Freitag, 1. Februar 2013

Spontini - La Vestale, 31.01.2013

Auch fünf Tage nach der Premiere (mehr dazu hier) bestätigen sich die Eindrücke des Wochenendes: dem Badischen Staatstheater gelingt eine weitere spannende musikalische Wiederentdeckung.

Regisseur Aron Stiehl entkleidet La Vestale seines antiken Handlungsgewands und betont, was nach der französischen Revolution bei der Uraufführung 1807 in Paris zwar antiklerikal gedacht war, aber nicht so deutlich wie in der Karlsruher Produktion gezeigt wurde: Aberglaube, Täuschung und die zynische Allianz von Kirche und Herrschaft. Bemerkenswert bei La Vestale ist die Bedeutungsverschiebung der nachrevolutionären Zeit: wo vor der französischen Revolution die Schuldfrage klar entschieden ist -Julia wäre ohne wenn und aber schuldig und ein göttliches Zeichen schickt das himmlische Verzeihen- ist bei Spontini der Zwang betont, der auf Julia ausgeübt wird. Nicht mehr Kirche und Staat sind im Recht, sondern deren Gesetzte zwingen die Figuren gegen ihren freien Willen in ein Korsett, gegen das sie rebellieren müssen, um ihre Liebe zu bekennen. Der Blitzeinschlag am Ende ist die Rechtfertigung eines Mentalitätswandels. In der Karlsruher Regie kommt es anders: Aron Stiehl erkannte, daß ein heutiges Publikum einen Blitzeinschlag als Lösung und Happy-End-Auslöser nicht ernst nehmen und dem Regisseur nicht abnehmen kann.

Der nachrevolutionäre Zeitgeist war so stark, daß auch die restaurative Reaktion aus Adel und Fürsten La Vestale nicht als Bedrohung sah und die Oper europaweit ihren Siegeszug antreten konnte. Das Badische Staatstheater analysierte bspw.: "Auch in Karlsruhe war die Oper sehr beliebt, wurde am Hoftheater von 1813 bis 1840, also über Jahrzehnte, jährlich gespielt." Zuletzt wurde sie 1872 in Karlsruhe gespielt bevor sie 140 Jahre lang aus der Erinnerung verschwand.

In La Vestale kann man das Bemühen um Prunk und Größe immer noch erkennen und die Oper steht damit nach Les Troyens zu Recht in der Spielplanreihe als große historische Oper auf dem Spielplan in Karlsruhe. Spontini ging es um Repräsentation und Wirkung - und ein wenig erscheint seine Oper heute mehr klassizistisch erstarrt als romantisch bewegt. Als Zuhörer interessiert man sich musikalisch nur für die Figur der Julia, die die meisten und interessantesten Arien hat. Licinius hingegen ist nur unzureichend charakterisiert, ohne Paradearie oder tiefe Empfindung. Ihre Liebe bleibt steril. Der Regisseur verzichtet folgerichtig auf zu große Nähe zwischen den beiden; auch im Liebesduett erfolgt fast keine Berührung.

Regisseur Aron Stiehl hatte bereits in seiner oft gelobten Karlsruher Tannhäuser-Inszenierung  einen reduzierten Charakterisierungsansatz gewählt. Bei La Vestale erscheint die Personenführung immer wieder zu vorhersehbar und  unspontan. Man kann sich darüber streiten, ob das nun reduziert oder zu schlicht ist. In beiden Fällen erlaubt diese Form der Inszenierung zumindest die Konzentration auf Sänger, Musik und Stimmungsfarben.

Die Höhepunkte der Oper befinden sich im 2. Akt: Julias Szenen gehören zu den emotionsreichsten und dramatisch expressivsten Momenten des Abends. Die Sopranistin Daniela Köhler, die im Februar die B-Premiere singen sollte, sprang bereits gestern für die erkrankte Barbara Dobrzanska ein. Köhler studierte an der Musikhochschule in Karlsruhe und war Mitglied des Karlsruher Opernstudios. Man konnte gespannt sein, wie sich die junge Sängerin in ihrer ersten Hauptrolle präsentiert - und sie hatte einen guten und vielversprechenden Auftritt und wird sich bei den kommenden Aufführungen noch steigern können.
Die Rolle des Licinius ist bei Andrea Shin bestens aufgehoben und ein wenig bedauert man, daß er nicht die Gelegenheit hat mehr kantable Arien zu singen, um die Schönheit seiner Stimme effektvoller in Szene zu setzen.
Konstantin Gorny als Pontifex schafft es durch seine starke Bühnenpräsenz und Stimme, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und seiner Figur einen Charakter zu geben. Ich kann mich nur wiederholen: Bravo! Es wird Zeit, daß man ihm mal wieder eine Oper und Inszenierung auf seine Stärken hin maßschneidert (z.B. als Heinrich VIII. in Donizettis Anna Bolena? Wer denkt nicht gerne zurück an Verdis Attila oder seinen Auftritt als Don Giovanni oder Boitos Mefistofele oder Méphistophèles in Gounods Faust). 
Kataharine Tier 
ist ebenfalls ein klarer Gewinn: stimmgewaltig und dominant nimmt man ihr die Oberpriesterin jederzeit ab. An diesem Abend sang Klaus Schneider die Rolle des Cinna und es bleibt mir rätselhaft, wieso er nicht schon die Premiere sang.
Wie immer kann man sich auf Johannes Willig und die Badische Staatskapelle sowie den Chor verlassen, der in La Vestale eine tragende Rolle und viel Text hat und von Ulrich Wagner wieder sehr gut einstudiert ist.

Eine musikalisch spannende und in ihrer inszenatorischen Haltung intelligente und begrüßenswerte Produktion mit einer etwas zu statischen Regie, die dennoch nicht stört und den Stimmen den Vorrang lässt.

2 Kommentare:

  1. Erweckt vielleicht Ihr Interesse:

    http://www.der-neue-merker.eu/karlsruhe-la-vestale-von-gaspare-spontini-premiere

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