Dienstag, 14. Mai 2019

7. Symphoniekonzert, 13.05.2019

Zwischen Berg und Schuberts Gipfel mußte das Publikum gestern erst durch ein Tal mit fahlem Engel gehen, um sprichwörtlich gewordene "himmlische Längen" zu erleben.

Anton Webern orchestrierte 1931 die 6 Deutsche Tänze D.820, die Franz Schubert über 100 Jahre zuvor für Klavier verfaßte - knappe 10 Minuten Musik im 3/4-Takt, die gestern komplett belanglos und überflüssig klangen. Selten hört man einen solch nichtssagenden Einstieg in ein Konzert.

Die Anzahl der Zentralgestirne im Universum großer Violinkonzerte ist überschaubar, Beethoven, Mendelssohn, Bruch, Brahms, Dvorak, und Tschaikowsky im 19. Jahrhundert, Elgar und Sibelius im 20., wer sich ansonsten noch als unerläßliches Nebengestirn positionieren kann, ist diskutabel, Saint-Saëns und Lalos Symphonie espagnole, Britten, Korngold, Prokofjew, Schostakowitsch, Glass, Adès ...? Das Violinkonzert von Alban Berg (*1885 †1935) ist ein erkaltendes Nebengestirn. Es ist durch seinen Untertitel bekannt: Dem Andenken eines Engels - der Engel hieß Manon Gropius (*1916 †1935), die mit 18 Jahren an Kinderlähmung gestorben war (der Tod erfolgte damals nicht aus Impfmüdigkeit, sondern durch regelmäßige Epidemien, erst ab ca. 1960 stand ein Impfstoff zur Verfügung. Ausgerottet ist das Virus auch heute noch nicht). Bergs letzte vollendete Komposition wurde in beider Todesjahr fertig gestellt und 1936 uraufgeführt. Die Violonistin Alina Pogostkina spielte dieses Konzert fahl und ohne Charisma, etwas Überirdisches wollte schon gar nicht daraus erklingen. Sogar die Zugabe wirkte temperamentlos. Da der Applaus relativ schnell ein Ende fand, war die Temperamentinkongruenz gegenüber der Solistin vielleicht kein rein persönliches Phänomen. Worüber man nicht schreiben will, darüber soll man schweigen. Schwamm drüber.....

Vor der Pause ein sehr enttäuschendes Konzert, doch dann wurde es deutlich besser. Bei der großen C-Dur Symphonie, die im Nachlaß von Franz Schubert gefunden wurde, ist immer noch einigen unklar, ob es jetzt offiziell die 8. oder die 9. Symphonie sein soll. Das rhythmusgeprägte Werk zeigt erneut Schubert als Großmeister der triumphal schönen Melodien und "himmlischer Längen ... wie ein dicker Roman" (Schumann) - eine Symphonie, die hörbar kreist und strebt, aber nie wie bei Beethoven stürmt. Justin Brown dirigierte auswendig, ohne Partitur und man spürte schnell, daß ihm diese Symphonie am Herzen lag. Er fand ein spannendes Gleichgewicht zwischen den beiden Bewegungen. Die Hörner eröffneten lange und melodiös den  ersten Satz, der so wunderbar an Fahrt zulegt und die anfängliche Melodie zur Apotheose führt. Der 2. Satz mit einer schönen musizierten solistischen Oboeneinleitung wirkt fast wie ein Choral mit dramatischen Zuspitzungen, die  Kontraste gelangen. Das folgende Scherzo mit dem wunderbaren Mittelteil wirkt wie ein Vorbild für Bruckners Scherzos. Der Schlußsatz in aufgeregter Feierlaune beginnt swingend und endet erst rockend mit dem viermal wiederholten Bam-Bam-Bam-Bam und dann mit einem Schlußjubel in C-Dur. Brown ließ die Badische Staatskapelle strahlend und seelenvoll musizieren, die Hörner eröffneten tadelos, es war eine Freude den Posaunen zuzuhören, die Holzbläser grandios, die Streicher mit sattem Klang, die Tempi organisch, nie zu nüchtern oder zu straff oder zu harsch. Brown ließ Glücksadrenalin erzeugen, so schnell wird zumindest der Verfasser dieser Zeilen heute Nacht nicht einschlafen können - BRAVO!