Freitag, 1. Juni 2018

Mumpitztheater (3)

Das Theater des "alten weißen Mannes"
oder

Revanche statt Gleichberechtigung?
Das Badische Staatstheater macht eine so laute Kehrtwende, daß man genauer hinschauen sollte. "Die Zukunft ist weiß" konkretisierte man hinsichtlich der neuen Personalpolitik, mit der man verstärkt auf weiße Mitteleuropäerinnen setzt und .. . halt, nein, anders, "Die Zukunft ist weiblich", so heißt das diskriminierende Etikett korrekt. Nachdem es die letzten Jahre anscheinend galt, daß die Zukunft männlich und homosexuell war, sind nun Frauen dran. Bei den vielen Floskeln und Flatulenzen, die in den letzten Jahren so gerne wohlfeil als Etikette bemüht werden, kann man schon mal durcheinander kommen. Statt sich zu freuen, daß man so gute weibliche Bewerber mit überzeugenden Ideen hatte, vermittelte man den Eindruck, als ob es dabei gerade nicht um Inhalte, sondern nur um das Ausrufezeichen ging. Intendant Spuhler kann es als Ablenkungserfolg vermelden, daß es bei seinen Engagements inzwischen nicht um solche Dinge wie Programm, Kompetenz, Berufserfahrung, Vorhaben und Vorteile für das Publikum geht, nicht um Sänger oder Schauspieler und Künstler nur noch nebensächliche Erfüllungsgehilfen sind, sondern sekundäre Eigenschaften aufgebläht und als Nachricht gelten. Man hat nun also gewollt Frauen engagiert. Ist das ein Grund ins Theater zu gehen? Wird Theater dadurch besser? Ist es überhaupt von irgendeiner Bedeutung für das Theaterpublikum? Wer sich das Programm der Spielzeit 2018/19 anschaut, bekommt nicht den Eindruck, daß sich bspw. im Schauspiel etwas verbessert, viele Stücke scheinen Befindlichkeitsbelehrungen zu sein (aber warten wir's erst mal ab). Na ja, alles ist recht für die Intendanz, solange man nicht über Programm, Kunst und Künstler oder Führungsstil reden muß. Der Intendant wirkt als Sonnenkönig, da das ziemlich schief gegangen ist, dürfen es jetzt die neuen Kronprinzessinnen für ihn richten. Sie sind die neuen Planierraupen seiner weiteren "Karriere", er scheint aus Erfolglosigkeit gezwungen, in Karlsruhe verlängern zu müssen.

Die borniert wirkende Aussage "DIE ZUKUNFT IST WEIBLICH!" (Original in Großbuchstaben) war also wahrscheinlich gar nicht diskriminierend gemeint, sondern nur ein weiterer unterirdisch unbeholfener Versuch (manche sagen dazu PR-Gag), von der defizitären und prekären Intendanz Peter Spuhlers abzulenken, indem man die neuen Mitarbeiter zu seinen Gunsten instrumentalisierte. Nun aber, da man laut Badischen Staatstheater ein "frauendominiertes Führungs-Team" hat, stellt sich doch tatsächlich die Frage, ob man überhaupt noch einen männlichen Generalintendanten als künstlerischen Vorgesetzten der Spartendirektorinnen braucht. Anna Bergmann ist Regisseurin, Bridget Breiner Choreographin - Peter Spuhler kann da nicht mithalten. In Mannheim und Stuttgart hat man bereits künstlerisch verantwortliche Spartenintendanten und einen geschäftsführenden Intendanten als Intendanzteam. Wieso sollte man weiter auf eine altmodische Ein-Mann-Führungsspitze mit untergeordneten Direktorinnen setzen? Wenn man wirklich künstlerische Vielfalt will, braucht man keinen Generalintendanten, sondern Spartenintendanten. Schade, daß "Vielfalt" auch nur so ein entleertes Etikett ist, mit dem man sich zur Täuschung schmückt.

Verdient Intendant Spuhler mehr als seine weiblichen Spartendirektoren?
Ist der Posten des Generalintendanten tatsächlich nicht nur deswegen noch existent, weil er es Peter Spuhler ermöglicht, mehr zu verdienen als seine weiblichen Spartenleiter? Birgit Keil im Ballett hat mehr für die Reputation des Badischen Staatstheaters geleistet als Peter Spuhler es je leisten kann. Ist das finanziell gerecht geregelt und bekommt Keil mehr als Spuhler? Wenn dem nicht so wäre, hätte Peter Spuhler als engagierter Vorkämpfer für Gleichberechtigung doch sicher auf einen Teil seines Gehalts verzichtet und es mit Birgit Keil geteilt? Oder etwa doch nicht? Andernfalls könnte das doch schon sehr heuchlerisch wirken. Und wieso sollte bspw. Anna Bergmann als neue Leiterin des Schauspiels weniger als Spuhler verdienen? Weil er die künstlerische Gesamtverantwortung trägt und sie nur seine Handlangerin ist? Wenn Intendant Spuhler es ernst meinen würde, sollte er in der Hinsicht als Vorbild tätig sein. Tue Gutes und rede darüber, denn zu viele fordern nur und tun nichts selber. Solange man am Badischen Staatstheater nicht offiziell bekannt gibt, daß man selbstverständlich für Gehaltsgerechtigkeit sorgt und der verwaltende Intendant genau so viel verdient wie die künstlerisch verantwortlichen Spartendirektoren, weiß man, was von dem Aufplustern zu halten hat.

Heinrich Heine hat übrigens die maßgeblichen Worte verfaßt:
Ich kenne die Weise, ich kenne den Text,
Ich kenne auch die Herren Verfasser;
Ich weiß, sie tranken heimlich Wein
Und predigten öffentlich Wasser


Mit Transparenz hat es Intendant Spuhler bisher nicht so. Wer in Spielzeitheft, Theatermagazin oder Homepage bspw. nach Gründen für manche umstrittenen Entscheidungen sucht, wird nicht fündig. Wer auch immer seine Nachfolge antreten sollte, kann mit dem Thema Transparenz und Offenheit nur gewinnen.

Frauen als Opfer der Quote?
Niemand hat 2003 die Qualifikation von Birgit Keil als Ballettdirektor in Frage gezogen. Wieso auch? Sie hat die Erfahrung, die Kompetenz und das Netzwerk. Niemand kann ernstlich Bridget Breiner und Anna Bergmann die Kompetenz für den neuen Job absprechen. Bergmann hat vielleicht noch nie als Schauspieldirektorin gearbeitet, hat aber die Berufserfahrung. Wer will ernsthaft  behaupten, daß diese Kandidaten ihren Job nur bekommen haben, weil man sie protegierte. Sie sind weder  bedauernswerte Opfer der Quote noch förderungswürdige Opfer der Überlegenheit des Mannes, deren einzige Chance darin besteht, eine neue Form der Diskriminierung zu etablieren, sondern ganz selbstverständlich für diesen Job ausgewählt. Ob sie Erfolg haben oder Müll abliefern, hat nichts mit ihren Chromosomen zu tun. Nun bekommt man allerdings den Eindruck vermittelt, daß tatsächlich Geschlecht und/oder sexuelle Orientierung in den vergangenen Jahren im Theater eine Rolle spielten und man nun gegensteuert. Denn wieso sonst sollte man jetzt so überlaut reagieren und mit Selbstverständlichkeiten angeben?
    
Bei Nicole Braunger sieht das schon etwas anders aus, sie muß damit leben, erst mal nur als Interimslösung zu gelten. Die Leitung der wichtigsten Sparte eines Staatstheater zu bekommen, obwohl Braunger anscheinend noch nie in einer vergleichbaren Führungsposition war, ist diskutabel. Sie muß sich beweisen, sonst ist sie tatsächlich nur ein bedauernswertes Quotenprotegée, das es halt auch gar nicht von sich aus schaffen konnte, und ihren Job durch Diskriminierung bekommen hat, nämlich der Diskriminierungen des Besseren zugunsten des Opportunen - und manch einer wird nun denken, daß genau das als Motto über der aktuellen Intendanz stehen könnte.
 
Fazit: Statt die Entscheidung für die neuen Direktorinnen auf ihr Geschlecht zu reduzieren, hätte man mal besser ihre Qualifikationen und Absichten in den Vordergrund gestellt und verdeutlicht, für was sie in den kommenden Jahren stehen. Stattdessen wurde dieser Vorgang in Form des aktuellen Spezialgebiets der Intendanz dem Publikum präsentiert - als Mumpitztheater.
(Fortsetzung folgt)