Dienstag, 17. September 2019

1. Symphoniekonzert, 16.09.2019

Welch bemerkenswerter schöner Einstieg in die Konzertsaison!
 
Lord Byrons romantisches Gedicht in drei Akten über den psychisch labilen Manfred (veröffentlicht 1817) ist heute kaum noch jemand ein Begriff, ebensowenig Robert Schumanns (*1810 †1856) Vertonung. Sein "dramatisches Gedicht mit Musik" für Solo, Chor und Orchester gilt als großer Langeweiler, kaum einmal wird das ganze Werk aufgeführt. Deswegen wird üblicherweise nur die Manfred-Ouvertüre musiziert, und so begann dann die Konzertsaison romantisch und dramatisch kraftvoll.

Der 200. Geburtstag von Clara Schumann (1819 †1896) ist ein guter Anlaß, ihr Klavierkonzert a-moll op. 7 aufzuführen - das Werk einer selbstbewußten Sechzehnjährigen, das sich an Vorbildern der Epoche orientiert und den Pianisten brillieren läßt. Magdalena Müllerperth spielte das technisch anspruchsvolle Konzert voller Elan und Beredtheit, kraftvoll und weitläufig im Allegro maestoso, sehnsuchtsvoll in der Romanze (einem zärtlich-erotischen Duett zwischen Klavier und dem von Konzertmeister Thomas Gieron hingebungsvoll gespieltem Cello) und voller rasanter Spielfreude im Finale. BRAVA! Ein Plädoyer für ein schönes Konzert und auch ein Plädoyer für all die in Vergessenheit geratenen Klavierkonzerte des 19.Jahrhunderts, die heute kaum noch jemand spielt (bspw. Hummel, Kalkbrenner, Czerny, Hiller, Henselt, Moscheles, Scharwenka, ...). Die Zugabe Müllerperths war grandios! Eines der schönsten Werke der Klavierliteratur, das Clara Schumann von Franz Liszt gewidmete La Campanella. Die Pianistin stürzt sich furchtlos und souverän in dieses schwer zu spielende Stück und wurde belohnt - Begeisterter Applaus und Bravos von Publikum und Orchester. Am Badischen Staatstheater hat man hoffentlich notiert, wie stark die junge Pianistin hier aufgetreten ist und lädt sie bald wieder zu einem Konzert nach Karlsruhe ein. Es ist offensichtlich, was sie hier spielen müsste - eines (oder mehrere) der fünf Konzerte Ludwig van Beethovens, die schon seit vielen Jahren in Karlsruhe nicht mehr zu hören waren, oder auch alternativ Robert Schumanns Konzert oder eines von Mendelssohn oder Mozart.

Und nochmal Manfred, und zwar ein hörbar russischer. Zwischen 4. und 5. Symphonie komponierte Tschaikowskys seine Manfred-Symphonie, die mit ca. 60 Minuten Spieldauer sein umfangreichstes Orchesterwerk ist. Die eher innerlichen Ecksätze tönen von hochdramatischen Momenten, seelischen Nöten und Erlösung, die eher äußerlichen Binnensätze kontrastieren durch Geschehen und Farbe. Johannes Willig zog alle Register und hielt Maß, er baute die Höhepunkte umsichtig, peitschte die Musik voran oder ließ sie sich in die Breite vor dem Abgrund türmen, ohne daß sich die aufbegehrenden und sich windenden Seelenqualen zu Tonschmalz verfestigten. Die Manfred-Symphonie erklang als symphonische Dichtung mit leidenschaftlichen Eruptionen, pastoralen Elementen und Orgelbegleitung am Ende - ein Orchesterspektakel der sehr gut aufgelegten Badischen Staatskapelle zur Saisoneröffnung, wunderbare Holzbläser (insbesondere die dunkel timbrierten Fagotte und Leonie Gerlach an der Baßklarinette), aufregend das groß besetzte Schlagzeug. Bravo!