Teilweise nur selten zu hörende russische, exilrussische und sowjetische Musik aus dem ersten Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts stand auf dem Programm des stark applaudierten 7. Symphoniekonzerts.
Wenn Anatoli Ljadow (*1855 †1914) auf dem Konzertspielplan steht, dann fast immer mit seiner kurzen Tondichtung Der verzauberte See op. 62, die für eine nicht beendete Märchenoper 1909 entstand. Das Stimmungsbild soll einen geheimnisvollen See in nächtlichem Sternenlicht zeigen, das tiefe Grundrauschen der Bässe zu Beginn für den statischen See, Bewegungen, die nichts verändern und impressionistische Tupfer setzen, Celesta und Harfe kommen zum Einsatz, die Holzbläser spielen Melodien, wie weder Menschen noch Handlungen zugeordnet sind - ein Clair de lune unter kälterem nördlichem Himmel.
Auch der deutsch-polnische, in Kiew geborene und in Moskau gestorbene, Komponist Reinhold Glier (*1874 †1956), der sich französisiert Glière nannte, ist nur noch selten zu hören. Das Konzert für Harfe und Orchester Es-Dur op. 74 gehört zu den Spitzenreitern ihrer Gattung. Harfenkonzerte sind reizvoll, 2013/14 bekam man bspw. im 6. Symphoniekonzert zwei davon beeindruckend zu hören (das von Germaine Tailleferre und das von Vivian Fung). Als Solist konnte man einen der bekanntesten Virtuosen engagieren: Xavier de Maistre. Er zeigte beeindruckend die Anmut und Eleganz seines Instruments in einem Konzert, das die Harfe vor gut gelaunten Hintergrund stellt. Bei Glière ist die Harfe kein Instrument für große Stimmungsschwankungen, sondern ein Glücksversprechen. Als klassische Schönheit mag die Komposition plakativ anmuten, aber das Spiel des charismatischen französischen Harfenisten war mitreißend. Wer nach den Schlußtönen des Konzerts kein Lächeln auf den Lippen hatte, den konnte wohl auch sonst an diesem Abend kaum etwas erfreuen. Zur Zugabe lud de Maistre mit einem charmanten Kopfnicken ein, als ob er das Publikum auffordern wolle, ihm zu folgen, und spielte als hinreißendes Bravourstück den 1. Spanischen Tanz von Manuel de Falla. Man sollte de Maistre wieder einladen und ein Kontrastprogramm wählen, bspw. mit dem Harfenkonzert von Ginastera oder Rautavaara.
Man feiert in diesem Jahr den 150. Geburtstag von Sergej Rachmaninow (*1873 †1943). Seine späte Symphonie Nr. 3 a-Moll op. 44 ist typisch und doch anders. Rachmaninows Melodik ist auch hier kantabel und spätromantisch. Was er zu sagen hat, sagt er aber nicht mehr schwärmerisch, er schwelgt nicht mehr gefühlsbreit und pathetisch, sondern ist knapp geworden, das Ohr kann sich kaum an etwas festhalten. Es gibt dynamische Kontraste und dramatische Entwicklungen, man hört beginnende Schönheit und noch mehr Befremdung. Daß es dennoch langanhalten Applaus für diese spröde Symphonie gab, lag an Johannes Willig, der schnörkellos in direkter Lesart und elektrisierend dirigierte, sowie an der Badischen Staatskapelle, die die rasanten Vorgaben des Dirigenten hochkonzentriert mit vollem Spieleinsatz umsetzte.
PS: Man kann sich bereits auf Willigs nächstes Konzert in der kommenden Saison freuen: César Francks grandiose Symphonie in d-moll (die beste Aufnahme davon ist über 60 Jahre alt, der Dirigent Pierre Monteux war zum Aufnahmezeitpunkt über 80. Monteux erlebte als dreizehnjähriger Junge die Premiere von Francks Symphonie und zeigte dem Nachwuchs, wie man leidenschaftlich musiziert, nachzuhören bspw. hier: https://www.youtube.com/watch?v=V314pp_V12M) sollte in ähnlich furioser Interpretation ein großer Erfolg werden.