Die Schrumpfung der Oper
In
Karlsruhe zeigt man in der kommenden Opernsaison fünf Opernpremieren und eine Operette - also sechs Neuproduktionen, dazu zehn Wiederaufnahmen. Die Mannheimer Oper bietet 9 Premieren und 15 Wiederaufnahmen. Wieso ist Karlsruhe innerhalb eines heruntergespuhlerten Jahrzehntes weniger leistungsfähig als Mannheim geworden? Was machen Intendant und Operndirektor dort besser? Besonders komisch und peinlich: Das Opernpremieren-Abo umfaßt in Karlsruhe traditionell sechs Premieren. Doch da die teurer verkaufte Oper der Händel-Festspiele nicht im Abo ist, hat man nicht genug Produktionen, um das Abo zu befüllen. Das Badische Staatstheater fand eine kreative Mogelpackung: wer ein Opernpremieren-Abo hat, darf im Rahmen seines Abos in eine Ballettpremiere. Man darf gespannt sein, wer die Hauptrollen singen wird.
Das Ende der Vielfalt
Man sollte mit der Karlsruher Operndirektorin Nicole Braunger kein
Mitleid haben, sie verantwortet ein ambitionsloses Mini-Programm und
schafft es, nur noch sechs Premieren auf die Beine zu stellen, also so
viele neue Produktionen zu stemmen wie bspw. in Heidelberg oder Pforzheim.
Intendant Spuhler wird stolz sein, er hat Karlsruhe stetig geschrumpft
und marginalisiert,
das Staatstheater ist ein Stadttheater. Nur wo gehen eigentlich die
vielen Steuermillionen hin?
Um sich vor Augen zu führen, wie Intendant Spuhler die Karlsruher Oper heruntergewirtschaftet hat, lohnt sich mal wieder eine Blick 10 und 20 Jahre zurück: Intendant Pavel Fieber konnte bereits zu Beginn seiner Intendanz mehr Opern auf den Spielplan stellen als nun Nicole Braunger im neunten Jahr der Intendanz von Peter Spuhler. Vor 20 Jahren waren es zwei, vor zehn Jahren umfaßte das Programm sechs Opern mehr, 22 statt 16. Die einstige Vielfalt des Opernprogramm scheint vorerst nicht erreichbar.
Weder Troubadour oder Maria Stuart noch Cavalleria rusticana oder Pique Dame
Und dann die Premierenwahl: schöne und bekannte Werke, schon wieder. Faust von Gounod (zuletzt inszeniert 2000/01), Mozarts Don Giovanni (zuletzt inszeniert 2006/07), Puccinis Turandot (zuletzt inszeniert 2005/06) und Die lustige Witwe (zuletzt inszeniert 1999/00) als Übernahme einer Produktion aus Erfurt. Bergs Wozzeck ist hingegen überfällig, Händels Tolomeo ebenfalls eine sehr gute Wahl. Bei den Wiederaufnahmen überrascht man nur mit Tristan und Isolde. Hier kommt es darauf an, mit den Sängern zu punkten. Und damit zu Nicole Braungers anscheinender Stärke: für die Operngalas schwirren erneut große Namen im Raum. Der Hoffnungsschimmer glimmt bei der Sängerwahl, nur hier kann die Operndirektorin noch punkten.
Die
beiden letzten Don Giovannis Konstantin Gorny und Armin Kolarczyk sind
noch am Haus. In der kommenden Spielzeit sollen Nicholas Brownlee mit
der Titelpartie des Don Giovanni und Konstantin Gorny als Leporello zu hören sein - auch das zweifellos spannende Aussichten.
Eine Ballett-Vorstellung im Opernpremieren-Abo?
Enttäuschend und damit typisch für die Intendanz von Peter Spuhler sind mal wieder Unaufrichtigkeit und Intransparenz. Statt ehrlich zuzugeben, wieso man das Abo reduzieren muß oder die Gründe erklärt, wieso die Oper als aufwändigste Sparte vernachlässigt wird, füllt man es auf und verkauft den Opernersatz als Bonus. Ein Intendant, der sich nicht traut, die Karten auf den Tisch zu legen, darf sich nicht wundern, wenn man für seine Mogel-Packungen nur Hohn und Spott hat. Kompetenz und Souveränität wirken anders ...
Doch ansonsten: man darf sich weiterhin der angestammten Sitte bedienen, mittels welcher man diejenigen zu verjagen pflegte, die in einem Theater nichts zu suchen haben - man warf überreife Tomaten und faulige Eier nach den überforderten Verantwortlichen. Auch diesmal fliegen hier digitale Wurfgeschosse für dieses lieblose Mini-Programm.
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.
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Ich gestehe: noch nie habe ich das Opernprogramm des Badischen Staatstheaters mit derart konsterniertem Achselzucken zur Kenntnis genommen. Natürlich ist eine "Turandot" (hoffentlich mit Dobrzanska in der Titelpartie) oder ein "Don Giovanni" erst mal nie die falsche Wahl - vorausgesetzt, die Inszenierung stimmt erst mal. Innovation, Abwechslung oder gar Neugier im eigentlichen Sinne des Wortes sieht anders aus: Gott sei Dank sind diesbezüglich Mannheim und Frankfurt nicht aus der Welt. Das Schlimmste an acht Jahren Spuhler? Dass es fast egal, weil zu spät ist. (Florian Kaspar)
AntwortenLöschenVielen Dank Herr Kaspar für Ihre Einschätzung. Man setzt m.E. auf vermeintlich publikumswirksame Stücke, um eine weitere Zuschauererosion aufzuhalten - quasi eine konservative Planung, die nur dann funktioniert, wenn die Inszenierungen nicht wieder abstürzen. Aber ich kann jetzt nicht behaupten, daß Vorfreude und Neugierde bei mir durch die Decke schießen. Meine erste Reaktion war, Besuche in anderen Städten zu planen. Frau Braunger kann die Saison für mich nur halbwegs retten, wenn sie überrascht mit Sängern und Inszenierungen.
LöschenLieber Honigsammler, heute hatte ich Post vom Badischen Staatstheater im Briefkasten. Man hat sich dort durch Ihren Bericht "Nicht vergessen: Abos bis zum 31.05. kündigen!" anscheinend motiviert gefühlt eine Abo-Übersicht vor dem Stichtag 31.05. zu verschicken. Was Publikumsfreundlichkeit angeht sollten Sie dem Staatstheater öfters Anleitungen schreiben. Vielen Dank, das hat sich rentiert.
AntwortenLöschenNa, dann hoffe ich mal, daß irgendwann die Kulturpolitiker von Stadt und Land hier vorbeischauen und sich inspirieren lassen ;-)
Löschen@diverse Kommentatoren
AntwortenLöschenVielen Dank für Ihre Zuschriften! Es gibt wie üblich niemand, der etwas Gutes über die Intendanz und Argumente für dieses Programm gefunden hat. Allerdings will ich weder die Vorwürfe an Herrn Spuhler noch die politischen Analysen der Seilschaften weiter thematisieren, da es hier letztendlich immer primär um das Theater, dessen Mitarbeiter und dessen künstlerische Leistung geht. Trotzdem noch mal VIELEN DANK für alle die Infos und Analysen, die ich wie gewohnt in zukünftige Beiträge einfließen lasse.