Sonntag, 1. September 2019

Vorschau auf die Spielzeit 2019/20 des Badischen Staatstheaters

Eine neue Saison beginnt, doch wer traut der Intendanz zu, das Ruder noch mal herumzureißen? Man hat in Karlsruhe die Chance zu frischem Wind und Neuanfang verpaßt, als die Kulturpolitiker Intendant Spuhler Gnadenbrot gewährten und ihm als Sanierungs- und Baustellenintendant den Job für die mageren Jahre gaben. Als Kapitän des Badischen  Staatstheaters wird ihm nur der bescheidene Ruf bleiben, das Schiff in flache Wasser manövriert und die Werft angesteuert zu haben. Um auf große Fahrt zu gehen, benötigt man ein anderes Format. Die Flaute im Flachwasser scheint noch einige Zeit anzuhalten, es ist nun die Pflicht der Direktoren, ins Offene rauszuschwimmen statt im Plantschbecken zu dümpeln. Die individuellen Perspektiven sind dabei für die bevorstehende Saison unterschiedlich.

Defizitäre Oper
Justin Browns letzte Saison als Generalmusikdirektor steht bevor. Wer nun spekulierte, daß er zum Abschied noch mal Großprojekte bekommt, wird enttäuscht. Nur eine mickrige Wiederaufnahme für den Wagner-Könner Brown, vier Vorstellungen von Tristan und Isolde. Keine Meistersinger, kein Parsifal, kein Tannhäuser. Eine Wiederaufnahme und eine Premiere (Bergs Wozzeck) - nun ja, man hätte etwas Geld in die Hand nehmen können und Brown einen großen Wagner-Abschied spendieren können, Gäste engagieren, etwas auf die Beine stellen ... Die Leistungsfähigkeit der Karlsruher Oper wird seit Jahren nicht mehr ausgereizt, man dümpelt am unteren Rand, weniger geht nicht mehr. Aber halt, die Intendanz mogelt, es gibt so wenige Opernpremieren, daß man das Abonnement nicht mehr bedienen kann und eine Ballett-Vorstellungen als Ersatz anbieten muß (in gewisser Weise eine wiederholte Publikumsverarschung - man muß es so deutlich benennen). Die einst stolze Karlsruher Oper ist schon unter Niveau heruntergespuhlert. Weniger scheint kaum noch möglich, doch man soll die Perfidie der Verantwortlichen nicht unterschätzen. Am Geld liegt es nicht, Intendant Spuhler gönnt dem Badischen Staatstheater einen dubiosen Luxus - man hat eine "Agentin für Diversitätsentwicklung" eingestellt. "Sollte man nicht in einer Gruppe wie einem Theater eher nach Gemeinsamkeiten suchen, anstatt die Segmentierung weiterzutreiben?" fragte die Zeitschrift Die deutsche Bühne Helmut Schäfer vom Mülheimer „Theater an der Ruhr“. Dieser antwortete: "Da wird in gewisser Weise ja ein Polizist gesucht. Zugleich ist es ein Ohnmachtsbekenntnis, es alleine nicht zu schaffen. So wie Frau von der Leyen für alles Berater braucht, nun auch das Theater, damit es den Parcours besteht, der durch politische Korrektheit entsteht. Das ist ja auch nicht alles doof: daß man aufmerksam darauf wird, auf den Sprachgebrauch zu achten, daß wir bestimmte Dinge vermitteln, deren wir uns nicht bewußt sind. Daß daraus eine Sprachpolizei geworden ist, die man nun engagieren muß, um den Parcours der aufgestellten Hürden umreiten zu können, zeigt jedoch die ganze Verkehrung."
Mehr muß zu dieser lächerlichen Geldverschwendung nicht gesagt werden.
  
2019/2020 gibt es ein konservatives Opernprogramm, überwiegend unter dem Motto Keine Experimente! Bei Gounods Faust und Mozarts Don Giovanni steht man vor der spannenden Frage, ob erneut populäre Werke verhunzt werden, Alban Bergs Wozzeck kann das ebenfalls drohen. Es gibt zwei Koproduktionen, man übernimmt Puccinis Turandot und Lehárs Lustige Witwe. Nach dem großen Erfolg von Serse liegen die Erwartungen für Händels Tolomeo sehr hoch. Neben Wiederaufnahmen aus der Vorsaison und den Altproduktion (Zauberflöte, Hänsel und Gretel) gibt es nur zwei Repertoire-Stücke: Tristan und Isolde und My fair Lady (beide aus der Saison 2015/2016). Na ja, immerhin bleiben die Händel-Festspiele weiterhin auf hohem Niveau und die Opern- bzw. eher Casting-Direktorin Braunger will die Opern-Galas retten und verscheuchtes Publikum zurück locken.

Platz für Neues! Auf den Abschied folgen Begrüßung und Vorfreude
Es kann als Makel wirken von Intendant Spuhler engagiert zu werden. Qualität und Können schienen beim Auswahlprozeß in den vergangenen Jahren nicht stark genug berücksichtigt zu werden, stattdessen gibt es wohl andere Kriterien, über die man spekulieren darf. Bridget Breiner darf man diesen Vorwurf nicht machen! Sie ist weder namenlos noch Quotenschaf, eine Findungskommission wählte sie aus gutem Grund. Als langjährige Solistin des Stuttgarter Balletts ist sie im Land bekannt, hier startete sie ihre Karriere als Choreografin. Als Direktorin des Ballett im Revier wurde sie gefeiert und zwei mal mit dem Theaterpreis Faust ausgezeichnet. Mit Bridget Breiner bekommt Karlsruhe die bestmögliche Kandidatin, man darf gespannt sein, wie sie in den kommenden Jahren das Ballett weiterentwickelt. 

Pose und Positionierung
Hat die Karlsruher Schauspieldirektorin Anna Bergmann ihr Pulver bereits verschossen? Kann sie jenseits von ideologischer Pose endlich mal wieder eine gute Schauspielsaison ohne Zeigefinger und Wichtigtuerei stemmen und für eine überzeugende künstlerische Positionierung sorgen? Alle Abonnenten müssen in der kommenden Saison stark sein: im Kleinen Haus gibt er nur Erst- und Uraufführungen, im Studio landen klassische Stoffe, die wahrscheinlich von Regieassistentinnen in freiwillig weltanschaulich beschränkter Weise neu interpretiert werden. Es scheint, als würde man am liebsten zeigen, was ins Raster der Psychokolumnen von feministischen Frauenzeitschriften paßt. Die Neue Zürcher Zeitung schrieb kürzlich, daß die Deutschen "nicht nur Weltmeister im Moralisieren, sondern auch im Heucheln" sind. Das Badische Staatstheater hat seit der Intendanzübernahme von Peter Spuhler ein ähnliches Problem, der erhobene Zeigefinger und die Spießigkeit der Belehrung scheinen zum Theaterkonzept der Intendanz dazuzugehören. Das Theater steht stärker als in den Jahrzehnten zuvor für Konformismus von oben, man hat eine Selfie-Intendanz, die bevorzugt sich selbst und ihr ideologisches Erbsenpüree in Szene setzen will und dafür das Theater instrumentalisiert. Auch Anna Bergmann scheint in diese Falle zu gehen, wenn sie ebenfalls das Publikum feministisch segmentieren will.
Aber halt, jeder hat eine zweite Chance verdient, es gab in der letzten Saison manche guten Ansätze und Schauspieler, denen man besondere Rollen wünscht, in denen sie ihr Können ausreizen dürfen. Es gibt in der kommenden Saison 11 Schauspielpremieren und ein Musical, einer der Höhepunkte könnte das Gunnar Schmidt Solo im Udo Jürgens Abend werden sowie Anna Bergmanns zweite Ingmar Bergman-Produktion Passion- Sehnsucht der Frauen. In Georg Büchners Woyzeck wird die Konstellation getauscht, Anna Gesa-Raija Lappe spielt die eigentlich männliche Titelfigur - ein spannendes Experiment, das inszenatorisch ziemlich schief gehen kann, doch das ist ja in den letzten Jahren eher die Regel geworden.
Wird es endlich mal wieder eine sehr gute Komödieninszenierung geben? Oscar Wildes Bunbury wird zum Prüfstein für die Humorfähigkeit der Schauspieldirektion, der man in dieser Hinsicht eine deutliche Entkrampfung wünschen darf. Das Autorenduo Lutz Hübner und Sarah Nemitz pflegt einen unspektakulären deutschen Humor, in Frauensache treffen selbsternannte Lebensschützer und Gutmenschen zum Gefecht aufeinander. Letzte Saison scheiterte man an Elfriede Jelineks Königsweg, vielleicht klappt es nun mit ihrem Sportstück.

Fazit: Es wird wahrscheinlich auch in der kommenden Spielzeit vom Badischen Mumpitztheater der Intendanz zu berichten sein. Es ist zu befürchten, daß die Entwicklung zum Relotius-Theater droht.