Der Rechnungshof Baden-Württenberg hat 2022 die Haushalts- und Wirtschaftsführung und die Perspektiven des Badischen Staatstheaters geprüft. Prüfungszeitraum waren die Jahre 2016 bis 2021. Das Resultat ist für regelmäßige Besucher nicht überraschend und deutet nicht nur an, daß die gängige Praxis des Klienteltheaters nicht erfolgreich war, sondern zeigt sowohl die Tricks der Theaterleitung, mit denen Premieren manipuliert wurden, als auch die Ignoranz des Verwaltungsrats. Verbesserungspotentiale sieht der Rechnungshof auf der Einnahmenseite:
Künstliche AuslastungssteigerungMan konnte sich in den letzten Jahren oft wundern: Bei Premieren am Badischen Staatstheater saßen im Publikum einige Mitarbeiter und offensichtlich noch mehr Angehörige, Resultat: es wurde beklatscht und bejubelt, was oft nur Mittelmaß war. Nun rügte der Rechnungshof das Badische Staatstheater: In den Spielzeiten 2016 bis 2019 wurden jeweils zwischen 19.000 und 21.000 Dienst-, Frei- und Ehrenkarten jährlich ausgegeben. "Dies entspricht rechnerisch einem jährlichen Einnahmeverzicht von rund 340.000 Euro. Überdurchschnittlich hoch war der Anteil von Dienst-, Frei- und Ehrenkarten bei den ersten Vorstellungen einer Produktion in der Spielzeit. Bei solchen Vorstellungen mit einer hohen Auslastung bedeutet dies, daß Besucher mit Dienst-, Frei- und Ehrenkarten zahlende Besucher „verdrängen“ und damit beachtliche Einnahmeausfälle entstehen können. ... Die derzeitige Dienst- und Freikartenordnung stammt in ihren Grundzügen aus dem Jahr 1975. Die Theaterleitung des Badischen Staatstheaters hat in den vergangenen Jahren diese Ordnung in der Verwaltungspraxis erheblich ausgeweitet, ohne daß der Verwaltungsrat eine Änderung beschlossen hatte. Eine Neufassung durch den Verwaltungsrat ist daher geboten und sollte effektiv umgesetzt werden."
Zu mageres Einspielergebnis
Die Anzahl der Abonnenten sinkt kontinuierlich, die Anzahl der Zuschauer scheint ebenfalls rückläufig, insbesondere auf die Zahlen der abgelaufenen Spielzeit darf man gespannt sein. Viele leere Vorstellungen und abgesagte Termine sind kaum zu übersehen. Die Ursachen - u.a. mangelnde Qualität des ideologisch eingefärbten Klienteltheaters - sind kein Thema des Rechnungshofes, die Konsequenzen schon: "Nach der Umwandlung des Badischen Staatstheaters in einen Landesbetrieb formulierte der Verwaltungsrat 2014 die Erwartung, dass das Staatstheater während der Bauphase 12,5 Prozent und nach deren Abschluß 15 Prozent seines Ausgabenvolumens für Verwaltung und laufenden Betrieb aus eigenen Einnahmen finanzieren sollte („Einspielergebnis“). Dieses angestrebte Ergebnis orientiert sich an der bundesweit bei vielen Theatern üblichen Quote, mancherorts werden auch 20 Prozent oder mehr erzielt. Tatsächlich erreichte das Badische Staatstheater seither in keinem Jahr mehr als 14 Prozent."
Verbesserungspotenziale sieht der Rechnungshof also auf der Einnahmenseite: da die Höhe der Eintrittspreise regelmäßig angepaßt und gegenüber vielen Zuschauern eine weitere Steigerung kaum erklärbar sein wird, steht insbesondere die Auslastung der Veranstaltungen im Fokus. Und die kann erst steigen, wenn die Zuschauer wieder Vertrauen zu den Produktionen gewinnt. Es wird eine mühevolle Aufgabe für den designierten Intendanten Christian Firmbach, das seit 2011 verspielte Vertrauen halbwegs zurück zu gewinnen.
Publikumsarmes Klienteltheater
Zum Absturz durch ideologiegetriebenes Klienteltheater sowie Totgeburten wie das Volkstheater, bei denen für ein nicht vorhandenes Publikum produziert wird, stellt der Rechnungshof fest: "Auf der Ausgabenseite sollte das Staatstheater stärker als bisher darauf achten, daß alle Veranstaltungen einen positiven Deckungsbeitrag erbringen. Der Rechnungshof hat dem Staatstheater empfohlen, seine Kosten- und Leistungsrechnung so zu verfeinern, daß eine betriebswirtschaftlich fundierte Steuerung des Veranstaltungsbetriebs möglich wird. Notwendig ist insbesondere eine detailliertere Kostenträgerrechnung." Die Produktionen, die kaum Publikum anziehen, sollten also wegfallen oder günstiger werden.
Marketing aus der Steinzeit
Für manche überraschend: Das Badische Staatstheater soll ein Marketing haben, man bemerkt es nur nicht. Neugierde und Vorfreude werden ebenso wenig geweckt, wie Gründe geliefert, wieso man Vorstellungen besuchen soll. Eine Kunstvermittlung auf magerem sprachlichen und inhaltlichen Niveau - wer ein Theater als Wohnzimmer bezeichnet, betont nicht das Außergewöhnliche, weswegen man ins Theater kommen soll. "Vor diesem Hintergrund sollte das Programmangebot überdacht und in Richtung eines attraktiven Gesamterlebnisses weiterentwickelt werden." Das wird durch zehn Jahre Baustelle und Einschränkungen räumlich nicht gut funktionieren. Doch insbesondere bei der Neuausrichtung hat die Behörde wenig Ahnung und spekuliert. Zumindest eine Aussage stimmt: "Notwendig ist eine Strategie zur Herausbildung eines eigenen öffentlich wahrnehmbaren Profils, an dem sich das potentielle Publikum, das kulturelle Netzwerk und die publizistische Wahrnehmung des Theaters orientieren können. Ohne ein solches Profil wird sich das Theater auch im Bereich des Sponsorings nicht weiterentwickeln können."
Weiterhin gibt es Ratschläge zur Materialbeschaffung, zum Personaleinsatz im Schichtbetrieb und der notwendigen Gewinnung von technischen Fachkräften für die Theaterarbeit.
Die Pressemitteilung des Rechnungshofes findet sich als aktuell hier (Link).