Freitag, 19. Oktober 2018

Puccini - Tosca, 18.10.2018

Da ist sie wieder, die unverwüstliche Tosca von Regisseur John Dew aus der Saison 1999/2000. Sänger und Dirigenten kamen und gingen, Barbara Dobrzanska (mehr zu ihr hier) hingegen ist nun schon ca. 15 Jahre die bravouröse Konstante in der Titelrolle und bekam gestern den gewohnt herzlichen Applaus für ihre charaktervolle Interpretation. Die beiden männlichen Hauptrollen erlebten gestern spannende Rollendebuts und in der Halbzeit sorgte der Intendant für Heiterkeit.

Hartmut Welker gab vor 18 Jahren den in dieser Inszenierung als Kardinal auftretenden Scarpia als lauernden Lüstling, Walter Donati dann als dominanten Zyniker, Jaco Venter zuletzt als Sadisten, Seung-Gi Jung verlieh seinem ersten Karlsruher Scarpia stimmlich etwas Unerbittliches, das sich aus Haß zu nähren scheint, sein Scarpia verachtet. Für Jung ist Scarpia eine Rolle, die er noch oft singen wird.
Der junge James Edgar Knight ist ambitioniert, er singt früh wichtige Rollen des Hauptrepertoires, als  Cavaradossi bewies er gestern Durchschlagskraft, er unterlegt seine Phrasen mit Pathos und großen Gesten, seine Interpretation ist vornehm mit vielleicht noch etwas zu viel Lust an der Pose, aber eines kann man auch bei ihm vorausahnen: er wird diese Rolle zukünftig immer wieder singen.
Viel Zufriedenheit und Applaus von den zahlreich erschienen Besuchern; Die Inszenierung funktioniert noch immer tadellos. Johannes Willig hat den Taktstock wieder übernommen, in zwei Wochen hat man mit Martina Serafin als Tosca und Lucio Gallo als Scarpia zwei vielversprechende Gäste, Rodrigo Porras Garulo singt dann wieder den Cavaradossi - man wird wahrscheinlich trotzdem vor halbleerem Haus spielen.

Der Intendant, der die Karlsruher Oper leider erfolgreich ins Abseits geführt hat, verhalf der Pause zu unerwarteter Komik. Einmal im Jahr lädt das Badische Staatstheater den Karlsruher Gemeinderat zu einer Vorstellung ein, die Sparten werden gewechselt, dieses Jahr war die Oper dran. Um den Politikern die Leistungsfähigkeit des Hauses zu beweisen, ging man also auf Nummer sehr sicher: die in diesem Jahr volljährig gewordene Karlsruher Tosca und keine Eigenproduktion des Intendanten - ein Schelm, wer jetzt grinst. Aber es kam noch besser, in der Pause gab es kurze Ansprachen für den Gemeinderat, Intendant Spuhler kam auf den neuen Freischütz zu sprechen und bewies angesichts der Pleite Galgenhumor. Er erklärte den Zuhörenden, daß manche Inszenierungen, die anfänglich abgelehnt wurden, sich im Lauf von fünf oder zehn Jahren akklimatisieren und man dann die Aufregung der Premierenzeit nicht mehr verstehen würde. Uiuiuiuiuiuiui, welch illusorische Hoffnung! Dieser Freischütz ist nicht seiner Zeit voraus, sondern kommt Jahrzehnte zu spät! Nun kann es in seltenen Fällen ja durchaus sein, daß sich Überforderung und Gedankenlosigkeit zu einem charmanten tête-à-tête vereinen. Doch hier wird das wohl nicht der Fall sein, denn es gilt primär etwas anderes: Qualität setzt sich durch und diesem Freischütz mangelt es handwerklich und konzeptionell an Sorgfalt. Nur in einer dystopischen Zukunft könnte diese Inszenierung bestehen.

Fazit: was will man mehr - eine spannende Oper mit komischer Pause.