Größer konnte der Kontrast kaum sein: vor der Pause komplexe Werke der zweiten Wiener Schule von Arnold Schönberg und seinen bekanntesten Schülern Alban Berg und Anton Webern, nach der Pause eine Komposition von minimalistischer Schlichtheit.
Anton Webern variierte in Ricercata aus dem Jahr 1934 das Ricercar zu 6 Stimmen aus Johann Sebastian Bachs Spätwerk Das musikalische Opfer für ein kleines Orchester und dieses kurze Stück mit wenigen Minuten Spieldauer ist für den Beginn eines Konzerts gut geeignet: Ein schöner Einstieg ohne Nebenwirkungen.
Arnold Schönberg komponierte Ein Überlebender aus Warschau in Zwölftontechnik für einen deklamierenden Sprecher, Männerchor und Orchester im Jahre 1947. (Das Programmheft gibt diesbezüglich sehr interessante Informationen und ist von Bernd Feuchtner mal wieder sehr kenntnisreich und lesenswert zusammengestellt). Als Sprecher bewies Renatus Meszar mit beeindruckend schöner Stimme seine Fähigkeit zur Empathie und Drastik. Ein ausdrucksstarkes Werk, das seine Wirkung auch durch den groß besetzten Männerchor mit ca 45 Sängern erhält, die abschließend ein traditionelles jüdisches Gebet singen.
Danach Drei Stücke für Orchester op. 6 von Alban Berg und es schien Justin Brown ein Anliegen zu sein, dieses Werk zu dirigieren: mit großer Konzentration modellierte er die komplexe Partitur und ließ Bergs Stücke in der Nachfolge Gustav Mahlers symphonisch erregt und aufreibend spannend erklingen. Ein Fortsetzung wäre möglich: Bergs Oper Wozzeck war in Karlsruhe schon lange nicht mehr zu hören.
Nach der Pause dann die Symphonie der Klagelieder des polnischen Komponisten Henryk Górecki (*1933 †2010), die 1976 als Auftragswerk für den Südwestfunk Baden-Baden komponiert wurde. (Das waren noch Zeiten: der erfolgreiche SWF mit seinem großartigen Symphonieorchester! Erst musste man die Senderfusion zum SWR und nun die Zerschlagung und Fusion mit dem Stuttgarter Orchester erdulden. Wer hätte gedacht, daß ausgerechnet eine Rot-Grüne Landesregierung Kulturpolitik unter kapitalistischen Zwang zur erbarmungslosen Einsparungspolitik setzt und den Stuttgarter Zentralismus fördert). Górecki hat als gläubiger Katholik in jedem der drei Symphoniesätze einen polnischen Text vertont; symphonische Klagelieder die von der seelenvollsten Stimme des Badischen Staatstheater Barbara Dobrzanska mit großer Innigkeit und Intensität in ihrer Muttersprache gesungen wurden. Ein meditativer Ausklang, der zeigte, daß auch in Schlichtheit Größe liegen kann.
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.
@Klaus: Vielen Dank und ebenfalls viele Grüße!
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