Sonntag, 21. Juni 2020

Auf der Suche nach Kompetenz (3)

Die Flucht ohne Ende
Die Personalprobleme und Postenwechsel sind ein Running Gag in der Sittenkomödie über die Intendanz von Peter Spuhler. Eine löbliche Ausnahme bei den Personalentscheidungen ist zweifellos Dr. Boris Kehrmann, der sich schnell als hochkompetenter Dramaturg erwies. Doch wie man nun überrascht aus der hochkochenden Gerüchteküche hört, wird Kehrmann im Zwist mit Intendant Spuhler kurzfristig zum Saisonende das Badische Staatstheater verlassen. Es wäre ein weiterer herber Verlust für die Karlsruher Oper.

Von den wenigen guten Personalentscheidungen war Kehrmann zweifellos eine der besten. Belesen, kultiviert und mit Begeisterung und Wissensdrang bei der Sache - Kehrmann schuf tiefschürfende Texte und Programmhefte fürs Bücherregal. Wo die aktuelle Karlsruher Intendanz künstlerisch und intellektuell zu oft nicht satisfaktionsfähig erschien, kontrastierte Kehrmann durch Kompetenz, und wenn Kompetenz am Badischen Staatstheater das ausschlaggebende Kriterium wäre, müßte Kehrmann seit einigen Jahren den Posten des Chefdramaturgen innehaben. Stattdessen erlebt man in dieser Funktion unscheinbare Gestalten, deren Namen man sich nicht merken muß und die entweder gar nicht gegenüber dem Publikum in Erscheinung treten bzw. keine eigenen Texte vorweisen können, die bemerkenswert sind. Kehrmann hingegen ist ein Gewinn für jedes Opernhaus. Max E. Cencic engagierte ihn bspw. als Autor des Einführungsartikels für seine neuste Opern-CD-Produktion von Vincis Oper Gismondo Re di Polonia. Zuvor war Kehrmann Dramaturg bei Cencics sensationellem Karlsruher Serse.

Im Spielzeitheft für 2020/21 wird Kehrmann noch genannt, das Zerwürfnis mit dem Intendanten scheint erst in den letzten Wochen die Akteure entzweit zu haben, der Auflösungsvertrag soll diese Woche unterschrieben worden sein. Kehrmanns Abgang ist ein schwer zu kompensierender Qualitäts- und Kompetenzverlust.

10 Kommentare:

  1. Seine Abendeinführungen waren immer ein Genuss und machten noch neugieriger auf die anschliessende Vorstellung. Herr Kehrmann war ein gerne gesehenes Gesicht in den Vorstellungspausen und eine - schreibende - Stimme der Karlsruher Oper. Wieso verlässt eine solche Kapazität so Knall auf Fall das Haus? Schade!

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  2. Nicht zu vergessen "Oper am Klavier" als neues Format - klein, aber fein! Kehrmann gehörte nicht zu den "Eunuchen", er konnte sich dem Publikum stellen und das mit viel Wissen und stets freundlich und sympathisch und ohne Zeigefinger-Allüren. Sein Abgang ist wirklich ein Verlust für das Publikum!

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  3. Falko Steiner25 Juni, 2020 14:45

    Und gerade dieses Format wäre auch ideal gewesen, um das während der Corona-Schließungen völlig aus der Öffentlichkeit verschwundene Staatstheater im Internet angemessen in Erinnerung zu halten.

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  4. BNN heute lesen und aufwachen!

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  5. Die Wahrheit kommt irgendwann ans Licht. Nur, wer wird im Verwaltungsrat zugeben daß er "reingefallen" ist? Niemand. Es verschwindet in der Bedeutungslosigkeit. Wie das Provinz Staatstheater Karlsruhe.

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  6. Haha, BNN lesen! Diese Zeitung hat jahrelang alles verschwiegen oder beschönigt, was das Theater unter Herrn Spuhler anging, hat systematisch kritische Leserbriefe unterdrückt, wie ich aus mehrfacher eigener Erfahrung weiß (und belegen kann). Diese Herren Hübl und Jüttner sind auch schuld an der Misere, sie haben keinerlei eigenen investigativen Journalismus betrieben (was kaum nötig gewesen wäre), dessen sie sich so rühmen, eine Frau Steppeler hat sich sogar erdreistet, den eigenen überaus kompetenten Kritiker Prof. Dr. Krohn am folgenden Tag in den BNN zu tadeln, weil er einige Kritikpunkte in seiner Opernkritik unterbringen konnte. Die reißerische Überschrift auf der Titelseite der BNN, die vor allem Stein des Anstoßes war, stammte im übrigen von Herrn Hübl (Honi soit qui mal y pense).
    Dieser Artikel ist eine einzige Heuchelei. Diese Kulturredaktion hätte eventuell auch die Verlängerung der Intendanz Spuhler verhindern können, durch Presse- und öffentlichen Druck auf den überaus unfähigen und (z.T. im Netzwerk Spuhler eingegliederten) Verwaltungsrat! Ich bin so sauer, dass ich auch wegen der Obengenannten die Ära Spuhler noch bis 2026 ertragen oder boykottieren muss! Beate

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  7. Alle die wissen, das checken, aus Angst sich nicht recken, sollen aufstehen. Frei nach bots

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  8. VIELEN DANK für Ihre Kommentare. Nun haben die BNN endlich wieder ihre Aufgabe als Presse ernst genommen und einen bemerkenswert kritischen Bericht geschrieben. Der zutiefst bedauerliche Abgang von Boris Kehrmann hat zumindest vorübergehend das Faß zum Überlaufen gebracht. Diesen BNN-Artikel sollten so viele Theaterfreunde wie möglich so vielen Verwaltungsratsmitgliedern wie möglich schicken.

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  9. Das Klima der Angst....wenn dieses Klima nur angesichts der Intendanz auftreten würde, dann wäre dies schon schlimm genug.
    Allerdings zieht sich dieses Klima seit Jahren durch das ganze Staatstheater. Die unwissende Öffentlichkeit hat nun einen kleinen Einblick erhalten wie die Theaterwelt hinter den Kulissen aussieht, wieder einmal muss man sagen...
    Jedoch bleibt zu befürchten,dass auch jetzt keine Konsequenzen daraus gezogen werden.
    Die Proteste bei der damaligen versuchten Kaltstellung des Herrn Obermaiers hätten die Verantwortlichen schon massivst auf die Missstände im Hause aufmerksam werden lassen müssen.

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    1. Vielen Dank für Ihren Kommentar. Ich verschiebe ihn zusätzlich zum nachfolgenden Blogeintrag (Mumpitztheater 17) und beantworte ihn dort.

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