Von Stagnation und Farce
Gibt es Intendant Peter Spuhler eigentlich wirklich? Oder sind er und sein scheidender Assistent Jan Linders vielleicht nur Kunstfiguren, erfunden und positioniert von Hape Kerkeling, der irgendwann am Badischen Staatstheater auftaucht und Hurz! ruft (wie hier im Video aus den 1980ern, das so wunderbar entlarvend ist)? Eine Scheinfrage ohne Realitätsbezug. Was wirklich ist, muß nicht wahr sein. Was wahr ist, wird nicht
automatisch wirklich. Wer mit einem Sinn für Wahrheit und Wirklichkeit
die Welt beobachtet und beide kombiniert, hat einen kritischen
Zugang zur Welt und kann erkennen, daß es etwas gibt, was man an dieser Intendanz zu schätzen wissen sollte - zwischen Wahrheit und Wirklichkeit entwickelt sich unfreiwillig Humor, den man u.a. durch Karikatur und Satire darstellen kann. Um es mit einem adaptierten Bonmot von Oscar Wilde zu sagen: Der einzige Reiz der Vergangenheit liegt darin, daß sie vergangen ist. Wie brüllend komisch erscheint doch ein Theatermacher,
der nicht weiß, wann der Vorhang zu fallen hat, der einen sechsten Akt
verlangt und weitermachen möchte, wenn das Interesse vorüber ist. Wenn
man ihn gewähren läßt, bekommt jede Komödie einen tragischen Schluß und
jede Tragödie endet als Farce.
Intendant Peter Spuhler wollte schon längst wieder weg sein, doch kein anderes Theater wollte ihn haben - eine gescheiterte Karriere? Für den Karriereknick gibt es gute Gründe (mehr dazu demnächst). Man könnte sagen, daß er aus Erfolglosigkeit als Generalintendant des Badischen Staatstheaters verlängert wird, die kurzsichtige Kulturpolitik lehnt sich bequem und erleichtert zurück und hat es mal wieder vermieden, zukunftsorientiert zu handeln. Über diese Geschehnisse sollte man auch dann lachen, wenn man sich nicht freut.
Theater als Karikatur
Wenn man einst die vergangene Theaterdekade rückblickend kulturpolitisch analysieren
wollte, könnte das humoristisch geschehen. Sogar wer historisch beschreiben wollte, was in der
Bundesrepublik so alles schief gelaufen ist am Anfang des 21.
Jahrhunderts, der könnte hier eine grobe Inspiration für eine Sittenkomödie
finden. Wer die frei erfundene und doch von realen Geschehnissen inspirierte Geschichte erzählen wollte, findet literarische Vorbilder. Als Inspirationsquelle könnte man bspw. Maupassants Bel-Ami und Heinrich Manns Untertan heranziehen, Sartres Kindheit eines Chefs könnte teilweise ebenfalls als Folie dienen. Die Geschichte könnte von Zynismus, Heuchelei und politischen Seilschaften handeln.
Aber es gibt auch eine lyrische Vorlage. Wer
sich mit der Lyrik des Protests und der Lyrik des
Exils beschäftigt, trifft auf Dadaisten wie Hugo Ball, Kurt
Schwitters und Johannes Theodor Baargeld. Der unbekannt gebliebene Lyriker namens Mente Kaptus (der in keiner Anthologie auftaucht und dessen schmales Œuvre einst nur auf so billig-groben Papier gedruckt wurde, daß man die längst verblichenen Seiten in Notzeiten als Kaffeefilter verwenden könnte), scheint sich bei seinem lustigen Sonett Bimmelblähgedöns an dadaistischen Lautgedichten orientiert zu haben. Das Gedicht ist ein jambischer Pentameter und wird lyrikinteressierten Zeitgenossen vielleicht als passende Inspiration für ein zu reimendes Klanggedicht zur Theaterdekade erscheinen.
Bimmelblähgedöns
Geluhlert schwafelschwinders spuchtelmurks
Rampenblöker ergreift ein linder wahn
Los los stoß hinten tant du schlappaturgs
suhlerspießer bricht sich stuhlergang bahn
Tumpjahn schluderpuhlert mit schmääpfuhler
Luhserblinder pubst laut hosenschinder
als scharlapan firlefanzt kleinwuhler
Bücklingsbarsch erschwindert durch wahnrinder
Amtdantenkröfat's spinderpurzgedöns
sumpfblütenmuffiges häuchelgeschmarrn
in des wuchtelplunders warmluftgeföns
Schlimmdersgnom versemmelt laberbarren
fahl verstört mit schmuhsers quergefummel
verlautet gebläht gedönsgebimmel
(Fortsetzung folgt)
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.