchendämmerung (27)
Patriarchendämmerung (28)
Patriarchendämmerung (29)
Patriarchendämmerung (30)
Lieber ein Ende mit Schrecken ...
Lieber ein Ende mit Schrecken ... (2)
Spielzeit 2019/20
Auf der Suche nach Kompetenz (2)
Es kriselt wieder offiziell in der Karlsruher Oper
Mumpitztheater (14)
Was verdient man als Generalintendant des Badischen Staatstheaters?
Mumpitztheater (15)
Mumpitztheater (16)
Auf der Suche nach Kompetenz (3)
Mumpitztheater (17)
SWR2 berichtet über die Probleme mit Intendant Spuhler
Patriarchendämmerung (1)
Patriarchendämmerung (2)
Patriarchendämmerung (3)
Patriarchendämmerung (4)
Patriarchendämmerung (5)
Und noch ein Skandal
Patriarchendämmerung (6)
Patriarchendämmerung (7)
Patriarchendämmerung (8)
Patriarchendämmerung (9)
Patriarchendämmerung (10)
Patriarchendämmerung (11)
Patriarchendämmerung (12)
Patriarchendämmerung (13)
Patriarchendämmerung (14)
Patriarchendämmerung (15)
Patriarchendämmerung (16)
Patriarchendämmerung (17)
Patriarchendämmerung (18)
Patriarchendämmerung (19)
Patriarchendämmerung (21)
Patriarchendämmerung (22)
Patriarchendämmerung (23)
Spielzeit 2018/19
Stuttgarter Machenschaften - nicht nur am Staatstheater
Am 07.12.2018 tagt der Verwaltungsrat des Badischen Staatstheaters
Mumpitztheater (9)
Vor dem GAU
Mumpitztheater (10)
Mumpitztheater (11)
Mumpitztheater (12)
Auf der Suche nach Kompetenz
Mumpitztheater (13)
Rückblick (1): Die Spielzeit 2018/19 des Badischen Staatstheaters
Rückblick (2): Zuschauerzahlen der Spielzeit 2018/2019
Spielzeit 2017/18
Generalintendant Spuhler hat zukünftig vier neue Frauen unter seiner Führung
Karlsruhe als Endstation?
Massive Zuschauerverluste in der Karlsruher Oper
Rückblick auf die Spielzeit 2017/2018 des Badischen Staatstheaters
Mumpitztheater (1)
Mumpitztheater (2)
Mumpitztheater (3)
Mumpitztheater (4)
Mumpitztheater (5)
Mumpitztheater (6)
Mumpitztheater (7)
Mumpitztheater (8)
Spielzeit 2016/17
Stückwerk mit Auflösungserscheinungen
Spielzeit 2015/16
Nachtrag zur Krise zwischen Peter Spuhler und dem Badischen Staatstheater
Zweiter Nachtrag zur Krise zwischen Peter Spuhler und dem Badischen Staatstheater
Spielzeit 2013/14