Dienstag, 14. Juli 2020

Patriarchendämmerung (9)

Und noch mehr Gegenwind für Intendant Spuhler
Die Orchestervorstände der Badischen Staatskapelle sowie die Chorvorstände des Badischen Staatsopernchors haben in einer Stellungnahme die Vorwürfe gegen Intendant Spuhler untermauert, verteidigen den Personalrat und üben namentlich Kritik an einigen Mitgliedern des Verwaltungsrats:
Sie schreiben u.a.:

"So traurig dies ist, von einer Überraschung für uns kann in diesem Zusammenhang keine Rede sein. Viel zu viele qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben in den letzten neun Jahren bereits das Badische Staatstheater verlassen. Wie wir aus zahlreichen persönlichen und zum Schutze der Kollegen vertraulichen Gesprächen wissen, geschah dies fast ausnahmslos aus denselben Gründen, die nun die drei Dramaturgen in der Öffentlichkeit angesprochen haben.
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Für die Öffentlichkeit mag die Darstellung der Arbeitsverhältnisse an unserem Haus, die gerade in der Sparte Oper im Prinzip zwangsläufig die selbstbestimmte, künstlerische Arbeit eigentlich hochmotivierter Spitzenkräfte verhindern, etwas Neues sein. Für die Politik kann dies keinesfalls zutreffen.
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Insbesondere der Orchestervorstand hatte in verschiedenster personeller Zusammensetzung des Gremiums schon seit der Spielzeit 2011/12 regelmäßig Gespräche zum Thema „Führungsstil des Generalintendanten“ mit Verwaltungsräten und den zuständigen Kulturbürgermeistern Herrn Jäger bzw. Herrn Käuflein. Diese Gespräche fanden zum größten Teil im Rahmen offizieller Termine statt und wurden ergänzt durch unzählige informelle Treffen wie z.B. anläßlich Premierenfeiern. Das jüngste offizielle Treffen fand im November 2018 ... direkt im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst statt. Dort wurde gemeinsam mit der Personalratsvorsitzenden Barbara Kistner u.a. nochmals explizit auf die höchst bedenkliche Fluktuation in den künstlerischen Abteilungen sowie die Besorgnis erregende Anzahl an Burnout-Fällen verwiesen.
Die auf den offenen Brief des Personalrats getätigten Äußerungen von Ministerin Bauer und OB Mentrup, die Vorwürfe seien „erstmals aufgeworfen“, irritieren uns daher zutiefst. Angeblich sind die von Personalrat und unseren Gremien angezeigten Warnsignale also nie bis zu den Spitzen des Verwaltungsrats durchgedrungen. Darüber können wir uns nur wundern. Es ist sicher richtig, daß in den ersten Jahren die Gespräche nicht persönlich mit dem Oberbürgermeister oder der Ministerin geführt wurden. Allerdings mußten auch sie spätestens seit den Zusammenkünften mit allen Spartenvertretern rund um die angestoßene Moderation im Jahr 2015 definitiv umfassend über die massiven internen Probleme Bescheid wissen.
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Herr OB Mentrup wirft dem Personalrat nun vor, Gräben soweit aufzureißen, daß man sie nicht mehr zuschütten kann. Hiermit identifiziert er nicht nur den Verursacher auf der falschen Seite sondern verkennt auch die Tatsache, daß die Gräben nicht einmal ansatzweise überhaupt geschlossen waren.
Wenn die Politik auch uns jetzt die öffentliche Stellungnahme vorwirft, so ist ihr zu entgegnen, daß uns gar keine andere Wahl bleibt. Die von Frau Bauer, Herrn Mentrup und in der Personalvollversammlung auch von Herrn Spuhler vorgeschlagenen Lösungsansätze zur Verbesserung der internen Situation erinnern an all die Ansätze, die bereits vor 5 Jahren vorgebracht wurden. Warum sollten sie dieses Mal fruchten? ..."

14 Kommentare:

  1. Sehr geehrte Lesende, es ist für mich wie ein Déjà-vu, oder täglich grüsst das Murmeltier. In Heidelberg war ich Ende der 2000er Jahre in einer mittleren Leitungspostion am Stadttheater beschäftigt. Auch ich erspürte wöchentlich im Jour fix die unkontrolliere Härte und den Selbstdarstellungswahn, der bis in den kleinsten Flyer in meiner Sparte durchbefohlen wurde. Als gebildeter Mensch habe ich in meinem Kopf auf Durchzug gestellt. Das war gut für mich, aber schlecht für andere Kolleginnen und Kollegen. Ich sah Mitmenschen, die aus einer Fröhlichkeit zum Theater zu verschliessenen Kulturkrüppel wurden. Sie haben krank und ausgebrannt das Haus verlassen. Doch die Arbeit am Haus ging Monat für Monat über dem Limit von 100% weiter. Es hieß nur unsere Besucher, unserer Gäste, unsere Partner. Es hieß nie unsere Kolleginnen und Kollegen. Omnipräsenz fand an allen Ort von Heidelberg statt. Erst empfand ich es als Anbiederung an die urbane Gesellschaft, dann aber wurde es zur allumfassenden Schleimerrei in Heidelberg. Alles was im Theater mit meiner Arbeit geschah wurde umfangreich in einem Black berry festgehalten. Der Black berry Besitzer war jedem bis zur Reinigungskraft bekannt. Nur die Reinigungskraft hat keine Emails nachts um 2.34 Uhr bekommen. Ich habe das Haus noch vor dem Intendantenwechsel verlassen. Nur einmal kam ich in den Neubau zurück. Künstlerisch ein schöner Opernabend in Heidelberg. Den Neubau empfand ich aber befriedigend bis ausreichend. Ach ja, bei der Verabschiedung von Herrn Spuhler gab es ein Grosses Fest auf dem Heidelberger Schloss. Viele Honorationen und eine Kutsche für Herrn Spuhler für die Fahrt nach Karlsruhe war mit dabei. Viele waren damals sehr glücklich, dass Herr Spuhler nach Karlsruhe ging. Heute wünsche ich auch allen Theatermenschen am Staatstheater eine grosse Party, die sich nie aus der Erinnerung verliert. Wünsche habe ich auch: ein gesundes und fröhliches Ensemble Theater mit klaren Linien. Aber bitte nicht 5 Vorstellungen an Ostern, Weihnachten, Silvester. Das so etwas sein kann, erlebe ich täglich an meinem Theater in Berlin. Es ist möglich ! Wir Theaterleute biedern uns nicht an, wir laden die Gäste ein. Wir wollen Kontakt mit der Gesellschaft auf breiter Front. Wir brauchen keine riesigen Torten bei irgendwelchen irrwitzigen Festivals, wo nur 894 Gäste in einer Festivalwoche und man dann von 98 ,7 % Auslastung spricht. Ein Deja vu für mich. Hatten wir das nicht schon einmal bis zum 3. Oktober 1990

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    1. Herzlichen Dank für Ihren ausführlichen Kommentar, der wahrscheinlich nicht nur mir Hoffnung macht und Mut gibt, daß die Freude am Theater wieder zurückkommen kann. Jede Intendanz geht mal zu Ende und dann geht es auch wieder anders :-)

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  2. Zunächst: Vielen Dank, lieber Honigsammler, auch wenn aktuell leider viel Unappetitliches und wenig Honigtau gesammelt wird. Ich glaube, dieser Blog ist ein wichtiges Forum geworden, weil er anstelle der offenen Diskussion am Theater eine Möglichkeit darstellt, "sein Herz auszuschütten".
    Und dieses Herz lege ich bei jedem Mitarbeiter eines Theaters erst mal zugrunde - so "verrückt" muss man nämlich erst mal sein, um an einem Theater zu arbeiten. Umso wichtiger ist, innerhalb einer solchen Arbeitsgemeinschaft auch nach innen zu schauen, nicht nur auf die Aussenwirkung (die Spuhler beherrscht!) oder die Quoten. Blick in die Zukunft: wieder Tage, Zeiten, Momente zu haben, an denen Theater richtig Spaß macht wäre das größte Geschenk an alle Mitarbeiter - und in der Folge fürs Publikum.
    Dann: Ich schließe mich an: Liebe Anna Bergmann, Sie verantworten auch eine Sparte: wird Ihnen offen genug gestritten und diskutiert? Gibt es dort keine Kollegen, denen im 14. Jahr der Vertrag geändert wurde, um den Kündigungsschutz zu mindern? Gibt es anerkennenden, offenen und wertschätzenden Umgang mit allen Menschen, die an einer Produktion beteiligt sind? Sind die öffentlich gewordenen Fälle ein "Opernproblem"? Ihre Stimme fehlt. Eine Sparte hat sich selbst diskreditiert. Von Bridget Breiner wäre eine Einschätzung zu früh.
    Weiter: Liebe Politik, lieber Verwaltungsrat: die nach außen auf Theaterwände gepinselte Absichtserklärung umzusetzen ist eine ernste und große, wenn auch nicht leichte Aufgabe. Bitte gehen Sie sie an!
    Und zuletzt: Wäre es nicht sinnvoll, die Verwaltungsratssitzung wie früher im Haus abzuhalten? Hätte den Vorteil, dass nicht alle Mitarbeiter mit Transparenten und bedruckten T-Shirts vor die Nancy-Halle laufen müssten. Und sich ergebende Gespräche könnten gleich vor Ort geführt werden.

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    1. Auch Ihnen vielen lieben Dank für Ihren Kommentar. Mein Lieblingswunsch in Ihrem Text: Theater soll wieder richtig Spaß machen - für Mitarbeiter und Publikum. Darauf freue ich mich! Unabhängig davon, was am Freitag passiert, bis zur Rückkehr der Freude wird es eine Übergangszeit geben und auch einige Enttäuschungen, denn allen wird man es nicht recht machen können, die Ansprüche an die bessere Zukunft kann über eine Durststrecke führen. Es müssen viele Rädchen ineinandergreifen, damit die Entspuhlerung gelingen kann.

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  3. Die Mitarbeiter sind untereinander gut vernetzt,die
    Köpfe bleiben auch in Spuhler Zeiten oben,und
    ein positives wird es haben - Irgendwann muß er gehen und genau an dem Tag,an dem er geht,wird das
    Theater eine nie gesehene und eine unvergessliche
    Party erleben......
    und dann können seine friends sich Kopf machen,davon
    gibt es mehr als genug

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    1. Ich wünsche Ihnen, das die unvergeßliche Party möglichst bald gefeiert werden kann :-)

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  4. Ein narzisstischer Chef weiß, dass er seine Ziele nur erreichen kann, wenn er erstklassige und treue Mitarbeiter um sich hat. Daher lockt er kompetente Mitarbeiter mit lukrativen Verdienstmöglichkeiten, guten Aufstiegschancen, interessanten Projekten sowie Privilegien wie individuellen Arbeitszeiten oder einem eigenen Dienstwagen. Außerdem wirbt er mit attraktiven Erfolgsprämien oder besonderen Incentives. Er wird am Ende aber immer deutlich mehr verlangen, als er im Vorgespräch angegeben hat. Er ködert die Bewerber mit einer Traumkarriere, verschweigt jedoch, wie hoch der Preis dafür ist.

    Der Preis für diese Privilegien ist immens hoch: Abruf- und Einsatzbereitschaft bei Tag und Nacht, die Erledigung von immer mehr und immer schwierigeren Aufgaben in immer kürzeren Zeitintervallen, launische Attacken des Chefs verbunden mit demotivierender Kritik, willkürliche Arbeitsanweisungen, ein gereiztes Betriebsklima, die Vernachlässigung des Privatlebens und vermehrte gesundheitliche Beschwerden verbunden mit dem zunehmenden Zweifel, ob man wirklich den richtigen Job gewählt hat. Aus Angst vor Arbeitsplatzverlust verharren Betroffene oftmals in dem Betrieb – bis es zum Burn-out kommt und sie dann von dem narzisstischen Chef aufgrund des Leistungseinbruchs ausgetauscht werden.

    Auszug aus diesem Text:

    https://umgang-mit-narzissten.de/narzissten-fordern-hohen-preis/

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  5. DANKE für die tolle Berichterstattung zu diesem Thema hier. Nicht nur dem gesamten Team des Badischen Staatstheater ist zu wünschen, dass bald bessere Zeiten ohne Herrn Spuhler anbrechen, auch allen, die das Badische Staatstheater lieben und mit Bestürzung die Entwicklungen der letzten Jahre vor allem in der Oper mit ansehen mussten. Wenn es wirklich so mit Herrn Spuhler als Intendant weitergehen würde, wäre das ein veritabler politischer Skandal, der fast noch größer als die skandalösen Vorgänge am Theater wäre.

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    1. Vielen Dank! Schauen wir mal, was in den nächsten Tagen und Wochen noch so passiert.

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  6. Ich schließe mich dem Dank an. Ich wünsche den Theaterleuten, dass nicht nur Herr Spuhler, sondern auch alle seine Geschöpfe gehen müssen, dass jeder durchleuchtet wird, der ohne Ausschreibung und ohne ordnungsgemäßes Bewerbungsverfahren in seine Stelle hinein gesunken wurde. Damit das Recht im Badischen Staatstheater wieder eine Zukunft hat.

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    1. Vielen Dank. Wichtig wird sein, daß der Druck bestehen bleibt, Journalisten noch mehr recherchieren und zum Schwarzbuch des Intendanten weiter beitragen

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  7. In der Rheinpfalz wird gerade noch einmal "nachgekartet" und das Thema so auch aktuell in den Schlagzeilen gehalten: "Krise um Staatstheater-Intendant Spuhler Thema im Verwaltungsrat"

    Allerdings heißt es dort: "Die massive Kritik an den Führungsqualitäten des Staatstheater-Intendanten Peter Spuhler ist am Donnerstag [!] Thema beim Treffen des Verwaltungsrats", anschließend sei eine Stellungnahme angekündigt...

    Also laut Rheinpfalz schon heute...

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    1. Offiziell tagt der Verwaltungsrat am Freitag, 17.07. um 8 Uhr in der Nacncy-Halle. Im Anschluß stellen sich meines Wissens Bauer und Mentrup den Fragen der Mitarbeiter.
      Wenn Sie früh aufstehen, können Sie sich um 7.30 der Mahnwache vor der Nancy-Halle anschließen. Wenn mal alle in der Halle sind, wird wohl stundenlang diskutiert. Es muß nicht mal sein, daß es danach schon druckreife Ergebnisse gibt, sondern erst dann die Arbeit beginnt

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