Franco Fagioli in Polifemo, Michael Spyres als Lohengrin und Karine Deshayes als Norma! Spannend, was die Oper in Straßburg für die bevorstehende Saison ankündigt. Dem Badischen Staatstheater fehlt es dagegen weiterhin an Glanz und Charisma. Die Freude am Theaterbesuch ist nicht nur dem Verfasser dieser Zeilen über ein Jahrzehnt merklich ausgetrieben worden. Manch einer bleibt lieber weg und ob diese Wegbleibenden 2024 einfach wieder ins Theater zurückkommen, steht auf einem anderen Blatt. Doch einiges kann nun endlich in absehbarer Zeit zum Orkus hinab gespült und hoffentlich vergessen werden. Manche werden 2023/24 (mehr auch hier) lieber abwarten, was der kommende Intendant ab 2024/25 anbietet und den Eindruck haben, daß es sich nicht mehr lohnt, die Aporien von Schauspiel- und Operndirektorin zu ertragen. Über ein Jahrzehnt war es intendantengewollte Mode bei den Karlsruher Theaterverantwortlichen_innen, ein verklemmtes Verhältnis zur Erotik zu pflegen. Zu oft wurden Theater und Bühne zum Zwecke der Selbstbefriedigung instrumentalisiert, statt das Publikum zu beglücken. Eine unfreiwillige Komik liegt in Verhalten und Selbstdarstellung eines Theater mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung und einem onanistischen Sendungsbewußtseins, bei der man als Zuschauer nicht über Komödien auf der Bühne lachen durfte, sondern über das künstliche "Empowerment" des Führungspersonal, das sich ungewollt selber dekonstruierte. Als Höhepunkte in der langen Reihe unfreiwilliger Komik darf einerseits der Moment gelten, als der Intendant, der Die Würde des Menschen ist unantastbar kanzelhaft an die Brüstung pinseln ließ, wegen würdelosen Verhaltens gegenüber den Angestellten aus dem Theater geworfen wurde. Und daß die 100% Regie-Frauenquote im Schauspiel so in die Hose ging und lediglich zeigte, daß weibliche Regisseure genauso langweiliges ideologisches Theater machen können wie zuvor die ausgesuchten Männer, wird noch lange als Quelle von Komik dienen können. Doch abgesehen von den Konflikten und Ärgernissen, von Hybris und Heuchelei, wird 2011-2024 als eine Zeit in Erinnerung bleiben, die in Schauspiel und Oper nur sehr wenig erinnerungswürdige Produktionen und Publikumsdauerbrenner auf die Bühne und stattdessen Personen ins Amt brachte, denen es vorrangig darum zu gehen schien, sich selber und ihre Allüren in den Mittelpunkt ihres Klienteltheaters zu stellen, statt Theater für das Publikum zu machen.
Was passiert in der kommenden Spielzeit? Abgesehen vom freudig erwarteten Abgang der hoffentlich allerletzten Generation freudlos verklemmter Theatermacher_innen, stellt sich die Frage, ob man dem Publikum zum Abschied entspannt die Hand aus- oder ihm doch noch mal den Mittelfinger entgegen streckt. Insbesondere der Schauspieldrops ist seit Jahren gelutscht. Es bleiben Erinnerungen an schalen Geschmack. Es gibt kaum gute Gründe, dem letzten Jahr von Anna Bergmann im Schauspiel Aufmerksamkeit zu schenken. Sie hat sich in eine enge Sackgasse manövriert und zu oft ein beengtes Theater gezeigt, dessen schlichten Weltbildern der doppelte Boden fehlte. Zu viel pampiges Erbsenpüree für Freunde zahnloser Schlichtheit und zu wenig Raffinesse und Vielfalt. Letzte Spielzeit wurde es zumindest entspannter, es gab deutlich mehr Abwechslung - doch zu spät. Der Abgang Bergmanns ist überfällig.
Im Ballett hatte Bridget Breiner und ihre Kompagnie durch drei Jahre Pandemie zu wenig Gelegenheit, sich zu präsentieren. Als letztes Handlungsballett choreographiert die Ballettdirektorin einen Nußknacker, der mit der noch klaren Erinnerung an die beliebten Vorgängerproduktion konkurriert. Saiten/Sprünge zu Kammermusik für Streichinstrumente ist dann die letzte Produktion. Insbesondere mit Jazz, Maria Stuart und Per aspera ad astra gibt es sehenswerte Wiederaufnahmen. Bridget Breiner übernimmt ab 2024/25 den Part als Chefchoreografin des Düsseldorfer Balletts.
Immerhin: das Konzertpublikum wurde nicht vertrieben, es kommt unbeeindruckt äußerer Umstände treu weiter und man muß keine Ausreden bemühen, um fehlende Zuschauer zu erklären. Georg Fritzsch bleibt bis 2027 GMD der Badischen Staatskapelle, weitere CD-Einspielungen sind angekündigt, mal schauen, was Fritzsch in den kommenden vier Spielzeiten vorhat und wie es ankommt. Die kommende Konzertsaison hat erneut viele spannende Momente. Etwas mehr zeitgenössische Klassik könnte es zukünftig aber schon sein, denn es gibt einiges Attraktives, was man in Karlsruhe bisher nicht zu hören bekam.