Mittwoch, 14. Mai 2014

Weinberg - Die Passagierin, 13.05.2014

Fast genau ein Jahr nach der Premiere (mehr dazu hier) ist Weinbergs Oper immer noch ein tiefgehendes Opernerlebnis und dem scheidenden Operndirektor Schaback und Chefdramaturg Feuchtner kann man nun wirklich nicht vorwerfen, daß sie ihr Programm "routiniert" zusammengestellt haben: ob nun Berlioz' Trojaner, Delius' Romeo und Julia auf dem Dorfe, Wallenberg, Tannhäuser, Peter Grimes, Dr. Atomic oder Riccardo Primo und auch Künnekes Der Vetter aus Dingsda - es gibt einiges, woran man sich erinnern wird.

Die Passagierin ist nun aber wirklich keine leichte Kost. Daß dennoch nicht wenige Zuschauer entschlossen, sich für die Vorstellungen Karten zu besorgen, spricht für das Karlsruher Publikum. Die gestrige vorletzte Vorstellung war noch ca zu 50-60% ausgelastet - man muß sich seelisch schon auf die dreistündige Bedrückung einlassen wollen und Verständnis für jene haben, die sich dem nicht gewachsen fühlen.

Die Not und Angst im Konzentrationslager - Weinberg schenkt den Frauenstimmen große, emotional bewegende Szenen: ob nun die wunderbare Barabara Dobrzanska in der Hauptrolle, die ab nächster Spielzeit zum Ensemble gehörende junge polnische Sopranistin Agnieszka Tomaszewska als Katja mit anrührendem russischem Volkslied oder die tiefen Frauenstimmen von Dilara Baştar und der immer besonderen Rebecca Raffell, die ebenfalls mit dem Gebet der Bronka einen weiteren großen Auftritt hat. Dazu die vielen weiteren Momente der Erschütterung: Allrounder Andrew Finden, der als Geiger Tadeusz seiner Figur Kraft aus Religion und Kultur verleiht und zeigt, wie man versucht, sich an Kostbares zu halten, um der Verzweiflung entgegen zu leben, der großartig zwielichtige Walter von Matthias Wohlbrecht sowie die ständig Bühnenpräsenz zeigende Christina Niessen als Wärterin. Oder auch die aus dem Chor so stark besetzten kleinen Nebenszenen, wie beispielsweise die von Maike Etzold gesungene Lagerinsassin, die psychisch vom Schrecken zerrüttet das Unaussprechliche des Massenmords verzweifelt als Tod durch Schnupfen darstellt - es stimmt einfach und passt zusammen, was hier ein Opernhaus mit vielen Beteiligten so mutig auf die Bühne bringt. Christoph Gedschold lässt das Orchester dazu farbenreich klingen und beweist die Stärke der Weinberg'schen Partitur, die man gerne auch kulinarisch und quantitativ genießen wollte, wenn die Handlung es denn zuließe. Musikalisch und szenisch eine Aufführung voller Spannung und Höhepunkte und ein herzliches Bravo! an alle Beteiligten für einen zweifellos schweres und vielschichtiges Erlebnis.

2 Kommentare:

  1. Danke, dass Sie Ihrer "Chronistenpflicht" nachkommen und an die aktuellen und leider letzten Aufführungen dieses bewegenden Werkes in Karlsruhe erinnern. Für mich nicht nur künstlerisch eine bewegende Inszenierung (, die im Gegensatz zu Bregenz viel eher mit visuellen "Übergangen" als mit klaren "Schnitten" arbeitet) sondern auch eine aus menschlicher Sicht nachhaltiges Erlebnis, da sich Herr Feuchtner und Frau Posmysz anlässlich der Premiere vor einem Jahr bei uns an der Schule für ein Podiumsgespräch von nahezu zwei Stunden zur Verfügung gestellt haben ("Premierenklasse"). F.Kaspar

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    1. Guten Tag Herr Kaspar,
      es ist schade, daß Die Passagierin nun schon wieder (wohl endgültig(?) in dieser Inszenierung) aus dem Spielplan verschwindet, auch wenn ich diese Oper nicht öfters oder so spontan abends zum Tagesausklang sehen wollte. Sehr viele Opern lassen sich konsumieren, bei mir geht das bei der Passagierin nicht.
      Repertoirepolitik hängt zweifellos von vielen Umständen ab: finanziell, personell, logistisch. Die Passagierin hätte meines Erachtens eine lange Lebenszeit, regelmäßige Aufführungen und vor allem eine hohe Schulklassenpräsenz verdient. Gerade diese Oper ist doch m.E. für die gymnasiale Oberstufe prädestiniert. Ich hätte ähnlich wie bei Peter Stamms ‚Agnes‘ im Schauspiel versucht, möglichst viele Oberstufenklassen für die Aufführungen zu gewinnen.
      Für mich ist Die Passagierin auf jeden Fall der größte Erfolg der aktuellen Operndirektion und ein bleibendes Erlebnis. Ich hoffe auch, daß man sich in den Symphoniekonzerten der Musik Weinbergs annimmt.

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