Man kann die Thorwald-Inszenierung bemängeln, aber man muß auch eines eingestehen: diese Carmen ist die ideale Einstiegsoper für Neu- und Gelegenheitsbesucher. Das Publikum wird nicht durch überraschende Regieeinfälle abgelenkt, sondern schaut und hört unbelastet zu und hat Spaß an einer bekömmlichen Präsentation, die musikalisch sehr gut besetzt ist. Man könnte fast behaupten, daß es heutzutage eine mutige Regie ist, die sich selber bescheiden im Hintergrund hält und auf besondere Originalitätsbeweise verzichtet, um ein möglichst großes Publikum zufriedenzustellen. Ständig ausverkaufte Vorstellungen im zehnten Jahr nach der Premiere und persönliche Erfahrungen mit Besuchern scheinen dies zu bestätigen.
Im Vergleich zur Wiederaufnahme gab es gestern nur eine wesentliche Umbesetzung: als Micaëla sang Veronika Pfaffenzeller und sie passte sich mit einer bravourösen Leistung nahtlos ein in die hohe musikalische Umsetzung dieser Spielzeit. Vor vollem Haus gab es also viel Applaus und Zustimmung für eine Aufführung, bei der erneut vor allem Katharine Tier als Carmen und Andrea Shin als Don José herausragten. Beide werden auch bei der nächsten Premiere in knapp zwei Wochen in Spontinis La Vestale zu hören sein. Es spricht für das Karlsruher Publikum, daß es für die drei Sänger Bravo-Rufe gab (und es hätten ruhig noch mehr sein dürfen).
Beim Vorspiel des dritten Aktes, daß zu Beginn nur von Flöte und Harfe vorgetragen wird, zeigte sich leider, daß auch ein kleiner Banausen-Anteil im Publikum war: statt dieses kleine musikalische Juwel zu genießen, gab es einige wenige, die die reduzierte Lautstärke nutzen, um Bonbons auszupacken, Gespräche zu führen und Belangloses zu konstatieren. Das war aber auch das Einzige, was an diesem Abend weniger positiv auffiel. Positiv bemerkenswert ist hingegen, daß der Operndirektor um 23 Uhr noch persönlich das Theatermagazin am Ausgang an seine Zuschauer überreichte.
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.
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