Sonntag, 3. November 2013

Kurze Zwischenbilanz der Intendanz Spuhler (Teil 1)

Wie schief hängt denn nun der Haussegen zwischen Intendanz und scheidender Operndirektion des Badischen Staatstheaters? Es wird wohl nur rückblickend zu analysieren sein, denn alle Beteiligten werden die Professionalität haben, um eine Schlammschlacht zu vermeiden. Durch verschiedene freundliche Kommentare und persönliche Mitteilungen scheint aber eines klar: Schaback und Team gehen von sich aus, sie wurden nicht gegangen. Die Ursachen für das Zerwürfnis bleiben vorerst unklar. Der Zeitpunkt für die Veröffentlichung in den BNN scheint abgesprochen. Auch die Moderation der Sparte Oper beim Theaterfest durch Heiner Kondschak erscheint in neuem Licht. Sogar das neue Theatermagazin Nr. 9 lässt sich aus dieser Sicht wie eine Verteidigung der Intendanz Spuhler mit Durchhalteparolen lesen. Im Begrüßungswort wird man bereits darauf hingewiesen, daß man das Theater allen Menschen öffnen wolle (wem war es denn bisher ausdrücklich verschlossen?). In einem über mehrere Seiten aufgeblähten, aber inhaltsschwachem Gespräch (Seite 19 ff.) wird "Öffnung" als Schlüsselwort und "Du mußt dein Leben ändern" als Leitlinie der Intendanz Spuhler in Erinnerung gerufen. (Die Leitlinie bedeutet doch aber nicht, daß man seine Ansprüche an die Qualität des Badischen Staatstheaters verringern muß?). Und Peter Spuhler offenbart sogar seine Vision: "Ich träume von einen Haus/Theater, das rund um die Uhr offen ist". Wieso der Charme einer Bahnhofshalle künstlerisch relevant und eine Vision ist, wird sich nicht jedem auf Anhieb erschließen. Wer lange genug im Bahnhof ist, wird auch mal selbstverständlich einen Zug besteigen - so scheint die Taktikvorgabe bei solchen Aussagen zu sein. Dabei gäbe so viele und schöne andere Visionen auf die man sich mit seinem Publikum einigen könnte: z.B. ein Haus, dessen künstlerische Qualität ein großes Publikum lockt und das seinen Platz auf der Landkarte zwischen Frankfurt, Stuttgart und Baden-Baden gefunden hat.

Hier treffen wohl zwei Paradigmen aufeinander: soll  das Theater ein alltäglicher Gebrauchsraum werden und verhilft die Currywurst dem Hamlet zu mehr Besuchern oder soll das Theater ein besonderer und gelegentlich feierlicher Raum sein, in dem man den Anspruch aufstellt, etwas Außergewöhnliches und nicht Alltägliches in hoher künstlerischer Qualität durch Profis aufzuführen. Ein Intendant, dem es um die künstlerische Qualität des Besonderen im Staatstheater geht wäre mir lieber als einer, der die Alltagstauglichkeit eines Stadt-Theaters bevorzugt.

Und noch an ein anderes wichtiges Argument will ich erinnern, das ich bei den vielen sehr guten Kommentaren zum Abgang der Operndirektion gefunden habe (mehr dazu hier): Das Badische Staatstheater ist vorrangig ein Opern und Konzerthaus, bei dem Orchester, Chor und Solisten den mit Abstand größten Personalposten einnehmen. Es gibt also einen guten Grund, wieso vor Spuhler der Intendant auch immer gleichzeitig der Operndirektor war - diese Sparte muß stets im Mittelpunkt stehen; ihre Besucherauslastung ist entscheidend. Die Ausstrahlung der Karlsruher Oper als Staatstheater muß bis ins Umland reichen. Kontinuität ist hier wichtig. Der frühzeitige Abgang der Operndirektion lässt das nun schmerzlich zu Tage treten.

Ich bin anscheinend  nicht der einzige, der sich mehr erhofft hatte und schnell enttäuscht wurde. Bald sind 2,5 Jahre vorbei, 2,5 Jahre liegen noch vor uns, ggf. länger, wenn Spuhler als Sanierungsintendant vom Kultusminsterium verlängert wird. Doch profiliert hat sich der Generalintendant nicht auf dem Gebiet, auf dem ihn viele sehen wollten: Spuhler hat in Karlsruhe bisher keine künstlerischen Ambitionen gezeigt, es geht ihm weniger um die künstlerische Leuchtkraft des Hauses. Zum ersten Mal hat man in Karlsruhe ein Leitungsteam, das nicht selber inszeniert, sondern nur verwaltet. Der GI arbeitet an Grundlegendem: der Akzeptanz in breiten Schichten der Bevölkerung. Er will ein Intendant zum Anfassen sein, das Programm hat sich vom dem Kern entfernt, der traditionell dem Staatstheater vorbehalten war und sich zu Programmpunkten verbreitert, die man sonst in anderen Theatern erwartet hat. Es dominieren gute Absichten (Standard-Platitüde "Theater für alle", die "Öffnung des Theaters auf allen Ebenen") und Organisatorisches. Es wird nun Zeit, daß es wieder um Inhalte und Qualität geht.

6 Kommentare:

  1. Ich gratuliere Ihnen zu Ihrem Résumé.

    Morgen 04.11.13 ist Herr Feuchtner leitender Moderator eines Theatergespräches:
    SCHAUSPIEL "Prinz von Homburg".
    Wird da evtl. eine Weiche gestellt ? :-)

    Noch einen schönen Abend
    Klaus


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    1. Vielen Dank, aber ich glaube, eine Gratulation zu den Frust- und Enttäuschungs-getriebenen Stimmungsbildern kann ich nicht annehmen, sondern werte sie lieber als Solidaritätsbekundung.
      Bzgl. Weiche - ich glaube nicht. Dr. Feuchtner gehört zum Kreis der kompetenten Dramaturgen, die sowohl literarisch als auch musikalisch etwas Profundes zu sagen haben. Schade, wenn er auch gehen würde - seine Texte las ich immer sehr gerne.

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  2. Ihr Visionsvorschlag gefällt mir: "ein Haus, dessen künstlerische Qualität ein großes Publikum lockt und das seinen Platz auf der Landkarte zwischen Frankfurt, Stuttgart und Baden-Baden gefunden hat."
    Im Moment würde ich eher sagen: Karlsruhe sucht seinen Platz zwischen Mannheim, Heidelberg und Pforzheim. Da fällt es leichter sich zu profilieren.
    Immerhin funktionieren in Karlsruhe Ballet und Orchester immer noch sehr gut.
    Das Schauspiel ist langweilig und das Ensemble ohne Charisma.
    Bei der Oper gab es gute Ansätze und Ideen die zu oft entweder an der Kritik oder Publikum vorbei inszeniert waren. Schaback erschien mir immer zu unsichtbar und wurde von Spuhler verdrängt, der alle Aufmerksamkeit auf sich zog. Ein neuer Opernchef ist ein Erfolg, wenn er bekannt wird und Spuhler sich neben ihm nicht automatisch in den Vordergrund drängt.

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    1. Danke und ja, vielleicht sollte Spuhler unsichtbarer werden und seinen Sparten-Leitern der Vortritt lassen.

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  3. @anonym
    Vielen Dank für Ihre Analyse zu GI Spuhler, die sich mit meinen bisherigen Eindrücken passgenau deckt. Der überwiegende Großteil des Publikums wird ihn allerdings nicht so analytisch-genau wahrnehmen wie Sie und ich konzentriere mich deshalb auf den Eindruck, den seine Intendanz bei mir hinterlässt.

    Und zustimmen will ich Ihnen auch unbedingt bei dieser Formulierung, die „Theater für alle“ gut umschreibt:
    „… der eingeschlagene Weg in Richtung Revuetheater kann noch optimiert werden: Akrobatik und Zauberei, Burlesque und Kabarett, Travestie und Mundartvolksstück. Warum nicht auch ein Kasperletheater für die Kleinsten? Jede nur denkbare Zielgruppe muss erschlossen werden.“

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  4. @anonym
    Vielen Dank, daß Sie mir das Schiller-Zitat in Erinnerung gerufen haben. Es finden sich für diese Intendanz immer Vorwände zur Selbstdarstellung. Man profiliert vor allem sich selbst als Personen und macht das unter dem Deckmantel des Staatstheaters. Auf mich hat die Außendarstellung deshalb etwas Lachhaftes und Unseriöses.
    Klasse hat, wer das Theater profiliert und damit an Respekt gewinnt. Das trifft dann hoffentlich auf den nächsten Intendanten zu.

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